Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Verlauf der Diskussion um den Haushalt, den uns der Herr Finanzminister gestern vorgelegt hat, ist es selbst der Opposition trotz aller Anstrengungen nur gelungen, einige Kanten ausfindig zu machen, von denen aus sie glaubte, den Haushalt ankratzen zu müssen.
Aber wenn man sich diese Kanten einmal genauer ansieht, dann sind sie doch nicht so eckig, wie die Opposition glaubt, sie darstellen zu sollen.
Wenn Herr Professor Gülich die Besatzungskosten angesprochen hat, dann ist es doch eine Leistung unserer Finanzpolitik, wenn es trotz dieser Besatzungskosten, über deren Höhe wir nicht zu bestimmen haben, möglich gewesen ist, nicht nur sehr große Not in unserem Lande zu lindern, sondern auch eine Wirtschaftspolitik zu führen, die das Sozialprodukt mit Abschluß des vergangenen Jahres bis auf eine Höhe von 125 Milliarden DM gesteigert hat.
Von dem Erfolg dieser Finanzpolitik und dem Erfolg der sozialen Marktwirtschaft ist nicht, wie Sie immer einseitig darzustellen belieben, nur ein Teil bedacht gewesen; denn wenn Sie sich einmal die nüchternen Ziffern ansehen, dann muß doch festgestellt werden, daß auch die Lebenshaltungskosten der Arbeitnehmer an diesen Zahlen partizipiert haben. Die Lohnentwicklung zeigt nach den letzten Ziffern des Lohnindex die Höhe von 191,9, während die Lebenshaltungsindexziffern bei 171 liegen.
— Wenn Sie sagen, die Ziffern stimmen nicht, dann weiß ich nicht, in welcher Art und Weise das Wirtschaftswissenschaftliche Institut der Gewerkschaften sich dieser Zahlen bedient und mit ihnen arbeitet.
Dann hat Herr Professor Gülich davon gesprochen, daß wir schon vor dem Inslebentreten der Bundesregierung viereinhalb Jahre Gemeinde- und Länderpolitik gehabt haben. Das stimmt, Herr Professor Gülich. Aber es stimmt auch noch eins: es stimmt die Prognose, die von Ihrem Herrn am Tage X aufgestellt worden ist, daß wir in der deutschen Wirtschaft nach der Geldumstellung mit einer Arbeitslosenziffer von vier Millionen und mehr zu rechnen haben würden!
Meine Damen und Herren, diese Prognose ist nicht wahr geworden!
Dank unserer sozialen Marktwirtschaft ist es in dieser Zeit gelungen, in unserem westdeutschen Bundesgebiet rund 21/2 Millionen Arbeitsplätze mehr zu schaffen, — also auch ein Erfolg, den wir der Politik der Regierung Adenauer verdanken.
Nun hat Herr Kollege Richter von einer Novelle zum Bundesversorgungsgesetz, die längst fällig sei, gesprochen. Ich glaube, daß auch die Abgeordneten der SPD-Fraktion mir bestätigen werden, daß über die Frage der Novelle zum Bundesversorgungsgesetz im Ausschuß für Kriegsopferfragen volle Einmütigkeit herrscht und daß in diesem Ausschuß ein Beschluß gefaßt worden ist, der der Regierung übermittelt werden wird, ein Beschluß, der nicht mit Mehrheit, sondern der einstimmig, also einschließlich der Abgeordneten der SPD-Fraktion, gefaßt wurde.
Herr Kollege Richter hat sich mit der Drucksache Nr. 4005 beschäftigt und darauf verwiesen, daß wir seit dem ersten Weltkrieg zweimal das Vermögen der Rentenversicherung verloren haben. Dazu muß ich — das hat der Kollege Richter vergessen — doch darauf hinweisen, daß es trotz dieses Vermögensverlustes möglich gewesen ist — und zwar dank der Hilfe des Staates —, die gesetzlichen Leistungen der Rentenversicherung an die Rentner auszuzahlen.
— Herr Kollege Richter, Sie werden genau so wie ich wissen, wie es gleich nach dem Jahre 1945, als alles darniederlag, in Hessen dank dem damaligen Präsidenten der Landesversicherungsanstalt in Zusammenarbeit mit mir gelungen ist, die Renten sofort zu zahlen, und zwar nicht aus Mitteln der Landesversicherungsanstalt, sondern aus Mitteln, die der Staat damals zur Verfügung gestellt hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn in diesem Zusammenhang darauf verwiesen wird, daß der heutige Staat verpflichtet ist, dafür Sorge zu tragen, daß diese Mittel, die Vermögen, die verlorengegangen sind, oder zum mindesten die Zinsen für die verlorengegangenen Vermögen, fließen, und wenn wir uns einmal vor Augen halten, was von seiten der Bundesregierung in die Rentenversicherung hineinfließt, und wenn wir wissen, daß diese Zahlen über einer Milliarde Mark liegen, und wenn wir dann auch die Grundbeträge abziehen, dann ist der Rest doch weit höher als der Zinsendienst. der aus den verlorenen Vermögen hergeleitet werden könnte. Die Vermögenswerte, die die Rentenversicherungsträger verloren haben, sind also wenigstens im Zinsendienst schon im Rückfluß.
Soweit Herr Kollege Richter darauf verwies, daß es einem Rentner mit seiner Frau nicht möglich sei, mit 43 DM im Monat auszukommen, so hat er hier Zahlen dargelegt, die nicht stimmen.
Denn wenn Herr Kollege Horn darauf verwies, daß die Durchschnittsrente vor dem 1. Juni 1949 43 DM betrug, dann hat er „Durchschnittsrente" gesagt, und wenn von Durchschnittsrente in der Invalidenversicherung die Rede ist, dann denkt man an die Rente, die der höchstversicherte Facharbeiter bezieht, aber auch an die Renten der Witwen und die Renten der Waisen; und daß da sehr große Unterschiede sind, das, meine sehr verehrten Damen und Herren, weiß jeder, der sich mit Durchschnittsziffern beschäftigt. Es ist daher etwas übertrieben, wenn hier davon gesprochen wird, ein Rentner müsse mit 43 DM im Monat leben.
Es ist interessant, in diesem Zusammenhang einmal darauf zu verweisen, wie sich in der folgenden Zeit, und zwar infolge der Gesetzgebung seit dem Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz, die Renten im Verhältnis zu dem Einkommen, aus dem die Beiträge gezahlt werden, künftig gestalten werden. Legen wir hier einmal die Invalidenversicherung als Beispiel zugrunde. In der Invalidenversicherung bezieht jemand schon nach einer 30jährigen Beitragsleistung auf Grund des SozialversicherungsAnpassungsgesetzes bei einem Monatseinkommen von 150 DM 68°/o seines vorhergehenden Einkommens als Rente. Nehme ich ein Einkommen von 450 DM monatlich und ebenfalls eine 30jährige Beitragszahlung, dann macht die Rente 52 % des Einkommens und bei 40jähriger Beitragsleistung 67 % des Einkommens aus. Also ist doch auf dem Gebiete der Sozialversicherungsgesetzgebung für die jetzt noch in Arbeit Stehenden, für die kommenden Renten, schon etwas getan worden. Es muß noch versucht werden, für diejenigen, die in früheren Jahren, vor dem Krieg usw. Beiträge geleistet haben, das Notwendige zu tun.
Nun hat der Kollege Richter noch auf das Konsumbrot und auf die angenommene Tatsache verwiesen, daß die Konsumbrotsubvention beseitigt werden solle. Es klingt eigenartig, wenn das von der Opposition bekrittelt wird. Ich erinnere mich noch der Zeit, zu der die Konsumbrotsubvention eingeführt worden ist, als diejenigen, die heute die Beseitigung der Konsumbrotsubvention bekritteln, landauf, landab gefahren sind und von dem „Armeleutebrot" und von dem „Adenauerbrot" geredet haben.
In der Zwischenzeit hat sich die deutsche Bevölkerung — auch diejenigen, die nicht auf diese Subvention angewiesen sind — sehr gut an dieses Armeleutebrot gewöhnt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist nicht so, daß die Konsumbrotsubvention beseitigt werden soll, sondern es soll eine Verfeinerung dieser Subvention durchgeführt werden, und zwar so, daß diejenigen, die auf Grund ihres geringen Einkommens Anspruch auf eine Subvention haben, diese auch weiter erhalten.
Ich bin der Meinung, daß Staatsmittel — und Subventionen sind Staatsmittel — nur denjenigen zur Verfügung gestellt werden sollen, die, sagen wir einmal, an der Peripherie der Lebenshaltung leben, damit auch ihr Leben existenzwürdig bleibt. Ich bin daher der Meinung, daß man die Frage der Subvention nicht so, wie sie hier behandelt worden ist, abtun sollte. Vielmehr sollten wir alle gemeinsam bemüht sein, eine Verfeinerung zu finden, um denjenigen zu helfen, die auf diese Hilfe angewiesen sind, nicht eine Subvention, die auch denjenigen zugute kommt, die sie nicht benötigen.
— Meine Damen und Herren von der kommunistischen Gruppe, gehen Sie doch mit Ihren Ansichten nach drüben und tragen Sie das, was Sie hier vortragen — auch das, was der Kollege Renner hier vorgetragen hat —, drüben auf der andern Seite des Eisernen Vorhangs vor. Ich glaube, man würde Ihnen dort etwas ganz anderes sagen. Und wenn die Leute dort frei wären, würden Sie dort nicht so frei reden, wie wir es Ihnen hier noch gestatten.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Ich stelle den Antrag, daß von den beiden dem Hohen Hause vorgelegten Gesetzentwürfen — Drucksachen Nr. 4005 und Nr. 4007 — die Drucksache Nr. 4005 federführend dem Ausschuß für Sozialpolitik und die Drucksache Nr. 4007 federführend dem Ausschuß für Arbeit überwiesen wird.