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ID0123514000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 235. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1952 10783 235. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1952. Geschäftliche Mitteilungen 10785A Verteilung der Entschließung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland 10785B Kleine Anfrage Nr. 296 der Fraktion der FDP betr. Rückgabe deutscher Vermögenswerte (Nrn. 3728, 3787 der Drucksachen) 10785B Kleine Anfrage Nr. 298 der Fraktion der SPD betr. Hamburger Filmproduzent Walter Koppel (Nrn. 3742, 3788 der Drucksachen) 10785B Kleine Anfrage Nr. 290 der Fraktion der SPD betr. Werbungskosten (Nrn. 3678, 3798 der Drucksachen) 10785C Umstellung von Punkten der Tagesordnung 10785C Fragestunde (Nr. 3770 der Drucksachen): 1. betr. Parken von Kraftwagen in engen Straßen auf nur einer Straßenseite: Dr. Mommer (SPD), Anfragender 10785C, D Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 10785C, D 2. betr. Äußerung des Bundesverkehrsministers Dr. Seebohm am Abend des Unglücks beim Autorennen auf dem Grenzlandring am 31. August 1952: Renner (KPD), Anfragender 10785D, 10786B, C Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 10786A, B 3. betr. Bundesmittel für Errichtung von Neubauten für Besatzungsgeschädigte bzw. Rückgabe der Häuser oder Wohnungen: Euler (FDP), Anfragender . . . 10786C, D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 10786C 4. betr. Verwendung des Gebäudes des ehemaligen Generalkommandos in Kassel: Euler (FDP), Anfragender . . . 10787A, B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 10787A 5. betr. Verluste an Grunderwerbsteuer durch Angabe zu niedriger Kaufpreise bei Grundstücksveräußerungen bzw. Aufhebung der Preisstoppbestimmungen: Euler (FDP), Anfragender 10787B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 10787C Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 10787C 6. betr. Bericht über den Fall „Real-Film/ Koppel Hamburg": Rademacher (FDP), Anfragender 10787D, 10788A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 10788A 7. betr. Aktion der „Bunkerentschrottung" im Gebiet des früheren Westwalls: Niebergall (KPD), Anfragender 10788B, C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 10788B, C 8. betr. Entlassungen im Eisenbahnbetriebswerk Hermeskeil: Niebergall (KPD), Anfragender . . 10788C Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 10788C 9. betr. Rechtsgültigkeit der Verordnung des ehemaligen Reichsforstamts vom 1. April 1936 über die Ausformung, Messung und Sortenbildung des Holzes in den deutschen Forsten: Dr. Atzenroth (FDP), Anfragender 10788D Dr. Sonnemann, Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 10788D 10. betr. Aufnahme von Sowjetzonenflüchtlingen in Nordrhein-Westfalen bzw. Beihilfe für die Errichtung von Flüchtlingswohnungen: Dr. Henn (FDP), Anfragender . . 10789A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 10789B 11. betr. Leistungen aus dem Härtefonds gemäß § 301 des Lastenausgleichsgesetzes an Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone: Dr. Henn (FDP), Anfragender . . 10789D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 10789D 12. betr. Unterbringung heimatvertriebener und kriegssachgeschädigter Werksangehöriger der Bayerischen Motorenwerke Allach in der Siedlung für heimatlose Ausländer in Ludwigsfeld bei München: Reitzner (SPD), Anfragender 10789D, 10790A, B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 10790A, B, C 13. betr. Entschädigung bzw. Übergangsbeihilfe an ehemalige Siedler auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes Hohenfels: Kohl (Stuttgart) (KPD), Anfragender 10790C, D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 10790C, D 14. betr. gesetzliche Vorarbeiten für die Regelung der Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten und Krankenkassen: Dr. Schellenberg (SPD), Anfragender 10791A Storch, Bundesminister für Arbeit . 10791A 15. betr. Dauer der Entscheidung über Klagen bei den Landesverwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten: Jahn (SPD), Anfragender 10791A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 10791B 16. betr. Verspätungen von D- und FZügen: Dr. Mende (FDP), Anfragender . . . 10791C Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 10791C 17. betr. Entfernung der Schuttmassen zerstörter bundeseigener Bunker: Morgenthaler (CDU), Anfragender . 10792A Schäffer, Bundesminister- der Finanzen 10792A 18. betr. Freigabe des Predigtstuhlhotels in Bad Reichenhall: Parzinger (FU), Anfragender . . 10792B, C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 10792C 19. betr. Mißbräuche bei der Subventionierung für das Konsumbrot: Dr. Mende (FDP), Anfragender . . 10792C Dr. Sonnemann, Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 10792D 20. betr. Aufbringung der Mehraufwendungen der Rentenversicherung zur Deckung der Rentenzulagen nach dem Rentenzulagengesetz: Dr. Schellenberg (SPD), Anfragender 10792D, 10793A Storch, Bundesminister für Arbeit . 10793A 21. betr. Förderung der Durchführung der Investitionsvorhaben des Bergbaus und der Eisen- und Stahlindustrie durch steuerliche Maßnahmen: Willenberg (FU), Anfragender . . 10793A, C Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 10793B, C 22. betr. Erhöhung der Renten in der Sozialversicherung und Kriegsopferversorgung: Willenberg (FU), Anfragender . . . 10793C Storch, Bundesminister für Arbeit . 10793C 23. betr. Maßnahmen zur Besserung der Verkehrssicherheit des Straßenzustandes: Dr. Reismann (FU),* Anfragender 10793D, 10794A Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 10793D 24. betr. Unfälle auf der Bundesstraße 55 bei Ehreshofen (Rhein-Bergischer Kreis) infolge Beseitigung der Bahnschranken: Hoffmann (Lindlar) (FU), Anfragender 10794B, C Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 10794B, C 25. betr. Erlaß der Ausführungsbestimmungen zum Lastenausgleichsgesetz und 26. betr. Übergangslösung für die Schaffung von Wohnraum nach dem Auslaufen des Soforthilfegesetzes: Dr. Keller (Fraktionslos), Anfragender 10794C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 10794D 27. betr. Abzug der Teuerungszulage zur Unterhaltshilfe durch das Soforthilfeamt Hamburg: Renner (KPD), Anfragender 10794D, 10795A Storch, Bundesminister für Arbeit 10795A, B 28. betr. Pläne für die Errichtung eines sogenannten „Rhein-Walls" bzw. für die Evakuierung der Bevölkerung von Rheinland-Pfalz nach Südfrankreich: Niebergall (KPD), Anfragender . 10795B, C Schäffer, Bundesminister der. Finanzen 10795B, C 29. betr. Räumung bzw. Verwendung des ehemaligen Heereszeugamts in Glinde, Kreis Stormarn (Schleswig-Holstein) und 30. betr. Räumung und Wiederverwendung der Werksanlagen der Firma Krupp in Glinde, Kreis Stormarn (Schleswig-Holstein) : Wegen Fristablaufs der Fragestunde abgesetzt 10795C Nächste Fragestunde, Frist zur Einreichung der Fragen 10795C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über den Betrieb gewisser Rundfunkanlagen innerhalb der Bundesrepublik vom 11. Juni 1952 (Nr. 3726 der Drucksachen) 10795D Frau Strohbach (KPD) 10795D Blachstein (SPD) 10796C Dr. Vogel (CDU) 10798A Dr. Mende (FDP) 10798D von Thadden (Fraktionslos) . . . 10799B Ausschußüberweisung 10799D Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Geheimorganisation „Technischer Dienst des BDJ" in Hessen (Nr. 3745 der Drucksachen) 10799D Dr. Menzel (SPD), Anfragender . 10800A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 10804A, 10828B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 10810B Zinn, Ministerpräsident des Landes Hessen 10811A Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 10815B Fisch (KPD) 10817B Dr. Schäfer (FDP) 10818D Birkelbach (SPD) 10820D Dr. Friedensburg (CDU) 10823A Mellies (SPD) 10824C Freiherr von Aretin (FU) . . . 10826C Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) . 10827C Ewers (DP) 10828D Renner (KPD) 10829C Euler (FDP) 10830D von Thadden (Fraktionslos) . . . 10831D Meitmann (SPD) 10832B Beschlußfassung 10834D Zweite und dritte Beratung des von den Abg. Gibbert, Schmitt (Mainz), Junglas, Kemper, Dr. Weber (Koblenz), Jacobs, , Dr. Preusker, Dr. Atzenroth, Dr. Mühlenfeld, Freiherr von Aretin u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer Steuer auf Schaum- wein (Schaumweinsteuergesetz) Nr. 3593 [neu] der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 3727 [neu] der Drucksachen; Änderungsantrag Umdruck Nr. 679) 10834D Dr. Gülich (SPD), Berichterstatter 10835D Dr. Bertram (FU) 10838A Abstimmungen 10838A, 10839B Nächste Sitzung 10839D Die Sitzung wird um 13 Uhr 33 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Hermann Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Ich glaube, jeder, der zuerst in der Zeitung von den hier besprochenen Dingen gelesen und der zugleich die Erinnerungsbilder an vergangene Geschehnisse und einstige bösartige Anfänge mit schrecklichen Folgen hat, hat aufgehorcht. Er hat mit einer gewissen Bestürzung all diese Vorgänge zur Kenntnis genommen, die da behauptet worden sind. Ich glaube nun allerdings nicht, daß man diese Vorkommnisse allein damit erledigt, daß man eine Fülle von Behauptungen aufstellt und sich darüber entrüstet. Sondern, wenn wirklich Gefahr im Verzug sein sollte, kann man ihr am eindrucksvollsten entgegentreten, indem man wirklich sachlich und gründlich in die Tatbestände hineingeht. Ich glaube, daß man der Sache — nämlich der Anprangerung und Ausmerzung von Erscheinungen, die bekämpfenswert und verwerflich sind — nicht damit am besten dient, daß man da aufbauscht und übertreibt, wo die Übertreibung offenbar durch die Beweise nicht oder noch nicht gerechtfertigt erscheint und echte Wertungen noch nicht gegeben sind.
    Ich muß sagen, Herr Kollege Menzel: die Werturteile, die Sie gegeben haben, stehen in einem gewissen Mißverhältnis zu den Argumenten und Beweismitteln, die hier von Ihrer Seite vorgetragen worden sind.

    (Abg. Dr. Menzel: Und die von Herrn Zinn?)



    (Dr. Schäfer)

    — Darauf komme ich noch. — Sie haben z. B. von dem „größten Skandal seit 1945" gesprochen. Sie haben damit angefangen, dem Herrn Innenminister vorzuwerfen, daß er nicht schon längst den Bundestag unterrichtet hätte, während wir j a nun schließlich erwarten und verlangen können, daß, wenn schon ein Minister vor den Bundestag tritt, er so eingehend unterrichtet ist, daß er uns hier auch eine wirklich substantiierte Darstellung geben kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf des Abg. Dr. Menzel.)

    — Herr Menzel, ich weiß nicht, ob Sie die Vorgänge der Vergangenheit so genau im Gedächtnis haben und so unmittelbar erlebt haben.

    (Abg. Dr. Menzel: Na, und ob ich die in Erinnerung habe!)

    Sie haben da auf die Ereignisse von 1933 hingewiesen und von den bürgerlichen Blättern erzählt,
    die hätten damals mit einer gewissen Genugtuung

    (Abg. Dr. Menzel: Habe ich gar nicht gesagt!) festgestellt oder sich zugewandt


    (Zuruf des Abg. Renner)

    der Inhaftierung von Sozialdemokraten.

    (Abg. Dr. Menzel: Das stimmt nicht!)

    Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern können, wie, nachdem die sozialdemokratische Presse in der Stufenfolge der Vernichtung der deutschen Presse zuerst unterdrückt war, immer wieder mit den Mitteln der Verschleierung, die überhaupt möglich waren, Hinweise zugunsten der Sozialdemokratischen Partei und sozialdemokratischer Vertreter in der bürgerlichen Presse immer noch durchsickern zu lassen versucht worden ist.
    Also alle Ihre Ansichten treffen nicht zu, wie ich Sie auch darauf aufmerksam machen muß, daß die von Ihnen erwähnten Auslassungen des Herrn von Rohr nicht auf das Konto der FDP gehen; er ist lediglich Hospitant der FDP-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen, aber nicht Mitglied der Partei.
    Das sind vielleicht kleine Äußerlichkeiten. Sie zeigen aber, wie man sich davor hüten muß, die Darstellung mit einem riesigen Feuerwerk auszustatten, um von dein eigentlichen Sachverhalt und von dem gerechten Maß der Wertung oder Verdammung abzulenken.
    Das Entscheidende ist, meine Damen und Herren, daß man eine bewaffnete Geheimorganisation errichtet hat und daß sie errichtet worden ist zunächst einmal von amerikanischen Dienststellen. Das ist nicht zu bestreiten; das steht fest. Dieser sogenannte Technische Dienst ist etwas, was wir mit aller Entschiedenheit und mit aller Deutlichkeit ablehnen. Die gleiche Haltung ist sowohl in den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers wie in den Ausführungen der beiden Bundesminister, die anschließend gesprochen haben, zum Ausdruck gekommen.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.) In dieser Hinsicht also ist resolute Klarheit.

    Hier haben wir eine der üblen Folgen der Tatsache, daß wir uns immer noch im Zustand des Besatzungsverhältnisses befinden. Wenn wir solche Experimente und solche Torheiten von dilettantischen Wichtigtuern - etwas anderes ist es nämlich nicht gewesen —

    (Sehr gut! rechts — Beifall bei den Regierungsparteien — Lachen links)

    verhindern wollen, dann ist zunächst einmal eine Politik notwendig, die uns aus den Bindungen unserer Abhängigkeit befreit. Die Bundesregierung hat diese Bindungen nicht erfunden; sondern wir haben sie als trauriges Erbe einer traurigen Vergangenheit am Anfang unseres Wirkens zunächst
    einmal übernehmen müssen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU.)

    Weiterhin ist zu den Dingen natürlich sagen: Das, was da gemacht worden ist, ist deswegen von einer so vollendeten Torheit, weil man meint, man könnte mit demokratischen oder antikommunistischen Lippenbekenntnissen überhaupt eine Auswahl von Leuten bekommen, die man für die vorgestellten Zwecke nötig hat. Ich möchte hinzufügen: Bei der Unterwühlung mit Geheimorganisationen, die vom Osten hier bei uns hineingetrieben werden,

    (Sehr gut! rechts)

    wird man sich auch der Gegenmittel bedienen müssen, um solchen gefährlichen Verseuchungen oder Gefährdungen unseres öffentlichen Lebens entgegenzuwirken.

    (Sehr gut! rechts.)

    Anders geht die Sicherung des Rechtsstaates doch beim besten Willen nicht.
    Übrigens: wenn gerade Sie von der äußersten Linken sich so gegen diese Vorgänge aussprechen, — j a, wer hat denn all diese Dinge angereizt? Wer hat denn den Zustand des Kalten Krieges in der Welt herbeigeführt, daß wir nicht zur Ruhe kommen, daß all diese Wühlereien hin und her immer noch weitergehen und unser Leben so ungeheuer erschweren, ja so unerträglich machen? Das sind doch die Provokateure — die Provokateure, die die freie Welt immer wieder mit ihren tyrannischen Machtbestrebungen zu überfahren und zu überrennen versuchen!

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Und das stößt dann auf die Gefühlswelt aufgeregter Seelen, die so ihre Mischung von Geltungsdrang, Abenteuerlust, Karl-May-Reminiszenzen usw. in solchen komischen Formationen abreagieren.

    (Abg. Dr. Menzel: Das haben wir alles schon vor 1933 gehört!)

    — Jawohl, das haben wir gehabt,

    (Abg. Dr. Menzel: Gehört!)

    und deswegen wehre ich mich auch gegen ihre Wiederholung. Aber ich muß den politischen Rahmen kennzeichnen, aus dem solche Mißbildungen hervorgegangen sind. Ich muß mich gegen den Versuch wenden, die Bundesregierung für Institutionen und Abscheulichkeiten verantwortlich zu machen, die von ihr nicht veranlaßt worden sind, sondern denen sie von dem Augenblick an entgegenwirkt, seit dem sie die Dinge einigermaßen eindeutig erfassen kann.

    (Abg. Euler: Sehr richtig! — Abg. Dr. Menzel: Lange Leitung!)

    Die Erfindung dieser Dinge ist doch nicht eine Angelegenheit des Bundeskabinetts, sondern der Verhältnisse, unter denen wir hier unsere Politik mühsam aus dem immer noch anfälligen Zustand der verwirrenden Gebundenheit hinaus entwickeln. Vielleicht wären wir weiter mit diesen Dingen, wenn wir die außenpolitische Linie des Bundeskabinetts mit einer etwas größeren Intensität und


    (Dr. Schäfer)

    einer wirksameren Geschlossenheit des deutschen Parlaments verfolgt und vertreten hätten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Mellies: Kennen Sie den Inhalt der Verträge so schlecht?)

    Meine Damen und Herren, ich habe nicht die Absicht, zu bagatellisieren. Ich sehe die Tragweite dieser Gebilde; aber ich muß, wenn ich sie bekämpfen will, den politischen Hintergrund, die atmosphärischen Bedingungen, unter denen so etwas entstehen konnte, zugleich erkennen. Zum zweiten muß ich von der Tatsache ausgehen, daß man, wenn man mit diesen Untergrundwucherungen zu tun hat, sie auch mit den Mitteln bekämpfen muß, die nun einmal allein die Möglichkeit geben, ihnen entgegenzutreten. Man kann Maulwürfe nicht mit Schwalben bekämpfen oder ihre Ausbreitung verhindern.

    (Zurufe von der SPD.)

    Aber der Bundesregierung möchte ich nun doch noch eine Bitte unterbreiten. Es ist eine solche Menge von Verdächtigungen ausgesprochen worden, es ist so viel Mißtrauen gesät worden, und es ist so viel an Anschuldigungen gesagt worden, daß eine sehr sorgfältige und entscheidende Untersuchung meinen Freunden und mir unbedingt erforderlich erscheint.

    (Zuruf links: Uns allen!)

    Diese streng durchzuführende Untersuchung darf vor keiner Person und vor keiner Stelle haltmachen.

    (Abg. Kunze: Sehr richtig!)

    Wenn sich irgendwie herausstellen sollte, daß
    dummer Übereifer hier Zusammenhänge verursacht hat, die bis in die Bundesregierung oder
    in irgendeine öffentliche Verwaltung hineinreichen, dann muß mit der Schroffheit, die in solchen Fällen notwendig ist, auch durchgegriffen werden.

    (Beifall bei der FDP. — Lachen bei der KPD.)

    Dabei bitte ich, sich nicht allein auf die strafrechtlichen Ermittlungen des Staatsanwalts zu beschränken. Hier geht es nicht allein um eine strafrechtliche Frage; hier geht es um etwas wie die politische Moral. Hier geht es darum, ob wir alle diese wichtigtuerischen Bündeleien und heimlichen Schmutzereien weiter wuchern lassen sollen oder ob wir ihnen den Garaus machen.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Es gibt notwendige Einrichtungen, die zur Staatssicherheit unerläßlich sind. Man muß Unterwühlung — ich habe es schon einmal gesagt — mit Mitteln bekämpfen, die wirksam sind. Aber dabei sollen diese Maßnahmen ausschließlich in der Hand der zuständigen Organe des Staates bleiben.
    Nun noch etwas zu den sogenannten Proskriptionslisten. Ich weiß nicht, ob da, sagen wir einmal, das Mißtrauen verleitet, etwas mehr erkennen zu wollen, als in den Dingen steckt. Jedenfalls wissen wir nun, daß es sich zunächst einmal um ein Aktenstück mit einem teilweise offenbar sehr komischen Inhalt handelt. Ich habe mir bisher unter den Proskriptionslisten etwas anderes vorgestellt als das, was heute hier zutage getreten ist. Ich will das. nicht gering schätzen. Im übrigen ist das auch eine Sache, die den Stil unseres politischen Zusammenlebens angeht. Meine Damen und Herren, dieses Anlegen von Schnüffellisten, von Schnüffelmaterial ist allmählich üblich geworden.

    (Abg. Mellies; Sagen Sie das mal sehr deutlich zur Regierungsbank, Herr Schäfer!)

    — Ich brauche das nicht nur zur Regierungsbank zu sagen, sondern, Herr Mellies, es soll auch politische Parteien geben, .

    (Abg. Mellies: Wir wollen uns nach der Wahl einmal wieder sprechen!)

    die sich über ihre politischen Gegner Dossiers anlegen, um damit im gegebenen Augenblick bestimmte, für sie vielleicht unangenehme Theaterstücke inszenieren zu können.
    Also, wie gesagt, ich mag diese ganzen Dinge nicht. Ich bin nun einmal nicht für eine Schwarzweißmalerei, die immer nur das Licht auf der einen Seite und das Dunkle und das Unzulängliche auf der anderen Seite sucht.
    Sehr ernst scheint mir zu sein, was der Herr hessische Ministerpräsident ausgeführt und angedeutet hat über offenbare Versuche einzelner amerikanischer Organe zur Verdunklung der Ermittlungen. Das ist etwas, was äußerst betroffen macht. Ich möchte in aller Deutlichkeit sagen, daß solche Vorkommnisse geeignet sind, ein Mißtrauen zu säen, das politische Schwierigkeiten verursacht, die schwer überwindlich sind. Ich möchte den amerikanischen Politikern und den verantwortlichen Stellen der amerikanischen Vertretung in Bonn und Umgebung das mit allem Ernst zu bedenken geben. Was hier geschieht oder geschehen ist, bringt diejenigen, die an die Freundschaft und die Solidarität der freien Welt glauben, in die Gefahr, gegenüber der Öffentlichkeit geradezu zweifelhafte Erscheinungen zu werden.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Hier ist eine sehr entschiedene und ernste Umkehr notwendig. Diese Kriegspielereien, verständlich geworden durch die Situation — ich habe das eben ausgeführt —, diese Spielereien mit Geheimbünden, mit illegalen Formationen mögen den einzelnen, die sie betreiben, interessant vorkommen. Sie haben praktisch politisch, ja nicht einmal militärisch den geringsten Wert. Sie sind lediglich geeignet, die politische Atmosphäre zu vergiften. Daran sollte man denken; und ich möchte deswegen der Erwartung Ausdruck geben, daß es gelingt, dies ganze Geschwür im entschiedenen und entschlossenen Zusammenwirken der Bundesregierung mit den Dienststellen der Besatzungsmächte, die hier in Frage kommen, so auszuheilen, daß wir bald vor einer bereinigten und gesicherten Atmosphäre des demokratischen Lebens stehen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Birkelbach.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Willi Birkelbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister D r. Lehr hat sich heute einer für ihn sicherlich sehr unangenehmen Aufgabe unterziehen müssen. Sie bestand darin, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu verwischen, daß es ihm persönlich lieber gewesen wäre, wenn man das alles hätte totschweigen und in irgendeiner Form gentlemanlike hätte regeln können, ohne daß die Öffentlichkeit davon überhaupt in Kenntnis gesetzt worden wäre.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Das mag aus zwei Gründen für ihn von Belang gewesen sein. Ich glaube, der eine Grund ist sehr deutlich in den Ausführungen durchgeklungen, die er zu unserer ersten Frage gemacht hat. Er hat dort zunächst einmal sehr präzise herausgearbeitet,


    (Birkelbach)

    wie und auf welche Weise er auf dem offiziellen Dienstweg über die Vorgänge in Hessen informiert worden ist, und zwar auf dem Dienstweg über das Bundesamt für Verfassungsschutz. Ich glaube, indem er hinzufügte, daß er in seiner Dienststelle bereits vor einem Jahr Informationen über die Tätigkeit im Bereich von Zonengrenzgebieten usw. und in diesem Zusammenhang über die Zusammenarbeit zwischen den Besatzungsmächten und Deutschen für die Vorbereitung von Abwehraktionen gehabt habe, hat er sicherlich auch so etwas wie eine Abschirmung betrieben, um auf diese Weise sich selbst salvieren zu können.
    Ich glaube, Herr Bundesinnenminister, wir müssen in jedem Fall darauf bestehen, daß die Untersuchungen und Durchleuchtungen in dieser ganzen Angelegenheit nicht nur betrieben werden, um die Dinge etwa zu verniedlichen und damit darzutun, es sei alles gar nicht so schlimm gewesen. Ich glaube, unsere und Ihre Aufgabe sollte sein, das Zutrauen auch derjenigen im deutschen Volke, die Ihnen vielleicht politisch nicht nahestehen, in ihrer Bereitwilligkeit, dieser Demokratie eine 'Grundlage 'zu geben, nicht 'zu sehr zu strapazieren.

    (Beifall bei der SPD.)

    Auf der andern Seite glaube ich, daß hier noch ein anderer Grund für Sie vorlag. Die Art und Weise, wie man sich auf seiten der Bundesregierung in dem Moment diskret verhält, in dem nur angedeutet wird, daß im Hintergrund Dienststellen der Besatzungsmacht eine Rolle spielen, — das ist nichts, was wir von einer selbstbewußten Bundesregierung erwarten möchten.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Wir glauben, daß auch die seinerzeitigen Vorfälle
    um Herrn Kemritz doch in der Zwischenzeit dargetan haben, daß dann, wenn eine energische Vorstellung gemacht wird, auch die amerikanischen Behörden nicht allzusehr geneigt sind, das nun ohne weiteres im Sande verlaufen zu lassen.
    Bei der Behandlung dieser Fragen haben Sie dann am Schluß hier wirklich noch etwas vollzogen, wovon ich eigentlich nicht annahm, daß ein Mann Ihrer Erfahrung sich das gestatten würde. Die Ausführungen, die Sie nachher über den angeblichen Fememord und all die Dinge gemacht haben, waren doch praktisch genommen eine Art Verlängerung, um 'auf diese Art und Weise durch mehr Material 'das Wesentliche nicht richtig erkennen zu lassen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich glaube, wir müssen wirklich eines sagen: Wenn es irgendwo die Feststellung gibt, daß eine militärische oder andere Geheimorganisation in Erscheinung getreten ist, dann muß sich doch von selbst jeder, der die Wirkungen der konspirativen Arbeit in der Vergangenheit gesehen hat und der weiß, was es heute in den Ostgebieten z. B. auf diesem Gebiet gibt, was praktiziert wird und was von dort her auch herüberkommt, in jedem Falle selbst dann, wenn es zunächst rein militärische Dinge zu betreffen scheint, fragen, ob hier nicht auch die Grundlage für eine geheime innenpolitische Tätigkeit gegeben ist oder ob eine solche daraus erwächst.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Insofern mache ich dem Herrn Oberbundesanwalt, der allerdings in diesem Falle Ihnen nicht untersteht, den Vorwurf, 'daß er gerade diese Dinge auf die leichte Schulter genommen hat.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Aus den Informmationen, die uns Herr Ministerpräsident Zinn hier eben gegeben hat, ging doch ohne weiteres hervor, daß zumindest Anhaltspunkte für Verdacht in dieser Richtung gegeben waren, und wir haben es als sehr peinlich empfunden, daß gewisse zeitliche Kombinationen überhaupt möglich und denkbar waren, die es ermöglichten, daß die zunächst Angeschuldigten und Verhafteten zwischenzeitlich auch ein wenig Freiheit bekamen.

    (Zuruf von der SPD: Das wollte man doch!)

    Darüber hinaus muß ich eins sagen. Wenn wir die einzelnen Stadien der Entwicklung und auch der Aufdeckung dieser Dinge verfolgen, dann können wir dabei auch mit der Abschwächung, die Herr Dr. Lehr hier vorzunehmen versucht hat, in keinem Falle einig gehen. Sehen Sie, wenn dann auch der Bundesjustizminister sagt: Wie kommen denn die Leute schließlich dazu, sich selbst zu präsentieren, wenn sie kein schlechtes Gewissen haben?', — ja, haben Sie noch nie etwas von Gaunerfrechheit und von dem Wort „Frechheit siegt" gehört?

    (Beifall bei der SPD.)

    Ist es dabei nicht vielleicht so gewesen — und darauf bitten wir bei den Untersuchungen besonders zu achten —, daß es irgendwo bei ihnen — ich meine jetzt bei den Beschuldigten und Beteiligten — den Glauben geben konnte, es würden ihnen womöglich doch irgendwo goldene Brücken gebaut?

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, diese Verdachte machen die politische Arbeit unmöglich, und sie wollen wir beseitigen, und deswegen war das so unbefriedigend, was Sie, Herr Bundesinnenminister, uns heute hier zu der 'sachlichen Seite zu sagen hatten.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Das ist ein sehr seltsames Verhalten der auf Bundesebene zuständigen Organe.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Soll das bedeuten, daß man der Annahme sein darf, es habe irgendwo jemanden gegeben, der die Rolle des berühmten Zauberlehrlings noch einmal durchexerzieren wollte, jenes Zauberlehrlings, der eben die Geister, die er rief, nachher nicht mehr bannen konnte?
    Wenn, in diesen Tagen die Erinnerungen des Herrn von Papen in der Presse und im Rundfunk eine Rolle spielen, dann möchte ich dazu eins sagen. Die Art und Weise, wie diese vermeintlich mit großer Intelligenz begabten Herrschaften 1932 und 1933 das Tor aufgestoßen haben für das Unheil,

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    das ist etwas, was uns so unruhig macht.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich glaube, daß man hier durchaus sagen kann: es gibt Auffassungen von Demokratie, die sich nicht mit Manipulationen zur Gewinnung von Gegenkräften vereinbaren lassen. Auf diesem Gebiet, meine ich, sollte also in jedem Fall darüber Einstimmigkeit herrschen, daß es keinen Versuch zum Totschweigen oder Abschwächen geben darf, und ich glaube, daß wir alle in dieser Beziehung dem Herrn hessischen Ministerpräsidenten zu Dank verpflichtet sind.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die Tatsache, daß militärische amerikanische Stellen sich hier unmittelbar mit deutschen


    (Birkelbach)

    Kräften vereint haben, sollte uns wirklich Grund zur Beunruhigung sein. Ich selbst erinnere mich zu genau der Situation in der Zeit vor und während der Befreiung, und ich weiß — ich verweise Sie dabei auf die Veröffentlichung von Hans Werner Richter „Die Geschlagenen" z. B. —, wie unter den Augen der amerikanischen Militärs die Lager-Gestapo in Nordamerika es fertiggebracht hat, antinationalsozialistische Deutsche physisch auszulöschen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Wir wissen, daß auch das geschehen ist, ohne daß die politischen Behörden in Amerika davon Kenntnis hatten.
    Wir wollen doch auf diese Dinge achten, und wir wollen deswegen sagen: hier in Deutschland sollten wir nicht versuchen, demokratische Kraft dadurch zu gewinnen, daß wir künstlich' etwas pflanzen und daß wir einer Vereinigung, die nach ihren eigenen Angaben zur Zeit 18 000 Mitglieder zählt — wie es der BDJ ist —, allein für eine Veranstaltung rund 20 000 DM zur Verfügung stellen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Herr Bundesinnenminister, wir werden auf diese Dinge noch zu sprechen kommen, wenn wir Sie fragen: Was ist denn aus Ihren Fonds für andere wirklich wertvolle Jugendarbeit — und zwar aus diesem Fonds — zur Verfügung gestellt worden?

    (Sehr gut! bei der SPD. — Abg. Schoettle: Wir werden uns bei den Haushaltsberatungen nicht noch einmal beschwindeln lassen, von keinem Ressort! — Unruhe.)

    Ich möchte auch haben, daß das als eine Aufforderung betrachtet wird, hier in dieser Beziehung mehr zu tun.
    Wenn man die Grundlagen nicht zerstören will, auf denen in Deutschland die Demokratie überhaupt nur gedeihen kann, dann muß man beachten, daß nicht mit Polizeiaktionen, aber auch nicht mit Propagandaaktionen der deutschen Jugend die Möglichkeit eröffnet werden kann, wirklich zu erkennen, um was es geht. Was wollen wir erreichen? Junge Kräfte sollen in Deutschland nicht als Instrument fremden Willens, sondern aus eigener Entschlußfreiheit und als selbstbewußte Staatsbürger mit anpacken, um unser öffentliches Leben zu gestalten.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Und nun wird gesagt: das ist etwas, was wir alle anstreben, und in dieser Weise sind nun auch von uns die entsprechenden Anstrengungen gemacht worden. Wenn ich aber von jungen Kräften spreche, dann meine ich nicht die 35- bis 50jährigen Oberstleutnante und Obersten und andere Offiziere, die in diesen Partisanenlehrgängen ausgebildet worden sind.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die kann man nicht mehr mit dem Hinweis auf Karl May abtun, sondern hier gibt es wirklich ernste Hintergründe, und auf diese Altersstufen möchte ich noch einmal hingewiesen haben.
    Ich meine, daß der junge Teil unserer Bevölkerung wirklich nicht den Eindruck bekommen darf, die in Bonn oder auch die in Wiesbaden und die Regierung, und was es sonst sein mag, das sind eigentlich nur Fassadenleute; im Hintergrund gibt es andere Kräfte, und es ist viel besser, sich nicht zu exponieren und sich in keiner Weise zu beteiligen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wenn dieses Gefühl Platz greift, dann haben wir jene Atmosphäre erreicht, in der die Tüchtigen in keinem Fall mehr nach vorne drängen im öffentlichen Leben, und damit haben Sie der Demokratie in Deutschland den Boden entzogen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Ich weiß, daß hier die Frage nicht gestellt werden kann: Wer hat denn das gewollt? Aber wir wollen uns doch über eins dabei verständigen: wir dürfen keine zwielichtigen Organisationen und zwielichtige Vorgänge dulden. Wir müssen auf jede Art und Weise dazu beitragen, daß die Bereitschaft zur freimütigen Diskussion und zur Auseinandersetzung auch in der Öffentlichkeit nicht dadurch getrübt wird, daß mari immer in irgendeiner Weise mit Interventionen rechnen muß, die unkontrollierbar sind.
    In dieser Richtung glaube ich die sogenannten Proskriptionslisten werten zu müssen. Glauben Sie nicht, daß diejenigen, die vielleicht auf diesen Listen stehen, sich nun besonders viel daraus machen. Ich glaube, ein großer Teil von ihnen hat andere Dinge durchgestanden als das, was man hier als unmittelbare Gefahr ansieht. Aber die Vorauswirkung des Terrors, die hier von diesen Listen ausgeht,

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    ist das Entscheidende und ist auch das, was man dabei in Rechnung stellen muß. Es gibt bereits zu viele Stellen hier in Westdeutschland, die unkontrollierbar sind, die aus unkontrollierbaren Fonds gespeist werden.
    Dabei müssen wir aber eines bedenken. Wir können auf diese Weise mit der Organisation derartiger Kräfte auf keinen Fall einen Beitrag zur Überwindung des Totalitarismus erbringen. Das muß Ihnen ein für allemal vor Augen stehen.
    Es bleibt dabei immer noch die Frage offen: welche Verbindung zum Osten mögen derartige Organisationen haben? Es ist sogar möglich, daß sie in Wirklichkeit vom Osten beeinflußt und gesteuert werden, ohne daß diejenigen Kontaktpersonen hier im Westen, die sie zu betreuen glauben, auch nur eine Ahnung haben, wie das hinter ihrem Rücken weitergeht.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich glaube, daß es deswegen durchaus denkbar und notwendig ist, daß man sich nicht auf die Loyalitätserklärungen einzelner führender Personen verläßt, die jetzt versuchen, diese Geschichte abzuschirmen.

    (Vizepräsident Dr. Schäfer übernimmt den Vorsitz.)

    Aber ich habe noch eine politische Bemerkung zu machen. Wir haben vor einiger Zeit einen wirklich einmütigen Appell des Bundestages an die Weltöffentlichkeit erlebt, in dem wir die Aufmerksamkeit auf die verhafteten Jugendlichen in der Ostzone richteten. Wir haben dabei den allergrößten Wert darauf gelegt, für uns selbst die Plattform zu haben, von der aus wir die Ansprüche stellen können und von der aus wir bitten und fordern können, daß die deutsche Jugend im Osten nicht in dieser Weise mißbraucht und geknechtet wird. Ich glaube, daß die Existenz von derartigen Organisationen, wie sie aufgedeckt worden sind, im Osten denjenigen, die dort die Unterdrücker sind, in der Propaganda die Scheingründe


    (Birkelbach)

    und die Scheinberechtigung gibt, in irgendeiner Weise daraus Kapital zu schlagen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Das ist der Schaden, der unmittelbar angerichtet wird. Aus diesem Grunde müssen wir darauf drängen, daß in offener Aussprache und in eingehender Untersuchung wirklich klargestellt wird, um was es ging und wer dabei auch die Kräfte waren, die im Hintergrund standen und vielleicht noch stehen.
    Die Tatsache, daß hier die Dienststellen der amerikanischen Armee geglaubt haben, junge Deutsche als Instrument benutzen zu sollen, muß uns außerordentlich nachdenklich stimmen. In keinem Fall dürfen wir jedoch daraus den Schluß ziehen, damit seien Nachprüfungen in dieser Richtung wenig wert. Auf diesem Gebiet darf es auch nicht die geringste Unsicherheit geben.
    Unsere Interpellation sollte Veranlassung sein, sowohl den Tatbestand in seiner Gesamtheit als auch das Verhalten der Bundesdienststellen in den verschiedenen Phasen eingehend zu erforschen. Nur wenn wir das tun, erfüllen wir unsere Pflicht als gewählte Vertreter der Bevölkerung, jener Bevölkerung, die schon zu sehr von allen möglichen Ängsten geplagt ist, als daß man Landsknechtsnaturen und verantwortungslosen Militärs gestatten könnte, mit ihrem Schicksal zu spielen.

    (Beifall bei der SPD.)