Damit, meine Damen und Herren, sind die Begründung des Haushaltsgesetzes, die zusätzlichen Gesetzentwürfe, der Bericht über den Gesetzentwurf zur Änderung des Investitionshilfegesetzes und die beiden Anträge zu Punkt 2 g) und 2 h) erledigt. Nach den Vorschlägen des Ältestenrates soll die Aussprache zu Punkt 2 der Tagesordnung erst in der Sitzung von morgen stattfinden. Damit ist also Punkt 2 der Tagesordnung für heute erledigt.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Beratung der Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Parteipolitische Propaganda auf Kosten der Bundespost .
Für die Begründung sind 15 Minuten, für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. Ich nehme an, daß wir mit der uns gesetzten Zeitgrenze trotzdem auskommen werden.
Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Cramer.
Cramer , Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Präsidentenkonferenzen der Deutschen Bundespost sind zweifellos eine nützliche Sache, nützlich einmal für die Verwaltung selbst, um diese einheitlich zu gestalten, nützlich für die Herren Präsidenten, die auf solchen Konferenzen Anregungen bekommen, Erfahrungen austauschen und evtl. auch persönliche Beziehungen zu ihren Kollegen pflegen können. Nützlich und notwendig sind solche Konferenzen auch, um Probleme des Post- und Telegraphenwesens im Kreise derjenigen zu besprechen, die aus der Praxis kommen und alle diese Dinge in die Praxis umzusetzen haben. Auf solchen Konferenzen können selbstverständlich auch verwaltungsfremde Kapazitäten, seien es Theoretiker oder Praktiker des Post- und Fernmeldewesens oder ähnliche Persönlichkeiten, zu Wort kommen. Niemand hat auch etwas dagegen einzuwenden, daß diese Konferenzen nicht immer an ein und demselben Ort stattfinden, sondern hübsch der Reihe nach in allen Teilen der Bundesrepublik, mal im Norden, mal im Süden. Es ist ebenfalls eine zu begrüßende Übung der Deutschen Bundespost, daß an diesen Präsidentenkonferenzen die Vertreter der übrigen europäischen Länder, soweit sie die Post- und Telegraphenverwaltung vertreten, teilnehmen. Sicherlich gewinnen diese Konferenzen dadurch an Wert.
Aber all das, was ich bisher an Positivem gesagt habe, gilt nur, wenn auf diesen Konferenzen auch wirkliche Probleme des Post- und Telegraphenwesens behandelt werden. Vielleicht ist es in der Vergangenheit immer der Fall gewesen; nicht aber war dies auf der September-Konferenz der Präsidenten in Flensburg der Fall. Was lag im September des vergangenen Jahres nach den ständigen Äußerungen des Herrn Bundespostministers über die immer bedrohlichere Finanzlage der Deutschen Bundespost näher, als gerade über dieses Thema und über die damals in der Offentlichkeit sosehr diskutierte und stark propagierte Erhöhung der Gebührensätze zu sprechen? Die Öffentlichkeit war über die drohende Erhöhung der Gebührensätze sehr stark beunruhigt. Ich weiß, daß die Herren Präsidenten der Oberpostdirektionen sehr oft in die Diskussion eingreifen mußten, um die Offentlichkeit zu beruhigen. Sie hätten es also sicherlich begrüßt, wenn ihnen das Ministerium auf dieser Konferenz freimütig erklärt hätte, was in der Frage der Gebührenerhöhung geschehen solle. Statt
dessen zählte man damals im Bundespostministerium an den Knöpfen ab, ob eine Gebührenerhöhung kommen solle oder nicht. Inzwischen scheinen die Knöpfe alle geworden zu sein; denn zur Zeit ist von einer Gebührenerhöhung nicht mehr die Rede.
Nun, auf der Konferenz in Flensburg erschienen auch Herren der Post- und Telegraphenverwaltungen der skandinavischen Länder.
— Sicher war das wunderbar. Ich habe ja vorhin gesagt, es sei zu begrüßen, daß Vertreter anderer europäischer Länder an diesen Konferenzen teilnehmen.
— Aber sicher, Herr Winkelheide, sind diese Herren deswegen erschienen, weil sie auf dem Gebiet des Post- und Telegraphenwesens etwas erfahren wollten. Sicherlich sind sie nicht wegen der Hauptthemen, die auf dieser Tagung nachher wirklich zur Debatte gestanden haben, erschienen.
Wir freuen uns über die Initiative, die der Bundespostminister in der Frage der Anbahnung einer europäischen Postunion entwickelt; aber über diese Dinge wurde in Flensburg ja nur am Rande gesprochen. Kein Hauptthema beschäftigte sich mit der Frage der Schaffung einer europäischen Postunion. Postalische und fernmeldetechnische Fragen wurden in Flensburg, wie gesagt, nur am Rande behandelt. Die wichtigsten Themen gruppierten sich um den Generalvertrag und den EVG-Vertrag. Auf der Konferenz sprachen Herr Professor Grewe
vom Auswärtigen Amt und Herr Freiherr von dem Bussehe von der Dienststelle Blank. Dazwischen lag ein Referat des Herrn Professor Dr. Franzel von der Staatsbibliothek in München. Dieser sprach über die Problematik der jüngsten deutschen Geschichte von 1848 bis 1950. Die beiden Regierungsbeamten erblickten entsprechend ihrer Sendung ihre Aufgabe selbstverständlich darin, die noch nicht ratifizierten Verträge, den sogenannten Generalvertrag und den EVG-Vertrag, als die einzige Möglichkeit zur Einigung Europas darzustellen und damit die Europapolitik der Regierung Adenauer den in- und ausländischen Gästen — und darüber werden die Herren aus den skandinavischen Ländern bestimmt nicht erfreut gewesen sein — —
— Was die nordischen Vertreter dazu zu sagen hatten, steht leider nicht in dem schönen Heft, in dem über diese ganze Frage so eingehend berichtet worden ist; aber wir wissen ja, daß die nordischen Länder eine andere Europapolitik betreiben und ihre eigenen Auffassungen darüber haben. Ich bin also der Meinung, daß diese Herren von dem, was ihnen dort geboten wurde, nicht so sehr befriedigt waren.
Nun aber etwas anderes. Was mögen die Vertreter der übrigen europäischen Länder über das Deutschland der Vergangenheit gedacht haben, als sie die Ausführungen des Herrn Professor Dr. Franzel mit anhören mußten? Ich will nur eine Stelle aus seinem Referat herausgreifen, weil diese für die Geschichtsauffassung des Herrn Professor Dr. Franzel so typisch ist:
Die Schlacken, die übrigbleiben.
— damit meint er — und das sagt er auch wörtlich — die Heimkehrer von 1918 —
verstehen nicht, was geschehen ist. Gewiß, sie haben nicht für das Deutschland Wilhelms II. gekämpft, sie wollten etwas Neues, ein anderes Reich, eine andere Gesellschaft. Sie hatten für einen Traum gestritten und geblutet. Die bürgerliche Republik der Gewerkschaftssekretäre —— Herr Winkelheide, ich glaube, Sie sind auch einer! —
das war aber das letzte, was ihnen vorschwebte. Sie waren empört, daß die Daheimgebliebenen; während draußen der Krieg zu Ende ging, eine „Revolution" gemacht und das Ihre in die Scheuern gebracht hatten und den Männern aus den Schützengräben nun den Bettelsack umhingen.
Das ist der Kern der Dolchstoßlegende, die
als kriegsgeschichtliche und politische These
ein Unsinn ist, die aber einen moralischen Tatbestand umschreibt, wenn sie der Heimat vorwarf, ohne die kämpfende Front, ja gegen deren Willen, die Karikatur eines freien Staates und einer demokratischen Gesellschaft errichtet zu haben.
Für eine Konterrevolution war aber die ausgeblutete Generation der Frontkämpfer zu schwach. Es fehlte ihr auch ein Bild dessen, was sie eigentlich verwirklichen wollte. So entstand die konservative Revolution als ein geistiges Ereignis, ein Versuch zur Klärung.
Meine Damen und Herren, geht eine solche Schilderung nicht wirklich an der Zeit und an dem tatsächlichen Zustand der Zeit nach 1918 vorbei, und streift eine solche Darstellung nicht haarscharf die Dolchstoßlegende selbst? Es ist hier nicht der Ort und auch nicht die Zeit dazu, mit Herrn Professor Dr. Franzel zu diskutieren. Aber ich meine, auch die Präsidentenkonferenz in Flensburg war nicht der richtige Ort, solche Themen zu behandeln, wenn nicht den Teilnehmern die Gelegenheit geboten wird, ihre ablehnende Meinung dazu zum Ausdruck zu bringen.
Die Herren Präsidenten müssen, ob sie damit einverstanden sind oder nicht, sich solche Vorträge anhören, ohne dazu etwas sagen zu können.
Wir meinen, die Zeiten sind längst vorbei, wo die Beamten staatspolitisch ausgerichtet werden müßten.
Ihre fachliche Weiterbildung mag die Behörde durchführen, in diesem Fall das Bundespostministerium. Die Ausrichtung in Fragen, in denen jeder einzelne sich mit seinem Ja oder Nein politisch selbst entscheiden muß, ist nicht die Aufgabe eines Ministeriums.
Die Beamten sollten sich auch selbst gegen eine
solche geistige Bevormundung zur Wehr setzen.
Staat und Partei sind heute nicht mehr ein und dasselbe, aber Staat und Regierungskoalition auch nicht.
Herr Bundespostminister, bringen Sie doch Ihre Beamten nicht in solche Gewissenskonflikte!
Weil wir der Meinung sind, daß mindestens diese Präsidentenkonferenz in Flensburg nicht den postalischen Notwendigkeiten gedient hat, fragen wir die Bundesregierung:
1. Billigt sie die auf dieser Veranstaltung zum Ausdruck gebrachte Einheit von Staat und Regierungsparteien?
2. Hält auch die Bundesregierung die Dolchstoßlegende für die Umschreibung eines moralischen Tatbestandes und die Weimarer Republik für die Karikatur eines freien Staates?
3. Welche Kosten hat die Tagung verursacht, insbesondere welche Beträge sind an die Redner ausgezahlt worden?
4. Welche Aufwendungen sind durch das Sonderheft Nr. 21 vom 30. Oktober 1952 der Zeitschrift für das Post- und Fernmeldewesen entstanden?