Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit denselben Worten beginnen, mit denen ich meine Ausführungen schloß, als ich zum letzten Male von der gleichen Stelle zu dem gleichen Thema sprach: .,Die Beteiligung an dem Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung Europas ist für uns alle nur unter dem Gesichtspunkt tragbar und annehmbar, daß wir auf diese Weise — und nur auf diese Weise — den Frieden erhalten können."
Es geht in der Tat um den Frieden, und es geht um Europa, das uns den Frieden bringen und erhalten soll. Dabei haben die 10 Millionen Vertriebenen und Flüchtlinge, die in der Bundesrepublik Aufnahme gefunden haben, ein gewichtiges Wort mitzureden. Sie sind die geborenen Europäer kraft ihrer Herkunft und auf Grund ihres Schicksals. Sie und ihre Vorfahren haben seit Jahrhunderten an Grenzen gelebt und Grenzen verteidigt. Deshalb und auf Grund ihres Vertreibungsschicksals sind sie in erster Reihe dafür aufgeschlossen, eine neue Völkergemeinschaft, ein neues Europa aufzubauen, in dem Grenzfragen nicht mehr die gleiche verhängnisvolle Rolle spielen wie in der Vergangenheit.
Die Vertriebenen bringen Kenntnisse und Erfahrungen mit, die für unsere Diskussion wertvoll sind. Sie kennen den Osten, sie kennen die Russen und die bolschewistische Ideologie.
Sie haben diese Kenntnis mit dem Tod von Millionen ihrer Schwestern und Brüder bezahlt.
Sie sind insoweit frei von Illusionen. Sie werden bei allen Erwägungen, die Sie anzustellen haben, nie, auch nicht einen Augenblick lang, vergessen können, wem sie die Austreibung und damit ihr hartes Los zu verdanken haben.
Sie haben nie daran gedacht, ihre Heimat mit Waffengewalt wiedergewinnen zu wollen. In der Charta der deutschen Heimatvertriebenen, deren Verkündung jetzt schon zweieinhalb Jahre zurückliegt, heißt es:
Wir Heimatvertriebenen verzichten auf Rache und Vergeltung. Dieser Entschluß ist uns ernst und heilig im Gedenken an das unendliche Leid, welches insbesondere das letzte Jahrzehnt über die Menschheit gebracht hat. Wir werden jedes Beginnen mit allen Kräften unterstützen, das auf die Schaffung eines geeinten Europas gerichtet ist, in dem die Völker ohne Furcht und Zwang leben können.
Ich muß es deshalb als eine Verleumdung kennzeichnen, wenn im Ausland immer wieder die Be-
hauptung verbreitet wird, die Vertriebenen und ihre Organisationen erstrebten einen Krieg zur Wiedergewinnung ihrer Heimat.
Diese Darstellung steht nicht im Widerspruch zu der Tatsache, daß das Recht auf die Heimat, das in unserer Charta als ein von Gott geschenktes Grundrecht der Menschheit besonders herausgestellt ist, und zwar mit dem Vorrang vor allen anderen Ansprüchen, für uns ein unverzichtbares Recht ist und immer bleiben wird.
Ich muß in diesem Zusammenhang schärfsten Protest gegen den Leitartikel in der „Welt" vom heutigen Tage einlegen. Wenn sich dort Formulierungen finden wie „Wiedereroberungspsychose", „emotionale Politik mit Heimat", „Rauschzustände" usw., so muß ich feststellen, daß die Haltung der Vertriebenen in ihrer Gesamtheit zu solchen Unterstellungen keinen Anlaß gegeben hat.
Wenn die Vertriebenen sich mit den Verträgen beschäftigen, so gilt ihre erste und ihre Hauptsorge diesem Recht auf die Heimat. Sie hätten ihrer Meinung nach erwarten dürfen, daß ihre Bereitschaft zur Schaffung und Verteidigung eines freien Europas in Gemeinschaft mit dem Westen unsere Vertragspartner dazu veranlassen würde, ein Bekenntnis zu unserm Anspruch auf die Heimat abzulegen. Das war doch, weiß Gott, nicht zuviel verlangt. Die angelsächsischen Mächte haben auf den Konferenzen in London und Moskau selbst die Rückgliederung der landwirtschaftlich genutzten Teile des deutschen Ostens gefordert. Die Westmächte werden um diese Anerkennung unseres Anspruchs nicht herumkommen, wenn sie sich nicht mit den Grundsätzen ihrer eigenen Atlantikcharta in Widerspruch setzen wollen.
Dort haben sie territoriale Veränderungen gegen den Willen der Betroffenen abgelehnt und das freie Selbstbestimmungsrecht der Völker ausdrücklich anerkannt.
Durch diese bedauerliche Unterlassung im gegenwärtigen Zeitpunkt ist die Bereitschaft der Vertriebenen zur Integration ganz bestimmt nicht gestärkt worden.
Ich vermag nicht zu beurteilen, ob von unserer Seite bei den Verhandlungen unser Standpunkt gerade in dieser Frage mit dem erforderlichen Nachdruck vertreten worden ist. Ich hätte sehr gewünscht, daß der Herr Bundeskanzler in seiner Erklärung vorgestern deutlichere Formulierungen gefunden hätte, als es der Fall war. Ich darf ihn daran erinnern, daß er als Parteichef in seiner Neujahrsbotschaft zur Jahreswende 1946/47 erklärt hat: kein christlich-demokratischer Staatsmann wird jemals die Oder-Neiße-Linie durch seine Unterschrift als deutsche Ostgrenze anerkennen. Ein solch klares Wort wäre auch heute wohl angebracht.
Wenn wir uns darüber klargeworden sind, was der Vertrag nicht bringt, nämlich keine Anerkennung unseres Heimatrechtes durch die Vertragspartner, dann müssen wir auch die Frage untersuchen, was er positiv bringt. Diese Frage ist in der gemeinsamen Entschließung der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP und FU Umdruck Nr. 727 beantwortet, deren Begründung ich jetzt gleichzeitig vornehmen darf. Dort heißt es:
Die dem Friedensvertrag vorgreifenden Veränderungen des deutschen Staatsgebiets werden
nicht anerkannt; sie haben keine Rechtsgültigkeit.
Dieser Satz deckt sich mit der Bestimmung des Vertrags, wonach die Festlegung der Grenzen bis zum Friedensvertrag aufgeschoben wird. Die Entschließung sagt weiter:
Die Wiedervereinigung Deutschlands darf sich nicht auf die Wiedervereinigung der deutschen Gebiete diesseits der Oder-Neiße-Linie mit der Bundesrepublik beschränken. In einem frei zu vereinbarenden Friedensvertrag sind die deutschen Grenzen so festzulegen, daß sie die Grundlage für einen dauerhaften Frieden bilden.
Auch diese beiden Sätze stimmen mit Art. 7 des Vertrages überein. Ihre Feststellungen sind meiner Ansicht nach unangreifbar.
Nun kommt das, was im Vertrag nicht enthalten ist, eine Interpretation des Begriffes „Grundlage für einen dauerhaften Frieden". Die Entschließung sagt darüber:
Ein dauerhafter Frieden kann nur gegründet werden auf die Anerkennung der allgemeinen Menschenrechte, insbesondere des Rechts der persönlichen Freiheit, von dem auch das Recht umfaßt wird, in der angestammten Heimat zu leben und über Staatsform und Staatsangehörigkeit selbst zu bestimmen.
Diese ergänzende Vertragsauslegung wird von unseren Vertragspartnern mit Erfolg nicht angegriffen werden können. Will man die allgemeinen Menschenrechte, insbesondere das Recht auf Freiheit und den Anspruch darauf, in der angestammten Heimat zu leben, oder das Selbstbestimmungsrecht der Völker anzweifeln? Das wäre wohl weder bei den Franzosen noch bei den Unterzeichnern der Atlantikcharta gut vorstellbar. Erkennt man aber unsere Auslegung an und beachtet man sie, dann kann unser Heimatrecht bei den künftigen Friedensverhandlungen nicht zu kurz kommen.
Abschließend ist festzustellen, daß wir die optimale Lösung — Anerkennung unseres Rechts seitens der Vertragspartner — nicht erreicht haben, daß der Vertrag aber unser Recht nicht nur unberührt läßt, sondern uns die richtige und vom Bundestag festzulegende Auslegung der vertraglichen Bestimmungen darüber hinaus in die Lage versetzt, den Kampf um unser Recht in einer günstigeren und aussichtsvollen Position fortzusetzen.
Die klare Stellungnahme des Bundestags in der von uns gemeinsam erarbeiteten Entschließung ist für die Vertriebenen allerdings eine conditio sine qua non.
Wenn ich mir nun aber überlege, ob ich als Vertriebener nein zu dem ganzen Vertragswerk sagen muß, weil die Partner keine klare Stellung bezogen haben, so muß ich mir die weitere Frage vorlegen: Was erreiche ich mit dem Nein? Damit erhebt sich die Frage nach der Alternative. Und da lande ich unweigerlich bei der in Warschau und Prag feierlich beschworenen Friedensgrenze.
und bin mit meinem Latein zu Ende.
Wenn die Russen uns die Heimat nicht nehmen
wollten, hätten sie uns nicht zu verjagen brauchen
oder hätten zumindest sieben Jahre Zeit gehabt, sie uns wiederzugeben. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern; das hat der Notenwechsel der jüngsten Zeit zur Genüge sichtbar gemacht.
In diesem Zusammenhang muß ich aber noch etwas vorbringen. Das ist die Frage, ob wir alles getan haben, um unser Heimatrecht in der Welt zur Geltung zu bringen. Ich hatte gestern den Besuch eines Vertriebenen, der gerade von einer Reise zurückkam, die ihn nach Australien und Südamerika geführt hatte. Er sagte mir, daß die Polen und Tschechoslowaken überall in der Welt sehr rührig sind, daß sie allenthalben für ihre Sache werben und Einfluß gewinnen, daß aber von einer Tätigkeit unsererseits in gleicher Richtung nichts zu spüren ist. Das gleiche negative Bild zeichnete mir ein befreundeter Geistlicher, der vor einigen Wochen aus Nordamerika kam. Wenn unser Recht von unseren Vertragspartnern nicht anerkannt worden ist, dann sollten wir wohl nicht außer acht lassen, daß auch von unserer Seite viel versäumt worden ist.
Lassen Sie mich noch auf die beiden anderen Punkte der Entschließung eingehen, die sich mit den weiteren Bedenken befassen, die in dem Schreiben des Zentralverbandes der vertriebenen Deutschen an den Herrn Bundeskanzler angesprochen worden sind. Dabei geht es zunächst um den Art. 3 im Sechsten Teil des Überleitungsvertrags. In der Entschließung ist zum Ausdruck gebracht, daß die „Vermögenswerte, die im Saargebiet, in der sowjetisch besetzten Zone, in den deutschen Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie und im Bereich der Ostblockstaaten belegen sind, von Art. 2 bis 5 dieses Teils des Überleitungsvertrages nicht betroffen" werden. Diese Auslegung ist uns nicht nur von den Sachverständigen der Bundesregierung vor einigen Tagen in einem Gespräch bestätigt worden, sie stimmt auch mit dem Bericht des Ausschusses auf Seite 83 der Drucksache Nr. 3900 überein, in dem ausgeführt ist, daß Art. 2 bis 5 nur für das Gebiet der Bundesrepublik Geltung haben. Ich glaube, daß diese Auffassung auch hier im Bundestag nicht auf Widerspruch stößt, und möchte daher annehmen, daß dieses Bedenken ausgeräumt ist.
Letztens muß ich mich mit Art. 1 des Neunten Teils des gleichen Vertrages beschäftigen. Darin ist bestimmt, daß aus Maßnahmen, die in der Zeit vom 1. September 1939 bis zum 5. Juni 1945 wegen des Kriegszustandes getroffen worden sind, Ansprüche gegen bestimmte Staaten — praktisch sind es alle, die in Betracht kommen — und ihre Staatsangehörigen nicht erhoben werden können, auch nicht vor einem Gericht der Bundesrepublik. Diese Bestimmungen gelten vorbehaltlich der endgültigen Regelung im Friedensvertrag. Die Entschließung hebt noch einmal hervor, daß es sich nur um eine vorläufige Regelung handelt, und stellt fest, daß diese Bestimmungen keinen Verzicht auf die gerechtfertigten Ansprüche der Vertriebenen enthalten. Beides ist richtig. Aber beide Feststellungen ändern nichts an der Tatsache, daß diese Rechtsbeschränkungen bei den Vertriebenen einen sehr ungünstigen Widerhall hervorrufen müssen, auch wenn es sich nur um Beschränkungen auf Zeit handelt und auch wenn, was zugegeben werden muß, an dem augenblicklichen, durch die Tatsachen und die Machtverhältnisse begründeten Zustand praktisch nichts geändert wird.
Ich möchte nun, nicht mehr zur Begründung der Entschließung, sondern zur Kritik des Vertrages sagen, daß diese Vereinbarung der Bundesrepublik und ihrer Vertragspartner eine besondere Verpflichtung gegenüber den Vertriebenen und Flüchtlingen begründet. Wenn man sich dazu entschlossen hat, einen Rechtsstopp einzuführen, der Ansprüche aus allen Kriegsmaßnahmen einschließlich des Vertreibungstatbestandes umfaßt, dann erwächst daraus zweifellos gegenüber den vorübergehend rechtlos Gestellten die Verpflichtung, sich in der Zwischenzeit ihrer ganz besonders anzunehmen, für sie zu sorgen und sie vor weiterem Schaden zu bewahren.
Damit ist erneut die enge Verbindung zwischen dem Verteidigungsbeitrag und der sozialen Leistung offenbar geworden.
Ich habe schon wiederholt Gelegenheit gehabt, auf diesen Zusammenhang, auf die Rivalität zwischen Lastenausgleich sowie Eingliederung der Geschädigten einerseits und Wehrbeitrag sowie Aufrüstung andererseits hinzuweisen. Dieser Zusammenhang und diese Rivalität können nicht bestritten werden. Ich muß mich auch heute wieder darauf berufen, daß in dem Regierungsentwurf zum Lastenausgleich ausgeführt ist, daß jede Leistung für den Lastenausgleich auch als echter Verteidigungsbeitrag zu bewerten ist. Ich kann ja einen in dieser Hinsicht unverdächtigeren Zeugen als Herrn Schäffer nicht finden.
Ich muß bei dieser Gelegenheit feststellen, daß die Bundesregierung mit ihren Leistungen zum Lastenausgleich stark im Verzug ist. Insofern hat Herr Fröhlich völlig recht, wenn er vielleicht auch in der Zahl um 200 Millionen DM zu hoch gegriffen hat. Ich kann die Besorgnis nicht unterdrücken, daß es mit unserer Verteidigung nicht zum Besten aussehen wird, wenn das Kabinett dort mit gleicher Schnelligkeit und Tatkraft arbeitet wie bei der Durchführung des Lastenausgleichs.
Es fehlen an den für den Lastenausgleich vorgesehenen Leistungen für 1952 650 Millionen DM.
— Ich bin kein Prophet, lieber Kinat!
— Auch dann hätte ich ja gesagt. — Die von der Regierung gemachte Zusage, dem Fonds über die Anlaufsschwierigkeiten — es handelt sich um 300 Millionen DM — durch Kredite hinwegzuhelfen, ist bisher nicht eingehalten worden. Die Vorfinanzierung in Höhe von 350 Millionen DM, die zum Teil, und zwar in Höhe von 200 Millionen DM, durch eine Anleihe über die Lastenausgleichsbank vorgenommen werden sollte, ist ebenfalls noch nicht erfolgt. Diese Anleihe ist bereits am 21. Oktober vom Kontrollausschuß beim Lastenausgleichsamt verplant worden. Das Geld soll also bis Ende März nächsten Jahres ausgegeben sein, und noch hat das Kabinett die Voraussetzungen für diese Anleihe nicht geschaffen. Dagegen ist für andere Zwecke eine Bundesanleihe von 500 Millionen DM aufgelegt worden, an die noch kein Mensch gedacht hat, als der Bundestag am 16. Mai 1952 unserer Anleihe seine Zustimmung gab. Ich muß zu meinem Bedauern feststellen, daß die Auflegung der 500-Millionen-Anleihe mit den Vereinbarungen
vom Mai, die in Gegenwart und mit Zustimmung des Bundesfinanzministers getroffen worden sind, schlechterdings unvereinbar ist.
— Ja, das ist ein sehr schwacher Trost, Herr Mellies.
Hier kann der Bundesfinanzminister auch nicht sagen, daß sein Etat in Unordnung gebracht wird. Es geht nur um Vorfinanzierungen.
Das Bundeskabinett kommt um die Erfüllung seiner Zusage nicht herum. Die Geschädigten werden sich auch nicht eine Mark abhandeln lassen, und das, lieber Kinat, ist der Wert der Unterschrift, die ich damals bekommen habe.
Es ist das Kennzeichen einer klugen Politik, das Notwendige und Unvermeidliche schnell und entschlossen zu tun.
Das Kabinett hat wenigstens den Vertriebenen gegenüber eine entgegengesetzte Politik verfolgt. Es entwertet die Politik seiner eigenen Parteien dadurch, daß es die von ihnen beschlossenen notwendigen Maßnahmen immer zu spät und erst unter Druck durchführt und sie damit ihres politischen Nutzeffekts entkleidet.
So schafft man nicht die Voraussetzungen — —
— Meine Damen und Herren, zeigen Sie mir erst einmal ein Mitglied Ihrer Partei, das im umgekehrten Fall so zu sprechen wagen würde!
So schafft man nicht die psychologischen Voraussetzungen für einen gemeinsamen Aufbau Europas.
Wenn ich mich trotzdem heute nicht zu einem Nein entschließen kann, so deshalb, weil seine Folgen mich schrecken. Ein Nein könnte zu einer Entwicklung führen, bei der von einem Lastenausgleich bald keine Rede mehr sein würde.
Wir brauchen ja nur nach der sowjetisch besetzten Zone zu blicken.
Der dort exerzierten Lösung des Vertriebenenproblems möchte ich die unsere bei aller Kritik doch vorziehen.
Ich zitiere aus einem Leserbrief, der in der gestrigen Nummer der „Stimme" veröffentlicht worden ist. Ein Schlesier, der jetzt in Weimar wohnt, schreibt folgendes:
Der Sinn meines Schreibens ist, die Heimatvertriebenen in Westdeutschland zu warnen. Es geht ihnen in Westdeutschland schlecht. Die Rente ist auch nicht sehr hoch; aber sie bekommen wenigstens etwas für dieses Geld zu kaufen. Die Heimatvertriebenen werden doch nicht ihre Metzger selber wählen. Sie dürfen niemals vergessen, daß die Pieck und Grotewohl zusammen mit Stalin unsere Heimat verraten haben.
Diese Zustände in der Sowjetzone, für die alle Alliierten eine Mitverantwortung tragen, geben mir doch Veranlassung, unseren Vertragspartnern kurz zu sagen, daß sie sich doch wohl darüber im klaren sein müssen, daß hier dem deutschen Volk durch die ständige Verschärfung des Problems mehr auferlegt wird, als es tragen kann, und daß sie doch wohl etwas mehr als bisher zur Linderung und Beseitigung dieser Not beitragen müssen, bei aller Anerkennung dessen, was insbesondere das amerikanische Volk schon für uns getan hat.
Bei der Entscheidung, die wir heute und bei der dritten Lesung dann endgültig zu treffen haben, geht es um eine persönliche Gewissensentscheidung, und wir stehen unter einer Verantwortung, die uns niemand abnehmen kann.
Selbstverständlich würde eine einmütige Stellungnahme der Vertriebenen-Organisationen, insbesondere für die heimatvertriebenen Abgeordneten, nicht ohne erhebliche Bedeutung sein. Aber eine solche einmütige Stellungnahme liegt nicht vor.
Bei den Gesprächen, die wir vor einigen Tagen mit den Sachverständigen der Bundesregierung hatten und die zu der oben erwähnten Entschließung den Anstoß gegeben haben, war die Mehrzahl der Teilnehmer, darunter auch die Vertreter der beiden größten Landsmannschaften, positiv zum Vertragswerk eingestellt. Aber auch diese Persönlichkeiten haben nur für sich selbst sprechen können.
Umgekehrt habe ich gestern — und nun kommt etwas für Sie! — ein Telegramm vom Landesverband des Bundes der vertriebenen Deutschen in Baden-Württemberg erhalten, durch das mir eine einstimmige Entschließung des dortigen Vorstandes gegen die Verträge übermittelt worden ist mit der Bitte, diese Entschließung den heimatvertriebenen Abgeordneten des Bundestags bekanntzugeben. Dieses Auftrags entledige ich mich hiermit.
So gehen die Meinungen auseinander.
Es ist auch aus diesem Grunde zu begrüßen, daß die endgültige Entscheidung noch um einige Zeit hinausgeschoben wird.
Ob es in der Zwischenzeit gelingt, bei den Vertriebenen zu einer einheitlichen Willensbildung zu kommen, bleibt abzuwarten.
Der Aufschub ist auch deshalb zu begrüßen, weil die Bundesregierung dadurch noch einmal Gelegenheit erhält, zu zeigen, ob sie nunmehr die gegebe-
nen Versprechungen beschleunigt erfüllen und endlich eine aktive und konstruktive VertriebenenPolitik treiben wird.
Wenn sie das tut, aber auch nur dann, könnte ich mir vorstellen, daß die Mehrheit der Vertriebenen eher für ein Ja als für ein Nein zu haben sein würde, das doch stets in einem gewissen Widerspruch zu ihrem eigenen Schicksal stünde.