Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Opposition hatte darum gebeten, zwischen der großen Haushaltsrede des Herrn Bundesfinanzministers und der Haushaltsdebatte
eine Pause von einigen Tagen einzulegen, ein wohl sehr verständliches Anliegen. Bedenken Sie, der Herr Bundesfinanzminister redete gestern drei Stunden
nach einem 80 Seiten langen, mit Hilfe eines ganzen Ministeriums langfristig ausgearbeiteten Manuskripts, das die Finanzexperten der Koalitionsparteien zudem schon am Vorabend bekommen hatten - die Opposition nicht —,
und nun soll unmittelbar daran die Generaldebatte
der ersten Lesung stattfinden. Die Rede des Herrn
Kollegen Neuburger, die sich im wesentlichen
mit einer Reform der Steuern befaßt hat, hat schon
gezeigt, was wir von den Angehörigen der Koalitionsparteien zu erwarten haben, nämlich Lob und
Dank an den Herrn Bundesfinanzminister, der ihm
auch bereits gestern reichlich gezollt worden ist. Es
erscheint mir deshalb fraglich, ob die Überprüfung
seiner Rede und des vorgelegten Etats von den Regierungsparteien so vorgenommen werden wird,
wie ein Haushaltsplan das verdient. Um so wichtiger ist es für den Aufbau unseres staatlichen Lebens, daß die Opposition die Aufgabe der Oberprüfung wahrnimmt. Die wichtigste Aufgabe des Parlaments, das Recht auf Festsetzung des Haushalts und auf die Finanzkontrolle, muß also in der Hauptsache von der Opposition erfüllt werden.
— Diese Frage wird erst in der dritten Lesung entschieden.
— Ja, von der Festsetzungsbefugnis des Parlaments sprach ich; die haben wir. Daß wir für diesen Etat nicht stimmen, kann ich Ihnen schon jetzt verraten, die Zustimmung zum Haushalt ist eine Zustimmung zur Regierung.
Es würde den Gepflogenheiten des parlamentarischen Lebens jedenfalls besser entsprochen haben, wenn Sie uns diese paar Tage Frist zu einer gründlichen Überprüfung des Haushaltsplans gegeben hätten.
In dem gegenwärtigen Falle ist die Aufgabe der Opposition noch durch einen unglücklichen Zufall erschwert. Mein Freund Schoettle sollte die Hauptrede in der ersten Lesung halten. Nun ist ihm in dieser Nacht plötzlich der Vater gestorben, so daß mir heute morgen um 9 Uhr die Aufgabe zuteil geworden ist — eine nicht ganz leichte Aufgabe! —, in der ersten Lesung zum Haushaltsplan zu sprechen.
Es ist der letzte Haushaltsplan der Regierung Adenauer
und der letzte Haushaltsplan dieses Bundestags.
— Das wollen wir mal fein abwarten!
Ich bin bereit zu sagen: es ist der letzte Haushaltsplan dieser Regierung Adenauer;
und die andere wollen wir abwarten!
In diesem Haushaltsplan sind zwei leitende Gesichtspunkte nicht zu verkennen: erstens der innerpolitische, die Vorbereitung der kommenden Wahlen. Auf diese Vorbereitung war die gestrige Haushaltsrede weitgehend abgestimmt.
Zweitens der außenpolitische: die Vorbereitung des Abschlusses des Generalvertrags und des EVG-Vertrags, die finanzielle Belastungen mit sich bringen werden, die ungeheuerlich sind.
Es ist das Recht dieser Bundesregierung, am Schluß der Regierungszeit einen Überblick über die Haushaltsentwicklung zu geben.
Mit den Bezeichnungen des Haushalts für 104Q als Übergangshaushalt, für 1950 als Überleitungshaushalt kann man einverstanden sein. Fragwürdig erscheint die Bezeichnung des Haushalts für 1951 als Korea-Haushalt und des Wiederholungs- und Nachtragshaushalts für 1952 als Haushalt der Erprobung. Unrichtig und wirklichkeitsfremd will es mir erscheinen, den Haushalt 1953 als einen Abschlußhaushalt mit dem Ringen um die Konsolidierung zu bezeichnen, da weder innen- noch außenpolitisch eine Konsolidierung sichtbar ist. Wie kann man von Konsolidierung sprechen, wenn politische, wirtschaftliche und finanzielle Entwicklungen sichtbar werden, die eher auf Krise denn auf Konsolidierung hindeuten!
Welche Rolle die deutsche Finanzpolitik nach der Auffassung des Herrn Bundesfinanzministers für die deutsche Außenpolitik spielen soll, geht aus seiner gestrigen Rede hervor. Nach dem Stenographischen Bericht heißt es an dieser Stelle wörtlich:
Die deutsche Finanzpolitik mußte auch hier
eine geschichtlich noch nicht dagewesene Leistung vollbringen. Sie mußte die Besatzungskosten tragen und gleichzeitig den Weg vorbereiten, aus dem durch die Hitler-Verbrechen
geschändeten deutschen Volk einen geachteten
Verbündeten der freien demokratischen Welt
zu machen.
Soll die Achtung der Verbündeten durch Finanzpolitik, durch finanzielle Leistungen erkauft werden? Und was mich doch so sehr erschüttert hat: er spricht hier von dem deutschen Volk, ohne zu bedenken, daß es nur ein Teil des deutschen Volkes ist und daß der andere Teil des Volkes woanders steht.
Schließlich sollten wir die geschichtliche Würdigung auch der Geschichte überlassen. Es ist seit einigen Jahrzehnten üblich geworden, irgendwelche Ereignisse der Gegenwart schon als historische Ereignisse zu bezeichnen. Von wie vielen Ereignissen haben wir aber inzwischen bereits bemerkt, daß sie vor der Geschichte nicht standhalten.
Die Perspektive, die der Bundesfinanzminister für das Haushaltsjahr 1953 als das der Abwicklung der finanziellen Auslandsverpflichtungen gab, trägt schon den Charakter der Vorwegbewilligung der finanziellen Bestimmungen des Generalvertrags in
sich. Wenn dieser Haushaltsplan angenommen wird, ist eine wichtige Entscheidung für Generalvertrag, Truppenvertrag, Finanzvertrag, die Überleitungsverträge und EVG-Vertrag bereits von Ihnen vorweg getroffen.
— Natürlich!
Diese Konsolidierung ist unecht. Sie sichert keineswegs den Frieden, und sie verbürgt keineswegs unsere Sicherheit. Sie ist fragwürdig. Hingegen sehen wir Ansätze einer echten Konsolidierung, die sich in den Verträgen mit den Niederlanden und der Schweiz angebahnt haben, und diese Entwicklung ist zu begrüßen.
Wir verstehen die Rolle der Opposition so,
daß wir, wie ich schon einleitend sagte, kritisch zu diesen Dingen Stellung nehmen müssen. Wir können uns auch nicht, wie es Kollege Neuburger getan hat, in der ersten Lesung nur auf eine steuerpolitische Erörterung einlassen, in der ersten Lesung, die ja die Aufgabe hat, doch die politischen Gesichtspunkte herauszubringen.
Ich möchte nun, bevor ich das tue, in Erinnerung rufen, wie wir die Rolle der Opposition verstehen. Wir halten dafür, daß die Aufgabe der Opposition darin besteht, erstens zu helfen — wir haben das in intensiver Mitarbeit bei Hunderten von Gesetzen bewiesen —; daß zweitens eine ihrer wichtigsten Funktionen darin besteht, die Regierung zu kontrollieren; daß drittens eine ihrer wichtigsten Funktionen darin besteht, die Regierung in ihren Maßnahmen zu kritisieren; und viertens hat sie notfalls sie zu bekämpfen.
Diese Opposition steht nun einer Regierung gegenüber, deren Kanzler ein Mann der einsamen und der starren Entschlüsse ist,
der sich der wichtigen Mitarbeit der Opposition in außenpolitischen Fragen verschlossen hat.
— Das Umgekehrte, Herr Schröder, ist deshalb nicht richtig, weil zu Beginn der Außenpolitik der Bundesrepublik der Bundeskanzler es nachdrücklich versäumt hat, sich mit der Opposition in Verbindung zu setzen.
— Kommen Sie darauf zurück! Studieren Sie aber vorher, Herr Kollege Schröder, die Bundestagsprotokolle, damit Sie keinen Fehler begehen.
Ein Kanzler, der aus jedem außenpolitischen Gespräch, das er geführt hat, sofort einen Erfolg macht und diesen Erfolg feiert, der Verträge mit den Westmächten abgeschlossen hat, die, wie wir
überzeugt sind, dem gesamtdeutschen Volke keine glückliche Zukunft verbürgen, und dessen Politik die Wiedervereinigung Deutschlands erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht, — —
— Das kann ich auch gern präzisieren;
das ist aber doch bei der zweiten Lesung der Verträge sehr eingehend von uns präzisiert worden.
Aber bei der ersten Lesung des Haushalts würde
mich die Präzisierung von meinem Wege abbringen.
Wir stehen also einer Regierung gegenüber, für deren Wirtschaftspolitik Professor Erhard verantwortlich zeichnet,
deren Innenminister und deren Außenminister sich mit einer Reihe von fragwürdigen Mitarbeitern umgeben haben,
deren Verkehrsminister durch seine politischen Entgleisungen ebenso unangenehm auffällt wie sein Kollege von der Justiz.
Es ist doch gar kein Zweifel, daß einige Minister der Regierung Adenauer — zu der wir auch deshalb in Opposition stehen — das Ansehen der Bundesrepublik im Ausland nicht erhöht haben.
— Ich drücke mich ja oft milde aus, Kollege Greve; man kann es aber richtig verstehen.
Aber das Interessanteste an dieser Regierung ist vielleicht, daß der Wirtschaftsminister und der Finanzminister in fast allen entscheidenden Fragen kraß entgegengesetzter Meinung sind. Bei all den Publikationen, die die Regierung zu ihrem Lobe uns beschert hat, würde ich anregen die Veröffentlichung des Briefwechsels der letzten vier Jahre zwischen Bundesfinanzministerium und Bundeswirtschaftsministerium unter Einschluß des persönlichen Briefwechsels der beiden Minister, damit diese Frage, die ich eben angedeutet habe, etwas klarer wird.
Ich möchte schon jetzt auf eine solche Publikation meine Subskription anmelden.
— Ja, den können wir sehr gut dazunehmen! (Abg. Strauß: Als Einleitung! — Abg. Dr. Greve: Auf Kosten des Bundeskanzleramts,
Herr Wuermeling!)
Wenn aber der Bundesfinanzminister und der Bundeswirtschaftsminister in allen entscheidenden Fragen — das ging ja auch vorhin aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Neuburger hervor, der es bloß mit ein bißchen anderen Worten als ich gesagt hat — entgegengesetzter Meinung sind, dann zeigt das, daß hier etwas nicht in Ordnung sein kann; daß es in der Praxis nicht in Ordnung ist,
das wird auch niemand von den Regierungskoalitionskollegen bestreiten.
— Scheint es Ihnen unschädlich zu sein? — Wenn der Herr Finanzminister nur fiskalisch denkt und der Herr Wirtschaftsminister finanzpolitischen Problemen unzugänglich ist oder sie bagatellisiert, dann ist das eine sehr gefährliche Sache, die, Herr Kollege Schröder, auch bei zunehmendem Sozialprodukt nicht gestattet sein dürfte.
Wir stehen also dieser Regierung — das muß in der ersten Lesung zum Haushaltsplan gesagt werden — in sehr entscheidenden Fragen als Gegner gegenüber. Wir sehen mit Besorgnis die Unzuverlässigkeit der Regierung nach rechts hin und im Kampf um eine echte Demokratie. Ich brauche Sie nur an die Partisanenaffäre zu erinnern,
an Minister Seebohms unsachlich-demagogische Rede gegen Reuter in Berlin
oder an des Innenministers Lehr konstruktiven Verfassungsschutz.
Über diesen konstruktiven Verfassungsschutz muß ich ein paar Worte mehr verlieren.
— Über Hessen steht hier nichts zur Diskussion;
infolgedessen kann ich über Hessen nicht reden.
— Erzählen S i e doch mal über Hessen, wenn Sie das für richtig und angebracht halten.
Wir wollen uns einmal ein paar Minuten mit Herrn Lehrs konstruktivem Verfassungsschutz befassen; das ist viel interessanter, Herr Schröder.
Bei der Beratung des Haushalts des Bundesverfassungsschutzamts — Tit. 31 des Einzelplans des Innenministeriums — wurde im Haushaltsausschuß die Frage aufgeworfen, ob die Beschränkung der parlamentarischen Kontrolle dieses Titels nach § 89 der Reichshaushaltsordnung in der bisherigen Weise aufrechterhalten werden könne. Neuerdings hat man die Beschränkung insofern modifiziert, als nunmehr die Erklärung des Präsidenten des Bundesrechnungshofs, dem die alleinige Prüfung obliegt, die Grundlage für die Entlastung sein soll. Früher hieß es sogar, daß der Präsident des Bundesrechnungshofs die Entlastung selbst erteilen solle. Das ging aber dem Präsidenten des Bundesrechnungshofs, der ja ein erfahrener und korrekter Beamter ist, doch selber über die Hutschnur, und er vertrat den Standpunkt, daß das Parlament seine Pflicht, Entlastung zu erteilen, weder an eine Einzelperson noch eine andere Institution delegieren könne.
Die Opposition hat deswegen im Haushaltsausschuß nicht etwa die völlige Aufhebung des § 89, sondern lediglich die Information des Parlaments
über die Verwendung solcher geschützter Titel in der Weise gefordert, daß einige dafür besonders geeignete Personen laufend über die Vergabe von Mitteln informiert werden.
— Ganz genau so!
— Diese selbe Regelung hat in der Weimarer Zeit bis zum Jahre 1933 bestanden.
— Wenn Sie jetzt behaupten, das sei ganz falsch, dann wollen wir die Diskussion darüber in diesem Augenblick nicht fortsetzen; dann ist es ja ein kleines, das hinterher nachzuprüfen, und Sie werden dann sehen, daß ich recht habe.
— Lebende Zeugen haben nicht immer ein so gutes Gedächtnis, wie man es in den Dokumenten der Reichstagsdrucksachen findet.
Aber daran müssen Sie sich, Herr Pünder, doch mindestens erinnern, daß eine Vereinbarung zwischen Regierung und Reichstag vor 1933 bestanden hat, und mutmaßlich wird ja unser verehrter Alterspräsident diese Vereinbarungen bei seinem guten Gedächtnis im Kopf haben.
Der Präsident des Bundesrechnungshofs schlug vor, den Bundesschuldenausschuß als Informationsorgan zu wählen, was den Vorteil hätte, daß sowohl das Parlament wie der Bundesrat beteiligt wären. Die Vertreter des Innenministeriums lehnten jede derartige Regelung entschieden ab.
Die erstaunlichste Begründung gab dabei der Herr Staatssekretär. Das Innenministerium hatte die drei Millionen, um die es sich unter Tit. 31 handelt, zwischen sich und dem Bundesverfassungsschutzamt aufgeteilt und bewirtschaftete zwei Millionen selbst.
Auf die Frage, ob das Ministerium dafür auch den Schutz des § 89 brauche, erklärte Herr von Lex, das sei so; denn diese zwei Millionen brauche man für den konstruktiven Verfassungsschutz.
Auf die Frage, was darunter zu verstehen sei, erklärte er, das Ministerium müsse doch z. B. in der Lage sein, den leitenden Körperschaften von Organisationen, deren Mitglieder noch nicht ganz auf dem Boden der Demokratie stünden, Mittel zur Verfügung zu stellen, damit sie ihre Anhänger im Sinne der Demokratie beeinflussen könnten.
Ich vermute, daß damit die Kommunisten gemeint sind, ohne daß ich direkt den Verdacht äußern möchte, daß gerade sie von der Bundesregierung bezahlt seien.
Als naheliegendes Beispiel drängte sich im Haushaltsausschuß der BDJ auf, so daß mein Kollege Schoettle schließlich Herrn von Lex sagte, offenbar sei der frühere Kommunist und spätere BDJ-
Führer Lüth vertrauenswürdiger als der sozialdemokratische Vorsitzende des Haushaltsausschusses.
Das ist aus den Fragen, die in der ersten Lesung angeschnitten werden sollten, keine Frage von finanziell großer Bedeutung. Aber sie ist von eminent politischer Bedeutung, was die Entwicklung unserer Bundesrepublik im Sinne einer echten parlamentarischen Demokratie angeht.
Ich komme nun zum Haushalt. Selbstverständlich kann ich Einzelprobleme des Haushalts nicht erörtern. Das paßt auch nicht in die erste Lesung, das behalten wir uns für die Ausschußberatungen und für unsere Darlegungen in der zweiten Lesung vor. Aber es gibt da einige Behauptungen, die man nicht unwidersprochen über sich ergehen lassen kann. Die erstaunlichste Mitteilung des Herrn Bundesfinanzministers war gestern die, er lege uns einen ausgeglichenen Haushalt vor. Aber im selben Augenblick kündigt er eine Steuergesetzgebung an, die zu erheblichen Mindereinnahmen führt. Der Finanzminister teilt also in derselben Rede mit, der Haushalt sei ausgeglichen und der Haushalt sei nicht ausgeglichen. Er sagte, der sogenannte Abgleich — das „sogenannte" habe ich hinzugefügt — habe bereits im vorliegenden Etat Schwierigkeiten gemacht, da einer Erhöhung der Einnahmen um 550 Millionen DM eine Erhöhung der Ausgaben um 2078 Millionen DM gegenüberstehe.
Für die Lücke von 1750 Millionen DM hat der Herr Bundesfinanzminister nun drei Deckungsvorschläge gemacht. Der erste Deckungsvorschlag besteht in der Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von 37 auf 44 %. Das, muß man ja sagen, ist ein wirklich echter Deckungsvorschlag, nachdem der Herr Bundesfinanzminister auf der andern Seite behauptet hat, Bundesaushalt und Länderhaushalte seien eine Einheit, und wir ja tatsächlich eine einheitliche Gesamtfinanzmasse haben. Wenn man also den Ländern etwas wegnimmt, um es dem Bund zu geben, so ist das nur sehr formal betrachtet ein Deckungsvorschlag, aber kein echter. Außerdem ist ja gestern bereits angekündigt worden — die Länder wehren sich ja schließlich auch —, man wolle sich nun statt mit 44 mit 40 % zufrieden geben. Trotzdem ist der Haushalt ausgeglichen!
Der zweite Deckungsvorschlag ist die Ausgabe von Schuldverschreibungen an Stelle von Barzahlungen an die Sozialversicherungsträger. Auch ein vorzüglicher Deckungsvorschlag, der aber nichts anderes bedeutet, als im Augenblick Schulden zu machen und einen Vorgriff in die Zukunft, den eine spätere Regierung zu regulieren haben wird.
Der dritte Deckungsvorschlag ist die Aufrechterhaltung des Notopfers Berlin, obgleich uns der Herr Bundesfinanzminister nachdrücklich versichert hat, daß das Notopfer Berlin vom 1. April 1953 an in den Etat eingebaut werde. — Das sind also die drei Deckungsvorschläge, um den Fehlbetrag von 1750 Millionen DM zu decken.
Selbstverständlich sind wir uns darüber klar, daß ein Haushaltsplan nicht zu jeder Zeit ausgeglichen sein kann. Aber man kann einen unausgeglichenen Haushaltsplan nur in einer Zeit wirtschaftlichen Niedergangs einbringen. Da Sie aber von der wirtschaftlichen Blüte überzeugt sind und der Herr Bundesfinanzminister auch bei jeder Gelegenheit sagt, daß die wirtschaftliche Blüte anhält — auch Herr Kollege Schröder hat mich vorhin auf die Steigerung des Sozialprodukts aufmerksam gemacht -,
ist die Einbringung eines unausgeglichenen Haushalts nicht zu verantworten.
Geht die Konjunktur nieder, dann muß unter Umständen mit den Mitteln der Finanzpolitik, eines unausgeglichenen Haushalts, aktiv in die Bekämpfung der Wirtschaftsschwäche eingegriffen werden.
Vielleicht hat die Bundesregierung auch, nachdem sie uns einen unausgeglichenen Haushalt vorgelegt hat, die Befürchtung, sie befinde sich in Wirklichkeit bereits in einer niedergehenden Konjunktur.
Wenn ich also zugebe, daß es ein konstruktives Defizit geben kann, so möchte ich doch gleichzeitig sagen, daß das Defizit des Bundeshaushalts 1953/54 destruktiver Natur ist.
Dann möchte ich ein Wort sagen über den Hymnus des Herrn Bundesfinanzministers auf die Leistungen der Bundesregierung. Da, wo tatsächliche Leistungen vorliegen, wollen wir sie wahrhaftig nicht herabsetzen, aber wir wollen doch nicht übersehen, daß die Bundesregierung in diesen vier Jahren mächtige Helfer gehabt hat. Da ist die amerikanische Finanz- und Wirtschaftshilfe, da ist der Rüstungsboom seit Korea, die beide ungeheueren Einfluß auf die Entwicklung gehabt haben. Die Masse aber der arbeitenden Menschen und ihre Bereitschaft, sich unverzagt unter schwersten Entbehrungen am Wiederaufbau zu beteiligen, ist eine Leistung, zu der gestern auch hätte ein Wort gesagt werden müssen.
Der Herr Bundesfinanzminister tat gestern in seiner Rede so — Sie können es an mehreren Stellen nachlesen —, als ob sich die Bundesrepublik unmittelbar an den Zusammenbruch des Reichs angeschlossen hätte. Er hat dabei vollkommen übersehen, daß zwischen der Gründung der Bundesrepublik und dem Zusammenbruch fast viereinhalb Jahre vergangen sind. Und was ist in diesen viereinhalb Jahren geleistet worden!
Was ist in den Gemeinden in dieser Zeit geleistet worden und in den Kreisen!
Wer von Ihnen in diesen Jahren 1945, 1946, 1947 als Bürgermeister oder Landrat in die Bresche gesprungen ist, der weiß, was damals geleistet worden ist, als wir noch keinen Staat wieder hatten.
Das darf man hier nicht vergessen.
Die Leistungen der Bundesverwaltung mit ihren doch überwiegend tüchtigen Beamten, Angestellten und Arbeitern will ich auch nicht herabsetzen, aber man darf nicht so tun, als ob der Aufbau der obersten Bundesbehörden nun aus dem Nichts gemacht worden wäre. Das hat aber der Herr Bundesfinanzminister gestern gesagt. Was ist allein — der Länder gar nicht zu gedenken, die ja auch Großes im Wiederaufbau geleistet haben — vom Zweizonenwirtschaftsrat geleistet worden!
— Die Zwangswirtschaft war ja eine Folge des Hitlerkriegs und von Hitler eingeführt. Aber nun sagen Sie doch nichts, was historisch nicht wahr ist. Aber wenn Sie schon Zwangswirtschaft sagen, dann möchte ich im Zusammenhang mit der Etatrede etwas sagen, was ich sonst nicht gesagt hätte. Ich habe es gestern als eine Undankbarkeit empfunden, daß der Herr Bundesfinanzminister nicht der Beamten und Angestellten gedachte, die im Zweizonenwirtschaftsrat gearbeitet haben. Gerade er hat j a unter seinen engsten Mitarbeitern und der großen Zahl seiner Mitarbeiter viele, die den Haushalt der Bundesrepublik im Wirtschaftsrat vorbereitet haben.
— Nein, nicht bei Adam und Eva, lieber Herr Bausch.
Ich hätte schon aus Schicklichkeits- und ästhetischen Gründen bei Adam und Eva nicht angefangen — und Ihnen gegenüber schon gar nicht.
Sehen Sie, der Herr Bundesfinanzminister hat an mehreren Stellen — ich bitte es nachzulesen — so getan, als ob diese Bundesregierung unmittelbar nach dem Zusammenbruch des Reichs ihre schwere Arbeit hätte beginnen müssen. Dazu habe ich gesagt, — —
— Herr Wellhausen, lesen Sie es doch bitte nach; da steht es doch gestern geschrieben.
Ich habe lediglich daran erinnern wollen, daß dem nicht ganz so ist. Wenn Sie einmal genau überlegen, dann werden Sie alle — auch der Herr Bundesfinanzminister - mir zugeben, daß ich in dieser Sache recht habe.
Es sind, wie gesagt, 80 Seiten, die der Herr Bundesfinanzminister gestern geredet hat und wohlvorbereitet geredet hat.
Es wäre noch manches dazu zu sagen. Denken Sie an seine Steuerbeispiele. Bei den Steuerbeispielen kennt er die Einkommen von unter 5000 DM gar nicht. Man braucht sich nur die Steuerstatistik anzusehen, um zu sehen, welche Bedeutung zahlenmäßig die kleinen Einkommenträger haben; und wenn man schon Steuerbeispiele bringt, dann sollte man einen großen und besonders schwergeprüften Teil des Volkes nicht vergessen.
Beim Wohnungsbau muß wohl darauf hingewiesen werden, daß die Länder und Gemeinden
einen weit größeren Anteil als der Bund haben. Ich
erinnere daran, daß es die SPD-Fraktion gewesen
ist, die mit ihrem ersten Wohnungsbaugesetzentwurf vom März 1950 dieses Wohnungsbauprogramm eingeleitet hat, wodurch die Arbeiten
der Regierung wesentlich beflügelt worden sind.
— Es geht um die Beschlüsse? Sie bringen mich immer wieder in peinliche Situationen, Herr Wuermeling!
— Na, wenn. ich jetzt den Herrn Wohnungsbauminister oder den Herrn Vorsitzenden des Wohnungsbauausschusses bitten würde, doch einmal hierherzukommen und zu sagen, wie schwer es ist, wie mit dem Herrn Bundesfinanzminister um jede Million hat gekämpft werden müssen, — ich würde die Herren in eine schreckliche Verlegenheit bringen! Ich bin deshalb so nett und tue es nicht.
— Der Finanzminister von Schleswig-Holstein stellte sich voll und ganz der Kritik im schleswigholsteinischen Landtag.
— Ja, das wollen wir sehen! — Und der Finanzminister von Schleswig-Holstein hat, wenn er Zahlen vorgelegt hat, niemals Zahlen vorgelegt, die unvollständig sind. Dafür hat er nämlich als Nationalökonom und Statistiker ein viel zu sauberes wissenschaftliches Gewissen,
um unvollständige und nicht immer brauchbare Zahlen vorzulegen.
Ich habe noch ein Wort zum Steuerzahler zu sagen. Der Wirtschaftsminister hat sich in zahl- reichen Reden an die Steuerzahler gewandt. Der Finanzminister hat ebenfalls an ihre Einsicht appelliert und ihre fehlende Steuermoral beklagt. Es wäre also, nachdem Herr Neuburger vorhin sein Steuerreformprogramm bekanntgegeben hat, auch zu sagen, daß man von den Kreisen der Unternehmer in dieser Beziehung eine größere Einsicht erwarten müßte. Es ist doch bisher leider Gottes so, daß der einzig zuverlässige und korrekte Steuerzahler der Lohnsteuerzahler ist.
Die Darstellung des Herrn Bundesfinanzministers über die Sozialleistungen des Bundes kann nicht
unwidersprochen hingenommen werden. Es ist notwendig, die echten Sozialleistungen von den Kriegsfolgelasten zu trennen, und die Leistungen aus den Versicherungsanstalten dürfen schon auf keinen Fall in die Erfolgsrechnung der Bundesregierung einbezogen werden.
Sie stammen nämlich aus den Beiträgen der Versicherten.
Ein besonderes Problem möchte ich hier anschneiden, und das werden Sie dem Professor auch besonders verzeihen. Ich meine das Problem der Aufsplitterung der Mittel für die wissenschaftliche Forschung. Nach Art. 74 Ziffer 13 des Grundgesetzes hat sich der Bund die Förderung der wissenschaftlichen Forschung vorbehalten. Da die Kulturhoheit aber bei den Länder liegt, die insbesondere für die wissenschaftlichen Hochschulen zuständig sind, aber mehr ihre Landesaufgaben im Auge haben, ist eine sinnvolle Einsetzung und Lenkung der Mittel für Forschung und Wissenschaft doppelt notwendig, und hier, meine Damen und Herren, wird das Fehlen einer Bundesinstanz besonders fühlbar.
Bei allen Haushaltsberatungen und bei einem Querschnitt durch die einzelnen Haushalte nach der wissenschaftlichen Forschung werden Sie bemerken, wie sehr diese Dinge im argen liegen.
Ich könnte dazu zahlreiche Beispiele anführen, will das aber nicht tun.
— Instanz ist der Innenminister. Ich sage Ihnen aber, Herr Dresbach, daß die Mittel so aufgesplittert sind, daß sie nicht zu einem sinnvollen Einsatz kommen können, und ich sage Ihnen, daß die Mittel unzureichend sind und daß eine wirkliche Bundesinstanz geschaffen werden muß, die sich der zentralen Betreuung der wissenschaftlichen Forschung widmet.
— Ob ich ein Reichskulturministerium will, ist damit ja nicht gesagt, wenn ich sage, daß ich eine zentrale Stelle wünsche, und wenn ich Ihnen, Herr Dresbach, aus guten Gründen sage, daß das gegenwärtige System der Aufsplitterung der Mittel für die wissenschaftliche Forschung wahrhaft unzureichend ist.
Wir wollen uns gern zusammensetzen; ich gebe Ihnen ein Privatissimum, und dann werden Sie das auch einsehen.
— Ich habe auch betont, daß es ein Privatissimum sein sollte!
— Und gratis!
Hier ist noch zu sagen, daß die Länder gar nicht in der Lage sind, Gesamtprobleme und Gesamtaufgaben der deutschen Wissenschaft und der deutschen Forschung aufzugreifen und wahrzunehmen. Die Ausstattung der Forschungsinstitute ist wirklich unzulänglich. Ebensosehr muß jetzt einmal die Sorge um den wissenschaftlichen Nachwuchs geäußert werden. Ist es nicht eine Schande, daß an fast allen deutschen Universitätskliniken und zahlreichen anderen Krankenhäusern approbierte Ärzte noch jahrelang ohne einen Pfennig arbeiten müssen, um überhaupt später in ihrem Beruf tätig sein zu können?
— Nein, das ist eben keine Landesangelegenheit, Herr Vogel! Sehen Sie Art. 74 des Grundgesetzes nach! Das ist eine Bundesaufgabe.
Das Land kann diese Angelegenheiten gar nicht wahrnehmen, wie ich eben gesagt habe, weil es sich um Gesamtprobleme handelt.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch das Problem der amtsverdrängten Hochschullehrer anschneiden, die sich seit Jahren um Wiederverwendung bemühen. Soweit sie in den Naturwissenschaften, in der Technik tätig sind, sind sie ja oft bei großen Industriefirmen untergekommen. Aber die wissenschaftlichen Forscher, die Professoren, die Dozenten und der wissenschaftliche Nachwuchs auf dem Gebiet der Geisteswissenschaften, der Sozialwissenschaften, liegen heute absolut brach, und es muß etwas für sie getan werden.
Ich habe auch nichts davon gehört, daß eine sinnvolle Einsetzung der aus dem Etatposten für die Versorgung der 131er ersparten Millionen für diese Zwecke in Aussicht genommen wäre. Die naturwissenschaftliche Zweckforschung wird in Deutschland nach wie vor verhältnismäßig bevorzugt entwickelt, und die Grundlagenforschung und die gesamten Geisteswissenschaften, insbesondere auch die Sozialwissenschaften und die Wissenschaften von der Politik, werden in einem gröblichen Ausmaße, welches dem deutschen Volke Schaden zufügen wird, vernachlässigt. Es ist ja nicht einmal möglich — Herr Dresbach, drohen Sie schon wieder mit dem Finger? —, der Kommission für die Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien so ausreichende bescheidene Mittel zu geben, daß sie ihre Aufgaben erfüllen kann. Wir sollten uns zusammentun und sollten bei diesem Haushalt an dieser Stelle für diese Kommission etwas tun.
— Im Haushaltsaussschuß, Herr Bausch, — —
— Sehr schön, Herr Bausch!
— Wir nehmen das zur Kenntnis.
Ich komme noch auf ein anderes fragwürdiges Kapitel, das ist die Inanspruchnahme von 250 Millionen DM als Anleihe aus dem ERP-Sondervermögen zur Deckung von Fehlbeträgen im Haushalt. Die Zulässigkeit dieses Verfahrens erscheint mir höchst zweifelhaft. Die Mittel sind für Investitionen bestimmt und nicht dafür, Fehlbeträge im Haushalt zu decken. Wenn man jetzt zu
solchen Mitteln greift, wie will man sich dann in Notzeiten helfen? Wäre es nicht besser gewesen, wenn man diese 250 Millionen etwa für die Wasserwirtschaft, eines der wichtigsten gesamtdeutschen Anliegen, eingesetzt hätte? Hier hätte es sich um Investitionen gehandelt, die nach Generationen noch ihre Früchte tragen würden.
Ich wende mich jetzt noch kurz der Einnahmeseite zu. Der Herr Bundesfinanzminister hat uns gestern erklärt, daß er die Einnahmen optimistisch geschätzt habe, und zwar unter der Voraussetzung, daß das Sozialprodukt auch in dem kommenden Etatsjahr wieder um 5 % anwachsen würde. Ich hatte leider von gestern bis heute nicht die Möglichkeit, die Zahlen im einzelnen zu überprüfen. Ich hätte es gern getan, und ich werde es tun. Wir wissen j a, daß Finanzminister — und das ist ihr gutes Recht — Einnahmen im allgemeinen optimistisch nach unten, Ausgaben pessimistisch noch oben schätzen
- habe ich auch so gemacht, Herr Bausch —, um sich auf diese Weise eine gewisse Spanne zu halten. Das wissen wir; wir wollen nur gerne erfahren, wie die Dinge in Wirklichkeit sind.
Es würden mich einige von Ihnen gar nicht verstehen, auch der Herr Bundesfinanzminister wäre nicht zufrieden, wenn ich in diesem Zusammenhang, da ich schon einmal bei Einzelplan 60 bin, kein Wort über das Branntweinmonopol sagte.
— Ja, das ist sehr interessant. Im vorigen Haushalt stand unter dem Tit. 7: „Aus dem Branntweinmonopol a) Branntweinsteuer, b) Monopolgewinn". Nun habe ich mich an dieser Stelle wiederholt gegen die Auffassung des Bundesfinanzministers ausgesprochen, daß das Banntweinmonopol ein Finanzmonopol sei und die Aufgabe habe, über die Steuer hinaus Gewinne zu erzielen. Er hat seine Auffassung nicht geändert, nur das Gesicht ein bißchen, indem jetzt nur ganz verschämt dasteht: „Aus dem Branntweinmonopol", ohne a) und b), wobei aber unterstellt werden darf — ich habe es noch nicht nachrechnen können —, daß der Monopolgewinn in den 550 Millionen DM Branntweinsteuervoranschlag aufgenommen ist.
Wir haben uns hier auch einmal über die Kosten der Monopolverwaltung unterhalten, und es wurde mir bestritten, daß es 34,5 Millionen DM seien. In diesem Jahre sind sie schon amtlich mit 40 Millionen DM angegeben, ohne daß der Bundestag etwas über die wirkliche Verwendung dieser Mittel erfährt; denn das steht in den Geschäftsberichten nicht drin. Aber ich bin ziemlich sicher: noch bevor dieser Bundestag auseinandergeht, werden wir diesen Einblick bekommen haben. Das werden wir noch schaffen!
Interessanterweise hat nun gestern der Herr Bundesfinanzminister einen Plan dargelegt, der eine Senkung der Einkommensteuer vorsieht. Wenn er diesen Plan wenigstens gleichzeitig mit dem Etat eingebracht hätte! Nein, er hat den Plan nur angekündigt! Über Verbrauchsteuern steht in seiner ganzen Rede nichts. Die Verbrauchsteuern sind aber wirtschaftspolitisch gesehen das Interessante. Es gibt so viele Untersuchungen über die Elastizität der Nachfrage bei den verbrauchbesteuerten Waren, daß man sich der Aufgabe unterziehen
muß, die verbrauchbesteuerten Waren daraufhin zu untersuchen, ob sie nicht zu hoch, nicht zu niedrig und ob sie nicht überhaupt falsch besteuert sind. Hier hat es sich gezeigt, daß der Herr Bundesfinanzminister und seine Mitarbeiter aus der Abteilung Zoll und Verbrauchsteuern die Verbrauchsteuern rein fiskalisch ansehen und nicht in der Lage sind, hierüber wirtschaftspolitische Erwägungen anzustellen. Wir haben das in der vorigen Woche bei der Beratung des Mineralölabgabegesetzes wieder deutlich bemerken können.
— Die Ausfälle will ich dadurch decken, Herr Wuermeling — wir werden es bei der Schaumweinsteuer sehen —, daß wir beispielsweise bei Kaffee und Tee durch eine Festsetzung einer Verbrauchsteuer, die richtig ist und der Nachfrage entspricht, den Schmuggel an der Grenze und den Besatzungsschmuggel, der j a noch durch den Truppenvertrag legalisiert wird, uninteressant machen.
Das ist die ganze Geschichte! Aber wir müssen unter allen Umständen an die Senkung der Kaffee- und der Teesteuer herangehen.
— Das wollen wir erst einmal abwarten! Es ist doch ein gutes Beispiel, Herr Dresbach: es war ein kleiner, übersehbarer Bereich; und an diesem übersehbaren Bereich, in dem nicht viel passieren konnte, konnten wir dieses Experiment wagen.
Es kommt bei den Verbrauchsteuern gerade entscheidend darauf an, daß mit finanzpolitischen Mitteln Wirtschaftspolitik betrieben wird. Der Herr Bundesfinanzminister hat uns gestern ausdrücklich an zwei Steilen versichert, daß die von ihm geplante Senkung der Einkommensteuer mit den Wahlen und den Vorbereitungen zu den Wahlen aber auch gar nichts zu tun habe. Wir haben ihm das aufs Wort geglaubt.
Noch ein kurzes Wort zu unserer Finanzverfassung. Es ist bedauerlich, daß die Bundesregierung nicht in der Lage gewesen ist, während dieser vier Jahre das Gesetz nach Art. 107, dessen Vorlage bis zum 31. Dezember 1952 befristet war, vorzulegen. Wir wären wesentlich weiter gekommen, wenn wir die Neuverteilung des Steueraufkommens in diesem Bundestag beschlossen hätten. Wir begrüßen es, daß der Bundeshaushalt jetzt formal anders aufgezogen ist und mit den Länderhaushalten übereinstimmt. Ich wiederhole meine alte Forderung, die ich schon einmal an dieser Stelle gestellt habe: daß wir nun, nachdem die formalen Hemmnisse beseitigt sind, darangehen, Haushaltsanalysen des Bundeshaushalts und vor allen Dingen der Länderhaushalte untereinander vorzunehmen, weil sie wichtige Mittel zu einer künftigen Finanzpolitik sein werden.
Der Herr Bundesfinanzminister hat auch kein Wort von dem von der FDP eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes nach Art. 108 gesagt; kein Wort, weil ihm als Föderalisten das, wie wir ja wissen, nicht angenehm ist. Wir haben im Finanzausschuß Sachverständige gehört, die alle
— mit einer bayerischen Ausnahme — zu dem
gleichen Ergebnis gekommen sind, daß die Einrichtung einer zentralen Bundesfinanzverwaltung durch Einsparung, durch gleichmäßige Veranlagung etwa eine Milliarde an öffentlichen Mitteln ersparen bzw. mehr aufkommen würde.
Eine Milliarde — gleich 1000 Millionen — ist ja eine schöne, runde Summe, und wir gestatten uns den Luxus dieser Bundesfinanzverwaltung mit den zahlreichen Länderfinanzverwaltungen weiter, ohne auf diesem Gebiete etwas Entscheidendes zu tun! Auch die Herren Bayern sollten begreifen, daß ihnen gar nichts genommen wird, wenn wir eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung bekommen.
— Vorsicht, Vorsicht, ja!
Ich komme zum Schluß. Nachdem der Herr Bundesfinanzminister gestern zum Schluß sich auf einem hohen Gipfel bewegt hat, ja sogar eine „Gratwanderung" vorgenommen hat
und Herr Neuburger ihm gefolgt ist,
will ich ihn zum Schluß auch noch auf die Gratwanderung ansprechen.
In Tirol gibt es ja einen schönen Gruß. Derjenige, der von dem Berg herunterkommt, grüßt den Hinaufsteigenden mit den Worten: „Zeit lassen!" Nun, der Herr Bundesfinanzminister hat sich in diesen Jahren in wichtigen Dingen Zeit gelassen. Er ist es ja schließlich auch gewesen, der die zahlreichen Sondergesetze mit Steuerbegünstigungen eingebracht hat, deren Existenz vorhin auch Herr Neuburger beklagt hat.
Nun befindet sich der Herr Bundesfinanzminister auf dem Grat, und Herr Neuburger hat ihm bescheinigt, daß er ganz frei von Schwindel sei. Wir wollen das mal unterstellen.
Vielleicht stimmt es aber auch nicht ganz.
Ich habe mehr den Eindruck, daß man ihm den guten Rat geben möge, sich bei seiner Gratwanderung doch anzuseilen.
— Das wäre gar nicht so schlecht.
Ich glaube, ich wäre ein ganz guter Bergführer.
Er sollte sich doch anseilen; aber die Bundesregierung sollte unter keinen Umständen als Seil, mit dem sie sich nun noch weiterhin in die Regierung bringen will, das Wahlgesetz benutzen, dessen Entwurf sie uns in diesen Tagen vorgelegt hat.
Mit diesem Wahlgesetz, meine Damen und Herren,
gegen die werdende deutsche Demokratie.
— Herr Schröder, Sie wissen ganz genau, daß dieses Wahlgesetz eine eindeutige Tendenz gegen die Sozialdemokratie hat.
Wer von Ihnen ist in der Lage, aufzustehen und zu erklären, daß es diese Tendenz nicht hat!
Wer aber glaubt, mit Wahlgesetzen und Wahlkreisgeometrie Augenblickserfolge erringen zu können, der wird sehen, daß er vielleicht für den Augenblick einen Erfolg erringen kann,
daß dann aber der Rückschlag um so schwerer ist.
-- Ich habe gar nicht exerziert in Hannover; so militärisch bin ich gar nicht!
Machen Sie unter keinen Umständen diesen Entwurf zum Wahlgesetz. Sie würden damit den schwersten politischen Fehler dieser vier Jahre begehen.