Bei der Behandlung der Großen Anfrage der SPD beschränke ich mich zunächst darauf, eine präzise Darstellung der Dinge und Beantwortung der Fragen zu geben, und werde anschließend wegen der besonderen Bedeutung dieser Sache noch einige allgemeine Bemerkungen machen. Aber eins möchte ich dem Herrn Kollegen Menzel doch sagen. Wenn Sie mich fragen, warum erst heute die Regierung durch mich hier Stellung nimmt: Ich halte es für richtig, erst in dem Augenblick vor ein Parlament zu treten, Wenn ich konkrete, unanfechtbare Tatsachen hinter mir habe
und nicht Angaben zu machen brauche, die auf Vermutungen oder Schlüssen beruhen, die sich nachher als nicht vollständig oder gar irrig erweisen.
Denn dadurch wird das deutsche Ansehen im In-und Ausland geschädigt und werden unsere Interessen empfindlich gestört.
— Herr Renner, es wird Ihnen noch vieles gesagt werden, was Ihnen nicht paßt.
Von dem Vorhandensein des — —
— Meine Damen und Herren, ich empfehle Ihnen wegen der Bedeutung dieser Sache, einmal ruhig zuzuhören, welcher Tatbestand wirklich vorhanden ist.
Der erste Punkt. Von dem Vorhandensein des sogenannten Technischen Dienstes, der sich die Schulung von Partisanen zur Aufgabe gemacht haben soll,
hat die Bundesregierung erstmalig Mitte September 1952 Kenntnis erhalten, und zwar das Bundesministerium des Innern am 15. September und das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen am 19. September. Daß diese Organisation sich nach Auffassung der hessischen Regierung auch die weitere Aufgabe gestellt habe, Persönlichkeiten des politischen Lebens zu liquidieren, ist der Bundesregierung durch den Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, Herrn Dr. John, am 1. Oktober 1952 mitgeteilt worden. Diese Angaben hat Dr. John am Abend des 30. September von dem hessischen Ministerpräsidenten, Herrn Zinn, erhalten.
Von diesem Nachrichtenkomplex — und das ist für die Beurteilung der weiteren Tatbestände sehr wichtig; ich habe bereits in der Presse darauf hingewiesen — ist ein anderer zu unterscheiden, der seit etwa einem Jahr bekannt ist. Darauf bezieht sich — nicht eine „Rede", die ich in Hamburg gar nicht gehalten habe, sondern meine innerhalb eines
Hornissenschwarms von Reportern, die mich befragten, gegebene Auskunft. Was wir seit einem Jahr wissen, ist nämlich der andere Komplex. Im Laufe des Jahres 1951 waren dem Bundesamt für Verfassungsschutz Nachrichten zugegangen, die darauf hindeuteten, daß sich alliierte Stellen innerhalb der Bundesrepublik mit der Vorbereitung von Maßnahmen beschäftigen, die im Falle eines sowjetischen Angriffs in den Grenzgebieten zu treffen seien.
Gegenstand dieser Informationen war auch, daß sich junge Deutsche in geringer Zahl, unter ihnen Erhard Peters, zu diesen Vorbereitungen bereitgestellt haben.
Bestätigt wurden diese Nachrichten durch Meldungen über Waffenlager in Bayern, z. B. in Marktschorgast im Landkreis Kulmbach, die Gegenstand der Prüfung durch bayerische Behörden waren und Mitte Oktober 1951 durch Pressemeldungen auch der Öffentlichkeit bekannt wurden.
Diese Vorbereitungen sind anschließend vom Bundesamt für Verfassungsschutz zum Gegenstand von Besprechungen mit sämtlichen Leitern der Landesverfassungsschutzämter gemacht worden.
Zum zweiten Punkt. Weitere derartige Organisationen sind der Bundesregierung nicht bekanntgeworden.
Zum dritten Punkt. Der Oberbundesanwalt überprüft in strafrechtlicher Hinsicht den Sachverhalt seit Mitte September 1952. Damit sind die erforderlichen Schritte wegen der strafrechtlichen Verfolgung der beteiligten Personen eingeleitet.
Das Verfahren, Idas mit allem Nachdruck betrieben wird,
ist zunächst gehemmt worden, und zwar aus Gründen, die nicht in der Behörde des Oberbundesanwalts liegen. Dabei darf ich feststellen, daß eine
Einflußnahme amerikanischer Dienststellen auf den
Gang des Verfahrens niemals stattgefunden hat.
Der Oberbundesanwalt hat erst durch einen am 6. Oktober dieses Jahres eingegangenen Bericht des Oberstaatsanwalts in Frankfurt am Main und durch die am 9. Oktober dieses Jahres in der Presse veröffentlichte Regierungserklärung des Herrn hessischen Ministerpräsidenten Nachricht darüber erhalten, daß Unterlagen gefunden worden seien, die eine Absicht zur Liquidierung von politischen Persönlichkeiten beweisen sollten.
Die Unterlagen' sind sogar erst Mitte Oktober dem Oberbundesanwalt zur Verfügung gestellt und das Ergebnis dieser Untersuchungen ist selbstverständlich erst abgewartet worden.
— Ja, in der Ostzone!
Am 2. Oktober 1952 wurde eine gemischte Kommission — —
— Hören Sie lieber in Ruhe das an, was ich Ihnen zu sagen habe, und regen Sie sich nicht über Herrn Renner auf!
Am 2. Oktober wurde eine gemischte Kommission zur Nachprüfung der Vorgänge eingesetzt. An dieser Kommission sind durch je einen Vertreter die ,amerikanische Besatzungsmacht, die hessische Regierung und das Bundesamt für Verfassungsschutz beteiligt.
Die gemischte Kommission hat ihre Tätigkeit am 8. Oktober 1952 aufgenommen und noch nicht abgeschlossen.
Zum vierten Punkt. Zwischen dem sogenannten Technischen Dienst und dem Bund Deutscher Jugend muß unterschieden werden
Dem Technischen Dienst, der Organisation des Erhard Peters, sind finanzielle Zuwendungen aus Bundesmitteln niemals, weder unmittelbar noch mittelbar, gewährt worden.
Dagegen hat der Bund Deutscher Jugend, alber nur aus einem einzigen Anlaß, eine finanzielle Förderung aus Bundesmitteln erfahren. Dieser einmalige Anlaß war das Pfingsttreffen 1952 des BDJ in Frankfurt am Main.
Ich hatte aber ein Jahr vorher durch das Bundesamt für Verfassungsschutz beim hessischen Landesamt für Verfassungsschutz anfragen lassen
und bekam von diesem im Februar 1951 die Nachricht, 'daß sich der Bund Deutscher Jugend zur 'demokratischen Staatsform bekenne
und daß das hessische Landesamt für Verfassungsschutz dem Bundesamt weiter berichten und weiter seine Beobachtungen mitteilen walle. Das ist aber seit der Zeit nicht mehr geschehen.
Nach dieser Auskunft haben wir zu dem Pfingsttreffen 1952 positiv Stellung genommen. Dieses Treffen war deshalb aus Bundesmitteln gefördert worden, weil es eine Gegenveranstaltung gegenüber dem FDJ-Treffen in Leipzig war
und sich viele andere deutsche und ausländische Jugendgruppen daran beteiligten.
Das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen hat, wie wir bereits am 10. Oktober erklärten,
10 000 DM für dieses Treffen zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus ist das Pfingsttreffen des BDJ in einer ähnlichen Größenordnung auch aus den mir zur Verfügung stehenden Abwehrmitteln gefördert worden.
Diese Förderung erfolgte nicht aus Mitteln des Bundesjugendplans.
Aus diesen ist keine Mark für die Veranstaltung gegeben worden.
Es handelt sich vielmehr um einen Fonds, der lediglich der Überprüfung durch ,den Herrn Präsidentendes Bundesrechnungshofs unterliegt.
Ich habe diese Förderung des Pfingsttreffens gebilligt, da den verfassungsfeindlichen Umtrieben der kommunistisch gesteuerten FDJ nicht nur mit polizeilichen, sondern auch mit Propagandamaßnahmen entgegengetreten werden muß.
Und zum fünften und letzten Punkt die weitere präzise Auskunft: Die Bundesregierung ist nicht darüber unterrichtet, ob und welche weiteren Geldmittel dem sogenannten „Technischen Dienst" und dem BDJ zugeflossen sind. Wer die etwaigen Geldgeber und wie hoch die Beträge sind, wissen wir nicht. Beamte der Bundesregierung waren als Vermittler nicht tätig.
Und nun, meine Damen und Herren, muß ich angesichts der Ausführungen des Herrn Kollegen Menzel doch noch einiges sagen, namentlich auch angesichts der zahllosen teils richtigen, teils falschen, teils entstellten Meldungen, die über die Vorgänge in Hessen und angebliche weitere Geheimorganisationen in der letzten Zeit durch die Presse gegangen sind. Ich muß dazu grundsätzlich folgendes sagen. Zunächst muß ich noch einmal mit Nachdruck darauf hinweisen, daß die endgültige Klärung der Tatbestände, soweit sie strafrechtlicher Art sind,
dem Herrn Oberbundesanwalt abliegt. Ich halte es nicht 'für zweckmäßig, wie 'ich schon eingangs sagte, vor Abschluß noch in Gang 'befindlicher Ermittlungen ein abschließendes Urteil abzugeben, und ich hätte es tatsächlich auch. sehr begrüßt, wenn wenigstens die ersten Ergebnisse der Beratungen der Dreier-Kommission, die doch dazu eingesetzt war, um aufzuklären, abgewartet worden wären. Diese Kommission ist doch unter Beteiligung der hessischen Landesregierung eingesetzt worden. Aber dadurch, daß vorzeitig etwas erklärt worden ist, wie es im hessischen Landtag geschah, ist die Öffentlichkeit in einer ganz ungewöhnlichen und alarmierenden Weise unterrichtet worden.
Bei einer objektiven Betrachtung des gesamten Komplexes müssen Sie drei Tatbestände unterscheiden: Erstens den Tatbestand der Anlegung von Waffenlagern — und zwar amerikanischen Waffenlagern — im Bundesgebiet, zweitens die Ausbildung von Partisanen, drittens die sogenannte Liquidationsliste.
Zu dem ersten Punkt, der Anlegung von Waffenlagern amerikanischen Ursprungs und amerikanischer Zweckbestimmung im Bundesgebiet.
Es handelt sich hier um Vorgänge, die der Öffentlichkeit seit längerer Zeit durch die Presse bekannt sind und die in keinerlei Verbindung mit irgendwelchen Geheimorganisationen zu bringen sind. Das trifft auch auf die bereits vor mehr als einem Jahr in Bayern ermittelten Waffenfunde zu, die die Presse schon ausführlich behandelt hat und zu denen der Herr bayerische Minister des Innern noch kürzlich berichtet hat, daß sich Zusammenhänge zwischen dem Waffenfund und irgendwelchen politischen Untergrundbewegungen nicht ergeben haben.
Die Ermittlungen haben im übrigen einwandfrei dazu geführt, daß es sich um Waffen aus amerikanischen Beständen, also um militärische Waffenlager handelte,
so daß um so weniger Anlaß dazu bestand, hier eine Gefährdung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik anzunehmen.
Mitteilungen über derartige dem Umfang nach sehr begrenzte Waffenläger sind vor Jahresfrist nicht nur dem bayerischen Minister des Innern, sondern, wie ich bereits 'ausführte, auch dem Bundesamt für Verfassungsschutz zugegangen, und zwar stammten sie von Herrn Peters, der bei seinem Besuch in Köln gleichzeitig darauf hinwies, daß auf Veranlassung und mit Wissen amerikanischer Stellen ein verhältnismäßig kleiner Kreis von Deutschen im Gebrauch dieser Waffen ausgebildet werden sollte. Für das Bundesamt für Verfassungsschutz bestand nach Lage der Sache damals keine Veranlassung, diese Vorgänge unter dem Gesichtspunkt des Verfassungsschutzes zu behandeln; aber das Bundesamt hat nicht unterlassen, von diesen Mitteilungen sämtlichen Landesämtern für Verfassungsschutz mit der Bitte um weitere Beobachtung im Sinne des Verfassungsschutzes Kenntnis zu geben.
Darüber hinaus besteht noch das Besatzungsstatut, das mir keine Handhabe zum Eingreifen bietet, weil es einer 'deutschen Dienststelle verboten ist, einen Ermittlungsdienst gegenüber den Alliierten einzuleiten.
— Die Kommunisten sind keine Alliierten.
Bedenklich wurde vom Standpunkt der öffentlichen Sicherheit die Situation, als wir Mitte September 1952 darüber Mitteilung erhielten, daß in Verbindung mit dem amerikanischen Sicherheitsdienst in Waldmichelbach in Hessen unter dem Namen „Technischer Dienst" regelmäßige Lehrgänge gewisser Gruppen stattfanden, die im Waffengebrauch, aber auch — einem hessischen Polizeibericht zufolge — im Partisanenkampf ausgebildet wurden. Ich bin der Meinung, daß der Ausdruck Partisanenkampf, der in diesem Zusammenhang erstmalig auftritt und zu einer weitgehenden Beunruhigung der Öffentlichkeit geführt hat, zu Unklarheiten Anlaß gibt und noch der Aufklärung bedarf.
Aber ich möchte jetzt schon betonen, daß es keiner deutschen Regierungsstelle gleichgültig sein darf, wenn hinter ihrem Rücken Geheimorganisationen aufgezogen werden,
deren Tätigkeit für die deutsche Zivilbevölkerung im Falle eines feindlichen Einmarsches unübersehbare Folgen gehabt hätte,
ganz abgesehen von der völligen Nutzlosigkeit eines solchen Vorgehens. Bevor ich aber ein endgültiges Urteil abgebe, muß ich bitten, das Ergebnis der eingeleiteten Ermittlungen abzuwarten.
Ich komme drittens zu den sogenannten Liquidationslisten.
Sie werden verstehen, daß bei der Mitteilung von dem Vorhandensein solcher Listen am 1. Oktober, die angeblich die Grundlage für die Beseitigung prominenter Persönlichkeiten liefern sollten, bei uns die stärkste Beunruhigung eingetreten ist. Sie werden sich vielleicht fragen, warum wir Ihnen über das Ergebnis der vom Oberbundesanwalt geführten Ermittlungen bisher nichts mitgeteilt haben. Wir haben uns diese Zurückhaltung auferlegt, weil wir uns der hohen Verantwortung gegenüber der deutschen Öffentlichkeit und gegenüber der Sache selbst bewußt sind
und die Verpflichtung fühlen, ohne Vorwegnahme des Ergebnisses nur das als feststehende Tatsachen dem Hohen Hause zu unterbreiten, was gewissenhaft erarbeitet ist und jeder Nachprüfung standhält.
Insbesondere dürfen wir durch voreilige Veröffentlichungen das Ergebnis des Verfahrens, an dem wir
alle brennend interessiert sind, nicht gefährden.
Das ist leider im Anfangsstadium des Verfahrens versäumt worden. Ich kann Ihnen nur versichern, daß der Oberbundesanwalt, der erst Mitte dieses Monats die für seine Entscheidung maßgeblichen Unterlagen erhalten hat, mit Nachdruck — und ich sage dazu: sozusagen mit Tag- und Nachtschichten — die Aufklärung des Falles betreibt, daß er aber auch mit der Umsicht seiner jahrzehntelangen staatsanwaltschaftlichen Erfahrung und — was ich hier besonders betonen möchte — mit unbeeinflußbarem und unbeirrbarem Urteil vorgeht.
Das bisherige Ergebnis wird übrigens nach meiner Auffassung vielleicht nicht in dem Sinne sensationell sein,
wie es von manchen mehr oder minder berufenen Stellen von vornherein prophezeit wurde.
Gestatten Sie mir, daß ich in diesem Zusammenhang noch näher auf die sogenannte Liquida-
tionsliste eingehe, die in den Zeitungsnotizen und sonstigen Berichten einen so breiten Raum einnimmt, und auf den angeblichen Fememord, der zunächst durch eine Veröffentlichung der Zeitschrift „Der Spiegel" bekanntgeworden ist und dem sogenannten Technischen Dienst des beschuldigten Peters zur Last gelegt wird.
Der jetzige Stand der Ermittlungen rechtfertigt keinesfalls die sensationelle Aufmachung im „Spiegel". Die sogenannte Liquidationsliste, die nunmehr dem Oberbundesanwalt vorliegt, enthält entgegen den Presseberichten und sonstigen Verlautbarungen soweit irgend erkennbar den Namen keines einzigen SPD-Angehörigen.
— Ja, Kommunisten, da haben Sie recht.
Wohl enthält sie zahlreiche Namen von Angehörigen der extremen Rechten und der Linken, und zwar der SRP und KPD sowie der ihr angeschlossenen Organisationen.
— Ach, ich erzähle Ihnen noch mehr.
Neben dieser Liste ist auch eine Personenkartei gefunden worden, die sich zu einem großen Teil auf Angehörige der SPD, aber auch auf sonstige bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens bezieht,
wie auf Abgeordneten Kiesinger, den schleswigholsteinischen Minister Waldemar Kraft und andere. Hier handelt es sich um Nachrichten, die in jedem Informationsbüro gegen Geld erhältlich sind und auch, wenigstens zum Teil, aus einem solchen Büro stammen sollen. Sie enthält aber nicht nur negative, sondern auch positive Beurteilungen von Persönlichkeiten. So werden Bürgermeister Brauer, Senatspräsident Kaisen und Frau Renger, die ehemalige Mitarbeiterin des verstorbenen Herrn Dr. Schumacher, durchaus anerkennend und positiv bewertet.
Meine Damen und Herren! Wie kolportiert werden konnte, daß gerade diese drei genannten Personen im Ernstfall beseitigt werden sollten, ist mir allerdings bei der gegebenen Sachlage völlig unerfindlich.
Es ist Ihnen noch manches Interessante vorzutragen, und zu Ihrer und zu meiner eigenen Beruhigung kann ich Ihnen mitteilen, daß das jetzige Ermittlungsergebnis — ich betone ausdrücklich, das jetzige Ermittlungsergebnis —
noch keinen hinreichenden Anhaltspunkt für die Annahme geliefert hat, daß die sogenannte Liquidationsliste oder die Personalkartei
eine vorbereitende Maßnahme für eine spätere physische Beseitigung der in ihnen aufgeführten Personen darstellt.
Dabei sind die wichtigsten Zeugen und Beschuldigten, die für die Aufklärung gerade dieses Punktes in Frage kommen, sorgfältigst vernommen worden. Ich behalte mir weitere Aufklärung der Öffentlichkeit vor und möchte mich zur Frage der sogenannten Proskriptionsliste jetzt auf diese Ausführungen beschränken.
Aber nun zum Fememord. Der sogenannte Fememord, der zunächst eine so außerordentliche Wichtigkeit in den Presseerörterungen fand und der schließlich ein Hauptakt der ganzen Ermittlungen zu werden schien, ist erstmalig vom „Spiegel" bekanntgemacht
und mit dem BdJ in Verbindung gebracht worden. In seiner Ausgabe vom 16. Oktober brachte der „Spiegel" die Nachricht, daß ein Bundestagsabgeordneter der CDU/CSU schon vor längerer Zeit erfahren habe, ein ehemaliger deutscher Offizier, wahrscheinlich ein Oberst a. D., sei zu Beginn des Jahres in einer Partisanenschule zu Waldmichelbach durch Fememord beseitigt worden, weil ihm von den übrigen Kursusteilnehmern der Vorwurf gemacht worden sei, er sei ein Ost-West-Brückenbauer. Der Bundestagsabgeordnete habe diesen Vorfall dem Bundesamt für Verfassungsschutz mitgeteilt, wo ihm der Tatbestand bestätigt worden sei mit dem Zusatz, die seinerzeit eingeleiteten Untersuchungen hätten auf Befehl der Amerikaner eingestellt werden müssen, weil die Tat auf exterritorialem Gelände begangen sei.
Was ist wirklich zutreffend? Wir haben uns zur Aufklärung zunächst an die Redaktion des „Spiegel" gewandt,
aber von dort bisher leider keine Auskünfte bekommen. Einer der Vertreter der Zeitung sagte, man werde zu gegebener Zeit die Frage in einem Artikel des „Spiegel" beantworten.
Da wir auf diesem Wege nun nicht weiterkamen, versuchten wir den Bundestagsabgeordneten der CDU/CSU ausfindig zu machen. Wir glauben, daß wir ihn auch gefunden haben, und er hat, kurz gesagt, folgende Erklärung abgegeben. Er sei von einem Studenten brieflich davon unterrichtet worden, daß der Verdacht einer von den Amerikanern aufgezogenen Geheimorganisation bestehe, man möge sich doch dieser Sache annehmen. Nachträglich habe er von einem höheren Offizier der ehemaligen deutschen Wehrmacht die Bestätigung erhalten, daß eine solche Gruppe existiere. Dabei habe der Offizier darauf hingewiesen, daß von einem Fememord auch geredet werde. Eines der Mitglieder der Geheimorganisation soll mit Hilfe eines fingierten Unfalles in einem Steinbruch getötet worden sein.
Jetzt hatten wird endlich einen Faden. Der für Waldmichelbach zuständige Oberstaatsanwalt in Darmstadt hat in der Zwischenzeit in der Frage des Fememordes für seinen Bezirk eine Untersuchung eingeleitet und dem Vernehmen nach bisher keiner-
lei Anhaltspunkte dafür gefunden, daß in Waldmichelbach ein Mord oder ein solcher Mord geschehen sei oder der BdJ bzw. der Technische Dienst des Beschuldigten Peters mit einem derartigen Mord in Verbindung stehe.
Auch im übrigen Bundesgebiet haben wir zur Klärung dieser Frage Nachforschungen durchgeführt. Schließlich ist ein Verfahren bekanntgeworden, das offensichtlich zu dem von der Presse verbreiteten Gerücht den Hauptanlaß gegeben hat. Es ist im November vorigen Jahres vom Oberstaatsanwalt in. Hagen eingeleitet und hat folgendes Ergebnis erbracht: Zwei Arbeiter waren bei Altena nach ausgedehnten Zechereien miteinander in Streit geraten
und beim Raufen auf die abschüssige Böschung eines Steinbruchs gelangt. Einer von ihnen ist dabei in den Steinbruch abgestürzt und zu Tode gekommen. Mehr Sachdienliches war nicht festzustellen.
Der am Leben gebliebene Arbeiter konnte über die Vorgänge angeblich wegen Volltrunkenheit keine Angaben machen. Der Oberstaatsanwalt hat das Verfahren eingestellt, weil sich kein hinreichender Verdacht einer strafbaren Handlung ergeben habe.
Dieser Fall, der nach den getroffenen Feststellungen mit einem Fememord nichts zu tun hat,
entgegen den Zeitungsberichten nicht zu Beginn dieses Jahres, auch nicht in Waldmichelbach geschehen ist und den Technischen Dienst des beschuldigten Täters überhaupt nicht betrifft, muß bei der Nachrichtenbeschaffung mit anderen Gerüchten unkontrollierbarer Art vermengt worden sein. Die Tatsache, daß ein Teil der Mitteilungen offensichtlich auf den oben erwähnten CDU-Abgeordneten und einen höheren Offizier der deutschen Wehrmacht zurückgeht und daß eine im Steinbruch gefundene Leiche eine Rolle spielt, spricht für den Zusammenhang mit den Zeitungsnachrichten. Jedenfalls kann, da der „Spiegel" eine Aufklärung bis jetzt unterlassen hat, eine andere Erklärung nicht gegeben werden.
Wenn eine Presse in einem solch wichtigen Falle wie dem vorliegenden unkontrollierte Gerüchte sensationellsten Inhalts in ihre Spalten aufnimmt und ihnen den Anschein gewissenhaft überprüfter Nachrichten gibt, so ist dies schärfstens zu verurteilen.
Es zeugt mehr von hemmungsloser Kombinationsgabe ihrer Berichterstatter als von Kritik und Verantwortungsgefühl. Wir haben erfahren, daß die veröffentlichten Sensationsnachrichten in der Ostpresse bereits mit Genugtuung aufgenommen worden sind und zu einer noch nicht übersehbaren Gefährdung der Interessen der Bundesrepublik geführt haben.
Es geht nicht an, daß die Sensationslust oder der Erwerbstrieb in solcher Weise über das Staatsinteresse gesetzt werden.
Unverantwortlich ist auch die in der Presse erschienen Nachricht, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz den Fememord gekannt, aber seine Weitermeldung nicht nur unterlassen, sondern sogar geflissentlich verhindert, also gegen fundamentale Pflichten verstoßen habe.
Diese Nachricht ist völlig aus der Luft gegriffen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat einen Mord der behaupteten Art früher ebensowenig gekannt," wie es heute von einem solchen weiß. Der Fall des im Steinbruch aufgefundenen Toten war ihm infolge der unpolitischen Bedeutung der Sache verständlicherweise nicht zur Kenntnis gebracht worden. Unerfindlich ist auch, wie die Presse zu der Mitteilung kommt, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz dem angeblichen Gewährsmann, dem CDU-Abgeordneten, bedeutet habe,
die eingeleiteten Untersuchungen seien auf Weisung der Amerikaner wegen der Exterritorialität des Tatortes abgebrochen worden. Ich brauche nicht näher darauf einzugehen, daß diese Zeitungsbehauptung schon deshalb keinen Glauben verdient, weil eine Exterritorialität des Tatorts die Untersuchung des Falles durch deutsche Behörden nicht gehindert haben würde.
Ich muß mich nochmals mit den Fragen BdJ und Technischer Dienst befassen. Dabei ist es, wie ich schon eingangs betont habe, notwendig, zwischen BdJ und dem Technischen Dienst scharf zu trennen.
Ob und welche Zusammenhänge zwischen beiden Einrichtungen bestehen, ist zur Zeit Gegenstand der Untersuchung.
Fest steht zur Zeit, daß Herr Peters, der Leiter des Technischen Dienstes, früher Vorstandsmitglied des BdJ gewesen ist, aus dem er vor längerer Zeit ausgeschieden ist. Ich weiß auch noch nicht, wie einzelne hier in Frage kommende Persönlichkeiten des BdJ wirklich zu bewerten sind. Eines aber muß ich hier doch sagen.
Es scheint mir doch weit über das vertretbare Maß hinauszugehen, wenn der Technische Dienst schlechthin mit dem BdJ identifiziert und damit die ganze antikommunistische
Aufklärungsarbeit des BdJ
in Grund und Boden verurteilt wird.
Ich erinnere nochmals an die Feststellung des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz.
Wenn die Bundesregierung sich seinerzeit entschlossen hat, der Öffentlichkeit eine Liste derjenigen Organisationen bekanntzugeben, deren Tätigkeit sich nach ihrer Auffassung gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes richtet, so hat sie damit zugleich an die Unterstützung aller verantwortungsbewuß-
ten, auf dem Boden unserer Demokratie stehenden Deutschen appelliert,
und wenn der Herr hessische Innenminister noch in den letzten Tagen seinen Dienststellen eine Liste von 82 kommunistischen Tarnorganisationen allein im Lande Hessen mitgeteilt hat — wir kennen im Bundesgebiet etwa 200 solcher Tarnorganisationen —, so ist das ein Beweis dafür, welcher ungeheuren Gefahr der Bestand unserer jungen Bundesrepublik durch den Weltkommunismus ausgesetzt ist.
In solcher Situation sollten wir uns der Mitarbeit
aller bedienen, die sich rückhaltlos in den Dienst
der Bekämpfung totalitärer Bestrebungen stellen.