Rede von
Theodor
Blank
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Dieses Hohe Haus hat zur Mitberatung des EVG-Vertrags einen besonderen vertraulichen Ausschuß bestellt, in dem Herr Abgeordneter Strauß Vorsitzender und Herr Abgeordneter Erler stellvertretender Vorsitzender waren. Alles, was er heute hier in bezug auf den EVG-Vertrag gesagt hat, ist ihm in diesem Ausschuß in Rede und Gegenrede — ich habe die Antworten schriftlich hier — zu seiner vollsten Zufriedenheit beantwortet worden,
und in seinem Bericht selber hat er keinen dieser Vorwürfe erhoben.
Ich will einmal versuchen, einige wenige dieser Dinge klarzustellen.
Herr Abgeordneter Ollenhauer hat gesagt, dieser Vertrag beinhalte nicht die Gleichberechtigung Deutschlands; denn die anderen Staaten behielten eine beträchtliche Nationalarmee. Herr Ollenhauer, ich habe Ihnen doch schon während der Verhandlungen in Besprechungen auseinandergelegt, daß wir diese Art der Gleichberechtigung sehr leicht hätten haben können. Frankreich war bereit, auf jeden nationalen Soldaten zu verzichten, wenn die Europäische Verteidigungsgemeinschaft dann die kolonialen Aufgaben Frankreichs übernommen hätte. Ich frage Sie, ob Sie diese Form der Gleichberechtigung wollten, daß also dann deutsche Soldaten französischen Kolonialbesitz zu verteidigen hätten.
Das ist der Grund, weshalb man diesen Staaten,
die überseeische Aufgaben haben, auch die Truppen lassen muß, die zur Erfüllung dieser Aufgaben
erforderlich sind, und natürlich auch die Truppen,
die erforderlich sind, um die Ausbildung zu vollziehen. Aber warum verheimlichen Sie dem Hause,
daß im Vertrag steht, daß dadurch die zahlenmäßige Verpflichtung zum EVG-Kontingent in
keiner Weise unterschritten werden darf? Dann
sagen Sie dem Hause, daß nach diesem Vertrag
Frankreich, dessen Bevölkerung im Mutterland
etwa gleich ist der in der Bundesrepublik, vierzehn
Divisionen zu stellen hat, und rechnen aus, daß für eine „bedeutende Nationalarmee", worin Sie eine Ungleichheit sehen, gar kein Raum mehr ist.
Ein Zweites hat hier eine Rolle gespielt. Man operiert so gern mit 40 Milliarden DM und sagt, die Aufstellung der ersten deutschen Kontingente koste 40 Milliarden DM.
— Ach, Herr Reimann! Ihr Schicksal ist bedauernswerter, als Sie selbst glauben! —
Unterstellen wir einmal diese 40 Milliarden DM, die voraussichtlich das Aufstellen der ersten Kontingente kosten würde — eine Zahl, die natürlich auf einer Schätzung beruht — als richtig.
— Ja, Sie, Herr Loritz, können es wahrscheinlich mit dem Federhalter bis zum letzten Kreuzer ausrechnen! Dazu sind aber die anderen Leute in Deutschland noch nicht in der Lage. — Dieses Geld ist aufzubringen. Darum eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft mit einem gemeinsamen Budget! Es sind nicht etwa aus dem Beitrag eines Landes die Kontingente eines Landes zu bezahlen, sondern aus dem Gemeinschaftsbudget sind die Kosten zu erstatten und die Kontingente zu entwickeln. Das ist Ihnen in den Ausschüssen sehr genau auseinandergesetzt worden.
Herr Erler, Sie haben mir vorgeworfen — es wurde mir berichtet, ich war nicht im Saal —, ich hätte niemals Angaben gemacht. Ich habe Ihnen im EVG-Ausschuß ganz klar gesagt, wie die amerikanischen Zusagen für die Ausstattung der deutschen Kontingente sind.
Sie können mich allerdings nicht dazu verleiten, daß ich etwa in den Fehler verfalle, das, was in diesem vertraulichen Ausschuß gesagt worden ist, nur zu meiner Rechtfertigung jetzt einmal hier vor dem Plenum vorzutragen. Ich hätte von Ihnen nicht erwartet, daß Sie eine derartige Handlungsweise für in Ordnung befunden hätten.
Herr Erler hat gesagt, wir hätten nicht einmal die volle Gewalt, wir unterstellten deutsche Soldaten einem fremden Oberbefehl.
Darf ich Sie, Herr Erler, daran erinnern, was ich Ihnen mündlich und schriftlich in dem Ausschuß auf Ihre diesbezügliche Frage gesagt habe. Ich darf zitieren:
Der Art. 18 § 2 stellt zwar fest, daß im Krieg der zuständige Oberbefehlshaber der NATO gegenüber den Streitkräften der EVG die volle Gewalt und Verantwortung hat, die sich aus seiner Stellung als Oberbefehlshaber ergibt.
— Bitte achten Sie auf! —
Der Zeitpunkt der Übernahme dieser Verantwortung sowie der Umfang der Befugnisse wird gemäß Art. 123 § 1 durch einstimmigen Beschluß des Rates festgelegt.
Man sollte mit solchen Methoden nicht versuchen,
mit halben Zitaten falsche Eindrücke zu erwecken.
Sie haben des weiteren gesagt, daß die Integration auf der von uns gefundenen Ebene höchstwahrscheinlich unzweckmäßig sei und daß man wohl die Integrationsebene hätte vielleicht mehr nach oben heben müssen. Darf ich Ihnen wieder ins Gedächtnis zurückrufen, welche Auskunft ich Ihnen damals — und nicht nur ich, sondern auch die militärischen Berater — auf Ihre diesbezüglichen Fragen im EVG-Ausschuß gegeben habe:
Die Integration bei der Armee setzt national
homogene Korps voraus. Das Korps aber
— und das weiß jeder Soldat —
kann im Kriege seiner Natur nach keine feste und gleichbleibende Zusammensetzung haben. Die operative Einheit in der Hand der oberen Führung ist die Division, das Korps nur ein aus praktischen Gründen zwischengeschalteter Führungsstab. In der Praxis des Krieges
würde ein zunächst national homogenes Korps bald keines mehr sein, da man entweder Divisionen herausziehen oder aus anderen Frontababschnitten zuführen müßte. Die Division als der Kampfverband zur Lösung operativer Aufgaben — diese Division ist national homogen.
Das ist deutsches Verhandlungsergebnis.
Ich glaube, wir brauchen uns dieser Dinge nicht zu schämen.
Herr Erler, Sie haben von der Frage der Dislozierung gesprochen. In diesem Punkt, das wissen Sie ganz genau, bin ich Ihnen gegenüber unterlegen, weil meine Verpflichtung mich zwingt, hier sehr sparsam mit meinen Auskünften zu sein. Ich kann Ihnen ja nicht die Kosten für Ihren Geheimdienst ersparen. Das können Sie von mir doch nicht verlangen.
Die Frage der Dislozierung der Truppenverbände ist eng verbunden mit der Frage der strategischen Planung. Sie werden daher verstehen, wenn ich sage, so etwas gibt es in keinem Parlament der Welt,
es sei denn bei Ihnen im Obersten Sowjet, wo man solche Pläne vor das Publikum trägt.
Ich kann Ihnen aber versichern, — und das kann ich dem ganzen deutschen Volke sagen, weil ich dafür geradestehen kann —, daß diese Fragen schon jetzt eine Lösung gefunden haben, mit der wir Deutsche zufrieden sein können.
Ich kann Ihnen schon jetzt sagen, daß wir auch bei der Beratung dieser Dinge, nicht nur unserer Größenordnung — der erst geplanten — nach, sondern schon jetzt auch gemäß unseren Vorstellungen dabei die Rolle spielen, die das deutsche Volk von uns erwarten darf.
„Sicherheit mögen Sie schaffen", sagt der Kollege Erler. Er nimmt also an, daß uns das doch gelingen könne. Man soll hier nicht immer nur von 12 Divisionen reden,
man soll von dem gesamten System reden. Man soll reden von der Größe und Stärke dieser Europäischen Verteidigungsgemeinschaft in der geplanten Größe. Man soll sprechen von dem Sicherheitspakt, den England den Staaten der EVG gegeben hat. Wann ist es jemals in der Weltgeschichte geschehen, daß England leichtfertig mit seinen Bündnissen umgegangen wäre?!
England hat offenbar mehr Vertrauen zu dieser Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, mit der es ein Bündnis schloß, als Sie selber als Deutsche und Europäer haben. Das ist tief bedauerlich.
Im Vertrag sei keine Klausel enthalten für eine Änderung des Vertrages im Falle der deutschen Einheit? Ich darf darauf hinweisen, daß dieser Vertrag eine Bestimmung enthält, wonach es möglich ist, wenn eine Regierung es wünscht, daß in Verhandlung über Änderung des Vertrages eingetreten wird. Sie wissen dann ganz genau, daß auch die verschiedensten Institutionen des Vertrages, z. B. der Ministerrat, die Möglichkeit der Fortentwicklung dieses Vertrages haben
— Illusion? Sie sollten den Vertrag erst einmal lesen. Ich wette, Sie haben ihn nicht einmal ganz gelesen. Das habe ich mehr als einmal festgestellt, wenn ich auf die Fragen antworten mußte: Lesen Sie doch mal Seite soundso.
Ich will Ihnen dazu nur folgendes sagen — und hoffe, daß das ganze deutsche Volk dieser Debatte gefolgt ist —:
es geht um die Grundsatzfrage eines Volkes, darum, ob ein Volk
das sittliche, das moralische, das ethische Recht hat, sich zu verteidigen.
Niemals in der Geschichte eines Volkes
hat es einen Prozeß um die Frage gegeben, ob ein Volk sich verteidigen dürfe.
Wir erst, wir erleben das!
Ich weiß nicht, wie hoch Sie Ihre Verpflichtung anerkennen. Ich weiß nur, daß das deutsche Volk auf diesen Bundestag schaut und von diesem Bundestag eine klare Entscheidung nach dieser oder jener Seite erwartet.
Herr Abgeordneter Erler, Sie haben ein gefährliches Wort gesagt,
das ich doch kurz einer Untersuchung unterziehen will.
Sie haben gesagt, wie könne man erwarten, daß die Kampfmoral groß genug sei, wenn nicht das ganze Volk bei dieser Abstimmung, bei der Entscheidung dahinterstünde! Wir leben in einer repräsentativen Demokratie.
Wie diese Entscheidung auch ausfallen mag, ich hoffe, dieser Satz ist nicht so zu verstehen, daß Ihre Wähler nicht den gleichen Willen, den gleichen Mut haben und die gleiche sittliche Verpflichtung anerkennen, wenn die Nation in die Verlegenheit käme, um ihre Selbstbehauptung zu kämpfen. Ich glaube sogar, daß Ihre Wähler Sie an Einsicht übertreffen werden,
und daß, wenn Sie auch hier zum Vertrag nein sagen, dennoch das ganze deutsche Volk genügend sittliche Kraft, genügend Verpflichtung in sich fühlt, den deutschen Soldaten, der nicht angreifen, sondern verteidigen soll, wieder zu dem zu machen, was er zu allen Zeiten gewesen ist, nämlich ein Mann, verpflichtet den Frauen, den unmündigen Kindern, der Heimat, Deutschland, Europa!