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ID0125401000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 254. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. März 1953 12199 254. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 18. März 1953 Geschäftliche Mitteilungen . . . 12201A, 12233A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Albers, Graf, Jaeger (Essen), Wackerzapp, Frau Dr. Weber (Essen) . . 12201C Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses über den Entwurf eines Gesetzes zur Abwicklung und Entflechtung des ehemaligen reichseigenen Filmvermögens (Nrn. 4157, 2962, zu 2962, 3595, 3652 der Drucksachen): Von der Tagesordnung abgesetzt . . . . 12201C Änderung der Tagesordnung . . . 12201C, 12283A Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz zur Abänderung und Ergänzung des Gesetzes über die Verlängerung der Wahlperiode der Betriebsräte vom 8. Januar 1953 Gesetz über die Leistungen zur Unterbringung von Deutschen aus der sowjetischen Besatzungszone oder dem sowjetisch besetzten Sektor von Berlin (Flüchtlings-Notleistungsgesetz) Gesetz über das Abkommen vom 19. Juli 1952 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Wiederherstellung gewerblicher Schutz- rechte 12202A Kleine Anfrage Nr. 323 der Fraktion der FU betr. Vereinfachung im Grundstücksverkehr (Nm. 4132, 4176 der Drucksachen) 12202A Bericht des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die Schritte der Bundesregierung zur Erhaltung des deutschen Flachs- und Hantanbaues (Nr. 4162 der Drucksachen) 12202A Einspruch des Abg. Rische gegen den ihm in der 252. Sitzung erteilten Ordnungsruf (Umdruck Nr. 785) 12202A Einspruch zurückgewiesen 12202B Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses über den Entwurf eines Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften (Nm. 4158, 1101, 3666, 3747 der Drucksachen) 12202B Dr. Schneider (FDP), Berichterstatter 12202B Beschlußfassung 12202D Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Bundeswahlgesetzes (Nr. 4090 der Drucksachen) in Verbindung mit der Fortsetzung der ersten Beratung des von den Abg. Dr. Wuermeling, Strauß und Gen. eingebrachten Entwurfs eines Wahlgesetzes zum Bundestag der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 3636 der Drucksachen) sowie mit der Fortsetzung der ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Bundeswahlgesetzes (Nr. 4062 der Drucksachen) 12202D Scharnberg (CDU) . . . . 12203A, 12233D Mellies (SPD) 12207A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 12210D Dr. Ehlers (CDU): zur Sache 12211B persönliche Bemerkung 12235A Farke (DP) 12213A Dr. Reismann (FU) 12214A Dr. Schäfer (FDP) 12215C Fisch (KPD) 12218D Dr. Jaeger (Bayern) (CSU) 12221A Freiherr von Aretin (FU) 12225A Clausen (FU-Gast) 12225D Freudenberg (Fraktionslos) . . . 12226C Dr. Menzel (SPD): zur Sache 12226D persönliche Bemerkung 1223513 Loritz (Fraktionslos) 12230D Fröhlich (Fraktionslos) 12232A Ewers (DP) 12232D Dr. Schröder (Düsseldorf) (zur Abstimmung) 12234A Ritzel (SPD) (persönliche Bemerkung) 12234D Überweisung der Gesetzentwürfe an einen Sonderausschuß 12234C Unterbrechung der Sitzung . . 12235C Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz) (Nrn. 2872, 4080 der Drucksachen, Umdruck Nr. 756); Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung (Umdruck Nr. 774, Änderungsanträge Umdrucke Nrn. 804 bis 809, 811, 812, 818, 819, 821) in Verbindung mit der Dritten Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, FU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Einkommensteuergesetzes (Nrn. 3806, 3910 der Drucksachen; Umdrucke Nrn. 794, 810) 12235A, 12283C Reitzner (SPD) 12235D, 12271B Dr. Kather (CDU) 12239D, 12250C, D, 12252B, 12253C, 12255B, 12260A, 12262A, 12265A, D, 12266C, 12267C, 12269B, 12271D, 12272C de Vries (FDP) 12241D Kohl (Stuttgart) (KPD) 12243B Struve (CDU). . 12244C, 12253D, 12255D, 12259C, 12261C, 12266D, 12270A Dr. Besold (FU) 12246D, 12252C Dr. Zawadil (DP) 12247D, 12270D, 12272D Schmidt (Bayern) (Fraktionslos) . 12248D Frühwald (FDP) 12249C Lampl (FU) 12251A, 12253B, 12254D, 12259A Tobaben (DP) . . . 12251B, 12256B, 12264A Merten (SPD) . . 12251B, 12254B, 12262C, 12266A, 12268A Dr. Dr. Müller (Bonn) (CDU) 12251C, 12255A, 12258D, 12259D, 12265D, 12273A Dr. Horlacher (CSU) 12251C Dannemann (FDP) . . . . 12254A, 12262B Schütz (CSU) 12256C Dr. Trischler (FDP) . . . . 12257C, 12264B Dr. Lukaschek, Bundesminister für Vertriebene 12257C, 12261B, 12267D Kunze (CDU) 12258B, 12260D Kriedemann (SPD) . . . 12259B, 12260C Dr. von Merkatz (DP) 12263D Ewers (DP) 12266B, 12271D Dr. Reismann (FU) 12268C Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 12270B Persönliche Erklärungen: Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 12282D Dr. Kather (CDU) 12283B Schriftliche Erklärungen zur Abstimmung: Goetzendorff (Fraktionslos) . . . . 12284 Clausen (FU-Gast) 12285 Abstimmungen 12250D, 12252D, 12253C, 12254A, 12257D, 12258C, 12259C, 12265C, 12266D, 12268B, 12269A, D, 12270C, 12272D Namentliche Abstimmung' über den Änderungsantrag Umdruck Nr. 805 Ziffer 3 12265C, 12290 Schlußabstimmung vertagt 12273A Zur Geschäftsordnung, - Antrag auf Aussetzung der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes (Nr. 4171 der Drucksachen): Dr. Wellhausen (FDP) 12273A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. das Abkommen vom 10. September 1952 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel (Nrn. 4141, zu 4141, Nachgang zu 4141 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) (Nr. 4181 der Drucksachen; Umdruck Nr. 795) . . . . 12273B Graf von Spreti (CSU), Berichterstatter 12273C Dr. Gerstenmaier (CDU) 12276B Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . 12277C Dr. Hasemann (FDP) 12278B Dr. von Merkatz (DP) 12279C von Thadden (Fraktionslos) . . . 12280A Müller (Frankfurt) (KPD) 12280C Dr. Decker (FU) 12281C Präsident Dr. Ehlers 12282C Dr. Arndt (SPD) 12283C Schriftliche Erklärungen zur Abstimmung: Walter (DP) 12286 Dr. Keller (Fraktionslos) 12287 Bodensteiner (Fraktionslos) . . . 12288 Goetzendorff (Fraktionslos) . . . 12289 Abstimmungen 12282B, 12283D Namentliche Abstimmung . . 12282B, 12290 Vertagung der übrigen Tagesordnungspunkte 12283B Nächste Sitzung 12283D Anlage 1: Schriftliche Erklärung des Abg. Götzendorff zur Abstimmung zur zwei- ten und dritten Beratung des Entwurfs des Bundesvertriebenengesetzes . . . . 12284 Anlage 2: Schriftliche Erklärung des- Abg. Clausen zur Abstimmung zur dritten Beratung des Entwurfs des Bundesvertriebenengesetzes 12285 Anlage 3: Schriftliche Erklärung des Abg. Walter zur Abstimmung zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfs betr. das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel . . 12286 Anlage 4: Schriftliche Erklärung des Abg. Dr. Keller zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfs betr. das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel 12287 Anlage 5: Schriftliche Erklärung des Abg. Bodensteiner zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfs betr. das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel 12288 Anlage 6: Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Goetzendorff zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfs betr. das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel 12289 Zusammenstellung der namentlichen Abstimmungen 1. über den Änderungsantrag der Abg. Dr. Dr. Müller (Bonn), Dr. Horlacher, Neuburger, Revenstorff, Tobaben u. Gen. zu § 61 des Entwurfs des Bundesvertriebenengesetzes (Umdruck Nr. 805 Ziffer 3) 2. über den Entwurf eines Gesetzes betr. das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel 12290 Die Sitzung wird um 9 Uhr 7 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Anlage 1 zum Stenographischen Bericht der 254. Sitzung Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Götzendorff (Fraktionslos) gemäß § 59 der Geschäftsordnung zur Abstimmung zur zweiten und dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz) (Nr. 4080 der Drucksachen) Ich stimme gegen diesen Gesetzentwurf, weil die Möglichkeiten, das materielle Elend der Vertriebenen zu beseitigen, darin nicht ausgeschöpft sind. Insbesondere sind die §§ 13 (1) und 61 des Gesetzentwurfes für mich unannehmbar, da sie den Sinn des Gesamtwerkes gefährden. Es kann nicht behördlichem Ermessen überantwortet werden, zu entscheiden, welcher Geschädigte in „zumutbarem Maße" eingegliedert ist. Dies könnte behördlicher Willkür Tür und Tor öffnen. Des weiteren ist für mich der Gesetzentwurf unannehmbar, weil Strafbestimmungen fehlen, die auf Personen Anwendung finden, die Hilfsmaßnahmen gegenüber Vertriebenen sabotieren. Bonn, den 27. Februar 1953. Goetzendorff Anlage 2 zum Stenographischen Bericht der 254. Sitzung Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Clausen (FU-Gast) gemäß § 59 der Geschäftsordnung zur Abstimmung zur zweiten und dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz) (Nr. 4080 der Drucksachen) Ich lehne das Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge ab, weil es not-leidende Einheimische nicht mit den Vertriebenen und Flüchtlingen gleichstellt und eine nicht zu verantwortende Zurücksetzung und Benachteiligung der nachgeborenen Bauernsöhne, einheimischen Landarbeiter und der notleidenden selbständigen und unselbständigen einheimischen Erwerbstätigen zur Folge hat. Bonn, den 18. März 1953 Hermann Clausen Anlage 3 zum Stenographischen Bericht der 254. Sitzung Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Walter (DP) gemäß § 59 der Geschäftsordnung zur Abstimmung zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 10. September 19.52 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel (Nrn. 4141, 4181 der Drucksachen) Es bedarf keiner erneuten Bestätigung, daß sich das deutsche Volk moralisch verpflichtet fühlen muß, alles an den Juden in den Jahren 1933-1945 begangene Unrecht wiedergutzumachen. Diese Wiedergutmachung muß den Betroffenen oder deren Erben direkt oder über die bestehenden jüdischen Organisationen oder durch die Vermittlung der UNO zuteil werden. Eine Wiedergutmachung an den Staat Israel lehne ich ab, da dieser Staat noch nicht bestand, als die Juden in Deutschland verfolgt und vertrieben wurden. Es ist eine Illusion, wenn angenommen wird, daß durch die Zahlung von 3 450 000 000 DM an den Staat Israel dieser der Bundesrepublik gegenüber eine Haltung einnehmen könnte, wie sie im internationalen Verkehr der freien Völker üblich und völkerrechtlich gefordert werden muß. Obwohl das Schreiben 6 a zu Art. 8 des Vertrages, unsere Seeschiffahrt betreffend, zurückgezogen wurde, bleibt die Tatsache bestehen, daß die Schiffe unserer Bundesrepublik und die Besatzungen unserer Schiffe vom Staate Israel, gegenüber allen anderen Nationen, diskriminierend behandelt werden. Die angeführten Gründe machen es mir daher unmöglich, dem Vertrag mit dem Staate Israel meine Zustimmung zu geben. Bonn, den 18. März 1953 A. Walter Anlage 4 zum Stenographischen Bericht der 254. Sitzung Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Keller (Fraktionslos) gemäß § 59 der Geschäftsordnung zur Abstimmung zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 10. September 1952 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel (Nrn. 4141, 4181 der Drucksachen) Jeder rechtlich und menschlich fühlende Deutsche wird mit Entsetzen und tiefem Mitgefühl an die Verfolgungen denken, in denen große Massen jüdischer Bürger Gut und Blut zum Opfer bringen mußten. Es ist eine selbstverständliche Pflicht des deutschen Volkes, das Recht wiederherzustellen und die Leiden und Verluste dieser jüdischen Bürger zu entschädigen. Dies ist und wird im Rahmen der individuellen Wiedergutmachung geschehen, die allerdings zum Teil im Rückerstattungsrecht schon über deutsche Rechtsgrundsätze hinausgegangen ist und neues Unrecht geschaffen hat. Darüber hinaus dem nach dem Kriege neuentstandenen Staate Israel die Hand der Verständigung zu reichen und dies durch finanzielle Hilfeleistungen zu bekräftigen, wäre im Grundsatz bejahenswert. Nach dem Kriege jedoch hat dieselbe Welt, die für das Recht zu kämpfen erklärt hatte, an Deutschen, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden, so viel gleiches Unrecht verübt oder geduldet, daß die erreichbaren Mittel des deutschen Volkes für wirksame Hilfe auch an die deutschen Heimatvertriebenen bereitgestellt werden müßten. Angesichts der sonst immer betonten Finanznot der Bundesrepublik erscheint daher die Zuwendung von Milliarden von D-Mark an Israel nicht zu verantworten. Ich stimme deshalb gegen das Gesetz. Bonn, den 18. März 1953 Dr. Keller Anlage 5 zum Stenographischen Bericht der 254. Sitzung Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Bodensteiner (Fraktionslos) gemäß § 59 der Geschäftsordnung zur Abstimmung zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 10. September 1952 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel (Nrn. 4141, 4181 der Drucksachen) Ich enthalte mich, weil die individuelle Wiedergutmachung gegenüber den Juden, welche im Dritten Reiche Schäden erlitten haben, immer noch nicht geregelt ist und durch die Annahme dieses Gesetzes gefährdet wird. Dieser individuellen Wiedergutmachung gebührt aber aus moralischen und juristischen Gründen der Vorrang. Bonn, den 18. März 1953 Hans Bodensteiner Anlage 6 zum Stenographischen Bericht der 254. Sitzung Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Goetzendorff (Fraktionslos) gemäß § 59 der Geschäftsordnung zur Abstimmung zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend, das Abkommen vom 10. September 1952 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel (Nrn. 4141, 4181 der Drucksachen) Ich stimme gegen dieses Gesetz, weil ich die individuelle Wiedergutmachung befürworte. Angesichts der Notlage von Millionen deutscher Heimatvertriebener, denen ähnliches Unrecht wie dem Judentum widerfuhr, halte ich es nicht für vertretbar, dem Staat Israel Milliardenbeträge zuzuwenden. Weiterhin halte ich die Einwendungen der arabischen Staaten gegen den Gesetzentwurf für berechtigt. Das deutsche Volk darf die Freundschaft der arabischen Völker nicht verlieren. Bonn, den 18. März 1953 Goetzendorff Namentliche Abstimmungen 1. über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Dr. Müller (Bonn), Dr. Horlacher, Neuburger, Revenstorff, Tobaben und Genossen zu § 61 des Entwurfs eines Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz) (Umdruck Nr. 805 Ziffer 3) 2. über den Entwurf eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 10. September 1952 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel (Nrn. 4141, 4181 der Drucksachen) Name Abstimmung Name Abstimmung 1. 2. 1. 2. CDU/CSU I Dr. Adenauer Ja Ja Dr. Henle entschuld. entschuld. Albers Ja Ja Hilbert Ja enthalten Arndgen Ja Ja Höfler Ja Ja Dr. Bartram (Schleswig- Hohl Ja Ja Holstein) Ja — Hoogen Ja Ja Bauereisen Ja enthalten Hoppe Ja Ja Bauknecht Ja enthalten Dr. Horlacher Ja Nein Dr. Baur (Württemberg) . Ja Ja Horn Ja Ja Bausch Ja Ja Huth Ja enthalten Becker (Pirmasens)... . Ja enthalten Dr. Jaeger (Bayern) ... . Ja Nein Blank (Dortmund)... . Ja Ja Junglas Ja Ja Frau Brauksiepe Ja Ja Kahn Ja enthalten Dr. von Brentano Ja Ja Kaiser Nein Ja Brese Ja enthalten Karpf Ja Ja Frau Dr. Brökelschen .. . Ja Ja Dr. Kather Nein Ja Dr. Brönner Ja Ja Kemmer Ja Ja Brookmann Ja Ja Kemper Ja enthalten Dr. Bucerius krank krank Kern Ja Ja Frau Dietz Ja Ja Kiesinger Ja Ja Donhauser Ja enthalten Dr. Kleindinst Ja enthalten Dr. Dresbach Ja krank Dr. Köhler Ja Ja Eckstein Ja — Dr. Kopf Ja — Dr. Edert Ja enthalten Kühling Ja — Dr. Ehlers Nein Ja Kuntscher Nein Ja Ehren Nein Ja Kunze Ja Ja Eplée Nein enthalten Dr. Laforet Ja entschuld. Dr. Erhard Ja Ja Dr. Dr. h. c. Lehr Ja Ja Etzenbach Ja Ja Leibfried Ja enthalten Even Ja Ja Lenz Ja Ja Feldmann Ja Ja Leonhard Ja Ja Dr. Fink Ja enthalten Lücke Ja Ja Dr. Frey Ja enthalten Majonica Ja Ja Fuchs Ja Nein Massoth Ja Ja Dr. Freiherr von Fürsten- Mayer (Rheinland-Pfalz) . Nein enthalten berg Ja enthalten Mehs Ja enthalten Fürst Fugger von Glött . . Ja Nein Mensing Ja entschuld. Funk Ja enthalten Morgenthaler Ja Ja Gengler Ja enthalten Muckermann Ja Ja Gerns . Ja enthalten Mühlenberg Ja Ja Dr. Gerstenmaier Ja Ja Dr. Dr. Müller (Bonn).. . Ja Ja Gibbert Ja enthalten Müller-Hermann Nein Ja Giencke Ja enthalten Naegel Ja Ja Dr. Glasmeyer Ja Ja Neber Ja Ja Glüsing Ja enthalten Nellen Nein Ja Gockeln entschuld. entschuld. Neuburger Ja — Dr. Götz Nein Ja Nickl Ja Nein Frau Dr. Gröwel Ja Ja Frau Niggemeyer... . Ja Ja Günther — — Dr. Niklas Ja — Hagge Ja — Dr. Oesterle Ja enthalten Dr. Handschumacher . . . Ja Ja Oetzel — — Frau Heiler Ja Ja Dr. Orth Ja Ja Heix Ja Ja Pelster Ja Ja Name Abstimmung Name Abstimmung 1. 2. 1. 2. Pfender Nein enthalten Brünen Nein Ja Dr. Pferdmenges ... . Ja Ja Cramer Nein Ja Frau Dr. Probst ... . Ja enthalten Dannebom Nein Ja Dr. Pünder Ja Ja Diel....... . Nein Ja Raestrup Ja Ja Frau Döhring Nein Ja Rahn....... . Ja enthalten Eichler Nein Ja Frau Dr. Rehling.. . Ja Ja Ekstrand Nein Ja Frau Rösch Ja Ja Erler....... . Nein Ja Rümmele Ja Ja Faller Nein Ja Sabel..... . Ja Ja Franke...... . Nein Ja Schäffer.... Ja enthalten Freidhof Nein Ja Scharnberg..... . Ja Ja Freitag . Nein Ja Dr. Schatz Ja enthalten Geritzmann Nein Ja Schul Ja Ja Gleisner Nein Ja Schmitt (Mainz)... . Ja enthalten Görlinger Nein Ja Schmitz entschuld. entschuld. Graf Nein Ja Schmücker Ja Ja Dr. Greve Nein Ja Dr. Schröder (Düsseldorf) Ja Ja Dr. Gülich Nein Ja Schüttler Ja Ja Happe Nein Ja Schütz..... . Nein Ja Heiland Nein Ja Schuler Ja Ja Hennig Nein Ja Schulze-Pellengahr .. . Ja Ja Henßler krank krank Dr. Semler entschuld. entschuld. Herrmann Nein Ja Dr. Serres Ja Ja Hoecker Nein Ja Siebel. Ja Ja Höhne Nein Ja Dr. Solleder Ja krank Frau Dr. Hubert ... . Nein Ja Spies Ja enthalten Imig Nein Ja Graf von Spreti ... Nein Ja Jacobi Nein Ja Stauch Nein Ja Jacobs Nein Ja Frau Dr. Steinbiß Ja Ja Jahn....... . Nein Ja Storch Ja Ja Kalbfell Nein Ja Strauß Ja enthalten Kalbitzer Nein Ja Struve Ja enthalten Frau Keilhack... Nein Ja Stücklen Ja enthalten Keuning Nein Ja Dr. Vogel enthalten enthalten Kinat Nein Ja Wacker Ja enthalten Frau Kipp-Kaule Nein Ja Wackerzapp... . Nein Ja Dr. Koch Nein Ja Dr. Wahl Ja Ja Frau Korspeter... . Nein Ja Frau Dr. Weber (Essen) . Nein Ja Frau Krahnstöver.. . Nein Ja Dr. Weber (Koblenz). . Ja Ja Dr. Kreyssig Nein Ja Dr. Weiß Ja Ja Kriedemann.... . Nein Ja Winkelheide.... . Nein Ja Kurlbaum Nein Ja Wittmann.. . . Nein enthalten Lange -- — Dr. Wuermeling . Ja enthalten Lausen..... Nein Ja SPD Frau Lockmann.. Nein Ja Ludwig Nein Ja Frau Albertz.... . Nein Ja Dr. Luetkens.... . Nein Ja Frau Albrecht .... . Nein Ja Maier (Freiburg) ... . Nein Ja Altmaier..... . Nein Ja Marx....... . Nein Ja Frau Ansorge .... . Nein Ja Matzner...... . Nein Ja Dr. Arndt..... . Nein Ja Meitmann Nein Ja Arnholz...... . Nein Ja Mellies...... . Nein Ja Dr. Baade..... . Nein Ja Dr. Menzel ..... . Nein Ja Dr. Bärsch.... . Nein Ja Merten Nein Ja Baur (Augsburg) ... . Nein Ja Mertins Nein Ja Bazille...... . Nein Ja Meyer (Hagen) .... . Nein Ja Behrisch...... . Nein Ja Meyer (Bremen) ... . Nein Ja Bergmann..... . Nein J a Frau Meyer-Lauie .. . krank krank Dr.- Bergstraeßer .. Nein Ja Mißmahl..... . Nein Ja Berlin...... . Nein Ja Dr. Mommer.... . Nein Ja Bettgenhäuser... . Nein Ja Moosdorf..... . Nein Ja Bielig Nein Ja Dr. Mücke..... . Nein Ja Birkelbach Nein Ja Müller (Hessen).. . Nein Ja Blachstein Nein Ja Müller (Worms)... . Nein Ja Dr. Bleiß Nein Ja Frau Nadig Nein Ja Böhm....... . Nein Ja Dr. Nölting Nein Ja Dr. Brill krank krank Nowack (Harburg).. . Nein Ja Bromme Nein Ja Odenthal..... . Nein Ja Name Abstimmung Name Abstimmung 1. 2. 1. 2. Ohlig Nein Ja Kühn Nein enthalten Ollenhauer Nein Ja Dr. Leuze Ja Ja Paul (Württemberg) ... . Nein Ja Dr. Luchtenberg krank krank Peters Nein Ja Margulies J a Ja Pohle Nein Ja Mauk Ja enthalten Dr. Preller Nein Ja Dr. Mende Nein enthalten Priebe Nein Ja Dr. Miessner Ja enthalten Reitzner Nein Ja Neumayer Ja Ja Richter (Frankfurt)... . Nein Ja Dr. Dr. Nöll von der Nahmer Nein Ja Ritzel Nein Ja Onnen Ja enthalten Ruhnke Nein Ja Dr. Pfleiderer — — Runge Nein Ja Dr. Preiß Ja enthalten Sander krank krank Dr. Preusker Ja enthalten Sassnick Nein Ja Rademacher Ja Ja Frau Schanzenbach . . . . Nein Ja Rath Ja Nein Dr. Schmid (Tübingen) .. . Nein Ja Revenstorff Ja enthalten Dr. Schmidt (Niedersachsen) Nein Ja Dr. Schäfer Ja Ja Dr. Schöne Nein Ja Dr. Schneider Ja enthalten Schoettle Nein Ja Stahl Ja Nein Segitz Nein Ja Stegner Ja enthalten Seuffert Nein Ja Dr. Trischler Nein Nein Stech Nein Ja de Vries Nein enthalten Steinhörster Nein Ja Dr. Wellhausen Ja Ja Stierle Nein Ja Wirths — — Striebeck Nein Ja Frau Strobel Nein Ja DP Temmen Nein Ja Tenhagen Nein Ja Ahrens Ja enthalten Troppenz Nein Ja Eickhoff Ja enthalten Dr. Veit Nein Ja Ewers Ja enthalten Wagner Nein Ja Farke Ja Nein Wehner Nein Ja Dr. Fricke Ja Ja Wehr Nein Ja Hellwege Ja enthalten Weinhold Nein Ja Jaffe Ja Ja Welke Nein Ja Frau Kalinke Ja enthalten Weltner Nein Ja Kuhlemann Ja enthalten Dr. Wenzel Nein Ja Dr. Leuchtgens Ja Ja Winter Nein Ja Löfflad . Ja Nein Wönner Nein Ja Matthes Ja Nein Zühlke Nein Ja Dr. von Merkatz Ja enthalten Dr. Mühlenfeld Ja Ja Schuster Ja Nein FDP Dr. Seebohm Nein Ja — Tobaben Ja enthalten Dr. Atzenroth Ja Walter Ja Nein Dr. Becker (Hersfeld).. . Ja enthalten Wittenburg Ja enthalten Dr. Blank (Oberhausen) . . Ja Ja Dr. Zawadil Nein enthalten Blücher Ja Ja Dannemann Ja enthalten FU Dr. Dehler — — Dirscherl krank krank r reiherr von Aretin ... . Ja enthalten Eberhard Ja Ja Dr. Bertram (Soest) ... . Ja enthalten Euler Ja entschuld. Dr. Besold Ja enthalten Fassbender Ja enthalten Clausen Ja Ja Dr. Friedrich Nein Ja Dr. Decker ........J a enthalten Frühwald Ja enthalten Determann Ja Ja Funcke Ja Ja Eichner Ja enthalten Gaul Ja enthalten Hoffmann (Lindlar) Ja enthalten Dr. von Golitschek... . Nein enthalten Lampl Ja enthalten Grundmann ...... . Ja Nein Maerkl . Ja enthalten Dr. Hammer Ja enthalten Mayerhofer Ja — Dr. Hasemann Ja Ja Dr. Meitinger Ja enthalten Dr. Hoffmann (Lübeck) . . Nein Nein Pannenbecker entschuld. entschuld. Dr. Hoffmann (Schönau) . Ja Ja Parzinger Ja enthalten Frau Hütter Ja — Dr. Reismann Ja enthalten Frau Dr. Ilk Nein Ja Ribbeheger entschuld. entschuld. Jaeger (Essen) Ja Ja Volkholz Ja enthalten Juncker Ja Ja Wartner Ja enthalten Dr. Kneipp Ja enthalten Willenberg Nein Ja Name Abstimmung 1. 2. Name Abstimmung 1. 2. KPD Frau Bieganowski . . . Ja Ja Agatz Nein Nein Bodensteiner Nein enthalten Fisch Nein Nein Dr. Etzel (Bamberg). . enthalten enthalten Gundelach Nein Nein Freudenberg Ja Ja Harig Nein Nein Fröhlich Nein Nein Kohl (Stuttgart) Nein Nein Frommhold Nein Nein Müller (Frankfurt)... . Nein Nein Goetzendorff Nein Nein Niebergall Nein Nein Hedler...... . — — Niebes Nein Nein Frau Jaeger (Hannover) . Ja Nein Paul (Düsseldorf) Nein Nein Dr. Keller..... . Nein Nein Reimann Nein Nein Langer — — Renner Nein Nein Loritz Nein krank Rische — — Müller (Hannover) . . . — — Frau Strohbach Nein Nein Dr. Ott Nein Nein Frau Thiele Nein Nein Reindl...... . Ja enthalten Schmidt (Bayern).. Ja enthalten Fraktionslos von Thadden Nein Nein Frau Arnold Nein Ja Tichi krank krank Aumer krank krank Wallner Ja enthalten Bahlburg Ja Ja Frau Wessel Nein Ja Zusammenstellung der Abstimmung Abstimmung 1. 2. Abgegebene Stimmen... 376 360 Davon: Ja 196 239 Nein 178 35 Stimmenthaltung... . 2 86 Zusammen wie oben... . 376 360 Berliner Abgeordnete Name Abstimmung Name Abstimmung 1. 2. 1. 2. CDU/CSU Neumann Nein Ja Dr. Friedensburg... . Ja Ja Dr. Schellenberg.. . Nein Ja Dr. Krone Ja Ja Frau Schroeder (Berlin) . Nein Ja Lemmer Nein Ja Schröter (Berlin)... . Nein Ja Frau Dr. Maxsein... . Nein Ja Frau Wolff Nein Ja Dr. Tillmanns Nein Ja FDP SPD Dr. Henn Nein enthalten Brandt Nein Ja Hübner Nein Ja Dr. Königswarter... . Nein Ja Frau Dr. Mulert... . Nein enthalten Löbe Nein Ja Dr. Reif Nein Ja Neubauer Nein Ja Dr. Will Ja enthalten Zusammenstellung der Abstimmung der Berliner Abgeordneten Abstimmung 1. 2. Abgegebene Stimmen... . 19 19 Davon: Ja 3 16 Nein...... . 16 — Stimmenthaltung... . — 3 Zusammen wie oben 19 19
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    Rede von Hugo Scharnberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nicht nur die Tatsache, daß wir diese acht Parteien hatten, sondern vor allem ihr Verhalten führte zu der Katastrophe; aber ihr Verhalten war ebenso wie sie selbst durch das Wahlrecht bedingt.
    Das Parlament ist Gesetzgeber und hat die Regierung zu bilden und zu kontrollieren.
    Darüber hinaus aber — und das scheint man eigentlich wenig zu beachten — sollte es Aufgabe des Parlaments sein, dafür zu sorgen, daß wir eine konstruktive und verantwortungsbewußte, weil nämlich verantwortliche, einheitliche Opposition haben. Diese Aufgabe haben die Reichstage der Weimarer Periode nicht gelöst, und. dieses Versäumnis führte zu der Katastrophe. Wir haben in den vierzehn Jahren fünfzehn Regierungen gehabt, von denen die meisten Minderheitenregierungen waren; das heißt, daß in den Reichstagen sich meistens keine tragfähigen Mehrheiten bildeten, aber auch keine einheitliche Opposition bestand. Die Minderheitenregierungen lebten nicht von der Kraft, die hinter ihnen stand, sondern von der Uneinigkeit, die ihnen gegenüberstand.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Die Vorgänge, welche sich bei den einzelnen Regierungskrisen, bei der Zusammensetzung der neuen Regierungen und bei der Zusammenarbeit der jeweiligen Koalitionsparteien ereigneten, diskreditierten die Demokratie in den Augen der Bevölkerung in ständig zunehmendem Maße. Die an sich gesunde Tendenz im demokratischen Raum zum Kompromiß führt beim Verhältniswahlrecht zu Regierungen der Mitte, beim mehrheitsbildenden Wahlrecht aber zur Regierung entweder rechts oder links.
    Um Regierungen der Mitte nun, wenn man sie sich einmal als Kern vorstellt, bilden sich gewissermaßen zwei Schalen, die Opposition darstellen. Die innere Schale bildet die aus demokratischen Elementen bestehende, von konstruktiven Absichten beseelte Opposition. Die äußere Schale bilden die radikalen Parteien, nicht auf dem Boden
    der verfassungsmäßigen Staats- und Gesellschaftsordnung stehen. Dabei ist das Wesentliche, daß sich diese radikalen Parteien beim System der Regierung der Mitte rechts und links bilden, diametral entgegengesetzt sind und dadurch ausschließlich verneinend und destruktiv wirken. Nun muß bekanntlich jede Regierung damit rechnen, daß sie gewisse Anhänger im Laufe der Zeit abstößt. Bei Regierungen der Mitte wirkt sich dieser Abstoßungsprozeß als Zentrifugalkraft aus, und durch


    (Scharnberg)

    diese Zentrifugalkraft wächst nun die äußere Schale ständig an, bis sie schließlich die Mehrheit über den Kern plus der inneren Schale gewinnt.
    Betrachten Sie die Ergebnisse der acht Wahlen in der Weimarer Republik, so finden Sie diese Darstellung in klassischer Form bestätigt. Wir fingen in der Nationalversammlung mit 22 radikalen Linken an und endeten im Juli 1932 mit 230 Nationalsozialisten und 89 Kommunisten, zusammen also 319 Abgeordneten; das heißt, die Mehrheit von 608 Abgeordneten.
    Ein System von unabhängig voneinander manövrierenden Parteien in größerer Zahl zu nehmen, bewirkt aber, daß sich diese Parteien mehr oder weniger zu Interessentenvertretungs-Parteien entwickeln, aus dem einfachen Grunde nämlich, weil es so viele echt politische Konzeptionen gar nicht gibt und die Parteien daher auf die Vertretung bestimmter Standesinteressen ausweichen. Die Wähler aber lehnen in einem sehr richtigen politischen Instinkt solche Interessentenparteien auf die Dauer ab. Ich erinnere an den völligen Verfall der Deutschen Volkspartei und der Staatspartei, die sich im Laufe der Zeit ja stark der Interessen der Industrie bzw. des Handels annahmen und die in ihren besten Zeiten 65 bzw. 75 Sitze hatten, im November 1932 aber nur noch 11 bzw. 2 Sitze erhielten.
    Ich erinnere aber auch daran — und dies, Herr Menzel, soll gewiß kein Liebesverben sein, sondern nur ein ganz bescheidener Hinweis —, daß auch die Sozialdemokratie von ursprünglich 38,7 % auf 20,4 % zurückging und im Laufe der Weimarer Periode 4,5 Millionen Wähler verlor.

    (Abg. Dr. von Brentano: Hört! Hört!)

    Die Bilanz des Verhältniswahlrechts nach dreizehn. Jahren Weimarer Republik zeigt also einen vollständigen Verfall derjenigen Mittelparteien, die sich stark zu Interessentenvertretungsparteien entwickelt hatten, und ein durch zwei radikale Flügelparteien arbeitsunfähig gemachtes Parlament.
    Und sehen Sie, meine Damen und Herren von der SPD, darum geht es uns, wenn wir so leidenschaftliche Gegner des Verhältniswahlrechts sind: Das soll nicht noch einmal passieren.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Sehr gut! — Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Baur [Augsburg]: Feine Ausrede!)

    Wenn ich gesagt habe, daß die Konzeption einer Regierung der Mitte falsch ist, so will ich damit keineswegs sagen, daß eine Politik der Mitte falsch ist und daß ein Zweiparteiensystem oder ein System zweier Parteigruppierungen eine Abkehr von einer Politik der Mitte und des Kompromisses ist. Das Gegenteil ist der Fall. Dadurch, daß die jeweils opponierende Gruppe jederzeit danach strebt und bereit sein muß, die Verantwortung zu übernehmen, verschiebt sich ihr politischer Kristallisationspunkt organisch zur Mitte. Dasselbe trifft für die Regierungsgruppe zu. Gleichzeitig werden die radikalen Elemente angezogen und im Rahmen der Politik der Regierungs- und Oppositionsgruppen neutralisiert. Aus der Zentrifugalkraft beim Verhältniswahlrecht ist eine Zentripetalkraft beim Mehrheitswahlrecht geworden.
    Man sage auch nicht, daß die Bestimmungen des Grundgesetzes über die Kanzlerwahl und das konstruktive Mißtrauensvotum die gefährlichen Wirkungen des Verhältniswahlrechts aufzuheben vermögen. Die erfreuliche Stabilität unserer Regie-
    rung seit 1949 beruht auf den klaren Mehrheitsverhältnissen im Bundestag.

    (Abg. Dr. Menzel: Na, na!)

    Wenn einmal solche Mehrheitsverhältnisse nicht vorhanden sind, werden die Bestimmungen, so fürchte ich, versagen, und es wird zu sehr schwierigen Beziehungen zwischen Bundestag und Bundesregierung kommen.
    Der Regierungsentwurf ist ein Kompromiß zwischen dem Mehrheitswahlrecht und dem Verhältniswahlrecht. Er läßt beide Elemente selbständig nebeneinander bestehen. Das Entscheidende beim Regierungsentwurf ist, daß er politisch isolierte Parteien, das heißt radikale oder Interessentenvertretungsparteien, vor die Wahl stellt, entweder aus ihrer politischen Isolierung herauszugeben und sich mit anderen Parteien zusammenzutun, oder sich damit abzufinden, daß sie nur die Hälfte der Wähler bekommen, die sie erhalten würden, wenn nach dem alten Bundestagswahlrecht oder nach dem SPD-Entwurf gewählt würde.

    (Abg. Ritzel: Eine Vergewaltigung des Wählerrechts!)

    — Darauf komme ich gleich. — Die Rechnung ist sehr einfach. Bei dem SPD-Entwurf würde z. B. eine radikale Partei, wenn sie 10 % Stimmen aufbringt, bei 484 Mandaten 48 bekommen. Bei dem Regierungsentwurf, bei dem ja nur 242 Mandate nach der Verhältniswahl verteilt werden, würde eine solche Partei, weil sie mit 10 % Stimmen ja kaum Aussicht hat, in der direkten Wahl ein Mandat zu erringen, nur 24 Mandate erhalten. Wenn aber diese Partei mit einer anderen, nicht radikalen zusammengeht — was letztere natürlich nur dann tut, wenn die andere auf ihren Radikalismus verzichtet —, bekommt sie durch den internen Proporz mehr oder weniger ihre 48 Mandate. Hierin liegt die von uns gewünschte integrierende Wirkung, die dahin geht, daß einerseits die einzelnen Parteien völlig selbständig bleiben, daß sie trotzdem aber gehalten werden, schon vor der Wahl zu zeigen, wo sie politisch stehen, anstatt ihre Wähler nach der Wahl mit einer Regierungskoalition zu überraschen, die ganz anders aussieht, als die Wähler sie sich gedacht haben.
    Das Gesetz hat in der Öffentlichkeit eine vielfach abfällige Kritik gefunden. Die Kritik wendet sich gegen die Hilfsstimme. Dabei wird übersehen, daß die Hilfsstimme gar nichts anderes bezweckt, als den zweiten Wahlgang bei der absoluten Mehrheitswahl zu vermeiden.

    (Zuruf von der SPD: Fauler Zauber!)

    Grundsätzlich sollen 242 Abgeordnete nach dem absoluten Mehrheitswahlprinzip gewählt werden; und hiergegen kann doch wohl niemand sagen, daß es eine einseitige Begünstigung der Koalition herbeiführe oder gar verfassungswidrig sei.
    Ob man bei der Hilfsstimme bleibt oder zur absoluten Mehrheitswahl bei der Wahl der 242 im Wahlkreis zu wählenden Abgeordneten übergeht, ist eine Frage völlig sekundärer Bedeutung. Man wird in aller Ruhe überlegen müssen, was zweckmäßiger ist: die größeren Kosten und manche sonstigen Nachteile der zwei Wahlgänge in Kauf zu nehmen, oder mit dem Instrument der Hilfsstimme oder einer anderen Methode den zweiten Wahlgang zu vermeiden. Die Kritik wendet sich ferner gegen die vorgesehene Verbindung der Bundeslisten. Die Listenverbindung in der Art, wie sie beim Regie-


    (Scharnberg)

    rungsentwurf vorgesehen ist, hat außer der bekannten Wirkung, die es beim Verhältniswahlrecht ja immer gegeben hat, die weitere Bedeutung, daß die Parteien, die ihre Listen miteinander verbinden, damit bekunden, daß sie die in den Wahlkreisen und auf den Listen gemeinsam errungenen Mandate zwischen sich so aufgeteilt wissen wollen, wie es dem Verhältnis der auf sie abgegebenen Stimmen entspricht.

    (Abg. Ritzel: Der Wähler hat nichts mehr mitzureden! Auf die Meinung des Wählers kommt es nicht mehr an!)

    Dabei wird genau das gleiche Verfahren angewandt, das Sie, meine Damen und Herren, bei dem bisherigen Wahlrecht für alle Parteien wünschten. Es verlieren oder gewinnen durch den Regierungsentwurf weder die Gruppen, die ihre Listen miteinander verbinden, in ihrer Gesamtheit noch irgendeine andere Partei Mandate. Auch geht kein im Wahlkreis erworbenes Mandat verloren. Danach ist nicht einzusehen, was gegen eine solche Listenverbindung, die eine rein interne Angelegenheit der sich verbindenden Parteien ist,

    (Abg. Ritzel: Nicht mehr des Wählers!)

    einzuwenden sein soll.
    Zu der weiteren Behauptung, das Gesetz sichere die Koalition und sei verfassungswidrig, möchte ich folgendes sagen. Das erste ist eine glatte Unwahrheit! Sie, meine Damen und Herren von der SPD, wissen ganz genau, daß dieses Wahlrecht nichts anderes bezweckt und bezwecken kann, als der stärkeren Gruppe die Mehrheit im Bundestag zu geben. Die Chancen sind für beide gleich.

    (Widerspruch von der SPD. — Glocke des Präsidenten. — Zurufe von der SPD: Das ist doch nicht wahr! — Unwahrheiten!)

    Wenn Sie mit Ihren Freunden mehr Stimmen aufbringen als wir mit unseren Freunden, haben Sie gewonnen; wenn es umgekehrt ist, was wir allerdings zuversichtlich erwarten, haben wir gewonnen!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Im übrigen: warum sind Sie denn eigentlich so kleinmütig, da man doch sonst immer von Ihnen hört, daß Sie mit einem großen Stimmenzuwachs rechnen?

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen bei der SPD.)

    Unterstellen Sie doch bitte einmal den von Ihnen erhofften oder zumindest in der Öffentlichkeit immer behaupteten Stimmenzuwachs und berechnen Sie, welches Ergebnis der Regierungsentwurf dann zeitigt! Sie werden Ihre helle Freude an diesem Gesetz haben — es sei denn, daß Sie an diesen Stimmenzuwachs nicht recht glauben!

    (Sehr gut! rechts.)

    Zu dem zweiten Argument, dem Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, möchte ich mich auf die Feststellung beschränken, daß wir ebenso wie das Innenministerium einer Verfassungsklage mit größter Ruhe entgegensehen.

    (Abg. Dr. Menzel: Und der Bundesrat? — Gegenruf des Abgeordneten Dr. Wuermeling: Wir hoffen, daß der nicht parteipolitisch denkt!)

    Sie wissen ja auch selbst, daß diese Klage abgewiesen wird.
    Ich möchte hier aber einmal etwas Grundsätzliches sagen. Ich glaube nämlich, wir würden zu einer sehr guten Übung kommen, wenn man die
    politischen Diskussionen über irgendwelche Gesetzesvorlagen nicht dadurch auf eine außerhalb dieses Hohen Hauses liegende Ebene brächte, indem man, wenn einem ein Gesetz nicht paßt, kurzerhand behauptet, es sei verfassungswidrig.

    (Sehr gut! rechts.)

    Damit wird beim deutschen Volk ein dem Ansehen der Demokratie durchaus unzuträglicher Eindruck erweckt.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Das sind Sextanermanieren!)

    Ich glaube auch nicht, daß man unserer gemeinsamen Sache, dem Aufbau der Demokratie, dient, wenn man einen Regierungsentwurf kritisiert mit Worten wie „unanständig", „schamlos", „illegal", „kalter Staatsstreich" und „Anschlag auf die demokratischen Grundlagen des Staates".

    (Abg. Dr. Arndt: Das ist sogar mal richtig!)

    Solche Worte, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, veranlassen mich doch, Ihre Einstellung zum Problem des Wahlrechts einmal ein wenig unter die Lupe zu nehmen.

    (Abg. Dr. Greve: Geben Sie das Manuskript Herrn Lenz zurück! Es ist alles Unsinn, was Sie da erzählen!)

    Dabei fällt zunächst auf, daß Herr Menzel in seiner angeblichen Begründung des SPD-Entwurfs mit keinem Wort begründet hat, warum denn die SPD dieses Verhältniswahlrecht eigentlich wünscht. Obwohl die Auseinandersetzungen über Mehrheitswahl und Verhältniswahl in der deutschen Öffentlichkeit seit Jahren geführt werden, obwohl viele Anhänger des Mehrheitswahlrechts — so wie ich es hier getan habe — die Weimarer Katastrophe und damit das ganze Elend der 13 Hitlerjahre vorwiegend dem falschen Verhältniswahlrecht zur Last schreiben,

    (Widerspruch von der SPD)

    geht Herr Menzel hierauf mit keinem Sterbenswörtchen ein. Das ist auch gar kein Wunder; denn die Sozialdemokratie hat zu der Wahlrechtsfrage keinen anderen Standpunkt als den, den sie uns fälschlich vorwirft. Für die Sozialdemokratie ist das Wahlrecht nämlich nur ein Mittel, um an die Macht zu kommen.

    (Lachen bei der SPD. — Zurufe von der SPD: Unerhört! — Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Nur mit sauberen Waffen, das ist der Unterschied!)

    — Bitte, in Hamburg, Hessen und Bremen sprach sie sich bei Verabschiedung der letzten Wahlgesetze gegen das Verhältniswahlrecht und für ein mehrheitbildendes System, also im Prinzip für die gleiche Kompromißlösung aus, wie sie der Regierungsentwurf vorsieht.

    (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD.)

    In allen anderen Ländern und im Bund setzte sie sich jedoch für das Verhältniswahlrecht ein.
    Diese überraschend widerspruchsvolle Haltung, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, erklärt sich sehr einfach aus der Wählerzahl. Alle drei Länder haben nämlich im Gegensatz zu den anderen Ländern zweierlei gemeinsam. Erstens ist die Sozialdemokratie die stärkste Partei, und zweitens besteht rechts von ihr eine ziemlich gleichmäßige Stimmenverteilung zwischen CDU und FDP, wozu in Hamburg und Bremen noch die


    (Scharnberg)

    DP kommt; mit anderen Worten, ein hohes Maß
    von Desintegration. Ihr Verhalten, meine Damen
    und Herren von der Sozialdemokratie, ist eindeutig.
    Eine Zersplitterung rechts von Ihnen gibt Ihnen
    bei Anwendung des mehrheitbildenden Wahlrechts die Chance, allein zu regieren, und Sie haben
    es ja dort, wo Sie dieses Wahlrecht durchgesetzt
    haben, in Hamburg und in Hessen, auch geschafft.

    (Abg. Erler: Aber in Hessen hat die CDU das Wahlrecht mitgemacht!)

    — Darauf komme ich gleich! — Dort aber, wo die Zersplitterung bisher nicht eingetreten ist, wie in allen anderen Ländern, muß sie herbeigeführt werden. Dazu ist eben das Verhältniswahlrecht geeignet,

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    das Ihnen die Möglichkeit verschafft, alles, was rechts von Ihnen ist, durcheinanderzubringen. und unter dem Motto „divide et impera" auch dann an die Macht zu kommen, wenn Sie nicht die Mehrheit hinter sich haben.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Haltung der CDU hingegen ist völlig konsequent, Herr Erler. Ich sagte schon, daß wir im Parlamentarischen Rat für das Mehrheitswahlrecht eingetreten sind und gegen das Verhältniswahlrecht gestimmt haben. Ebenso konsequent waren wir in Hamburg, wo ich die Verhältnisse ja nun aus eigenem Augenschein kenne und wo in den Jahren 1946 und 1949 gewählt wurde. In beiden Fällen hat die Sozialdemokratie etwas über 40 % der Stimmen bekommen. Dabei erhielt sie, weil die Parteien rechts von ihr getrennt in die Wahl gegangen waren, im Jahre 1946 75 % der Mandate.

    (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien. — Abg. Euler; Das ist „gerecht"!?)

    Trotz dieses Ergebnisses hat die CDU in Hamburg einmütig beschlossen, bei diesem Wahlrecht zu bleiben.
    Im Jahre 1949 wurde dann wieder gewählt. Die Integrationswirkung war inzwischen eingetreten, indem CDU und FDP zusammengingen. Neu trat aber damals die DP in Erscheinung, mit der ein Zusammengehen nicht ermöglicht wurde. Der Erfolg war, daß die SPD mit ungefähr der gleichen Stimmenzahl von etwa 43 % 54 % der Mandate errang. Auch jetzt blieb die CDU bei diesem Wahlrecht, weil sie seine staatspolitische Richtigkeit bejahte. So kam es denn dazu, daß dieses Wahlrecht vor kurzem aufs neue in Hamburg Gesetzeskraft erhielt.
    Warum, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, finden Sie es denn eigentlich in Hamburg nicht „unanständig", „schamlos" und „wahlbetrügerisch", mit 43 % der Stimmen 75 bzw. 54 % der Mandate zu bekommen?

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Warum ist es denn in Hessen kein „kalter Staatsstreich" und kein „Anschlag auf die Demokratie",

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien —Zurufe von der SPD)

    wenn Sie bei 44 % der Stimmen 59 % der Mandate bekommen?
    Unsere Haltung, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, gibt uns nun aber auch das Recht, für ein grundsätzlich gleiches Wahlrecht im Bundestag einzutreten! Ihre zwiespältige, lediglich
    auf parteiegoistischen Motiven beruhende Haltung aber

    (Widerspruch bei der SPD)

    nimmt Ihnen das Recht, die deutsche Öffentlichkeit in einer Frage, in der es um Sein oder Nichtsein der deutschen Demokratie geht, mit Worten zu verwirren und zu vergiften, wie Sie es getan haben!

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Menzel: Ihre Wähler denken aber anders! — Gegenruf des Abg. Dr. Wuermeling: Die Maske herunter!)

    Es ist nicht uninteressant, zu hören

    (Unruhe und Zurufe von der SPD)

    — vielleicht hören Sie mir mal zu, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, es kommt etwas für Sie Interessantes —, welche Argumente die sozialdemokratischen Sprecher bei der Verabschiedung der Wahlgesetze in der Bürgerschaft Hamburg und im Landtag Hessen vorgebracht haben. Hier habe ich eine ganze Anzahl solcher Äußerungen. Ich möchte mich aber darauf beschränken, nur eine Äußerung, die der Hamburger SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Richter in der Sitzung der Hamburger Bürgerschaft am 27. Juli getan hat, mit Genehmigung des Herrn Präsidenten vorzulesen:
    Das Verhältniswahlrecht
    — hat Richter gesagt —
    hat neben seinen großen Vorzügen auch erhebliche Schwächen, insbesondere auch dadurch, daß es verhältnismäßig kleinen Parteien und Interessentengruppen eine Vertretung im Parlament ermöglicht. Wir
    — die Sozialdemokratie —
    sind der Meinung, daß das Mehrheitswahlrecht die Möglichkeit bietet, das Gewicht jeder einzelnen Stimme des Wählers wieder stärker zur Geltung zu bringen, daß es die persönliche Verantwortung des Abgeordneten steigert und vor allem eine bessere Chance bietet, tragfähige Mehrheiten im Parlament zu bilden. (Hört! Hört! und Lachen bei den Regierungsparteien.)

    So die Äußerung von Herrn Richter. Ich könnte Ihnen auch noch viele derartige Äußerungen vorlesen.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Wie es gerade paßt!)

    Diese Äußerungen fielen immer, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, wenn es darum ging, mit Hilfe eines mehrheitsbildenden. Wahlrechts an die Macht zu kommen.
    Ich glaube aber, ich kann mich hier darauf beschränken, nur noch eine Äußerung wiederzugeben, die Herr Bürgermeister Brauer als Senatskommissar bei der Einbringung des Wahlgesetzes in der Bürgerschaftssitzung vom 26. November 1952, also vor kurzem, getan hat und die in einem so bemerkenswerten Gegensatz zu seinen Worten „kalter Staatsstreich" und „Wechselbalg" und „Werft das Scheusal in die Wolfsschlucht!" steht.

    (Lachen und Zurufe in der Mitte.)

    Herr Brauer hat nämlich zur Begründung des Hamburger Wahlrechtsentwurfs — der, wie ich sagte, dem Regierungsentwurf grundsätzlich gleicht — folgendes gesagt — Sie finden diese Worte im amtlichen Protokoll der 20. Sitzung vom 26. November —:


    (Scharnberg)

    Ein Wahlrecht
    — hat Herr Brauer gesagt —
    wie das Hamburger kann von sich sagen bzw. man kann von ihm sagen: es ist ein demokratisches Wahlrecht.

    (Lachen und Händeklatschen in der Mitte.) Das, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, sagte der Herr Brauer — um Ihre Worte zu gebrauchen — von dem „SPD-Sicherungsgesetz, das Ihner mit 42 % Stimmen 75 % und nachher 54 % der Mandate ermöglicht hat.


    (Lachen bei den Regierungsparteien.)

    Zum Abschluß noch unser Antrag, der dahin geht, die drei vorliegenden Gesetzentwürfe einem neu zu bildenden 27er-Sonderausschuß für Wahlrecht zu überweisen. Wir sind mit unseren Koalitionspartnern, für die ich diesen Antrag ebenfalls stellen darf, der Meinung, daß dieses Gesetz von den Wahlrechtsspezialisten der Parteien bearbeitet werden muß und daß diese Spezialisten in einem neuen Sonderausschuß, der so groß ist, daß auch alle Fraktionen daran teilnehmen können, zusammengefaßt werden sollten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.

(Vizepräsident Dr. Se ha f er übernimmt den Vorsitz.)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wilhelm Mellies


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Wenn man in der ersten Lesung zu dem Regierungsentwurf Stellung nehmen will, muß man wohl zunächst an den Herrn Bundesinnenminister die Frage richten: Wie sieht denn nun dieser Regierungsentwurf eigentlich aus? Der Herr Innenminister hat den gedruckt vorliegenden Entwurf in der letzten Sitzung des Bundestags begründet, aber wenige Tage später konnte man bereits durch die Presse erfahren, daß die Bundesregierung gewillt sei, eine wichtige Änderung vorzunehmen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Man wolle auf die zweite Stimme Verzicht leisten und wolle unter Umständen die Stichwahl, vielleicht sogar eine Stichwahl zwischen drei Kandidaten durchführen. Das bedeutet aber doch eine so wesentliche Änderung des Entwurfs, Herr Innenminister,

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    daß dann die Bundesregierung hätte auch den Mut
    aufbringen sollen, diesen Entwurf zurückzuziehen

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    und dem Hause den Entwurf vorzulegen, der nun die letzte Meinung der Bundesregierung, vielleicht noch nicht die allerletzte, vertritt.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Wuermeling: Statt sich über den Fortschritt zu freuen!)

    — Ach, Herr Wuermeling, es geht hier gar nicht um den Fortschritt, sondern es geht um ganz andere Dinge. Ich werde Ihnen das gleich sagen. — Aber vielleicht hat man auf die Zurückziehung dieses Entwurfes — und so etwas klang auch in der Presse an — mit Rücksicht auf das Prestige des Herrn Bundesinnenministers verzichtet, und wahrscheinlich, weil er dagegen Einspruch erhoben hat. Herr Bundesinnenminister, hier rächt sich die Tatsache, daß Sie es versäumt haben, im richtigen Augenblick den Entwurf zurückzuziehen oder ihn
    mindestens verändert an den Bundestag zu bringen. Nachdem der Entwurf im Bundesrat eine einmütige Ablehnung erfahren hatte, hätte Sie einmal sehr ernsthaft überlegen sollen, ob es nicht zweckmäßiger gewesen wäre, jetzt einen anderen Entwurf seitens der Bundesregierung vorzulegen. Hier komme ich auf den Einwurf von Herrn Wuermeling: es führt doch einfach zu unhaltbaren Zuständen in der Gesetzgebung, wenn die Bundesregierung mit Rücksicht auf das Prestige einzelner Bundesminister Gesetzentwürfe zur ersten Lesung ins Parlament bringt, zu deren wesentlichen Punkten sie selber nicht mehr steht. Das muß einmal zu einer großen Verwirrung führen, das ist aber auch bestimmt dem Ansehen des Parlaments und der Bundesregierung nicht förderlich.
    Wenn man zu dem Entwurf und zu der ganzen Frage des Wahlrechts Stellung nimmt, kann man doch an der gegenwärtigen politischen Situation nicht vorbeigehen. Wahlrechtsfragen, das wissen wir alle, sind immer sehr umstritten gewesen. Es ist unmöglich, ein Gesetz, das eine völlige Neuordnung des bisherigen Wahlrechts bedeutet, kurz vor dem Ende der Legislaturperiode zu verabschieden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich glaube, dieser Punkt sollte bei allen Parteien etwas mehr Berücksichtigung finden, als es bisher der Fall gewesen ist. Mein Fraktionskollege Dr. Menzel hat bei der Begründung unseres Entwurfs schon betont, daß wir es für notwendig halten, zu Beginn der Legislaturperiode des neuen Bundestags über ein Wahlgesetz ausführlich zu beraten, und daß wir Wert darauf legen, ein solches Wahlgesetz dann mit einer breiten Mehrheit im Parlament zu verabschieden. Nur so wird man ein Wahlrecht schaffen, das auch die innerpolitischen Spannungen beseitigt. Aber so wie jetzt verfahren wird, kann doch der fatale Eindruck nicht vermieden werden, daß die Bundesregierung versucht, im letzten Augenblick ein Wahlgesetz durchzubringen, das ihr wieder die Mehrheit sichert. Sie werden mir hoffentlich diese Tendenz des Gesetzentwurfs nicht abstreiten wollen, trotz der Ausführungen, die Herr Scharnberg soeben dazu gemacht hat. Denn wozu hat denn schließlich der Bundeskanzler und mit ihm auch der Bundesinnenminister seit Monaten Kräfte in den Ministerien angesetzt, um immer neue Berechnungen durchzuführen und immer neue Vorschläge für einen solchen Gesetzentwurf zu machen, der dieser Koalition wieder eine Mehrheit sichern soll! Wenn Herr Scharnberg vorhin darauf hingewiesen hat, daß hier dieselbe Chance für alle bestehe, dann will ich das Wort von der Unwahrheit, das er heute morgen hier wiederholt gebraucht hat, in diesem Zusammenhang nicht wiederholen. Aber, Herr Scharnberg, es ist doch mindestens objektiv unehrlich, wenn Sie angesichts der vorhandenen Situation hier eine solche Behauptung aufstellen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es handelt sich doch jetzt nicht um die sachlichen Auseinandersetzungen über die Schaffung eines guten demokratischen Wahlrechts; es handelt sich einzig und allein um den Versuch der Bundesregierung, im neuen Bundestag wieder eine Mehrheit zu bekommen.

    (Zuruf von der Mitte: Wie ist es denn in Hessen? — Zuruf des Abg. Euler.)



    (Mellies)

    — Herr Euler, Ihre Zensuren sollten Sie mal in
    Ihrer eigenen Partei anbringen; da haben Sie genug
    dummes Zeug in der letzten Zeit erfahren können.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Wir wissen, daß der Bundeskanzler bei der Durchsetzung seiner Pläne und Vorstellungen nicht gerade sehr rücksichtsvoll ist. Seine ersten Wünsche gingen deshalb auch dahin, ein Wahlrecht zu bekommen — und das sollten Sie sich, Herr Euler, mindestens auch einmal ein wenig überlegen —, das möglichst seiner Partei, nämlich der CDU, ein großes Übergewicht sichert. Aber für eine solche Regelung hätte er schon gar keine Mehrheit bekommen. Er wird es deshalb sicher sehr begrüßt haben, daß der im Parlament so schweigsame Minister für die Angelegenheiten des Bundesrats bei seiner geistigen Rundreise durch die Welt nun in Australien ein Vorbild gefunden hat, das man hier in der Bundesrepublik einführen könnte.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, soviel Mühe Sie sich auch geben werden und soviel Sie auch darüber reden werden, niemand in der Bevölkerung draußen nimmt Ihnen doch ab, daß Sie hier nicht ein Gesetz zugunsten dieser Bundesregierung durchbringen wollen.

    (Zuruf von der Mitte: Was Sie in Hamburg schon haben!)

    Aber wohin kommen wir denn mit der Demokratie — und das ist eben das Auschlaggebende bei der Diskussion im gegenwärtigen Zeitpunkt —, wenn jede Mehrheit dieses Bundestages am Schluß der Legislaturperiode den Versuch machen würde, ein Wahlgesetz zu verabschieden, das ihr wieder die Mehrheit bringt? Denn das, was Sie in diesem Falle für sich in Anspruch nehmen, würden Sie ja auch einer anderen Mehrheit des Parlaments am Schluß einer Legislaturperiode nicht verweigern können. Wenn aber die Wähler den Eindruck gewinnen, daß ihre Stimmabgabe nur dazu dienen soll, den machtpolitischen Ansprüchen bestimmter Gruppen zu dienen, dann wird es mit der Demokratie bald zu Ende sein.

    (Zustimmung bei der SPD. — Zurufe in der Mitte und rechts.)

    Wenn Sie einen Weg suchen wollten, um das Ansehen der parlamentarischen Demokratie zu untergraben, — Sie konnten keinen besseren Weg gehen, als in diesem Augenblick den vorliegenden Gesetzentwurf einzubringen!

    (Erneute Zurufe in der Mitte und rechts.)

    Meine Damen und Herren! Über die Haltung des Parlamentarischen Rates ist heute morgen auch noch gesprochen worden, und der Bundesinnenminister hat darauf hingewiesen, daß dieser bewußt darauf verzichtet habe, das erste Wahlgesetz auch für die kommenden Wahlen maßgebend sein zu lassen. Er hat dargelegt, daß der Parlamentarische Rat diese Haltung in der Erkenntnis eingenommen habe, daß alles in der Entwicklung begriffen sei. Ich will auf die Vorwürfe, die Herr Scharnberg gegen meinen Fraktionskollegen Menzel vorgebracht hat, im einzelnen nicht eingehen; das wird er wahrscheinlich selber noch tun. Aber, Herr Scharnberg, wenn Sie sich die Ausführungen von Herrn Menzel richtig angesehen hätten, dann hätten Sie diese Vorwürfe überhaupt nicht erhoben. Sie hätten zum mindesten das Wort von der Unwahrheit nicht gebraucht. Sie hätten dann, wenn Sie sich seine Rede genau angesehen hätten, festgestellt, daß Herr Menzel hier nicht vom Parlamentarischen Rat gesprochen hat, sondern von den Ministerpräsidenten, die auch Ihrer Partei angehören und die diesem Gesetz zugestimmt haben.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

    — Sehen Sie sich die Rede einmal an, Herr Schröder; dann werden Sie das bestätigt finden.

    (Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]:: Wenn, dann genau! Vorn so und hinten anders! Sehen Sie es sich ruhig an!)

    — Nein, gar nicht so, sondern wenn man hier solche Vorwürfe erhebt und von Unwahrheit spricht, dann sollte man sich zum mindesten das, was gesagt ist, einmal genau ansehen. Ich glaube, darauf würden auch Sie, Herr Schröder, Wert legen.
    Meine Damen und Herren, ich habe dem Parlamentarischen Rat nicht angehört. Aber der Herr Innenminister muß ja wissen, welche Gründe damals maßgebend gewesen sind. Ich möchte jedoch immerhin auch zugunsten des Parlamentarischen Rats noch annehmen, daß man einem kommenden Bundestag, der direkt vom Volke gewählt worden ist, die Verabschiedung eines Wahlgesetzes überlassen wollte. Wenn das richtig ist — und ich sehe, daß Sie, Herr Becker, mir zustimmen —, dann wäre es doch Pflicht dieser Bundesregierung, die von Ihrem Vertrauen getragen wird, gewesen, zeitig genug den Entwurf eines solchen Wahlgesetzes vorzulegen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sie hat das nicht getan. Wir wissen, was der Grund dafür ist. Sie hat aus den inneren Schwierigkeiten heraus, die in der Koalition selbst bestehen, diesen Entwurf erst im letzten Augenblick vorlegen können. Auch diesen klaren Tatbestand sollten Sie doch in der Auseinandersetzung nicht verwischen.
    Meine Damen und Herren! Wenn aber eine Regierung im Parlament eine Mehrheit gefunden und mit dieser Mehrheit vier Jahre regiert hat, ohne im Laufe der Legislaturperiode ein neues Wahlgesetz vorzulegen, dann sollte sie auch den Mut aufbringen, sich unter dem früheren Wahlrecht, unter dem diese Mehrheit gewählt worden ist, dem Urteil des Volkes zu stellen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Sie sollte das um so mehr, als der Bundeskanzler vor einigen Monaten von dieser Stelle aus erklärt hat, daß er den Wahlen zuversichtlich entgegensehe.

    (Zuruf von der Mitte: Tun wir auch!)

    Nun, wenn das stimmt, dann möge man diese Zuversicht auch beweisen und sie nicht durch ein Wahlrecht untermauern, das die Grundlage der Demokratie in der Bundesrepublik weitgehend zerstören wird.

    (Huh-Rufe und Zurufe in der Mitte. — Zustimmung bei der SPD.)

    — Meine Damen und Herren, ja, es scheint mir auch so, als ob Sie sehr wesentlich dazu beigetragen haben, diese Grundlagen jetzt schon zu zerstören, wenn ich mir nur einmal das Verhältnis ansehe, das zwischen der Bundesregierung und dem Parlament hier in diesem Hause besteht.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe rechts.)

    Der Herr Bundesinnenminister hat bei seiner Begründung ausgeführt, der Proporz der Weimarer Republik habe uns sogar den Verlust der Mitte gebracht, an dem dieser Staat zugrunde gegangen


    (Mellies)

    sei. Und Herr Scharnberg hat sich ja sehr viel Mühe gegeben, auch immer wieder darauf hinzuweisen, daß der Weimarer Staat an dem Verhältniswahlrecht zugrunde gegangen sei. Diese Worte des Herrn Bundesministers, aus dem Munde eines Mannes, der in der Weimarer Zeit selbst einiges getan hat, um diese Mitte zu zerstören, sind immerhin bemerkenswert.

    (Stürmischer Beifall bei der SPD.)

    Herr Minister, Sie irren, und auch Herrn Scharnberg, Sie irren, wenn Sie glauben, daß die Grundlagen der Weimarer Republik durch das Verhältniswahlsystem zerstört worden seien.

    (Zuruf von der Mitte: Das ist Ansichtssache!) Die Grundlagen der Weimarer Republik sind zerstört worden, weil es von Anbeginn an eine Partei in dieser Weimarer Republik gab, die kein Mittel scheute, um die Demokratie herabzusetzen und verächtlich zu machen; diese Partei war die Deutschnationale Partei.


    (Erneuter stürmischer Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FU.)

    Vielleicht prüfen und überlegen auch einige aus Ihren Reihen einmal, wieviel Schuld sie selbst aus dieser Zeit noch mit sich herumtragen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Wenn Herr Scharnberg darauf hingewiesen hat, daß man damals, 1933, keine Möglichkeit mehr gehabt hätte, so muß ich fragen — ich hätte die Frage heute morgen nicht angeschnitten; aber nach den Ausführungen von Herrn Scharnberg bin ich dazu gezwungen —: Woran hat es denn gelegen, daß die noch vorhandenen rechtsstaatlichen Elemente in der Weimarer Republik dem Hitler-Regime keinen Widerstand leisten konnten? Doch an der Tatsache, daß man am 23. März 1933 einmütig von allen Parteien rechts von der Sozialdemokratie dem Ermächtigungsgesetz zugestimmt hat!

    (Anhaltender lebhafter Beifall und Zurufe bei der SPD. — Abg. Renner: Die Zustimmer aufstehen!)

    Herr Innenminister, Ihre Partei hat sich in der Weimarer Zeit nicht gescheut, mit den ausgesprochenen Feinden der Demokratie, den Nationalsozialisten, gemeinsame Sache zu machen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Denken Sie nur einmal an die Harzburger Front und den gemeinsamen Weg, den Sie gegangen sind bis zum bitteren Ende Ihrer Partei, bis Ihre Partei selber dabei unter die Räder kam!

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Was veranlaßte denn diese Deutschnationale Partei unter der Führung von Herrn Hugenberg damals, diesen Weg zu gehen? Meine Damen und Herren — und das ist maßgebend für den Untergang der Weimarer Demokratie —, diese Agitation der Deutschnationalen gegen die Republik war doch getragen von dem Haß gegen jede Demokratie. von dem Haß gegen das gleiche Wahlrecht.
    von dem Haß gegen die Bestimmung des Volkes über sein eigenes Schicksal und vor allen Dingen von dem nicht zu überbietenden Haß gegen die Sozialdemokratie.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Herr Minister, seien Sie überzeugt, mit diesem Wahlgesetz gehen Sie einen ähnlich verhängnisvollen Weg. In dem Augenblick, in dem Sie versuchen, die jetzige Mehrheit durch das Wahlgesetz auch für die nächsten vier Jahre zu sichern, zerstören Sie weitgehend die Grundlagen der Demokratie in der Bundesrepublik. Das kann keine demokratische Partei ruhig hinnehmen. Ich sage das mit allem Nachdruck, ich sage das auch mit dem Hinweis auf die Folgen, die durch die Annahme eines solchen Gesetzes eintreten müßten.

    (Zuruf rechts: Aha!)

    Dafür tragen Sie, Herr Minister, und dafür trägt die Bundesregierung dann die volle Verantwortung.

    (Unruhe und Zurufe von der Mitte: Drohung?)

    Vielleicht, Herr Minister, können Sie dann zum zweiten Mal in Ihrem Leben das Bewußtsein haben, daß Sie zur Zerstörung einer Demokratie wesentlich beigetragen haben.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — PfuiRufe und weitere erregte Zurufe von der Mitte und rechts.)

    Der Kollege Schröder hat vor einigen Tagen von dieser Stelle aus in einer anderen Angelegenheit das Wort gebraucht: „um des innerpolitischen Friedens willen".

    (Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]:: „inneren"!)

    — „Um des inneren Friedens willen", schön. Wenn es Ihnen ernst ist mit einem solchen Wort, dann kann dieser Gesetzentwurf nicht Gesetz werden, weil er den innerpolitischen Frieden zerstören muß.
    Meine Damen und Herren, das in einem Augenblick, in dem täglich Tausende den Weg aus der Diktatur und der Unterdrückung in die demokratische Ordnung der Bundesrepublik suchen!

    (Zurufe von der Mitte.)

    Sollen sie denn, wenn sie hier angekommen sind, etwa zu der Feststellung kommen, daß um des Machtbedürfnisses dieser Regierung willen auch hier die demokratische Ordnung zerstört wird?

    (Abg. Renner: Das war wieder faul! — Zuruf des Abg. Schütz. — Weitere Zurufe von der Mitte.)

    — Nun, ich habe gerade zu Ihnen, Herr Schütz, und zum Vertriebenengesetz nachher noch ein paar Worte zu sagen. Vielleicht sparen Sie sich Ihre Erregung bis dahin auf.

    (Abg. Schütz: Ich bin gar nicht erregt!)

    Herr Kollege Dr. Ehlers, der ja gleichzeitig das hohe Amt des Präsidenten dieses Hauses bekleidet, hat zu den Wahlrechtsfragen vor einiger Zeit ebenfalls Stellung genommen. Er hat nachher — es war wohl in der vorigen Woche — dargelegt, daß seine Äußerungen in der Presse nicht richtig wiedergegeben worden seien.

    (Zuruf von der SPD: Wie immer! — Weitere Zurufe links.)

    Ich will mich damit im einzelnen nicht auseinandersetzen. Ich bin aber der Auffassung, daß auch nach dieser Berichtigung der erste Teil mit dem dritten Teil nicht ganz in Einklang zu bringen ist. In dem dritten Teil hat Herr Kollege Ehlers darauf hingewiesen, er habe so nebenbei hingeworfen, man könne von der Mehrheit nicht verlangen — ich habe den Wortlaut im Augenblick nicht vorliegen, aber so ungefähr war es wohl —, daß hier ein Wahlgesetz verabschiedet werde, das der Opposition einen Vorteil brächte.

    (Sehr richtig! rechts.)



    (Mellies)

    Nun, meine Damen und Herren, auch wenn diese Bemerkung nur so hingeworfen war, muß doch einmal mit allem Nachdruck festgestellt werden, daß es sich bei dem Wahlgesetz gar nicht darum handelt, ob die Mehrheit oder die Minderheit, ob die Regierungsparteien oder die Opposition eine Chance haben sollen,

    (Abg. Dr. Wuermeling: Sehr richtig!) sondern ausschlaggebend kann doch einzig und allein sein, daß der Wille des Wählers zur Geltung kommt.


    (Beifall bei der SPD und bei den Regierungsparteien. — Lebhafte Rufe von der Mitte: Sehr richtig! Sehr wahr! — Abg. Dr. Wuermeling: Ja, das merken Sie sich mal! Bravo, Herr Mellies, ausgezeichnet!)

    — Hoffentlich erinnern Sie sich daran, Herr Wuermeling, wenn es nachher um die Auseinandersetzungen über das Gesetz geht.

    (Abg. Lücke: Darum Mehrheitswahlrecht!)

    Die Auseinandersetzung über das Vertriebenengesetz in diesem Hause hat doch bewiesen, wo die Fronten im deutschen Volk wirklich liegen. Hoffentlich sind bei Ihnen — und gerade bei Ihnen, Herr Schütz — einige Nachgedanken über die Tatsache gekommen, daß das Vertriebenengesetz in der zweiten Lesung nur dadurch in einer halbwegs annehmbaren Form zustande kommen konnte, weil die sozialdemokratische Fraktion mit den Vertriebenen-Abgeordneten aus den anderen Fraktionen dafür sorgte, daß nicht bitterste Enttäuschung bei den Vertriebenen aufkam. Dadurch, daß die sozialdemokratische Fraktion sich so für das Vertriebenengesetz eingesetzt hat, obwohl es ihrer Vorstellung nicht ganz entspricht, hat sie für den inneren Frieden wirklich etwas getan, während Ihr Gesetzentwurf über das Wahlrecht nur der Zerstörung des inneren Friedens dient.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Volksverhetzung machen Sie, sonst nichts!)

    — Nun, über das Thema wollen wir beide uns lieber nicht unterhalten, Herr Wuermeling! Es gibt nämlich in diesem Hause niemanden, der es in einer Volksverhetzung weiter gebracht hätte, als Sie das getan haben!

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Wuermeling: Weil Ihnen das Material ausgeht!)

    Deshalb bin ich auf die Situation beim Vertriebenengesetz eingegangen. Sie möchten von der Mehrheit eine solche Situation in diesem Hause nicht wieder haben. Sie möchten deshalb, daß der Einfluß der Sozialdemokratischen Partei auf ein Mindestmaß heruntergedrückt wird. Wenn es möglich ist, möchten Sie durch dieses Wahlgesetz sogar eine Zweidrittelmehrheit erreichen, um damit die restaurativen Tendenzen der Bundesregierung auch im Grundgesetz verankern zu können.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Sie möchten auf diese Weise ein fortschrittliches Betriebsverfassungsgesetz und ein echtes Mitbestimmungsrecht verhindern. Sie möchten eine Sozialpolitik nach der Dehlerschen Vorstellung durchführen, und Sie möchten mit den Gewerkschaften im Sinne des Bundesministers der Justiz verfahren. Sie möchten endlich für Ihre Kleineuropapolitik immer eine feste und ausreichende Mehrheit haben. Das ist das Ziel, das Ihnen letzten Endes vorschwebt und das Sie mit diesem Wahlgesetz erreichen möchten.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    An anderer Stelle habe ich schon einmal darauf hingewiesen, daß dieser Gesetzentwurf aus diesen Gründen in Wirklichkeit ein Gesetzentwurf gegen alle Schaffenden und gegen die Vertriebenen sein wird.

    (Beifall bei der SPD.)

    In dem Zusammenhang muß ich auch noch einmal daran erinnern, daß dieser Gesetzentwurf von der Bundesregierung ausgerechnet in dem Jahre eingebracht worden ist, in dem sich zum 75. Mal der Tag jährt, an dem Bismarck das Sozialistengesetz erließ. Damals, Herr Bundesinnenminister, hat Bismarck bekanntlich versucht, die Sozialdemokratische Partei zu vernichten. Heute hegen Sie wahrscheinlich den kühnen Gedanken, durch dieses Gesetz den Einfluß der Sozialdemokratischen Partei im Parlament auf ein Mindestmaß herabzudrücken.

    (Zuruf von der Mitte: Das wäre gut!)

    Und so soll dann dem „Meister" Lehr das gelingen, was dem „Stümper" Bismarck vor 75 Jahren nicht gelungen ist.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Wuermeling: Dieses Niveau! — Weitere Zurufe von den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren! Angesichts der Tatsache — ich möchte das noch einmal mit allem Nachdruck sagen —, daß wir wenige Monate vor der Neuwahl dieses Bundestages stehen, gibt es nur eine Lösungsmöglichkeit: Die Neuwahl des Bundestages muß nach demselben Wahlrecht vorgenommen werden, das bei der Wahl dieses Bundestages in Kraft war. Für jede andere Lösungsmöglichkeit ist die Frist zu kurz bemessen, und die Schuld daran — das möchte ich auch noch einmal ausdrücklich feststellen — trägt die Bundesregierung, weil sie erst wenige Monate vor der Neuwahl mit diesem Entwurf ins Parlament gekommen ist.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Dieser Gesetzentwurf aber ist für die gesamte innerpolitische Entwicklung so entscheidend und so verhängnisvoll, daß unseres Erachtens über ihn nicht weiter beraten werden darf. Wir werden deshalb gegen die Überweisung an den Ausschuß stimmen, und wir hoffen, daß wir damit in diesem Hause eine Mehrheit finden. Wenn der Bundestag in dieser Weise zu erkennen gibt, daß er nicht gewillt ist, die innerpolitische Entwicklung schwersten Gefahren auszusetzen, dann ist das getan, was um des inneren Friedens willen geschehen muß.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg. Stücklen: Das war dünn! — Anhaltende Zurufe von der Mitte und rechts.)