Meine sehr geehrten Herren und und Damen! Die vorliegenden Anträge der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD sowie der Abgeordneten Frau Hütter, Dr. Schäfer und Fraktion der FDP haben eines gemeinsam: sie wachsen heraus aus dem immer wachen Gedächtnis an unsere kriegsgefangenen Brüder und Schwestern, denen heute noch, über acht Jahre nach Beendigung des Krieges, in fremdem Gewahrsam außerhalb der deutschen Grenzen, ja sogar noch auf deutschem Boden die Freiheit wider göttliches und menschliches Recht vorenthalten wird. Ich darf hier in bewußter Unterstreichung der Überparteilichkeit des Anliegens das Wort des Herrn Bundespräsidenten D r. Heuss zitieren:
Die Verpflichtung geht tiefer. Sie ruht auf uns allen, gleichviel, welchen Platz wir ausfüllen. Der Glaube an die Heimat, der den Kriegsgefangenen in den Jahren der Qual oft die einzige Kraft zum Ausharren verlieh, darf nicht enttäuscht werden. Dieses Wissen um unsere Dankesschuld wachzuhalten, sei oberstes Gebot. Nur so werden wir vor denen bestehen, die heute noch, auf ihre Rückkehr harrend, für uns leiden.
Aus diesem Gedenken an unsere Kriegsgefangenen und Internierten wächst die innere Verpflichtung denjenigen gegenüber, die wir bei uns haben, gegenüber den Familien unserer Kriegsgefangenen und unseren Heimkehrern selbst. In diesem Sinne beantragt die Fraktion der CDU/CSU, in einem Ergänzungsgesetz zum Heimkehrergesetz die Lücken der bisherigen Gesetzgebung, die so schmerzlich von den Heimkehrern empfunden werden, zu schließen und damit erst die Bemühungen um die Heimgekehrten, die Verbesserungen, die als Rechtsanspruch gelten müssen, umfassend zu gestalten. Diese Forderung umschließt ebenso Existenzaufbauhilfe wie Sicherung des Arbeitsplatzes und zugleich auch die Sorge um Wohnraum und Hausrat.
Wir sind uns klar darüber, meine sehr geehrten Herren und Damen, daß es damit allein nicht getan ist, sondern daß es darauf ankommt, die besondere Situation des Zuspätgekommenen wahrzunehmen, d. h. den Heimkehrenden in allen Gesetzen, ja, praktisch gesehen in der gesamten Gesetzgebung Berücksichtigung widerfahren zu lassen. Dies bedeutet wohl Berücksichtigung im Beamtenrecht wie im Gesetz nach Art. 131, als auch genau so in der Sozialversicherung, im BVG und genau so im Arbeitsrecht, beim Kündigungsschutz.
Ich möchte das konkret an einem Beispiel sagen dürfen. Es geht nicht an, daß z. B. die Familien von Kriegsgefangenen die Invalidenrente nicht erhalten, während die Familie des Verschollenen und Vermißten in den Genuß der Invalidenrente kommt. Die Familie des Kriegsgefangenen ist finanziell genau so hilfsbedürftig, zumal sie für den kriegsgefangenen Vater mitzusorgen hat. Es ist nicht tragbar, daß die Familien des Kriegsgefangenen schlechter gestellt sind als die Familien des Vermißten, Verschollenen oder Gefallenen.
Eine Forderung sei jedoch schon in diesem Augenblick erhoben, nämlich die der dringend notwendigen Schaffung einer Zentralstelle für Heimkehrerbetreuung sowohl auf der Bundesebene als auch bei den Ländern, die mit der Durchführung der Verwaltungsaufgaben betraut sind.
Es gehört zum Wesen des Heimkehrergesetzes, daß es allumfassend und im rechtlichen Sinne außerordentlich komplex ist. Dadurch, daß der Anspruch des Heimkehrers in alle Rechts- und Verwaltungsgebiete eingreift, ist es notwendig, eine Koordinierung von Amtswegen zu schaffen und nicht, wie es heute geschieht, es dem Heimkehrer zu überlassen, ob er physisch und seelisch überhaupt in der Lage ist, sich sein Recht bei den verschiedensten Behördenstellen, die sich ja oft noch überschneiden, selbst zu erkämpfen.
Diesem derzeit untragbaren Zustand muß sobald als möglich ein Ende bereitet werden. Ich sehe darin eine der Hauptaufgaben des Zweiten Ergänzungsgesetzes zum Heimkehrergesetz. Ich darf hier die Bitte äußern, meine sehr geehrten Herren und Damen, den Antrag der CDU/CSU nicht sofort zu verabschieden, sondern ihn dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen zu überweisen. Es wird dann Aufgabe des Ausschusses sein, die Richtlinien für die Vorlage eines Zweiten Ergänzungsgesetzes der Bundesregierung bereits mit auf den Weg zu geben, um ähnlich, wie es mit gutem Erfolg bei der ersten Vorlage zum Heimkehrergesetz geschehen ist, in einmütiger Zusammenarbeit aller Fraktionen des Hohen Hauses zu einer Richtliniengebung an die Bundesregierung zu kommen. Ich darf der Bearbeitung im Ausschuß die Detailvorarbeiten überlassen und mich hier nur auf diese grundsätzlichen Ausführungen beschränken.
Auf eines sei noch kurz hingewiesen. Die CDU/ CSU hat in diesen Tagen eine Große Anfrage des Inhalts an die Bundesregierung gerichtet, das BVG an die erhöhten Lebenshaltungskosten anzupassen. Diese Anpassung setzt als erste Maßnahme die Abrundung und Vollendung der Ausweitung der Einkommensfreigrenzen voraus, die ja durch einen gemeinsamen Beschluß aller Fraktionen des Hohen Hauses bereits begonnen wurde. Hier geht es darum, die Einkommensfreigrenzen der Kinder der Beschädigten, zugleich aber auch der Kinder unserer Kriegerwitwen und damit der Frauen unserer Kriegsgefangenen auszuweiten, und zwar in einer Form, daß dadurch eine Anpassung an die übrigen Sozialgesetze der Bundesrepublik erfolgt. Die Ausweitung der Einkommensfreigrenzen bildet die Voraussetzung für weitere Maßnahmen, die dann mit dem beteiligten Personenkreis und mit den Fraktionen dieses Hohen Hauses besprochen werden müssen, um die bestmögliche Lösung zu gewährleisten.
Ich darf mich nunmehr dem Antrag der SPD Drucksache Nr. 3674 betreffend Entschädigung an ehemalige Kriegsgefangene und Zivilinternierte für in der Kriegsgefangenschaft geleistete Arbeit zuwenden. Mit diesem Antrag stimmt der fast gleichlautende Antrag der Abgeordneten Frau Hütter, Drucksache Nr. 3693, inhaltlich überein. Vorweg darf ich für mich und meine Freunde folgendes erklären. Wir wenden uns dagegen, die Arbeit unserer Kriegsgefangenen und Zivilinternierten als eine Reparationsleistung zu bezeichnen.
Würde das Hohe Haus diesem in dem Antrag der SPD festgelegten Begriff zustimmen, so hieße das auf den Boden des Potsdamer Vertrags treten. Ich darf für mich und meine Freunde erklären, daß wir in der von unseren Kriegsgefangenen und Zivilinternierten geleisteten Arbeit ein echtes deutsches Auslandsguthaben erblicken und niemals diese
wertvolle, mit unendlicher Aufopferung und unter schwersten körperlichen und seelischen Leiden und Erduldungen getane Arbeit nur als Reparationsleistung betrachten.
Diese oft unter unmenschlichen und menschenunwürdigsten Verhältnissen mit der äußersten Kraftanstrengung geleistete Arbeit ist in ihrem Werte so hoch und so wesentlich, daß wir überzeugt sind, daß diese Arbeit eine derartige Förderung des wirtschaftlichen Fortkommens und des Wohlstandes des betreffenden Landes bedeutet, daß wir die geleistete Arbeit als ein Auslandsguthaben des deutschen Volkes anerkannt wissen wollen. Wir ersuchen daher die Bundesregierung, bei allen künftigen Verhandlungen auf der internationalen Ebene, die auf die Frage der deutschen Auslandsguthaben Bezug haben, die Forderung auf Anerkennung der von unseren Kriegsgefangenen und Zivilinternierten geleisteten Arbeit als ein echtes deutsches Auslandsguthaben zu stellen. Es muß unser gemeinsames Anliegen sein, alle Stellen der Bundesregierung darauf zu verpflichten, jede Anstrengung zu unternehmen, um diesen zu Recht bestehenden Anspruch auf der internationalen Ebene durchzusetzen. Es wird gleichermaßen das Anliegen des ganzen deutschen Volkes sein, unseren Heimkehrern eine Realisierung dieses Rechtsanspruches zu gewährleisten.
Wir sind uns aber klar darüber, daß die Arbeit für Deutschland in jedem Augenblick ein Anliegen des ganzen deutschen Volkes, aller seiner Schicksals- und Berufsgruppen gewesen ist und weiterhin sein wird. Ich bin überzeugt, daß die vorliegenden Anträge der Fraktion der SPD und der Abgeordneten Frau Hütter nur so gemeint sein können,
daß sie allein aus der Sicht des gesamtdeutschen Sozialgefüges, in der liebevollen Einbeziehung des Heimkehrerschicksals in seiner Besonderheit in die schicksalsgeforderte Leistung aller übrigen verstanden werden müssen.
In dieser Aussprache, meine Damen und Herren, sei der großen Gemeinschaft der für Deutschland Leidenden und Opfernden gedacht. Es sei in diesem Augenblick aller gedacht, die in den Jahren 1945, 1946, 1947, ja, noch 1948 in den zerstörten deutschen Industriewerken und den sonstigen Wirtschaftsbetrieben, oft ohne Dach über dem Kopf den Unbilden der Witterung ausgesetzt, ohne die notwendige Kleidung zugleich frierend und der Hitze der Hochöfen ausgesetzt, etwa als Arbeiter unserer Hüttenwerke oder als Kumpels in den Bergwerken
dafür sorgten, daß die deutsche Wirtschaft wieder in Gang kam.
Es sei gleichfalls der Querschnittsgelähmten gedacht, die in dieser Zeit ohne jede Rente, ohne jede Möglichkeit des Tausches schutzlos dem Hunger preisgegeben waren und unter Umständen in Kellerlöchern auf Lumpen gebettet lagen. Es sei unserer Mütter gedacht, die vergeblich auf die Rückkehr ihrer Männer warteten, alle Schrecken des totalen Krieges erlitten
und trotzdem in diesen Nachkriegsjahren gearbeitet, trotzdem für die Gesamtheit und für ihre Familien gearbeitet und geduldet haben.
So wollen wir der Schicksalsgemeinschaft des ganzen deutschen Volkes gedenken, wenn wir den Antrag stellen, die vorliegenden Anträge Drucksachen Nrn. 3703, 3674, 3693 und 3694 dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen zu überweisen mit dem Ziele, eine Form zu finden und einen Weg zu erschließen, um dem Anspruch unserer Kriegsgefangenen und Heimkehrer aus der Gesamtschau der deutschen Schicksalsverbundenheit und des deutschen Sozialgefüges Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.