Rede von
Herbert
Wehner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das vorliegende Gesetz ist leider nur allzu notwendig. Es gibt den Behörden die Handhabe zur vorläufigen Unterbringung dieses gewaltigen und unberechenbaren Flüchtlingsstroms. Wir wollen bei dieser Gelegenheit, bei dieser bitteren Gelegenheit, da wir noch nicht wissen, wie die Dinge weitergehen werden, in aller Ruhe sagen, daß es notwendig ist, den Tatsachen, die diese Massenflucht mit sich bringt, ins Auge zu sehen und dafür zu sorgen, daß die dadurch entstehenden neuen Lasten, die unter Umständen für alle sehr schwer sein werden, gerecht verteilt werden. Damit leisten wir das Unsrige nicht nur für das Schicksal dieser Geflüchteten und Vertriebenen, sondern für den Zusammenhalt unserer Nation, die einer neuen Prüfung unterworfen wird. Davon wird auch abhängig sein, in welchem Maße wir effektive Auslandshilfe in Anspruch nehmen und bekommen können. Aber wir sollten klar sagen - und ich möchte Gelegenheit nehmen, das wegen der Worte des Herrn Bundeskanzlers hier zum Ausdruck zu bringen -, daß eine neue Not über unser Volk hereinbricht und daß alle das Ihre dazu beitragen müssen, diese neue Not zu bannen, und zwar durch Taten.
Jetzt liegt uns daran, Flugmaschinen in ausreichender Zahl für Berlin zu bekommen. Ich denke da an einen Appell an die Alliierten,
damit dies auch wirklich ohne Rücksicht auf gewisse Privateigentumsverhaltnisse in den Gesellschaften möglich gemacht und wieder großzügig geholfen wird, was ja schon einmal bewiesen worden ist, als Berlin in Not war.
Die Aufnahmeformalitäten sollte man soweit wie möglich außerhalb Berlins erledigen, damit Berlin maximal entlastet wird.
Hier knüpfe ich schließlich auch an das an, was Herr Bundesminister Kaiser in der vorigen Woche bei der Beantwortung einer Interpellation der Christlich-Demokratischen Union gesagt hat. Er hat darauf hingewiesen, daß mit den drei westlichen Besatzungsmächten darüber gesprochen worden sei, daß man mit der sowjetischen Besatzungsmacht zu Verhandlungen kommen müßte, um, wenn möglich, den Notzustand zu beenden, unter dem die Menschen in der sowjetischen Besatzungszone leiden und zu Boden gedrückt werden.