Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus der Fülle der wirtschaftlichen Probleme des Vertragswerks lassen Sie mich einiges aus dem Fragenkomplex herausgreifen, der für uns alle von unmittelbarster Bedeutung ist: die finanziellen Lasten der Verträge. Dazu im Rahmen meiner kurzen Redezeit einige Bemerkungen, zu denen mich auch teilweise die Ausführungen meiner Vorredner bewegen.
Meine Damen und Herren! Uns sind Lasten auferlegt, die nur ein Volk zu tragen hat, dem nun zum zweitenmal in seiner Geschichte die Tragik einer Niederlage zuteil wurde. Aber wenn wir da nicht ermattet in die Knie gesunken sind, wenn wir im Gegenteil jetzt schon das vollbracht haben, was das Ausland bewundernd als das „deutsche Wunder" bezeichnet, dann kann ich nicht einsehen, warum wir den Weg, den uns die Verträge öffnen, nicht festen Schrittes beschreiten sollten, im Hinblick und in Hoffnung auf eine bessere Zukunft für uns und unsere Nachfahren. Bitte, meine Damen und Herren, betrachten Sie diese Probleme einmal aus dieser Schau! Es ist nicht meine Aufgabe, Ihnen die gesamtpolitische Situation und die besondere Lage unseres Landes darzulegen, die es uns unmöglich macht, zwischen zwei ungeheuren Mächtegruppen ohne eigene Verteidigungsmöglichkeit zu bestehen. Über die Notwendigkeit der Verteidigung gibt es für meine Freunde und mich keine Zweifel.
Zu der Frage des Verteidigungsbeitrags: Wenn uns der Deutschland-Vertrag die Befreiung von der Herrschaft der Siegermächte bedeutet, die im Besatzungsstatut ihren Ausdruck findet, dann ist es für uns natürlich und selbstverständlich, daß wir nach Inkrafttreten der Verträge keine Besatzungskosten mehr zu zahlen haben. Diese von Jahr zu Jahr gestiegenen und von uns deshalb als besonders schwer und drückend empfundenen Lasten, weil uns jede Einwirkung auf ihre Höhe und Verwendung versagt war, werden durch den Verteidigungsbeitrag bekanntlich abgelöst. Sie haben dessen voraussichtliche Höhe schon fast erreicht, und es wäre bei Weiterbestehen des Besatzungsstatuts keine Gewähr gegeben, daß sie diese Höhe nicht noch überschreiten. Es ist also keineswegs, wie es von manchen Vorrednern der Opposition betont worden ist, erwiesen, daß die Ablösung der Besatzungskosten durch den Verteidigungsbeitrag diese Ausgaben erhöht. Aber es ist erwiesen, daß wir bei Festsetzung dieser Ausgaben in Zukunft maßgebend mitwirken werden. Denn die EVG — das ist schon von Herrn Kollegen Bausch gesagt worden — beschließt, und zwar einstimmig, nach einem Verfahren, bei dem die Wirtschaftskraft der einzelnen Teilnehmerländer den Maßstab bildet, wobei — ich möchte das besonders hervorheben — der fundamentale Grundsatz herrschen soll, daß keine Diskriminierung stattfinden darf und — nach der Präambel des EVG-Vertrages — der soziale Fortschritt nicht beeinträchtigt werden soll. Ich darf in diesem Zusammenhang auch noch darauf hinweisen, daß den Parlamenten der Länder, also auch dem Deutschen Bundestag, das Zustimmungsrecht zum Verteidigungsbeitrag vorbehalten bleibt.
Über die absolute Höhe des Beitrags werden wir mit Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, wohl kaum einig werden. Sie läßt sich eben — auf weite Sicht jedenfalls — nicht voraussagen und hängt ebensosehr vom 'I empo der Aufstellung der Verbände wie letzten Endes von der großen politischen Weltlage ab. Die Größenordnung von zehn Milliarden dürfte aber auch für die Zukunft in Frage kommen. Nicht nur auf dieabsolute Hohe des Betrages, sondern auch auf dessen Verhältnis zu den übrigen Aufgaben kommt es maßgebend an. Dabei sollte man die Dinge nicht mit unbegründetem Optimismus
beschönigen; aber die bewußte Schwarzmalerei Ihrerseits, meine Damen und Herren von der Linken dieses Hauses, das unverhüllte Mißtrauen, das z. B. aus der Betrachtungsweise des Kollegen Dr. Kreyssig bei der Frage der Erstausstattung klang, scheint uns durchaus fehl am Platze. Daß wir die Erstausrüstung — denken Sie z. B. an die schweren Waffen, denken Sie an die Flugzeuge und ähnliche Ausrüstungsnotwendigkeiten — nicht aus eigener Kraft bewältigen können, wissen wir genau so gut wie Sie. Es wäre aber eine Sünde wider den Geist der getroffenen Vereinbarungen, wenn wir von vornherein an ihrer Aufrichtigkeit zweifeln würden. Wir können auch vieles von dem, was wir von der linken Seite des Hauses gehört haben, als eine Sünde wider den Geist der Verträge bezeichnen. Die Erstausstattung wird zur Verfügung stehen, und zwar ohne zusätzliche Belastung des Haushalts.
Ausschlaggebend erscheint mir neben der Aufbringung die Verwendung des Beitrags. Da nach dem Vertrag mindestens 85 % des Beitrags in den Aufbringungsländern zu verbleiben haben, fließt der weitaus größte Teil durch Vergabe von Rüstungsaufträgen, Bauaufträgen, Dienstleistungen und ähnliche wirtschaftliche Vorgänge direkt sowie durch die Entlohnung und Versorgung der deutschen Soldaten über den Konsum indirekt der deutschen Wirtschaft wieder zu. Eine weitgehende Belebung unserer Wirtschaft wird die Folge sein. Es wird aber des Zusammenspiels von Politikern und Fachleuten sowie des von aller Welt anerkannten deutschen Organisationstalents bedürfen, um die an uns herantretenden Aufgaben ohne Störungen des Wirtschafts- und Sozialgefüges zu meistern. Ich darf hier als vordringlichste Aufgabe die sinnvolle Lenkung der Aufträge nennen, die strukturelle Verteilung unter besonderer Berücksichtigung der mittelständischen Wirtschaft und unter besonderer Bevorzugung der Notstands- und der dem Ost-West-Gefälle unterliegenden Gebiete an der Zonengrenze. Dabei werden wir auch ohne Zweifel große sozialpolitische Aufgaben zu bewältigen haben. Ich bringe in diesem Zusammenhang die Auffassung meiner Fraktion besonders zum Ausdruck, daß wir die zweifellos notwendige weitere Eingliederung der Frauen in den Arbeitsprozeß lieber sehen als die Heranziehung von Frauen zu Hilfs- und Sonderdiensten für unsere Verteidigungsstreitkräfte.
Die Befürchtung, die der Kollege Schoettle auch in seinem Bericht zum Ausdruck gebracht hat, daß durch den Verteidigungsbeitrag die sozialen Aufgaben vernachlässigt werden müßten, können wir nicht teilen; denn bei einer derartigen Beschäftigung der Wirtschaft, wie sie uns der Beitritt zur EVG bringen wird, liegen diese Lasten auf weit breiteren Schultern als bisher und sind relativ wie absolut dadurch, daß viel mehr Menschen in den Arbeitsprozeß eingegliedert werden, niedriger.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch noch ein kurzes Wort über die 20V2 Milliarden sagen, die schon von verschiedenen Rednern genannt worden sind. Die 201/2 Milliarden sind der Gesamtbetrag aus dem überleitungsvertrag, der als Belastung vor uns steht. Ich darf dabei darauf hinweisen, daß von den 20 Milliarden etwa 15 Milliarden, nämlich die deutschen Au3landsschulden, über deren endgültige Höhe, Verzinsung und Tilgung bekanntlich auf der Londoner Konferenz das letzte Wort gesprochen wird, nicht mit ihrem Kapitalwert von 15 Milliarden, sondern naturgemäß nur mit ihrem Zinsen- und Tilgungsdienst unseren Haushalt belasten werden. Es ist also ein falscher Blickpunkt, wenn man 20'/2 Milliarden als unmittelbare Belastung unseres Haushalts für die nächsten Jahre ansieht.
Es ist auch schon betont worden — und ich muß das an dieser Stelle noch einmal wiederholen —, daß diese Belastungen mit Ausnahme einiger kleinerer Posten zweiten Ranges ihre Grundlage nicht in den Verträgen haben. Sie sind wirklich Folgen des verlorenen Krieges, deren Liquidation hiermit durchgeführt werden soll, und die Erfüllung einer moralischen Verpflichtung der Bundesrepublik gegenüber all denen, an welchen die nationalsozialistische. Gewaltherrschaft so schwer gesündigt hat.
Bedenken Sie auch eines: Wir sind, was die Lasten angeht, die wir insgesamt zu tragen haben, nur so weit überhaupt Herren unserer Entschlüsse — ich bitte, das ausdrücklich bemerken zu dürfen —, als es sich um die Frage handelt, ob wir die Lasten, die uns das Besatzungsstatut auferlegt hat, durch den Verteidigungsbeitrag ablösen wollen oder nicht. Die sonstigen finanziellen Probleme stellen sich auch bei der Fortdauer des jetzigen Zustandes, ja, sie haben sich schon fast alle gesteilt.
Sehen wir nicht nur immer die eine Seite, nämlich der Belastungen, denken wir doch daran, in welchem Umfang bei einer Eingliederung in die europäische Gemeinschaft gerade die Beträge, die wir für unsere EVG-Beteiligung ausgeben, unserer Volkswirtschaft wieder zugute kommen! Es muß dabei der entscheidende Gesichtspunkt sein, daß wir unsere wirtschaftliche Freiheit wiedererhal ten, daß wir nach dem Aufstieg der letzten Jahre, der uns trotz der bisherigen Beschränkungen wirklich geglückt ist, nicht auf diesem Stand verbleiben, daß wir unsere Wirtschaft gerade durch unseren Beitritt ausweiten und ausgestalten können, das Sozialprodukt weiter erhöhen und für a 11e Arbeitsmöglichkeiten sicherstellen. Dann werden die Lasten auch leichter zu tragen sein, und wir &M en die Zuversicht haben, daß unsere dann endgültig. stabilisierte Volkswirtschaft bestehen kann und damit unser Staatshaushalt seine bisherige solide Basis behält.
Es geht, um die Dinge auf ihren Kern zurückzuführen, auch hier darum, mit der politischen auch die wirtschaftliche Freiheit wiederzuerringen und den Frieden, der uns allein die gedeihliche Fortentwicklung unserer Wirtschaft gewährleisten kann, zu erhalten. Es darf nicht sein, meine Damen und Herren, daß alles,was wir in diesen Jahren des Wiederaufbaus geschaffen haben, aufs Spiel gesetzt wird, nur weil wir uns nicht entschließen können, zu seiner Verteidigung das Nötige beizutragen.