Rede von
Hans
Ewers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wäre gut, wenn diese Frage ohne Leidenschaft erörtert werden könnte.
Denn es ist kein Anlaß für diejenigen, die für die Aufhebung der Immunität sind, um den Staat besorgt zu sein. Ich übertreibe die Gefährlichkeit dieser Schriften vor meinem eigenen Gewissen bestimmt nicht. Man muß nur die Dinge niedriger hängen.
Die Frage ist lediglich die, ob aus diesem Anlaß nach unseren Grundsätzen die Immunität aufgehoben werden kann und muß. Diese Frage ist im Ausschuß nicht einheitlich entschieden worden, was ich bedaure. Nach meiner Auffassung ist es entsprechend unseren Grundsätzen ohne weiteres klar, daß es sich hier nicht um politische Beleidigungen handelt, sondern nach der Meinung des Staatsanwalts um ein politisches Verbrechen, das wir nicht festzustellen haben. Wir haben nur die kriminelle Untersuchung und die Durchführung des Verf ahrens zu ermöglichen, ohne dazu selbst irgendwelche Feststellungen zu treffen, denn dazu sind wir nicht da.
Für uns im Ausschuß, soweit wir für die Aufhebung der Immunität eingetreten sind, war dabei der Gesichtspunkt maßgebend, daß es natürlich schon ein Mißbrauch des Mandats ist, wenn für alle diese Schriften, die sicherlich nicht nur aus der Feder des Herrn Abgeordneten Müller stammen, ausgerechnet ein Abgeordneter des Bundestages die Verantwortung übernimmt.
Das ist ein absoluter Mißbrauch des Immunitätsrechtes, gegen den wir uns auf das entschiedenste zur Wehr setzen.
Hätte nicht der Kollege Müller, sondern ein sonstiger Max Müller, den wir gar nicht kennen, gezeichnet, so wäre das Verfahren längst eröffnet. Und nur deshalb, weil hier ein Abgeordneter sich hinter die Immunität zurückzieht und glaubt, damit durchzukommen, soll es möglich sein, daß so etwas in diesem Falle nicht verfolgt wird? Das ist ein Gesichtspunkt, der für die Mehrheit ganz entscheidend ist.
Das gilt an sich auch für alle anderen Fälle. Denn überall, bei all den vielen Fällen, handelt es sich — mit der einen Ausnahme des Abg. Renner; das ist ein Fall für sich, der paßt hier gar nicht herein, Herr Kollege Renner, damit Sie beruhigt sind; nämlich der Fall mit dem Gesamtdeutschen Ministerium, das mit dieser Propagandawelle gar nichts zu tun hat — um Propagandaschriften, für die das eine oder andere Mitglied der kommunistischen Gruppe die Verantwortung übernimmt, sich dann hier lärmend davor zu drücken. Das möchte ich hier nur feststellen. Das geht nicht, meine Herren! Dieser Gesichtspunkt ist entscheidend.
Es kommt hinzu, daß wir wegen allgemeiner Verbrechen und Vergehen grundsätzlich — wenige Ausnahmen vorbehalten — die Immunität aufheben wollen, nicht dagegen bei politischen Vergehen, die nur mit dem Munde begangen sind, die also in der politischen Auseinandersetzung ihre Wurzel haben. Diese Kontroverse hat sich aber nach dem, was im Ausschuß klar ist, im Rahmen des Grundgesetzes zu halten; denn nur solche Politik ist nicht als „Politik" strafbar. Dagegen gibt es politische Verbrechen und Vergehen in jedem Staat, am meisten, meine verehrten Freunde von links, in der DDR, wo ja bekanntlich die Todesurteile wegen politischer Taten jetzt offenbar anrollen sollen. Bei uns gibt es derartiges aber auch. Auch wir kennen in unserem Staat politische Vergehen und Verbrechen, und ich bin der Meinung, wenn wir etwa zu dem Grundsatz kommen sollten: „Politische Verbrechen und Vergehen von Abgeordneten werden niemals verfolgt" —
meine sehr geehrten Damen und Herren, wo kommen wir dann mit dem Staat hin!
Aus diesem Grunde ist also von der Mehrheit der Antrag gestellt, im Falle Müller zunächst einmal aufzuheben. Alle übrigen Fälle, auch der, den ich jetzt zunächst behandle, weil ich zufällig Referent bin, sind ein Teil in der Kette der großen Agitation. Sie sind meistens - nicht alle, aber die meisten - dem Ausschuß dadurch zugegangen, daß entweder das gesamte Kabinett oder ein Minister Strafantrag gestellt hat. Wir haben es im Ausschuß von der Mehrheit — ich glaube, beinahe einstimmig, denn auch die Minderheit stimmte insoweit zu —
bedauert, daß nicht die Ermächtigung zur Strafverfolgung nach § 97 gegeben ist, sondern Strafanträge gestellt sind. Denn unsere Grundsätze lassen ja an sich bei lediglich politischen Beleidigungen, jedenfalls in aller Regel der Fälle, die Aufhebung der Immunität nicht zu. Hier sind aber meistens nur Strafanträge wegen Beleidigung gestellt.
Das gilt insbesondere für den Fall Nr. 12, über den ich jetzt kurz zu berichten habe. Das ist ein sehr einfacher Tatbestand. Hier hat die KPD unter Verantwortung von Herrn Kollegen Fisch eine sehr anständig aufgemachte Broschüre — ich darf sie dem Hause noch einmal vorzeigen, sie sieht so aus —
herausgebracht. Es ist der Schriftsatz, der von der KPD beim Bundesverfassungsgericht als Klagebeantwortung auf die Klage der Regierung eingereicht ist.
Das durfte sie, das war ihr gutes Recht. Denn wer das Recht seiner Verteidigung wahrnimmt, ist berechtigt — außer Verleumdungen und reinen Schimpfreden —, mehr zu sagen als derjenige, der dazu vor der Öffentlichkeit spricht, die nicht als Gericht berufen ist. Diese Schrift ist aber öffentlich verteilt und, ich glaube, sogar an den verkauft worden, der sie haben wollte. Sie enthält auf beinahe jeder Seite Beleidigungen der gröbsten Art, und zwar in einer Weise, die ich nicht charakterisieren kann, die aber schon in dem Ausdruck „Kriegsvertrag" zum Ausdruck kommt. Die angeblichen Pläne der Bundesregierung werden so dargestellt, daß, wenn es wahr wäre, uns keine Politiker, sondern Verbrecher regieren würden. Die gesamte Regierung wird also als ein Verbrecherkomplott hingestellt. Immer wieder finden sich lange Passagen, die das zum Ausdruck bringen. Jedenfalls fühlt sich das Kabinett durch die Verbreitung der Schrift vor jedermann beleidigt. Außerdem könnte meines Erachtens durch die Verbreitung dieser Schrift ein Verstoß gegen § 97 StGB begangen sein, nämlich wiederum eine Staatsgefährdung.
Auch insofern — in diesem Parallelfall zu der Fülle der übrigen Fälle — beantragt der Ausschuß, der mit dem Bundesjustizministerium überzeugt ist, daß es sich hier um einen Gesamtplan, um Teilhandlungen eines Gesamtvorgehens handelt, die Aufhebung der Immunität. Sie werden zu beurteilen haben, ob in den Fällen der vielen Berichte, die Ihnen erstattet werden, wie die Mehrheit des Ausschusses angenommen hat, ein wohlabgewogener, wohlabgestimmter Plan obwaltet, auf Grund dessen diese verschiedenen Schriften auf unser Volk losgelassen worden sind. Ich habe hier als Referent zu erklären, daß die Mehrheit des Ausschusses in dem hier gezeigten Gesamtverhalten einen einheitlichen Plan sieht und für diese Verfehlungen, die Abgeordnete zu verantworten haben, die sich scheinbar immun fühlen, die Aufhebung der Immunität für geboten hält. Ich beantrage, im Sinne des Ausschußberichtes zu erkennen.