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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 248. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1953 11805 248. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1953. Geschäftliche Mitteilungen 11806B Begrüßung des neu in den Bundestag eingetretenen Abg. Paul Hans Jaeger (Essen) 11806C Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Neber 11806C Nächste Fragestunde, — Sperrfrist für eingehende Fragen 11806C Nachwahl des Abg. Dr. Schäfer zur Beratenden Versammlung des Europarats . 11806C Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses zu dem Entwurf eines Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes (Nrn. 4025, 2158, 3822, 3984 der Drucksachen) 11806C Hoogen (CDU), Berichterstatter . 11806D Dr. Schäfer (FDP), (zur Geschäftsordnung) 11807D Abstimmung vertagt 11807D Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Art. 107 des Grundgesetzes (Nrn. 4026, 3769, 3950, 3985 der Drucksachen) 11806D, 11807D Dr. Spiecker, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen, Berichterstatter 11808D Beschlußfassung 11808C Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1953 (Haushaltsgesetz 1953) (Nr. 4000 der Drucksachen) in Verbindung mit der Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1953 (Nr. 4006 der Drucksachen), mit der Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer und zur Änderung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin (Nr. 4004 der Drucksachen), mit der Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Deckung der Rentenzulagen nach dem Rentenzulagengesetz in den Rechnungsjahren 1953, 1954 und 1955 (Nr. 4005 der Drucksachen), mit der Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Ersten Überleitungsgesetzes (Nr. 4007 der Drucksachen), mit der Fortsetzung der zweiten Beratung des von den Abg. Dr. Bertram, Hagge, Juncker u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Investitionshilfegesetzes (Nr. 3863 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) (Nr. 3923 der Drucksachen), mit der Fortsetzung der Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Erhöhung der Dienstbezüge um 20 v. H. (Nr. 3941 der Drucksachen) sowie mit der Fortsetzung der Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Vorlage des Gesetzentwurfs über die Gewährung einer ruhegehaltfähigen Zulage an Richter (Nr. 3942 der Drucksachen) 11808C Neuburger (CDU) 11809A Dr. Gülich (SPD) . . . . 11812D, 11853A Dr. Blank (Oberhausen) (FDP) . 11820D Jaffé (DP) 11822C Freiherr von Aretin (FU) . . . 1182613 Renner (KPD) 11827C, 11854A Hoffmann (Lindlar) (FU) . . . . 11832A Funcke (FDP) 11833C Horn (CDU) 11835B Richter (Frankfurt) (SPD) . . . 11838D Storch, Bundesminister für Arbeit 11842A Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 11843A Arndgen (CDU) 11845A Dr. Wuermeling (CDU) 11846C Loritz (Fraktionslos) 11850D Dr. Schellenberg (SPD) 11854D Überweisung des Gesetzentwurfs Nr. 4000 der Drucksachen an den Haushaltsausschuß 11855B Überweisung der Gesetzentwürfe Nrn. 4006 und 4004 an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und den Ausschuß für Berlin 11855C Überweisung des Gesetzentwurfs Nr. 4005 der Drucksachen an den Ausschuß für Sozialpolitik und an den Haushaltsausschuß 11855C Überweisung des Gesetzentwurfs Nr. 4007 der Drucksachen an den Ausschuß für Arbeit und an den Haushaltsausschuß 11855D Annahme des Antrags des 13. Ausschusses Nr. 3923 der Drucksachen und Ablehnung des Antrags Nr. 3863 der Drucksachen 11855D Überweisung der Anträge Nrn. 3941 und 3942 an den Beamtenrechts- und den Haushaltsausschuß 11855D Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Grenzzwischenfall Schweigen (Nr. 3864 der Drucksachen) 11856A Jacobs (SPD), Anfragender . . . 11856A Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 11857D Paul (Württemberg) (SPD) . . 11859A Eberhard (FDP) 11860B Becker (Pirmasens) (CDU) . . . 11861B Niebergall (KPD) 11863A Erste Beratung des von den Abg. Dr. Frey, Merten, Frühwald und Gen. einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der landwirtschaftlichen Siedlung (Nr. 4022 der Drucksachen) . . . 11863D Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Haushaltsausschuß . . . 11863D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Bundesanstalt für Flugsicherung (Nr. 3696 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) (Nr. 4012 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abg. Dr. Kreyssig, Marx, Seuffert, Wönner und Gen. betr. Werftbetrieb der „Aktiengesellschaft für Luftverkehrsbedarf" (Nr. 3957 [neu] der Drucksachen) . . 11863D Cramer (SPD), Berichterstatter . . 11864A Müller (Frankfurt) (KPD) . . . . 11864B Abstimmungen zum Antrag des 27. Aus- schusses (Nr. 4012 der Drucksachen) 11864D Überweisung des Antrags Nr. 3957 [neu] der Drucksachen an den Verkehrsausschuß 11865A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Auslieferungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich (Nr. 359,9 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) (Nr. 4008 der Drucksachen) 11865A Rückverweisung an den Rechtsausschuß 11865B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vorlage eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes (Nrn. 4009, 3790 der Drucksachen) 11865B Massoth (CDU), Berichterstatter 11865B Beschlußfassung 11865D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens (32. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Frau Dr. Steinbiß u. Gen. betr. Vorlage eines Gesetzes zur Ordnung des Hebammenwesens (Nrn. 4011, 3777 der Drucksachen) 11865D Frau Heiler (CDU), Berichterstatterin 11866A Beschlußfassung 11866C Nächste Sitzung 11866C Die Sitzung wird um 13 Uhr 36 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von August Neuburger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte zu Beginn meiner Ausführungen ein Wort des Dankes an den Herrn Bundesfinanzminister richten.

    (Zurufe: Er ist noch nicht da!)

    — Er ist leider noch nicht da. Ich werde mir erlauben, es nachzuholen.

    (Zurufe von der KPD.)

    Wenden wir uns dem Haushalt zu, den der Herr Bundesfinanzminister gestern hier vorgetragen und begründet hat! Hierbei ergeben sich Zahlen, die bereits ins Astronomische gehen und die uns buchstäblich die Augen übergehen lassen.

    (Abg. Dr. Schäfer: Ihnen doch nicht!)

    Waren es von der Ausgabenseite her gesehen im Haushaltsjahr 1950 noch 16,2 Milliarden DM, so waren es im Haushaltsjahr 1951 schon 21, im Haushaltsjahr 1952 23 und jetzt, im Haushaltsjahr 1953, sind es bereits 24,8 Milliarden DM, die Posten des Lastenausgleichs nicht mit inbegriffen. Wenn das so weitergeht, meine sehr verehrten Damen und Herren

    (große Heiterkeit)

    — ich habe von der Ausgabenseite gesprochen! -,

    (Zurufe)

    wenn das so weitergeht, dann müssen wir uns doch allen Ernstes und voll tiefer Sorge fragen: wohin soll das noch führen?

    (Zuruf von der SPD: Wer soll das bezahlen?!)

    - Darüber werde ich mich auch noch aussprechen.
    Zwar haben Bundesregierung und Bundesrat bei der Einbringung dieser 25-Milliarden-Vorlage überübereinstimmend zum Ausdruck gebracht, daß damit die Grenze der Tragbarkeit all dieser Lasten nicht nur erreicht, sondern bereits überschritten sei. Mit einer solchen Feststellung läßt sich aber meines Erachtens in der Praxis nicht viel anfangen. Insbesondere kann ich damit den Betroffenen selbst, den Steuerzahler, weder beruhigen noch ihn aus seiner Steuernot befreien. Andererseits können wir uns angesichts der zu über 80 % starren Ausgabeblocks ohne weiteres ausrechnen, daß wir auf der Ausgabenseite Senkungen größeren Umfangs — augenblicklich jedenfalls — durch einfache Streichungsoperationen nicht vornehmen können. Wir stehen also vor einem echten Dilemma. Zwar erkennen wir, daß die Ausgabenseite vorerst nicht — zumindest nicht wesentlich — zu senken ist; wir sehen aber andererseits, daß Steuerdruck und Steuerlast auf die Dauer einfach zu hoch und untragbar sind und zu schweren wirtschaftlichen Auswirkungen führen müssen.
    Gerade diese Erkenntnis, meine sehr verehrten Damen und Herren, muß aber zwangsläufig in uns die Frage aufwerfen, ob unsere althergebrachten Auffassungen und Grundsätze der Besteuerung noch in diese Zeit hineinpassen, ob wir dieses Dilemma überhaupt damit lösen können oder ob es nicht vielmehr so ist, daß wir durch die ständig steigende Anwendung dieser Steuergrundsätze das Dilemma nur noch vergrößern. So denken und operieren wir z. B. heute noch in den bereits vor Jahrzehnten gebildeten Begriffsinhalten von direkter und indirekter Steuer, obwohl sich doch in der Zwischenzeit die wirtschaftlichen, die sozialen und die steuerlichen Verhältnisse grundlegend geändert haben. Ähnliches gilt für den Grundsatz des jährlichen Haushaltsausgleichs. Zu einer Zeit, zu der der Steueranteil 5, 10 oder sogar 15 % des Sozialprodukts ausmachte, mögen diese steuerlichen Grundsätze noch gerechtfertigt gewesen sein. Heute aber stehen wir vor der unumstößlichen Tatsache, daß die steuerliche Belastung unseres Sozialprodukts bereits die 30-Prozent-Grenze, einschließlich der Sozialbelastungen sogar die 37-ProzentGrenze überschritten hat. Die steuerlichen Belastungen sind damit so stark immanente Bestandteile unserer Wirtschaft geworden, daß Steuern und Finanzpolitik sich von unserer Wirtschafts- und Sozialpolitik einfach nicht mehr trennen lassen. Die Steuer- und Finanzpolitik kann daher nur noch im Blickpunkt wirtschaftlicher Dynamik erörtert werden und bestehen. Deshalb wäre es mehr als verhängnisvoll — ich spreche das von diesem Platze nicht zum erstenmal aus —, wenn wir nun umgekehrt mit Steuern und Steuerparagraphen unsere Wirtschaft steuern wollten bzw. gar müßten.
    Beide Bereiche, Steuerpolitik und Wirtschaftspolitik, gehören — eben bedingt durch das hohe Steuersoll — zusammen. Primär aber muß die Wirtschaftspolitik sein, und demgemäß müssen wir prüfen, ob unsere Grundsätze und Auffassungen über unsere Steuern und über unseren Haushaltsausgleich diesen wirtschaftspolitischen Gesetzen und Erfordernissen noch Rechnung tragen. Rein fiskalische Überlegungen haben keinen Platz mehr; denn es bedarf keines Propheten, um vorauszusehen und vorauszusagen, daß die beste fiskalische Steuer- und Haushaltspolitik scheitert und scheitern muß, wenn die Wirtschaft infolge des Steuerdrucks und infolge der Steuerschraube ihre Dynamik verliert und damit langsam aber sicher den Weg nach abwärts antritt.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Erkenntnisse sind für viele von Ihnen nicht neu. Sie haben ihren Niederschlag in der immer wieder erhobenen Forderung nach der großen Steuerreform bzw. der organischen Steuerreform gefunden, wobei doch mit dem Wort „organisch" sinngemäß nur verstanden werden kann, daß die jeweilige steuerliche Belastung die gesunden dynamischen Tendenzen in der Wirtschaft nicht in schädlicher Weise behindert, vor allen Dingen aber nicht unterbindet.

    (Abg. Seuffert: Endlich wissen wir, was organische Steuerreform ist!)

    Der Bundesfinanzminister und die Bundesregierung konnten sich zu einer solchen Steuerreform bisher angeblich deshalb nicht entschließen, weil ihre Einführung am Anfang mit einem zu großen Steuerausfall verbunden wäre und der Staat und seine Kassen nicht über die Reserven verfügten, um diese Lücke auszufüllen. Die nunmehr vom Herrn


    (Neuburger)

    Bundesfinanzminister selbst gemachten steuerlichen Reformvorschläge präsentieren sich als sogenannte kleine Steuerreform. Im Ausgangspunkt gehen wir damit einig. Die Steuern sind zu hoch und erfordern daher einen entsprechenden Abbau. Nicht erfreulich ist nur, daß dieser Abbau sich wiederum in alten Gleisen bewegen soll, viele Wünsche offen läßt und insbesondere eine so berechtigte Forderung nicht berücksichtigt wie die nach einer wirklich echten steuerlichen Entlastung der kinderreichen Familien auch in den mittleren und höheren Einkommen, eine Forderung, auf deren Verwirklichung meine Parteifreunde in keiner Weise verzichten können.

    (Beifall in der Mitte.)

    Vor lauter Steuern stehen wir — insbesondere auch die Finanzverwaltung — in der Gefahr, die Steuern und das Steuerzahlen zum Selbstzweck zu erheben, als ob wir überhaupt nur noch für das Steuerzahlen zu arbeiten hätten und als ob wir nur noch in dem Aufbringen des Steuersolls unsere Existenzberechtigung hätten. Ich weiß, daß ich damit etwas überspitzt formuliere, aber ich tue es bewußt; denn es erscheint mir notwendig, doch mit aller Deutlichkeit wieder einmal herauszustellen, daß primär die Erträgnisse unserer Arbeit und unseres täglichen Schaffens der Erhaltung und Hebung unseres Lebensstandards dienen und dienen müssen und sekundär erst dem Steuerzahlen. Wer umgekehrt denkt und handeln will, der sägt nicht nur den Ast, der sägt den Baum ab, der diese steuerlichen Früchte tragen soll.
    Eines der Hauptprobleme, das im Zusammenhang damit, ob unsere bisherige steuerliche Betrachtungsweise noch richtig ist, angesprochen werden muß, ist vor allem das Problem der direkten und indirekten Steuern, insbesondere ihrer jeweiligen tariflichen Ausgestaltung, ihres gegenseitigen Verhältnisses und ihrer gegenseitigen Gewichtsverlagerung im Rahmen der Gesamtbesteuerung.
    Wenden wir uns zunächst der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu als der sogenannten klassischen direkten Steuer, so müssen wir die betrübliche Feststellung machen, daß sie allein in ihrer heutigen tariflichen Ausgestaltung nach drei Richtungen hin schwere wirtschaftsschädliche Auswirkungen zwangsläufig im Gefolge hat. Diese wirtschaftsschädlichen Faktoren sind die unverantwortlich hohe Steuerprogression, der hohe Körperschaftsteuersatz und die Doppelbesteuerung der Aktie. Der Grundsatz, der schon früh bei der Einkommensteuer galt: „Wer mehr verdient, der soll und kann auch mehr Steuern zahlen", ist so lange nicht zu beanstanden, solange die Steuerbelastung und die Steuermehrbelastung das normale Maß des Tragbaren nicht übersteigen, d. h. solange diese Mehrsteuer nicht Progressionssätze erklimmt, die — ob wir es wahrhaben wollen oder nicht — sich leistungshemmend auf der einen Seite und kostensteigernd in der gewerblichen Wirtschaft auf der andern Seite auswirken. Wir alle kennen Beispiele dieser schädlichen Erscheinungen.
    Halten wir in diesem Zusammenhang einmal Umschau nach den eigentlichen wirtschaftlichen Kraftquellen unseres Volkes und unserer Volkswirtschaft, so muß sich doch unschwer die Erkenntnis aufdrängen, daß Arbeitskraft und Leistungswille unser größtes nationales Gut darstellen.

    (Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Sehr richtig!)

    Wenn wir uns vom völligen Niederbruch innerhalb dieser kurzen Zeitspanne und in diesem Ausmaß wieder erholen konnten, so doch nur deshalb, weil wir uns im wahrsten Sinne des Wortes heraufgearbeitet und heraufgeschuftet haben.

    (Bravo! in der Mitte.)

    Unter wirtschaftlichem Aspekt ,gesehen stellen also die Arbeitskraft und der Leistungswille unsere wertvollste und größte Rohstoffreserve dar, über die wir als Volk verfügen. Nach allgemein anerkannten und auch bei uns sonst geltenden steuerlichen Gesichtspunkten wird nun kein Rohstoff materieller Art steuerlich vorbelastet, und zwar deshalb nicht, weil jedermann weiß, daß man sich damit wirtschaftlich ins eigene Fleisch schneidet.

    (Abg. Strauß: Sehr richtig!)

    Bei unserm größten nationalen Gute, unserer Arbeitskraft und unserm Leistungswillen, dagegen glaubt man, nicht nur besteuern, sondern selbstverständlich progressiv besteuern zu müssen, möglichst bis hinauf zur letzten Spitze. Wir fühlen dabei noch nicht einmal, daß wir uns damit zu unserer wirtschaftspolitischen und sozialpolitischen Konzeption in Gegensatz setzen, nämlich den bereits im Grundgesetz in Art. 2 und Art. 6 verankerten Forderungen: Entfaltung der Persönlichkeit, Schutz und Sicherung der Familie.
    Auch ich bin für eine Progression in der Steuer, aber primär für eine Progression beim Verbrauch, also auf der Konsumseite; denn es ist selbstverständlich wirtschaftlich und sozial durchaus in Ordnung, steuerlich den Grundsatz aufzustellen: je höher die Ansprüche an das Leben und seine Konsumgüter, desto höher kann und soll, wenn notwendig, auch die Besteuerung sein. Wirtschaftlich rückschrittlich und arbeitspsychologisch falsch aber ist es, die Steuerprogression, wie wir es tun, an die Arbeitskraft und den Leistungswillen anzusetzen statt, wie gesagt, an den Konsum. Dies ist um so unverständlicher und auch um so unvernünftiger, als wir alle wissen, daß wir unsern Lebensstandard nur durch zusätzliche Exporte halten und verbessern können, und diese wiederum sind nur auf der Grundlage der Arbeit und der Mehrleistung möglich.

    (Abg. Seuffert: Soll das Luxussteuer heißen?)

    Darum kann es in diesem Zusammenhang nur eine Forderung geben: weg mit dieser wirtschaftsschädlichen und leistungshemmenden überhöhten Progression!
    Der zweite wirtschaftsschädliche Faktor liegt in der Tatsache, daß diese überhöhten direkten Steuersätze dazu führen, in der gewerblichen Wirtschaft zu einem echten Kostenfaktor zu werden. Wer das übersehen oder gar bestreiten will, schließt die Augen vor der Wirklichkeit. In jedem Verkaufspreis haben sich daher im Hinblick auf diese überhöhten Steuersätze Teile der direkten Steuern niedergeschlagen; sie müssen sich daher im Endpreis auswirken. Auch für die direkten Steuern gilt deshalb der Satz: je höher diese steuerliche Belastung, desto höher der Preis des Sozialprodukts. Denn so, wie es eine Lohn-Preis-Spirale gibt, deren schädliche Auswirkungen wir ja alle am eigenen Leibe erfahren haben, so gibt es, ob wir das wahrhaben wollen oder nicht, auch eine Steuer-PreisSpirale, und auf der Strecke dieser Steuer-Preis-


    (Neuburger)

    Spirale bleiben gerade diejenigen, derentwegen wir diese hohen Steuern angeblich erheben müssen.

    (Abg. Seuffert: Siehe Zuckersteuer! Wie habt ihr da gestimmt?)

    So bedingt z. B. die Körperschaftsteuer mit ihrem heutigen Satz von 60 % zwangsläufig eine steuerliche Gewinnkalkulation von durchschnittlich über 25 %, wenn man auch nur eine bescheidene Verzinsung von 3 bis 4 % des haftenden Kapitals im Durchschnitt erwirtschaften will. Deshalb kann es nicht eindringlich genug ausgesprochen werden: Die überhohen direkten Steuersätze von heute sind zu einem Kostenfaktor geworden, führen daher zwangsläufig zu einer Erhöhung des Preisniveaus und haben damit unmittelbar schädliche sozialpolitische Auswirkungen.
    Der dritte wirtschaftsschädliche und damit in seinem Ende auch steuerschädliche Faktor liegt in dem System der Doppelbesteuerung. Wir leisten uns damit einen wirtschaftlichen und einen steuerpolitischen Unsinn, der bei realer Betrachtungsweise einfach nicht mehr übertroffen werden kann.
    Alles zu seiner Zeit! Als man die Doppelbesteuerung in unser Steuersystem einführte, hatte man auf der einen Seite einen voll funktionierenden und so gut wie stets aus dem Überangebot lebenden Kapitalmarkt; man begnügte sich andererseits mit einem Körperschaftsteuersatz von 10 bis 20 %. Heute haben wir, wenn überhaupt, so nur einen sehr, sehr beschränkten Kapitalmarkt und einen Körperschaftsteuersatz von 60 %. Die wirtschaftlichen und steuerlichen Voraussetzungen für die Doppelbesteuerung haben sich daher heute offensichtlich in ihr vollstes Gegenteil verkehrt. Trotzdem glauben wir in geradezu sturer Weise daran festhalten zu müssen. Wir tun dies, obwohl wir wissen, daß die Wirtschaft unseres eigenen Landes so gut wie die Wirtschaft jedes anderen Landes im internationalen Wirtschaftsgeschehen und in der internationalen Konkurrenz nur bestehen kann durch ständigen Ausbau der Investierungen, mit anderen Worten: durch ständige Verbreiterung der Kapitalgrundlage. Dieser Grundsatz gilt völlig unabhängig von der Art des Wirtschaftssystems. Er gilt, ob man sein Wirtschaftsleben nach den Grundsätzen der freien Wirtschaft, nach den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft, nach den Grundsätzen der sozialistischen Wirtschaft oder nach denen der Wirtschaftsdiktatur gestaltet.
    Wir brauchen, um die Richtigkeit dieser Anschauung zu erkennen, unsern Blick nur nach dem Osten, nach Rußland und seinen Satellitenstaaten zu wenden. Dort sehen wir, welche übermenschliche Anstrengungen gemacht werden, um auf Kosten selbst des notwendigen Lebenskonsums die Kapitalgrundlage zu verbreitern, zu forcieren und zu stärken. Wir aber leisten uns nach wie vor die bedauerliche Unverantwortlichkeit, alle diejenigen doppelt zu besteuern, die ihr Geld als haftendes Kapital für dieses wesentliche Lebenselement unserer Wirtschaft, nämlich für die Stärkung und den Ausbau des Produktionsapparates und damit zur Erhaltung und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Wir bilden uns darüber hinaus sogar noch ein, daß sich trotz dieses Steuersystems noch Ausländer finden, die ihr Geld bei uns anlegen. Man weiß wirklich nicht: soll man mehr die Kurzsichtigkeit oder mehr den Illusionismus bewundern, der sich in dieser Einstellung und Denkweise äußert? Wenn wir die Aktie als Mittel zur Beschaffung haftenden Kapitals und damit als
    Mittel individueller Eigentumsbeteiligung an unserer Wirtschaft noch nicht hätten, so müßte die Schaffung der Aktie die sozialpolitische Forderung von heute erster Ordnung sein. Denn außer durch die Schaffung von Wohnungseigentum kann der Forderung: „Schafft individuelles Eigentum!" durch nichts besser gedient werden als durch die Förderung des Aktiengedankens. In einem Zeitalter, in dem wir, und zwar wir alle, zum Kampf gegen den Kollektivismus aufgerufen sind, geht es nicht an, mittels Steuergeldern über staatliche Investierungen kollektives Eigentum zu schaffen. Das hieße den Teufel mit dem Beelzebub austreiben!
    Es gilt vielmehr, durch das Instrument der Aktie, insbesondere der Kleinaktie, über Privatinvestierungen die individuelle Möglichkeit zu schaffen, jedem einzelnen, der sparen will, zum Erwerb industriellen Eigentums zu verhelfen.
    Niemand in diesem Hause, der auf dem Boden des Grundgesetzes steht und dem damit der Mensch und die Familie höher stehen als der Staat, kann sich dieser sozialpolitischen Forderung nach Schaffung von individuellem Eigentum an unserem industriellen Produktionsapparat widersetzen. Solange wir aber die Doppelbesteuerung aufrechterhalten, schlagen wir dieser sozialpolitischen Forderung ins Gesicht. Die Doppelbesteuerung muß fallen, damit der Weg auch für den kleinsten Sparer frei wird, sich über die Kleinaktie an dem industriellen Produktionsapparat individuell zu beteiligen. Ich hoffe, im Namen meiner Parteifreunde in allernächster Zeit dem Hohen Haus einen Gesetzentwurf vorlegen zu können, der diesem Gedanken über das Instrument der Investment-Gesellschaften zur Verwirklichung verhilft.
    Schließlich noch ein Wort zu dem im Grundgesetz verankerten Grundsatz des jährlichen Haushaltsausgleichs. Auch dieser Grundsatz entspricht reinstem fiskalischem Denken und muß im Hinblick auf die starke innere Verflechtung und die zur Zeit gegebene gegenseitige Abhängigkeit von wirtschaftlichem und steuerlichem Geschehen als überholt und damit zumindest bedingt als wirtschaftsschädlich und steuerschädlich bezeichnet werden.
    Ich will einige im Zusammenhang damit stehende Symptome aufgreifen und ansprechen, und zwar handelt es sich um das Problem der Kassenfülle der aus öffentlichen, d. h. aus Steuermitteln unmittelbar oder mittelbar gespeisten Kassen. Niemand kann die Tatsache dieser übermäßigen und unnatürlichen Kassenfülle bestreiten,

    (Abg. Seuffert: Weil die Besatzungsmächte noch nicht abgerufen haben!)

    Beträge, die zusammengenommen die Milliardengrenze überschreiten. Allein bei der Lastenausgleichskasse liegen zur Zeit — wie gestern oder vorgestern in der Presse zu lesen war — über 500 Millionen DM, die auf Auszahlung oder auf Abruf warten.

    (Hört! Hört! rechts. — Abg. Seuffert: Weil die Länder die Vorschriften nicht durchführen! Das könnte schon längst ausgezahlt sein! — Abg. Loritz: So treibt man Schindluder mit der Not der Heimatvertriebenen!)

    Meine Damen und Herren, Überfluß ist der Feind der Sparsamkeit und trägt die Gefahr mißbräuchlicher Verwendung in sich!

    (Abg. Strauß: Sehr richtig!)



    (Neuburger)

    So ist der mit Recht gegeißelte Mißbrauch der 7c-Gelder ja nicht ein Mißbrauch des Steuerzahlers, sondern ist ein Mißbrauch derjenigen, deren Kassen von öffentlichen Mitteln überquellen und die darauf spekulieren, daß dieser Zufluß an öffentlichen Mitteln auch weiterhin in gleichem Maße anhält.

    (Abg. Seuffert: Wer ist denn das?)

    Denn nur die ungewöhnliche Kassenfülle konnte gewisse Institute überhaupt erst in die Lage versetzen, der Wirtschaft, wie geschehen, solche Angebote zu machen.

    (Abg. Seuffert: Sind das öffentliche Institute?)

    Wenn schon Kassenkredite, dann ist es meines Erachtens volkswirtschaftlich besser, daß die Kassen der öffentlichen Hand auf Kredit angewiesen sind und nicht, wie vielfach umgekehrt, die der Wirtschaft.

    (Abg. Strauß: Sehr richtig!)

    Eine im richtigen Ausmaß festgelegte öffentliche Kassenkreditpolitik birgt keinerlei Währungsgefährdung in sich. Sie zwingt nur den Staat und seine Organe zur Sparsamkeit und verhindert zugleich, daß mit Steuergeldern mißbräuchliche Finanz- und Kreditgeschäfte gemacht werden,

    (Abg. Seuffert: Was ist denn da gemeint?)

    während andererseits die Liquidität unserer Wirtschaft vor lauter Steuerzahlen in echte Not kommt.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, verstehen Sie mich bitte nicht falsch, wenn ich im Zuge meiner Ausführungen den Akzent so stark immer wieder auf das Wirtschaftspolitische abgestellt habe; aber nur eine gesunde Wirtschaft kann die Steuer tragen, und nur eine gesunde Wirtschaft erlaubt uns, die sozialen Aufgaben, denen wir uns gegenübergestellt sehen, erfolgreich und auf die Dauer zu lösen.
    Die vom Bundesfinanzminister gemachten Reformvorschläge sind zweifellos geeignet, in gewissem Maße Abhilfe zu schaffen. Wir begrüßen sie daher als Ganzes, wenn auch im einzelnen, und zwar insbesondere, wie bereits erwähnt, in bezug auf die Besteuerung der Familie, das letzte Wort noch nicht gesprochen sein darf.

    (Sehr gut! rechts.)

    Wir sehen in diesen Reformvorschlägen allerdings noch nicht die Beschreitung eines neuen Weges, sondern nur die Umkehr von dem falschen Wege der überhöhten Steuerprogression, der überhöhten Steuersätze mit dem zwangsläufigen Gestrüpp der Steuervergünstigungen. Der neue Weg kann nur in Richtung der organischen Steuerreform gehen. Die Wegsteine hierbei müssen sein: radikaler Abbau der bisherigen Steuerprogression, Senkung der Sätze der übrigen direkten Steuern auf ein Maß, das ausschließt, daß sie zu Kostenfaktoren werden und damit zu Preiserhöhungen führen, Beseitigung der Doppelbesteuerung und damit Begünstigung der Kleinaktie, um jedem Schaffenden die Möglichkeit zum Erwerb industriellen Eigentums zu geben, stärkere Gewichtsverlagerung von der direkten zur indirekten Steuer, um dadurch die Einkommensbezieher bis hinauf zu 5000 und 6000 DM von der Einkommensteuer freizustellen, dadurch Steuervereinfachung und wesentliche Entlastung der Finanzverwaltung.
    Lassen Sie mich diesen Teil meiner Ausführungen damit schließen: Die unabwendbare soziale
    Verpflichtung, auch in den nächsten Jahren weiterhin hohe Ausgaben über die Steuer zu decken, verlangt von allen, die diesem Hohen Hause angehören, für den Bereich der Steuern Einsicht, Mut und Verantwortung zu neuen Wegen und zum Verlassen alter und heute falschgewordener Geleise im Interesse des Zieles, dem unsere gesamte politische Arbeit geweiht ist, nämlich des sozialen Erfolges.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Herr Bundesfinanzminister, ich habe zu Beginn meiner Ausführungen bereits den Wunsch ausgesprochen, Ihnen ein Wort des Dankes sagen zu dürfen.

    (Zuruf von der SPD: Aha! Jetzt endlich!)

    — Sie hätten mich ja darauf aufmerksam machen können, daß der Herr Minister kommt. Dann hätte ich es früher gemacht. — Herr Minister Schäffer, Sie kennen ja Schillers Wort aus Wallensteins Lager: „Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze!"

    (Heiterkeit.)

    Was Anerkennung und Ruhm betrifft, so sind die Finanzminister noch schlechter gestellt; denn im allgemeinen flicht ihnen nicht nur die Nachwelt, sondern bereits die Mitwelt keine Kränze. Aber keine Regel ohne Ausnahme. So darf ich mich denn zum Sprecher dieser Ausnahme machen und darf Ihnen im Namen meiner Parteifreunde und zweifellos auch im Namen vieler meiner Kollegen hier in diesem Hohen Hause und vielleicht auch im Namen weiter Kreise unseres Volkes aufrichtigen und herzlichen Dank für die geradezu übermenschliche Arbeit sagen, die Sie seit Beginn unserer verantwortungsvollen Tätigkeit im Jahre 1949 hier im Rahmen der jeweiligen Sicherstellung des Haushalts so vorbildlich und unverdrossen geleistet haben.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es hat sich hierbei für Sie im wahrsten Sinne des Wortes um eine Steinbrucharbeit gehandelt. Sie selbst haben diese Aufgabe schon frühzeitig — um ein Bild aus der Alpenwelt zu gebrauchen— als Gratwanderung bezeichnet. Auch gestern benutzten Sie bei der Schilderung Ihrer Aufgabe wieder diesen Ausdruck. Um bei diesem Bild zu bleiben: wir haben feststellen können, Sie sind ein wirklich tüchtiger, schwindelfreier

    (große Heiterkeit)

    und vor allem ausdauernder Gratwanderer.

    (Anhaltende Heiterkeit.)

    Unabhängig daher, Herr Minister, von all der kritischen Stellungnahme und der Kritik, die Sie im Verlaufe der weiteren Haushaltsdebatte hier hören, nehmen Sie dieses Wort des Dankes entgegen. Es ist im Namen all derer, für die ich sprechen darf, ein Wort des Dankes, das aus dem Herzen kommt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wilhelm Gülich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Opposition hatte darum gebeten, zwischen der großen Haushaltsrede des Herrn Bundesfinanzministers und der Haushaltsdebatte


    (Dr. Gülich)

    eine Pause von einigen Tagen einzulegen, ein wohl sehr verständliches Anliegen. Bedenken Sie, der Herr Bundesfinanzminister redete gestern drei Stunden

    (Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Zweieinhalb!)

    nach einem 80 Seiten langen, mit Hilfe eines ganzen Ministeriums langfristig ausgearbeiteten Manuskripts, das die Finanzexperten der Koalitionsparteien zudem schon am Vorabend bekommen hatten - die Opposition nicht —,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    und nun soll unmittelbar daran die Generaldebatte
    der ersten Lesung stattfinden. Die Rede des Herrn
    Kollegen Neuburger, die sich im wesentlichen
    mit einer Reform der Steuern befaßt hat, hat schon
    gezeigt, was wir von den Angehörigen der Koalitionsparteien zu erwarten haben, nämlich Lob und
    Dank an den Herrn Bundesfinanzminister, der ihm
    auch bereits gestern reichlich gezollt worden ist. Es
    erscheint mir deshalb fraglich, ob die Überprüfung
    seiner Rede und des vorgelegten Etats von den Regierungsparteien so vorgenommen werden wird,
    wie ein Haushaltsplan das verdient. Um so wichtiger ist es für den Aufbau unseres staatlichen Lebens, daß die Opposition die Aufgabe der Oberprüfung wahrnimmt. Die wichtigste Aufgabe des Parlaments, das Recht auf Festsetzung des Haushalts und auf die Finanzkontrolle, muß also in der Hauptsache von der Opposition erfüllt werden.

    (Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Wollen Sie denn für den Haushalt stimmen?)

    — Diese Frage wird erst in der dritten Lesung entschieden.

    (Abg. Strauß: Die ist doch schon entschieden! — Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Sie sprachen von Festsetzung!)

    — Ja, von der Festsetzungsbefugnis des Parlaments sprach ich; die haben wir. Daß wir für diesen Etat nicht stimmen, kann ich Ihnen schon jetzt verraten, die Zustimmung zum Haushalt ist eine Zustimmung zur Regierung.

    (Dr. Becker [Hersfeld]: Ohne ihn gelesen zu haben?! — Weitere Zurufe von der Mitte und rechts.)

    Es würde den Gepflogenheiten des parlamentarischen Lebens jedenfalls besser entsprochen haben, wenn Sie uns diese paar Tage Frist zu einer gründlichen Überprüfung des Haushaltsplans gegeben hätten.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    In dem gegenwärtigen Falle ist die Aufgabe der Opposition noch durch einen unglücklichen Zufall erschwert. Mein Freund Schoettle sollte die Hauptrede in der ersten Lesung halten. Nun ist ihm in dieser Nacht plötzlich der Vater gestorben, so daß mir heute morgen um 9 Uhr die Aufgabe zuteil geworden ist — eine nicht ganz leichte Aufgabe! —, in der ersten Lesung zum Haushaltsplan zu sprechen.
    Es ist der letzte Haushaltsplan der Regierung Adenauer

    (lebhafte Rufe von der Mitte: Oh, oh! — Das wissen Sie doch noch nicht!)

    und der letzte Haushaltsplan dieses Bundestags.

    (Beifall bei der SPD. — Lachen in der Mitte. — Abg. Bausch: Herr Professor, das sind Wunschträume!)

    — Das wollen wir mal fein abwarten!

    (Weitere Zurufe von der Mitte. - Gegenrufe von der SPD.)

    Ich bin bereit zu sagen: es ist der letzte Haushaltsplan dieser Regierung Adenauer;

    (Beifall in der Mitte Zuruf von der Mitte: Jetzt ist es besser!)

    und die andere wollen wir abwarten!
    In diesem Haushaltsplan sind zwei leitende Gesichtspunkte nicht zu verkennen: erstens der innerpolitische, die Vorbereitung der kommenden Wahlen. Auf diese Vorbereitung war die gestrige Haushaltsrede weitgehend abgestimmt.

    (Abg. Mellies: Sehr richtig!)

    Zweitens der außenpolitische: die Vorbereitung des Abschlusses des Generalvertrags und des EVG-Vertrags, die finanzielle Belastungen mit sich bringen werden, die ungeheuerlich sind.
    Es ist das Recht dieser Bundesregierung, am Schluß der Regierungszeit einen Überblick über die Haushaltsentwicklung zu geben.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Sogar ihre Pflicht!)

    Mit den Bezeichnungen des Haushalts für 104Q als Übergangshaushalt, für 1950 als Überleitungshaushalt kann man einverstanden sein. Fragwürdig erscheint die Bezeichnung des Haushalts für 1951 als Korea-Haushalt und des Wiederholungs- und Nachtragshaushalts für 1952 als Haushalt der Erprobung. Unrichtig und wirklichkeitsfremd will es mir erscheinen, den Haushalt 1953 als einen Abschlußhaushalt mit dem Ringen um die Konsolidierung zu bezeichnen, da weder innen- noch außenpolitisch eine Konsolidierung sichtbar ist. Wie kann man von Konsolidierung sprechen, wenn politische, wirtschaftliche und finanzielle Entwicklungen sichtbar werden, die eher auf Krise denn auf Konsolidierung hindeuten!
    Welche Rolle die deutsche Finanzpolitik nach der Auffassung des Herrn Bundesfinanzministers für die deutsche Außenpolitik spielen soll, geht aus seiner gestrigen Rede hervor. Nach dem Stenographischen Bericht heißt es an dieser Stelle wörtlich:
    Die deutsche Finanzpolitik mußte auch hier
    eine geschichtlich noch nicht dagewesene Leistung vollbringen. Sie mußte die Besatzungskosten tragen und gleichzeitig den Weg vorbereiten, aus dem durch die Hitler-Verbrechen
    geschändeten deutschen Volk einen geachteten
    Verbündeten der freien demokratischen Welt
    zu machen.
    Soll die Achtung der Verbündeten durch Finanzpolitik, durch finanzielle Leistungen erkauft werden? Und was mich doch so sehr erschüttert hat: er spricht hier von dem deutschen Volk, ohne zu bedenken, daß es nur ein Teil des deutschen Volkes ist und daß der andere Teil des Volkes woanders steht.
    Schließlich sollten wir die geschichtliche Würdigung auch der Geschichte überlassen. Es ist seit einigen Jahrzehnten üblich geworden, irgendwelche Ereignisse der Gegenwart schon als historische Ereignisse zu bezeichnen. Von wie vielen Ereignissen haben wir aber inzwischen bereits bemerkt, daß sie vor der Geschichte nicht standhalten.
    Die Perspektive, die der Bundesfinanzminister für das Haushaltsjahr 1953 als das der Abwicklung der finanziellen Auslandsverpflichtungen gab, trägt schon den Charakter der Vorwegbewilligung der finanziellen Bestimmungen des Generalvertrags in


    (Dr. Gülich)

    sich. Wenn dieser Haushaltsplan angenommen wird, ist eine wichtige Entscheidung für Generalvertrag, Truppenvertrag, Finanzvertrag, die Überleitungsverträge und EVG-Vertrag bereits von Ihnen vorweg getroffen.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Das ist ja eine tolle Behauptung! — Gegenruf von der SPD: Das verstehen Sie bloß nicht, Herr Kollege Wuermeling!)

    — Natürlich!

    (Abg. Dr. Wuermeling: Haben wir etwa keine Besatzungskosten ohne Generalvertrag?)

    Diese Konsolidierung ist unecht. Sie sichert keineswegs den Frieden, und sie verbürgt keineswegs unsere Sicherheit. Sie ist fragwürdig. Hingegen sehen wir Ansätze einer echten Konsolidierung, die sich in den Verträgen mit den Niederlanden und der Schweiz angebahnt haben, und diese Entwicklung ist zu begrüßen.
    Wir verstehen die Rolle der Opposition so,

    (Abg. Arndgen: Meistens falsch!)

    daß wir, wie ich schon einleitend sagte, kritisch zu diesen Dingen Stellung nehmen müssen. Wir können uns auch nicht, wie es Kollege Neuburger getan hat, in der ersten Lesung nur auf eine steuerpolitische Erörterung einlassen, in der ersten Lesung, die ja die Aufgabe hat, doch die politischen Gesichtspunkte herauszubringen.
    Ich möchte nun, bevor ich das tue, in Erinnerung rufen, wie wir die Rolle der Opposition verstehen. Wir halten dafür, daß die Aufgabe der Opposition darin besteht, erstens zu helfen — wir haben das in intensiver Mitarbeit bei Hunderten von Gesetzen bewiesen —; daß zweitens eine ihrer wichtigsten Funktionen darin besteht, die Regierung zu kontrollieren; daß drittens eine ihrer wichtigsten Funktionen darin besteht, die Regierung in ihren Maßnahmen zu kritisieren; und viertens hat sie notfalls sie zu bekämpfen.
    Diese Opposition steht nun einer Regierung gegenüber, deren Kanzler ein Mann der einsamen und der starren Entschlüsse ist,

    (Lachen bei der CDU)

    der sich der wichtigen Mitarbeit der Opposition in außenpolitischen Fragen verschlossen hat.

    (Na-na-Rufe bei der CDU. — Abg. Dr. Wuermeling: Der Kanzler ist dauernd darum bemüht! — Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Das Umgekehrte ist ungefähr richtig!)

    — Das Umgekehrte, Herr Schröder, ist deshalb nicht richtig, weil zu Beginn der Außenpolitik der Bundesrepublik der Bundeskanzler es nachdrücklich versäumt hat, sich mit der Opposition in Verbindung zu setzen.

    (Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Wir werden darauf zurückkommen!)

    — Kommen Sie darauf zurück! Studieren Sie aber vorher, Herr Kollege Schröder, die Bundestagsprotokolle, damit Sie keinen Fehler begehen.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Vielen Dank für die Unterstützung! — Zuruf rechts: Es gibt noch mehr Material!)

    Ein Kanzler, der aus jedem außenpolitischen Gespräch, das er geführt hat, sofort einen Erfolg macht und diesen Erfolg feiert, der Verträge mit den Westmächten abgeschlossen hat, die, wie wir
    überzeugt sind, dem gesamtdeutschen Volke keine glückliche Zukunft verbürgen, und dessen Politik die Wiedervereinigung Deutschlands erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht, — —

    (Abg. Dr. Wuermeling: Sollte man das nicht einmal etwas präzisieren?)

    — Das kann ich auch gern präzisieren;

    (Abg. Dr. Wuermeling: Solche allgemeinen Thesen bringen uns doch nicht weiter!)

    das ist aber doch bei der zweiten Lesung der Verträge sehr eingehend von uns präzisiert worden.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Dann brauchen wir das Thema ja hier nicht zu wiederholen!)

    Aber bei der ersten Lesung des Haushalts würde
    mich die Präzisierung von meinem Wege abbringen.
    Wir stehen also einer Regierung gegenüber, für deren Wirtschaftspolitik Professor Erhard verantwortlich zeichnet,

    (Abg. Dr. Greve: Danach ist sie ja auch!)

    deren Innenminister und deren Außenminister sich mit einer Reihe von fragwürdigen Mitarbeitern umgeben haben,

    (Abg. Schmücker: Sie denken wohl an Niedersachsen!)

    deren Verkehrsminister durch seine politischen Entgleisungen ebenso unangenehm auffällt wie sein Kollege von der Justiz.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es ist doch gar kein Zweifel, daß einige Minister der Regierung Adenauer — zu der wir auch deshalb in Opposition stehen — das Ansehen der Bundesrepublik im Ausland nicht erhöht haben.

    (Abg. Dr. Greve: Das ist sehr milde ausgedrückt!)

    — Ich drücke mich ja oft milde aus, Kollege Greve; man kann es aber richtig verstehen.
    Aber das Interessanteste an dieser Regierung ist vielleicht, daß der Wirtschaftsminister und der Finanzminister in fast allen entscheidenden Fragen kraß entgegengesetzter Meinung sind. Bei all den Publikationen, die die Regierung zu ihrem Lobe uns beschert hat, würde ich anregen die Veröffentlichung des Briefwechsels der letzten vier Jahre zwischen Bundesfinanzministerium und Bundeswirtschaftsministerium unter Einschluß des persönlichen Briefwechsels der beiden Minister, damit diese Frage, die ich eben angedeutet habe, etwas klarer wird.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich möchte schon jetzt auf eine solche Publikation meine Subskription anmelden.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Wuermeling: Vielleicht nehmen wir den Briefwechsel Kanzler—Opposition dazu!)

    — Ja, den können wir sehr gut dazunehmen! (Abg. Strauß: Als Einleitung! — Abg. Dr. Greve: Auf Kosten des Bundeskanzleramts,
    Herr Wuermeling!)
    Wenn aber der Bundesfinanzminister und der Bundeswirtschaftsminister in allen entscheidenden Fragen — das ging ja auch vorhin aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Neuburger hervor, der es bloß mit ein bißchen anderen Worten als ich gesagt hat — entgegengesetzter Meinung sind, dann zeigt das, daß hier etwas nicht in Ordnung sein kann; daß es in der Praxis nicht in Ordnung ist,


    (Dr. Gülich)

    das wird auch niemand von den Regierungskoalitionskollegen bestreiten.

    (Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Solange das Sozialprodukt steigt, scheint es mir unschädlich zu sein!)

    — Scheint es Ihnen unschädlich zu sein? — Wenn der Herr Finanzminister nur fiskalisch denkt und der Herr Wirtschaftsminister finanzpolitischen Problemen unzugänglich ist oder sie bagatellisiert, dann ist das eine sehr gefährliche Sache, die, Herr Kollege Schröder, auch bei zunehmendem Sozialprodukt nicht gestattet sein dürfte.
    Wir stehen also dieser Regierung — das muß in der ersten Lesung zum Haushaltsplan gesagt werden — in sehr entscheidenden Fragen als Gegner gegenüber. Wir sehen mit Besorgnis die Unzuverlässigkeit der Regierung nach rechts hin und im Kampf um eine echte Demokratie. Ich brauche Sie nur an die Partisanenaffäre zu erinnern,

    (Abg. Kemmer: Lieber nicht!)

    an Minister Seebohms unsachlich-demagogische Rede gegen Reuter in Berlin

    (Zuruf von der DP: Dr. Arndt!)

    oder an des Innenministers Lehr konstruktiven Verfassungsschutz.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Über diesen konstruktiven Verfassungsschutz muß ich ein paar Worte mehr verlieren.

    (Abg. Schmücker: Erzählen Sie auch einmal ein bißchen über Hessen!)

    — Über Hessen steht hier nichts zur Diskussion;

    (Aha-Rufe rechts)

    infolgedessen kann ich über Hessen nicht reden.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Doch, „Hessen baut auf!" — mit Bundesgeldern!)

    — Erzählen S i e doch mal über Hessen, wenn Sie das für richtig und angebracht halten.

    (Abg. Dr. Greve [zur CDU]: Erzählen Sie mal von Nordrhein-Westfalen; das baut auch mit Bundesgeldern!)

    Wir wollen uns einmal ein paar Minuten mit Herrn Lehrs konstruktivem Verfassungsschutz befassen; das ist viel interessanter, Herr Schröder.

    (Abg. Mellies: Herr Wuermeling war nach Hessen ausgewandert!)

    Bei der Beratung des Haushalts des Bundesverfassungsschutzamts — Tit. 31 des Einzelplans des Innenministeriums — wurde im Haushaltsausschuß die Frage aufgeworfen, ob die Beschränkung der parlamentarischen Kontrolle dieses Titels nach § 89 der Reichshaushaltsordnung in der bisherigen Weise aufrechterhalten werden könne. Neuerdings hat man die Beschränkung insofern modifiziert, als nunmehr die Erklärung des Präsidenten des Bundesrechnungshofs, dem die alleinige Prüfung obliegt, die Grundlage für die Entlastung sein soll. Früher hieß es sogar, daß der Präsident des Bundesrechnungshofs die Entlastung selbst erteilen solle. Das ging aber dem Präsidenten des Bundesrechnungshofs, der ja ein erfahrener und korrekter Beamter ist, doch selber über die Hutschnur, und er vertrat den Standpunkt, daß das Parlament seine Pflicht, Entlastung zu erteilen, weder an eine Einzelperson noch eine andere Institution delegieren könne.
    Die Opposition hat deswegen im Haushaltsausschuß nicht etwa die völlige Aufhebung des § 89, sondern lediglich die Information des Parlaments
    über die Verwendung solcher geschützter Titel in der Weise gefordert, daß einige dafür besonders geeignete Personen laufend über die Vergabe von Mitteln informiert werden.

    (Abg. Arndgen: Wie war die Regelung in der Weimarer Zeit?)

    — Ganz genau so! (Zurufe von der Mitte: Nein!)

    — Diese selbe Regelung hat in der Weimarer Zeit bis zum Jahre 1933 bestanden.

    (Abg. Dr. Pünder: Völlig unrichtig! — Weiterer Zuruf von der Mitte: Das ist ganz falsch!)

    — Wenn Sie jetzt behaupten, das sei ganz falsch, dann wollen wir die Diskussion darüber in diesem Augenblick nicht fortsetzen; dann ist es ja ein kleines, das hinterher nachzuprüfen, und Sie werden dann sehen, daß ich recht habe.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Das ist im Haushaltsausschuß völlig klargestellt worden! — Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]:: Herr Dr. Pünder ist schließlich ein lebender Zeuge für das Gegenteil!)

    — Lebende Zeugen haben nicht immer ein so gutes Gedächtnis, wie man es in den Dokumenten der Reichstagsdrucksachen findet.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Schlechte Erfahrungen!)

    Aber daran müssen Sie sich, Herr Pünder, doch mindestens erinnern, daß eine Vereinbarung zwischen Regierung und Reichstag vor 1933 bestanden hat, und mutmaßlich wird ja unser verehrter Alterspräsident diese Vereinbarungen bei seinem guten Gedächtnis im Kopf haben.

    (Abg. Kemmer: Jetzt auf einmal ein gutes Gedächtnis!)

    Der Präsident des Bundesrechnungshofs schlug vor, den Bundesschuldenausschuß als Informationsorgan zu wählen, was den Vorteil hätte, daß sowohl das Parlament wie der Bundesrat beteiligt wären. Die Vertreter des Innenministeriums lehnten jede derartige Regelung entschieden ab.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Die erstaunlichste Begründung gab dabei der Herr Staatssekretär. Das Innenministerium hatte die drei Millionen, um die es sich unter Tit. 31 handelt, zwischen sich und dem Bundesverfassungsschutzamt aufgeteilt und bewirtschaftete zwei Millionen selbst.

    (Hört! Hört! links.)

    Auf die Frage, ob das Ministerium dafür auch den Schutz des § 89 brauche, erklärte Herr von Lex, das sei so; denn diese zwei Millionen brauche man für den konstruktiven Verfassungsschutz.

    (Lachen links.)

    Auf die Frage, was darunter zu verstehen sei, erklärte er, das Ministerium müsse doch z. B. in der Lage sein, den leitenden Körperschaften von Organisationen, deren Mitglieder noch nicht ganz auf dem Boden der Demokratie stünden, Mittel zur Verfügung zu stellen, damit sie ihre Anhänger im Sinne der Demokratie beeinflussen könnten.

    (Hört! Hört! und Lachen bei der SPD.)

    Ich vermute, daß damit die Kommunisten gemeint sind, ohne daß ich direkt den Verdacht äußern möchte, daß gerade sie von der Bundesregierung bezahlt seien.


    (Dr. Gülich)

    Als naheliegendes Beispiel drängte sich im Haushaltsausschuß der BDJ auf, so daß mein Kollege Schoettle schließlich Herrn von Lex sagte, offenbar sei der frühere Kommunist und spätere BDJ-
    Führer Lüth vertrauenswürdiger als der sozialdemokratische Vorsitzende des Haushaltsausschusses.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Das ist aus den Fragen, die in der ersten Lesung angeschnitten werden sollten, keine Frage von finanziell großer Bedeutung. Aber sie ist von eminent politischer Bedeutung, was die Entwicklung unserer Bundesrepublik im Sinne einer echten parlamentarischen Demokratie angeht.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich komme nun zum Haushalt. Selbstverständlich kann ich Einzelprobleme des Haushalts nicht erörtern. Das paßt auch nicht in die erste Lesung, das behalten wir uns für die Ausschußberatungen und für unsere Darlegungen in der zweiten Lesung vor. Aber es gibt da einige Behauptungen, die man nicht unwidersprochen über sich ergehen lassen kann. Die erstaunlichste Mitteilung des Herrn Bundesfinanzministers war gestern die, er lege uns einen ausgeglichenen Haushalt vor. Aber im selben Augenblick kündigt er eine Steuergesetzgebung an, die zu erheblichen Mindereinnahmen führt. Der Finanzminister teilt also in derselben Rede mit, der Haushalt sei ausgeglichen und der Haushalt sei nicht ausgeglichen. Er sagte, der sogenannte Abgleich — das „sogenannte" habe ich hinzugefügt — habe bereits im vorliegenden Etat Schwierigkeiten gemacht, da einer Erhöhung der Einnahmen um 550 Millionen DM eine Erhöhung der Ausgaben um 2078 Millionen DM gegenüberstehe.
    Für die Lücke von 1750 Millionen DM hat der Herr Bundesfinanzminister nun drei Deckungsvorschläge gemacht. Der erste Deckungsvorschlag besteht in der Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von 37 auf 44 %. Das, muß man ja sagen, ist ein wirklich echter Deckungsvorschlag, nachdem der Herr Bundesfinanzminister auf der andern Seite behauptet hat, Bundesaushalt und Länderhaushalte seien eine Einheit, und wir ja tatsächlich eine einheitliche Gesamtfinanzmasse haben. Wenn man also den Ländern etwas wegnimmt, um es dem Bund zu geben, so ist das nur sehr formal betrachtet ein Deckungsvorschlag, aber kein echter. Außerdem ist ja gestern bereits angekündigt worden — die Länder wehren sich ja schließlich auch —, man wolle sich nun statt mit 44 mit 40 % zufrieden geben. Trotzdem ist der Haushalt ausgeglichen!

    (Abg. Ritzel: Bayern kommt mit dem Landsturm!)

    Der zweite Deckungsvorschlag ist die Ausgabe von Schuldverschreibungen an Stelle von Barzahlungen an die Sozialversicherungsträger. Auch ein vorzüglicher Deckungsvorschlag, der aber nichts anderes bedeutet, als im Augenblick Schulden zu machen und einen Vorgriff in die Zukunft, den eine spätere Regierung zu regulieren haben wird.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Der dritte Deckungsvorschlag ist die Aufrechterhaltung des Notopfers Berlin, obgleich uns der Herr Bundesfinanzminister nachdrücklich versichert hat, daß das Notopfer Berlin vom 1. April 1953 an in den Etat eingebaut werde. — Das sind also die drei Deckungsvorschläge, um den Fehlbetrag von 1750 Millionen DM zu decken.
    Selbstverständlich sind wir uns darüber klar, daß ein Haushaltsplan nicht zu jeder Zeit ausgeglichen sein kann. Aber man kann einen unausgeglichenen Haushaltsplan nur in einer Zeit wirtschaftlichen Niedergangs einbringen. Da Sie aber von der wirtschaftlichen Blüte überzeugt sind und der Herr Bundesfinanzminister auch bei jeder Gelegenheit sagt, daß die wirtschaftliche Blüte anhält — auch Herr Kollege Schröder hat mich vorhin auf die Steigerung des Sozialprodukts aufmerksam gemacht -,

    (Zurufe von der Mitte)

    ist die Einbringung eines unausgeglichenen Haushalts nicht zu verantworten.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Geht die Konjunktur nieder, dann muß unter Umständen mit den Mitteln der Finanzpolitik, eines unausgeglichenen Haushalts, aktiv in die Bekämpfung der Wirtschaftsschwäche eingegriffen werden.

    (Abg. Dr. Becker [Hersfeld]: Wollen Sie das Defizit durch Streichung von Ausgaben oder durch Erhöhung der Einnahmen beseitigen?)

    Vielleicht hat die Bundesregierung auch, nachdem sie uns einen unausgeglichenen Haushalt vorgelegt hat, die Befürchtung, sie befinde sich in Wirklichkeit bereits in einer niedergehenden Konjunktur.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Ach, wie witzig!)

    Wenn ich also zugebe, daß es ein konstruktives Defizit geben kann, so möchte ich doch gleichzeitig sagen, daß das Defizit des Bundeshaushalts 1953/54 destruktiver Natur ist.
    Dann möchte ich ein Wort sagen über den Hymnus des Herrn Bundesfinanzministers auf die Leistungen der Bundesregierung. Da, wo tatsächliche Leistungen vorliegen, wollen wir sie wahrhaftig nicht herabsetzen, aber wir wollen doch nicht übersehen, daß die Bundesregierung in diesen vier Jahren mächtige Helfer gehabt hat. Da ist die amerikanische Finanz- und Wirtschaftshilfe, da ist der Rüstungsboom seit Korea, die beide ungeheueren Einfluß auf die Entwicklung gehabt haben. Die Masse aber der arbeitenden Menschen und ihre Bereitschaft, sich unverzagt unter schwersten Entbehrungen am Wiederaufbau zu beteiligen, ist eine Leistung, zu der gestern auch hätte ein Wort gesagt werden müssen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Der Herr Bundesfinanzminister tat gestern in seiner Rede so — Sie können es an mehreren Stellen nachlesen —, als ob sich die Bundesrepublik unmittelbar an den Zusammenbruch des Reichs angeschlossen hätte. Er hat dabei vollkommen übersehen, daß zwischen der Gründung der Bundesrepublik und dem Zusammenbruch fast viereinhalb Jahre vergangen sind. Und was ist in diesen viereinhalb Jahren geleistet worden!

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Was ist in den Gemeinden in dieser Zeit geleistet worden und in den Kreisen!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Wer von Ihnen in diesen Jahren 1945, 1946, 1947 als Bürgermeister oder Landrat in die Bresche gesprungen ist, der weiß, was damals geleistet worden ist, als wir noch keinen Staat wieder hatten.

    (Abg. Arndgen: Das hat keiner bestritten!) Das darf man hier nicht vergessen.


    (Beifall bei der SPD.)



    (Dr. Gülich)

    Die Leistungen der Bundesverwaltung mit ihren doch überwiegend tüchtigen Beamten, Angestellten und Arbeitern will ich auch nicht herabsetzen, aber man darf nicht so tun, als ob der Aufbau der obersten Bundesbehörden nun aus dem Nichts gemacht worden wäre. Das hat aber der Herr Bundesfinanzminister gestern gesagt. Was ist allein — der Länder gar nicht zu gedenken, die ja auch Großes im Wiederaufbau geleistet haben — vom Zweizonenwirtschaftsrat geleistet worden!

    (Abg. Dr. Becker [Hersfeld]: Dort ist aber gegen Ihre Stimmen die Zwangswirtschaft abgeschafft! — Abg. Dr. Wuermeling: Da war ja auch schon Herr Erhard!)

    — Die Zwangswirtschaft war ja eine Folge des Hitlerkriegs und von Hitler eingeführt. Aber nun sagen Sie doch nichts, was historisch nicht wahr ist. Aber wenn Sie schon Zwangswirtschaft sagen, dann möchte ich im Zusammenhang mit der Etatrede etwas sagen, was ich sonst nicht gesagt hätte. Ich habe es gestern als eine Undankbarkeit empfunden, daß der Herr Bundesfinanzminister nicht der Beamten und Angestellten gedachte, die im Zweizonenwirtschaftsrat gearbeitet haben. Gerade er hat j a unter seinen engsten Mitarbeitern und der großen Zahl seiner Mitarbeiter viele, die den Haushalt der Bundesrepublik im Wirtschaftsrat vorbereitet haben.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Die sind doch jetzt im Finanzministerium! — Abg. Bausch: Er kann doch nicht bei Adam und Eva anfangen! — Große Heiterkeit)

    — Nein, nicht bei Adam und Eva, lieber Herr Bausch.

    (Anhaltende Heiterkeit.)

    Ich hätte schon aus Schicklichkeits- und ästhetischen Gründen bei Adam und Eva nicht angefangen — und Ihnen gegenüber schon gar nicht.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Greve: Herr Gülich, die hätten Bezugscheine gebraucht, und die hätten ihnen nämlich vom Wirtschaftsamt ausgestellt werden müssen!)

    Sehen Sie, der Herr Bundesfinanzminister hat an mehreren Stellen — ich bitte es nachzulesen — so getan, als ob diese Bundesregierung unmittelbar nach dem Zusammenbruch des Reichs ihre schwere Arbeit hätte beginnen müssen. Dazu habe ich gesagt, — —

    (Abg. Dr. Wuermeling: Wieso denn? — Abg. Dr. Wellhausen: In Frankfurt war dieselbe Koalition!)

    — Herr Wellhausen, lesen Sie es doch bitte nach; da steht es doch gestern geschrieben.

    (Abg. Dr. Wellhausen: Nein!)

    Ich habe lediglich daran erinnern wollen, daß dem nicht ganz so ist. Wenn Sie einmal genau überlegen, dann werden Sie alle — auch der Herr Bundesfinanzminister - mir zugeben, daß ich in dieser Sache recht habe.

    (Heiterkeit.)

    Es sind, wie gesagt, 80 Seiten, die der Herr Bundesfinanzminister gestern geredet hat und wohlvorbereitet geredet hat.
    Es wäre noch manches dazu zu sagen. Denken Sie an seine Steuerbeispiele. Bei den Steuerbeispielen kennt er die Einkommen von unter 5000 DM gar nicht. Man braucht sich nur die Steuerstatistik anzusehen, um zu sehen, welche Bedeutung zahlenmäßig die kleinen Einkommenträger haben; und wenn man schon Steuerbeispiele bringt, dann sollte man einen großen und besonders schwergeprüften Teil des Volkes nicht vergessen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Beim Wohnungsbau muß wohl darauf hingewiesen werden, daß die Länder und Gemeinden
    einen weit größeren Anteil als der Bund haben. Ich
    erinnere daran, daß es die SPD-Fraktion gewesen
    ist, die mit ihrem ersten Wohnungsbaugesetzentwurf vom März 1950 dieses Wohnungsbauprogramm eingeleitet hat, wodurch die Arbeiten
    der Regierung wesentlich beflügelt worden sind.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Vor allem die Aufbringung der Mittel! — Abg. Heiland: Sie allein bezahlen auch keine Steuern, Herr Wuermeling! Tun Sie bloß nicht so aufgeblasen! — Abg. Dr. Wuermeling: Darum geht es nicht, es geht um die Beschlüsse hier!)

    — Es geht um die Beschlüsse? Sie bringen mich immer wieder in peinliche Situationen, Herr Wuermeling!

    (Zuruf von der Mitte: Wieso denn?)

    — Na, wenn. ich jetzt den Herrn Wohnungsbauminister oder den Herrn Vorsitzenden des Wohnungsbauausschusses bitten würde, doch einmal hierherzukommen und zu sagen, wie schwer es ist, wie mit dem Herrn Bundesfinanzminister um jede Million hat gekämpft werden müssen, — ich würde die Herren in eine schreckliche Verlegenheit bringen! Ich bin deshalb so nett und tue es nicht.

    (Abg. Dr. Dresbach: War denn der Finanzminister von Schleswig-Holstein seinerzeit so sehr viel netter? — Abg. Dr. Wuermeling: Nein, aber der von Hessen!)

    — Der Finanzminister von Schleswig-Holstein stellte sich voll und ganz der Kritik im schleswigholsteinischen Landtag.

    (Zuruf von der Mitte: Das tut der Bundesfinanzminister auch!)

    — Ja, das wollen wir sehen! — Und der Finanzminister von Schleswig-Holstein hat, wenn er Zahlen vorgelegt hat, niemals Zahlen vorgelegt, die unvollständig sind. Dafür hat er nämlich als Nationalökonom und Statistiker ein viel zu sauberes wissenschaftliches Gewissen,

    (Zurufe von der Mitte: Oho! — Oh, oh!)

    um unvollständige und nicht immer brauchbare Zahlen vorzulegen.

    (Unruhe in der Mitte. — Abg. Schmücker: Ohne Beifall!)

    Ich habe noch ein Wort zum Steuerzahler zu sagen. Der Wirtschaftsminister hat sich in zahl- reichen Reden an die Steuerzahler gewandt. Der Finanzminister hat ebenfalls an ihre Einsicht appelliert und ihre fehlende Steuermoral beklagt. Es wäre also, nachdem Herr Neuburger vorhin sein Steuerreformprogramm bekanntgegeben hat, auch zu sagen, daß man von den Kreisen der Unternehmer in dieser Beziehung eine größere Einsicht erwarten müßte. Es ist doch bisher leider Gottes so, daß der einzig zuverlässige und korrekte Steuerzahler der Lohnsteuerzahler ist.

    (Abg. Schmücker: Das sollte man nicht sagen! Das ist eine Beleidigung für viele kleine selbständige Unternehmer, die ehrlich ihre Steuern bezahlen!)

    Die Darstellung des Herrn Bundesfinanzministers über die Sozialleistungen des Bundes kann nicht


    (Dr. Gülich)

    unwidersprochen hingenommen werden. Es ist notwendig, die echten Sozialleistungen von den Kriegsfolgelasten zu trennen, und die Leistungen aus den Versicherungsanstalten dürfen schon auf keinen Fall in die Erfolgsrechnung der Bundesregierung einbezogen werden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Sie stammen nämlich aus den Beiträgen der Versicherten.

    (Zuruf von der Mitte: Zuschüsse!)

    Ein besonderes Problem möchte ich hier anschneiden, und das werden Sie dem Professor auch besonders verzeihen. Ich meine das Problem der Aufsplitterung der Mittel für die wissenschaftliche Forschung. Nach Art. 74 Ziffer 13 des Grundgesetzes hat sich der Bund die Förderung der wissenschaftlichen Forschung vorbehalten. Da die Kulturhoheit aber bei den Länder liegt, die insbesondere für die wissenschaftlichen Hochschulen zuständig sind, aber mehr ihre Landesaufgaben im Auge haben, ist eine sinnvolle Einsetzung und Lenkung der Mittel für Forschung und Wissenschaft doppelt notwendig, und hier, meine Damen und Herren, wird das Fehlen einer Bundesinstanz besonders fühlbar.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Bei allen Haushaltsberatungen und bei einem Querschnitt durch die einzelnen Haushalte nach der wissenschaftlichen Forschung werden Sie bemerken, wie sehr diese Dinge im argen liegen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich könnte dazu zahlreiche Beispiele anführen, will das aber nicht tun.

    (Abg. Dr. Dresbach: Herr Gülich, Instanz ist der Innenminister!)

    — Instanz ist der Innenminister. Ich sage Ihnen aber, Herr Dresbach, daß die Mittel so aufgesplittert sind, daß sie nicht zu einem sinnvollen Einsatz kommen können, und ich sage Ihnen, daß die Mittel unzureichend sind und daß eine wirkliche Bundesinstanz geschaffen werden muß, die sich der zentralen Betreuung der wissenschaftlichen Forschung widmet.

    (Abg. Dr. Dresbach: Ja, wollen Sie denn ein Reichskultusministerium?)

    — Ob ich ein Reichskulturministerium will, ist damit ja nicht gesagt, wenn ich sage, daß ich eine zentrale Stelle wünsche, und wenn ich Ihnen, Herr Dresbach, aus guten Gründen sage, daß das gegenwärtige System der Aufsplitterung der Mittel für die wissenschaftliche Forschung wahrhaft unzureichend ist.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir wollen uns gern zusammensetzen; ich gebe Ihnen ein Privatissimum, und dann werden Sie das auch einsehen.

    (Abg. Mellies: Herr Dresbach, wir haben schon einmal klügere Bemerkungen von Ihnen gehört! — Abg. Lücke: Wollen wir sagen: Colloquium! — Heiterkeit.)

    — Ich habe auch betont, daß es ein Privatissimum sein sollte!

    (Erneute Heiterkeit. — Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Aber dann gratis!)

    — Und gratis!

    (Anhaltende Heiterkeit.)

    Hier ist noch zu sagen, daß die Länder gar nicht in der Lage sind, Gesamtprobleme und Gesamtaufgaben der deutschen Wissenschaft und der deutschen Forschung aufzugreifen und wahrzunehmen. Die Ausstattung der Forschungsinstitute ist wirklich unzulänglich. Ebensosehr muß jetzt einmal die Sorge um den wissenschaftlichen Nachwuchs geäußert werden. Ist es nicht eine Schande, daß an fast allen deutschen Universitätskliniken und zahlreichen anderen Krankenhäusern approbierte Ärzte noch jahrelang ohne einen Pfennig arbeiten müssen, um überhaupt später in ihrem Beruf tätig sein zu können?

    (Abg. Dr. Vogel: Es ist Landesangelegenheit!)

    — Nein, das ist eben keine Landesangelegenheit, Herr Vogel! Sehen Sie Art. 74 des Grundgesetzes nach! Das ist eine Bundesaufgabe.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Das Land kann diese Angelegenheiten gar nicht wahrnehmen, wie ich eben gesagt habe, weil es sich um Gesamtprobleme handelt.

    (Abg. Arndgen: Da kriegen Sie Streit mit den Ländern!)

    In diesem Zusammenhang möchte ich auch das Problem der amtsverdrängten Hochschullehrer anschneiden, die sich seit Jahren um Wiederverwendung bemühen. Soweit sie in den Naturwissenschaften, in der Technik tätig sind, sind sie ja oft bei großen Industriefirmen untergekommen. Aber die wissenschaftlichen Forscher, die Professoren, die Dozenten und der wissenschaftliche Nachwuchs auf dem Gebiet der Geisteswissenschaften, der Sozialwissenschaften, liegen heute absolut brach, und es muß etwas für sie getan werden.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich habe auch nichts davon gehört, daß eine sinnvolle Einsetzung der aus dem Etatposten für die Versorgung der 131er ersparten Millionen für diese Zwecke in Aussicht genommen wäre. Die naturwissenschaftliche Zweckforschung wird in Deutschland nach wie vor verhältnismäßig bevorzugt entwickelt, und die Grundlagenforschung und die gesamten Geisteswissenschaften, insbesondere auch die Sozialwissenschaften und die Wissenschaften von der Politik, werden in einem gröblichen Ausmaße, welches dem deutschen Volke Schaden zufügen wird, vernachlässigt. Es ist ja nicht einmal möglich — Herr Dresbach, drohen Sie schon wieder mit dem Finger? —, der Kommission für die Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien so ausreichende bescheidene Mittel zu geben, daß sie ihre Aufgaben erfüllen kann. Wir sollten uns zusammentun und sollten bei diesem Haushalt an dieser Stelle für diese Kommission etwas tun.

    (Abg. Bausch: Das werden wir im Haushaltsausschuß schon machen! — Abg. Dr. Dresbach: Herr Gülich, ich bin ja Ihrer Meinung!)

    — Im Haushaltsaussschuß, Herr Bausch, — — (Abg. Bausch: Da sitzen so viele verständige Männer; die werden das goldrichtig machen!)

    — Sehr schön, Herr Bausch!

    (Abg. Bausch: Jawohl!)

    — Wir nehmen das zur Kenntnis.
    Ich komme noch auf ein anderes fragwürdiges Kapitel, das ist die Inanspruchnahme von 250 Millionen DM als Anleihe aus dem ERP-Sondervermögen zur Deckung von Fehlbeträgen im Haushalt. Die Zulässigkeit dieses Verfahrens erscheint mir höchst zweifelhaft. Die Mittel sind für Investitionen bestimmt und nicht dafür, Fehlbeträge im Haushalt zu decken. Wenn man jetzt zu


    (Dr. Gülich)

    solchen Mitteln greift, wie will man sich dann in Notzeiten helfen? Wäre es nicht besser gewesen, wenn man diese 250 Millionen etwa für die Wasserwirtschaft, eines der wichtigsten gesamtdeutschen Anliegen, eingesetzt hätte? Hier hätte es sich um Investitionen gehandelt, die nach Generationen noch ihre Früchte tragen würden.
    Ich wende mich jetzt noch kurz der Einnahmeseite zu. Der Herr Bundesfinanzminister hat uns gestern erklärt, daß er die Einnahmen optimistisch geschätzt habe, und zwar unter der Voraussetzung, daß das Sozialprodukt auch in dem kommenden Etatsjahr wieder um 5 % anwachsen würde. Ich hatte leider von gestern bis heute nicht die Möglichkeit, die Zahlen im einzelnen zu überprüfen. Ich hätte es gern getan, und ich werde es tun. Wir wissen j a, daß Finanzminister — und das ist ihr gutes Recht — Einnahmen im allgemeinen optimistisch nach unten, Ausgaben pessimistisch noch oben schätzen

    (Abg. Bausch: Haben Sie seinerzeit auch so gemacht!)

    - habe ich auch so gemacht, Herr Bausch —, um sich auf diese Weise eine gewisse Spanne zu halten. Das wissen wir; wir wollen nur gerne erfahren, wie die Dinge in Wirklichkeit sind.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Bisher hat er immer recht behalten!)

    Es würden mich einige von Ihnen gar nicht verstehen, auch der Herr Bundesfinanzminister wäre nicht zufrieden, wenn ich in diesem Zusammenhang, da ich schon einmal bei Einzelplan 60 bin, kein Wort über das Branntweinmonopol sagte.

    (Heiterkeit.)

    — Ja, das ist sehr interessant. Im vorigen Haushalt stand unter dem Tit. 7: „Aus dem Branntweinmonopol a) Branntweinsteuer, b) Monopolgewinn". Nun habe ich mich an dieser Stelle wiederholt gegen die Auffassung des Bundesfinanzministers ausgesprochen, daß das Banntweinmonopol ein Finanzmonopol sei und die Aufgabe habe, über die Steuer hinaus Gewinne zu erzielen. Er hat seine Auffassung nicht geändert, nur das Gesicht ein bißchen, indem jetzt nur ganz verschämt dasteht: „Aus dem Branntweinmonopol", ohne a) und b), wobei aber unterstellt werden darf — ich habe es noch nicht nachrechnen können —, daß der Monopolgewinn in den 550 Millionen DM Branntweinsteuervoranschlag aufgenommen ist.
    Wir haben uns hier auch einmal über die Kosten der Monopolverwaltung unterhalten, und es wurde mir bestritten, daß es 34,5 Millionen DM seien. In diesem Jahre sind sie schon amtlich mit 40 Millionen DM angegeben, ohne daß der Bundestag etwas über die wirkliche Verwendung dieser Mittel erfährt; denn das steht in den Geschäftsberichten nicht drin. Aber ich bin ziemlich sicher: noch bevor dieser Bundestag auseinandergeht, werden wir diesen Einblick bekommen haben. Das werden wir noch schaffen!
    Interessanterweise hat nun gestern der Herr Bundesfinanzminister einen Plan dargelegt, der eine Senkung der Einkommensteuer vorsieht. Wenn er diesen Plan wenigstens gleichzeitig mit dem Etat eingebracht hätte! Nein, er hat den Plan nur angekündigt! Über Verbrauchsteuern steht in seiner ganzen Rede nichts. Die Verbrauchsteuern sind aber wirtschaftspolitisch gesehen das Interessante. Es gibt so viele Untersuchungen über die Elastizität der Nachfrage bei den verbrauchbesteuerten Waren, daß man sich der Aufgabe unterziehen
    muß, die verbrauchbesteuerten Waren daraufhin zu untersuchen, ob sie nicht zu hoch, nicht zu niedrig und ob sie nicht überhaupt falsch besteuert sind. Hier hat es sich gezeigt, daß der Herr Bundesfinanzminister und seine Mitarbeiter aus der Abteilung Zoll und Verbrauchsteuern die Verbrauchsteuern rein fiskalisch ansehen und nicht in der Lage sind, hierüber wirtschaftspolitische Erwägungen anzustellen. Wir haben das in der vorigen Woche bei der Beratung des Mineralölabgabegesetzes wieder deutlich bemerken können.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Wie wollen Sie die Ausfälle decken?)

    — Die Ausfälle will ich dadurch decken, Herr Wuermeling — wir werden es bei der Schaumweinsteuer sehen —, daß wir beispielsweise bei Kaffee und Tee durch eine Festsetzung einer Verbrauchsteuer, die richtig ist und der Nachfrage entspricht, den Schmuggel an der Grenze und den Besatzungsschmuggel, der j a noch durch den Truppenvertrag legalisiert wird, uninteressant machen.

    (Sehr gut! bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

    Das ist die ganze Geschichte! Aber wir müssen unter allen Umständen an die Senkung der Kaffee- und der Teesteuer herangehen.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Wenn die Rechnung aufgeht! — Abg. Dr. Dresbach: Herr Gülich, Schaumwein war kein gutes Beispiel; wir stehen im Karneval! — Heiterkeit.)

    — Das wollen wir erst einmal abwarten! Es ist doch ein gutes Beispiel, Herr Dresbach: es war ein kleiner, übersehbarer Bereich; und an diesem übersehbaren Bereich, in dem nicht viel passieren konnte, konnten wir dieses Experiment wagen.
    Es kommt bei den Verbrauchsteuern gerade entscheidend darauf an, daß mit finanzpolitischen Mitteln Wirtschaftspolitik betrieben wird. Der Herr Bundesfinanzminister hat uns gestern ausdrücklich an zwei Steilen versichert, daß die von ihm geplante Senkung der Einkommensteuer mit den Wahlen und den Vorbereitungen zu den Wahlen aber auch gar nichts zu tun habe. Wir haben ihm das aufs Wort geglaubt.

    (Heiterkeit bei der SPD. — Zurufe.)

    Noch ein kurzes Wort zu unserer Finanzverfassung. Es ist bedauerlich, daß die Bundesregierung nicht in der Lage gewesen ist, während dieser vier Jahre das Gesetz nach Art. 107, dessen Vorlage bis zum 31. Dezember 1952 befristet war, vorzulegen. Wir wären wesentlich weiter gekommen, wenn wir die Neuverteilung des Steueraufkommens in diesem Bundestag beschlossen hätten. Wir begrüßen es, daß der Bundeshaushalt jetzt formal anders aufgezogen ist und mit den Länderhaushalten übereinstimmt. Ich wiederhole meine alte Forderung, die ich schon einmal an dieser Stelle gestellt habe: daß wir nun, nachdem die formalen Hemmnisse beseitigt sind, darangehen, Haushaltsanalysen des Bundeshaushalts und vor allen Dingen der Länderhaushalte untereinander vorzunehmen, weil sie wichtige Mittel zu einer künftigen Finanzpolitik sein werden.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat auch kein Wort von dem von der FDP eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes nach Art. 108 gesagt; kein Wort, weil ihm als Föderalisten das, wie wir ja wissen, nicht angenehm ist. Wir haben im Finanzausschuß Sachverständige gehört, die alle
    — mit einer bayerischen Ausnahme — zu dem


    (Dr. Gülich)

    gleichen Ergebnis gekommen sind, daß die Einrichtung einer zentralen Bundesfinanzverwaltung durch Einsparung, durch gleichmäßige Veranlagung etwa eine Milliarde an öffentlichen Mitteln ersparen bzw. mehr aufkommen würde.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Eine Milliarde — gleich 1000 Millionen — ist ja eine schöne, runde Summe, und wir gestatten uns den Luxus dieser Bundesfinanzverwaltung mit den zahlreichen Länderfinanzverwaltungen weiter, ohne auf diesem Gebiete etwas Entscheidendes zu tun! Auch die Herren Bayern sollten begreifen, daß ihnen gar nichts genommen wird, wenn wir eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung bekommen.

    (Zuruf rechts: Oder alles! Zuruf von der CSU: Vorsicht!)

    — Vorsicht, Vorsicht, ja!
    Ich komme zum Schluß. Nachdem der Herr Bundesfinanzminister gestern zum Schluß sich auf einem hohen Gipfel bewegt hat, ja sogar eine „Gratwanderung" vorgenommen hat

    (Zuruf rechts: Er ist ja Schiläufer!)

    und Herr Neuburger ihm gefolgt ist,

    (Zuruf von der Mitte: Er ist ja schwindelfrei!) will ich ihn zum Schluß auch noch auf die Gratwanderung ansprechen.


    (Abg. Kemmer: Aber vorsichtig!)

    In Tirol gibt es ja einen schönen Gruß. Derjenige, der von dem Berg herunterkommt, grüßt den Hinaufsteigenden mit den Worten: „Zeit lassen!" Nun, der Herr Bundesfinanzminister hat sich in diesen Jahren in wichtigen Dingen Zeit gelassen. Er ist es ja schließlich auch gewesen, der die zahlreichen Sondergesetze mit Steuerbegünstigungen eingebracht hat, deren Existenz vorhin auch Herr Neuburger beklagt hat.
    Nun befindet sich der Herr Bundesfinanzminister auf dem Grat, und Herr Neuburger hat ihm bescheinigt, daß er ganz frei von Schwindel sei. Wir wollen das mal unterstellen.

    (Heiterkeit.)

    Vielleicht stimmt es aber auch nicht ganz.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich habe mehr den Eindruck, daß man ihm den guten Rat geben möge, sich bei seiner Gratwanderung doch anzuseilen.

    (Abg. Leonhard: Bei Ihnen? — Große Heiterkeit.)

    — Das wäre gar nicht so schlecht.

    (Zuruf von der SPD: Das wäre gut!)

    Ich glaube, ich wäre ein ganz guter Bergführer.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Früher!)

    Er sollte sich doch anseilen; aber die Bundesregierung sollte unter keinen Umständen als Seil, mit dem sie sich nun noch weiterhin in die Regierung bringen will, das Wahlgesetz benutzen, dessen Entwurf sie uns in diesen Tagen vorgelegt hat.

    (Sehr gut! bei der SPD. — Oho-Rufe von der CDU.)

    Mit diesem Wahlgesetz, meine Damen und Herren,

    (Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Das ist für Sie gar nicht so ungünstig, wie Sie glauben!)


    (Zuruf von der SPD: Nicht ohne Schwindel!) gegen die werdende deutsche Demokratie.


    (Widerspruch in der Mitte. — Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Dann wollen wir das relative Mehrheitswahlrecht einführen und retten sie! —Weiterer Zuruf von der Mitte: Helfen Sie mit! — Abg. Lücke: Stimmen Sie dem Mehrheitswahlrecht zu! — Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Morgen haben wir das relative Mehrheitswahlrecht, wenn Sie wollen!)

    — Herr Schröder, Sie wissen ganz genau, daß dieses Wahlgesetz eine eindeutige Tendenz gegen die Sozialdemokratie hat.

    (Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Wir werden doch nicht!)

    Wer von Ihnen ist in der Lage, aufzustehen und zu erklären, daß es diese Tendenz nicht hat!

    (Zuruf von der Mitte: Ja, doch!)

    Wer aber glaubt, mit Wahlgesetzen und Wahlkreisgeometrie Augenblickserfolge erringen zu können, der wird sehen, daß er vielleicht für den Augenblick einen Erfolg erringen kann,

    (Zuruf von der Mitte: Wie in Hessen!)

    daß dann aber der Rückschlag um so schwerer ist.

    (Zuruf von der Mitte: Das haben Sie uns in Hannover vorexerziert!)

    -- Ich habe gar nicht exerziert in Hannover; so militärisch bin ich gar nicht!
    Machen Sie unter keinen Umständen diesen Entwurf zum Wahlgesetz. Sie würden damit den schwersten politischen Fehler dieser vier Jahre begehen.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]:: Nein, nein! Da täuschen Sie sich!)