Rede von
Herbert
Kriedemann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, noch einmal dazu das Wort zu nehmen. Herr Kollege Müller , ich war einigermaßen erstaunt über die Begründung, die ich eben von Ihnen gehört habe. Bisher hat man uns immer gesagt, daß es für die Molkereien geradezu tödlich wäre, wenn man in jedem Augenblick da weggehen könnte. Ich sehe wenigstens einige Mitglieder des Ernährungsausschusses
mit einem gewissen verständnisinnigen Lächeln auf den Lippen hier sitzen. Es war ja gerade das stärkste Argument für die Zuständigkeit der Verwaltung, daß niemand in den Molkereien investieren könne und daß keine Molkerei sich auf Lieferverträge einlassen könne, wenn jeden Tag irgendeiner ihrer Anlieferer oder Abnehmer abspringen kann. Ich fürchte, Herr Kollege Müller, daß Sie auch hier eine scheinbar sehr radikale Formulierung einbrachten, mit der Sie hoffen, die Leute überzeugen zu können; aber Sie sollten auch mit der gleichen Deutlichkeit darauf hinweisen, daß nur derjenige jeden Tag ausscheiden kann, dem die Verwaltung das gestattet. Denn es heißt ja, daß dem Antrag eben nur dann stattgegeben werden kann, wenn es im Interesse der Allgemeinheit, eines oder mehrerer Beteiligter geboten erscheint, während wir hier ein ganz klares Recht
— mit der Begrenzung, und ich habe die Gründe für die Notwendigkeit der Begrenzung dargelegt
—, aber doch ein ganz klares Recht auf die Durchsetzung eines persönlichen Wunsches, eines persönlichen Willens hier einräumen wollen.
Wir wissen, wie es immer mit den Ermessensentscheiden ist, und wir sollten uns auch überlegen, ob wir der Verwaltung hier zumutbare Entscheidungen in die Schuhe schieben. Wie geht denn das in der Praxis? Da sind zwei, die haben sich entschlossen: Nun weg von der Molkerei!, weil sie ihnen weniger bietet als eine andere Molkerei. Dann muß die Verwaltung darüber entscheiden, ob das im Interesse der Allgemeinheit ist. Daß es im Interesse der beiden ist, kann gar nicht bestritten werden, denn sie können einfach nachweisen: dahin haben wir denselben Aufwand an Transport usw. und kriegen einen Pfennig mehr. Führt nun die Molkerei an: Glaubt ihr denn, daß in meinem müden Laden die Situation derjenigen, die bei mir bleiben, dadurch besser wird, daß noch zwei weggehen?, so muß man die Interessen der Allgemeinheit berücksichtigen, und dann wird man halt gar nichts tun.
Auf diesem Gebiet ist vieles sehr eingefahren, und man arbeitet in erster Linie zu Lasten der Erzeuger mit unrentablen Methoden. Bitte, komme jetzt keiner her und sage: Wir haben ausgezeichnete Molkereien; das Gegenteil habe ich nicht behauptet; aber daß wir auch Molkereien haben, die wir besser nicht hätten, kann auf der anderen Seite ebenfalls nicht bestritten werden. Wenn wir mit Ernst herangehen und einen Prozeß in Bewegung setzen wollen, der mit marktkonformen Mitteln eine Ausscheidung der Untüchtigen und eine bewußte Bevorzugung der Leistungsfähigen will, dann geht es nicht auf dem Wege über die Verwaltung, ihre Ermessensentscheidungen und ihre Abwägungen, sondern es geht halt nur auf dem Wege, den wir Ihnen vorschlagen, nämlich durch eine klare Willenserklärung der unmittelbar Beteiligten, der Leute, um deren Geld es da geht. Ich sage noch einmal: in dem Rahmen, der im Interesse des Ganzen auch uns geboten erscheint. Meine zwei Jahre, Herr Kollege Müller, scheinen mir besser zu sein als Ihr Sofort, denn in den zwei Jahren passiert nämlich einiges.
Noch eine Bemerkung: Es dürfte doch niemand sagen: Man kann solche Auflockerungen überhaupt nicht machen, weil dann sofort alles durcheinanderläuft und das im Ernährungsausschuß oft zitierte Chaos eintreten würde. Wenn die jetzt behördlich festgelegten Lieferbeziehungen so sehr gegen den Willen der unmittelbar Beteiligten wären, daß
jeder von der ersten sich bietenden Gelegenheit, da auszubrechen, Gebrauch machen würde, dann müßten wir uns noch etwas ganz anderes überlegen. Denn so schlechte Zustände, Zustände, die so gegen den Willen der Beteiligten sind, könnte man ja wohl vom Gesetzgeber aus nicht sanktionieren.
Ich bin im übrigen der festen Überzeugung, daß nur ein verhältnismäßig geringer Wechsel von Erzeugern und Abnehmern bezüglich ihrer Molkerei in Gang kommen wird, denn in der Regel werden die Beziehungen in. Ordnung sein. Ich bin weiter davon überzeugt, daß der Druck, die Sorge, daß jemand abspringen könnte, die eine oder andere Molkerei ein bißchen mehr auf Trapp bringen würde; sie würde sich mehr um ihre Lieferanten und Kunden bemühen. Dann entfällt wieder ein Grund für soundso viel Leute, unzufrieden zu sein und einen Wechsel vornehmen zu wollen. Und was dann noch übrigbleibt an Unzufriedenen — denen ist doch offenbar auf eine andere Weise überhaupt nicht zu ihrem Recht zu verhelfen als dadurch, daß man ihnen eine andere Lieferbeziehung ohne weitere Ermessenserwägungen der Bürokratie möglich macht.