Rede von
August-Martin
Euler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir und meinen politischen Freunden ist es ein Bedürfnis, zum Ausdruck zu bringen, daß wir die Sachlichkeit der Darlegungen von Herrn Professor Gülich zu würdigen wissen. Allerdings meinen wir, gerade die Sachlichkeit dieser Ausführungen hat auch klar werden lassen, daß nicht nur das Rücktrittsverlangen, sondern auch das Mißbilligungsverlangen, das die SPD erhoben hat, nicht fundiert ist. Der Herr Bundesjustizminister hat, wie ich glaube sagen zu dürfen. auf eine doch für das ganze Haus überzeugende Weise dargetan, wie sehr er erfüllt ist von dem Ringen um eine richtige Entwicklung des Rechtsstaates in diesen schweren Jahren des ersten Beginns.
Es kann wohl von keiner Seite bestritten werden, daß durch die außerordentliche Initiativfreudigkeit des Bundesverfassungsgerichts, durch seine außerordentliche Bereitschaft, neues Recht zu setzen. Lücken der Gesetze auszufüllen, gerade das große Problem in Sicht gekommen ist, das uns alle bewegen muß: aus dem Willen zur ergänzenden Setzung neuen Rechts tritt nämlich die Gefahr hervor, das Bundesverfassungsgericht möge sich in einem mit seiner Funktion nicht zu vereinbarenden Maße gesetzgeberische Funktionen aneignen, die ihm einfach nicht zustehen. Aus einer solchen Entwicklung entsteht dann die außerordentliche Gefahr, die man objektiv sehen muß. daß sich die Verteilung zwischen den drei Gewalten — der gesetzgeberischen, der exekutiven und der richterlichen — auf eine Weise verschiebt. daß das vom Verfassungsgeber angestrebte Gleichgewicht gestört wird. Auch eine Omnipotenz der richterlichen Gewalt des Bundesverfassungsgerichts kann in einem Rechtsstaate nicht zweckdienlich sein. Die Omnipotenz des Bundesverfassungsgerichts über die bejden anderen Gewalten kann nicht im Sinne des Rechtsstaates liegen. Die richterliche Gewalt ist eine der drei Gewalten, steht neben den beiden anderen, nicht aber über ihnen.
Dem Herrn Bundesjustizminister ging es darum, an Hand der letzten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts klarzumachen. daß wir über eine allzu unbedenkliche Bereitschaft des Bundesverfassungsgerichts zum Rechtsetzen in eine für den Rechtsstaat sehr bedenkliche Entwicklung hineinkommen können. Und ich glaube, daß dieser Gesichtspunkt die von dem Herrn Bundesjustizminister geübte Kritik verständlich macht.