Rede von
Herbert
Wehner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion legt nach diesem grotesken Versuch, die Tatsachen ins Gegenteil zu verkehren, Wert darauf, zu erklären, daß sie sich gegen den Antrag auf Streichung des § 1 dieses Gesetzes wendet. Wenn die sogenannte Kommunistische Partei die Regierung oder den Apparat der sowjetischen Besatzungszone in einem anderen Licht erscheinen lassen möchte, dann hätte sie es in der Hand, mit dafür zu sorgen, daß der Terror, der in dieser Zone herrscht, ein Ende findet.
Wer hat denn im Sommer vergangenen Jahres die Zonengrenze in ihrer ganzen Ausdehnung, mit Ausnahme des Loches, das für Berlin gelassen worden ist, gesperrt? Die Zonengrenze ist doch von der sowjetischen Besatzungszone gesperrt worden. Es sind dort drei verschiedene Gürtel aufgerichtet worden. Deutsche können nicht mehr zu Deutschen. Es ist ein Niemandsland geschaffen worden. Es wird scharf geschossen. Wer hat denn diese Zonengrenze - gesperrt, wenn nicht diejenigen, die in der sowjetischen Besatzungszone von Gnaden der dortigen Besatzungsmacht die Macht ausüben?
Wer hat denn die Richtlinien zur Strangulierung Berlins, die vor einigen Tagen in der Sowjet-Berliner-Presse veröffenticht worden sind, beschlossen? Es sind doch Richtlinien von Ganoven, die eine Stadt kaputtmachen wollen.
Uns klingt noch in den Ohren, was der stellvertretende Ministerpräsident und Generalsekretär der sogenannten Sozialistischen Einheitspartei vor ein paar Tagen in Leipzig auf einem angeblichen Bauernkongreß höhnisch gesagt hat: die dortige Regierung habe einer Anzahl Bauern zur Unterkunft im Zuchthaus Waldheim verholfen; dort könnten sie einige Jahrzehnte nachdenken. Zweifeln irgendwelche Menschen in Deutschland, daß ein Regime, dessen Vertreter in solcher Frivolität über das Schicksal von Menschen und ihre Freiheit spricht, bei denjenigen, die ihm unterworfen sind, Angst, Entsetzen, Schrecken, ja Panik — für die die Menschen nichts können — auslösen muß?
Dann kommt die schleichende Angst, dann kommen Dinge, die sich aus den wohlberechneten kalten „Lehren" ergeben, wie sie kürzlich aus dem sogenannten Slansky-Prozeß gezogen worden sind. Hier wird davon geredet, es seien jüdische Mitbürger sozusagen aus Versehen in Unruhe versetzt worden. Es ist doch ein furchtbarer Hohn, wenn man dem gegenüberstellt, was vor wenigen Wochen über den Zionismus, über die Juden, über den Kosmopolitismus und generell über Menschen gesagt worden ist, die einfach nicht Stalinisten sind
und die Sie zu Verbrechern gestempelt haben.
Das Gesetz, um das es hier geht, —