Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, der Ihnen zur Beratung vorliegt, entspringt einer Initiative der sozialdemokratischen Fraktion, die aus zwei Gründen erforderlich wurde. Wir haben seit Monaten gehört, daß im Wohnungsbauministerium ein Referentenentwurf zur Änderung des Ersten Wohnungsbaugesetzes in Arbeit sei, ohne daß ein Vorwärtskommen spürbar wurde. Der neue Wohnungsbauminister, Herr Neumayer, hat bei den Reden, die er in der letzten Zeit gehalten hat, auf diese Arbeit seines Ministeriums hingewiesen. Uns ist bekannt, daß noch heute morgen in seinem Ministerium eine Besprechung über den Referentenentwurf stattgefunden hat.
Es sind gewisse Schwierigkeiten hinsichtlich dieses Entwurfs aufgetreten. Eine der größten Schwierigkeiten scheint offenbar auf dem Gebiet zu bestehen, das uns beim Sozialen Wohnungsbau von jeher immer wieder die größten Schwierigkeiten gemacht hat, ich meine die Frage der Sicherstellung der Finanzmittel. Was wir in dieser Richtung über das, was der Referentenentwurf des Wohnungsbauministeriums beabsichtigt, gehört haben, klingt nicht sehr trostreich und entspricht nicht den Notwendigkeiten, die wir doch wohl alle als gegeben ansehen. Denn wir haben nie eine Stimme in diesem Hause gehört, die nicht mit Nachdruck immer wieder darauf hingewiesen hätte, wie notwendig die Förderung des Sozialen Wohnungsbaues ist.
Noch ein zweiter Gesichtspunkt hat uns zu unserer Initiative veranlaßt. Das ist die Tatsache, daß trotz aller statistischen Versuche, nachzuweisen, daß der Soziale Wohnungsbau gesichert sei, die Praxis ein anderes Bild ergibt. Es kann nicht bestritten werden, daß eine erhebliche Gefährdung des Sozialen Wohnungsbaues in absehbarer Zeit erwartet werden muß, wenn nicht besondere Maßnahmen getroffen werden.
Wir wollen auch die Gelegenheit dieser Aussprache nicht vorübergehen lassen, ohne mit Dankbarkeit festzustellen, daß wir im Wiederaufbauausschuß dieses Bundestages — von wenigen Einzelfragen abgesehen — immer wieder zu gemeinsamen Arbeitsergebnissen gekommen sind. Wir hegen die Hoffnung, daß diese wohltuende Praxis auch in Zukunft bleiben wird. Wir glauben, daß unser Gesetzentwurf, der der Sicherung und zugleich der Aktivierung des Sozialen Wohnungsbaus dienen soll, eine Grundlage für die weiteren Beratungen bildet, die ebenso harmonisch verlaufen sollten und verlaufen können, wie dies der Fall war, als das Erste Wohnungsbaugesetz verabschiedet wurde, ein Gesetz, von dem Sie alle wissen, in welch starkem Maße auch hier eine Initiative meiner Fraktion entfaltet worden ist, ein Gesetz, das selbst und in seiner Praxis auf Namen Bezug nehmen läßt von Menschen, die nicht mehr unter uns weilen. Ich meine Eberhard W i l de r m u t h, den ersten Wohnungsbauminister des Bundes, und unseren Kollegen Erich K l a b u n de, die sich theoretisch und praktisch um dieses Gesetz und seine Verwirklichung bemüht haben.
Meine Damen und Herren, ich wies darauf hin, daß wir über das nicht befriedigt sind, was sich bisher hinsichtlich der Absichten des Wohnungsbauministeriums in bezug auf die Änderung des Ersten Wohnungsbaugesetzes erkennen ließ. Wer sich mit den Wohnungsbaufragen beschäftigt hat, weiß, wie notwendig die Ergänzung dieses Gesetzes ist. Wir haben uns bemüht, eine Reihe von Fragen durch unseren Gesetzentwurf anzusprechen und einer Regelung zuzuführen, die ihre Notwendigkeit aus der Praxis jeden Tag bestätigt erhält. Wir mischten in erster Linie das ständige Ringen und Raufen mit dem Finanzminister wegen der Förderungsmittel verhindert wissen. Es ist eine unmögliche Situation, daß wir von Jahr zu Jahr wegen dieser Förderungsmittel Sitzung über Sitzung abhalten, ohne daß wir greifbare Ergebnisse erzielen, oder daß oft erst im Spätwinter die Finanzierung sichergestellt ist, wenn dies überhaupt der Fall ist, so daß wir mit dem Baubeginn immer wieder Verzögerungen mit in Kauf nehmen müssen, die unerträglich sind. Niemand bestreitet, daß der Wohnungsbau noch über Jahre hinaus die Aufgabe Nr. 1 bleibt. Aber das auszusprechen genügt nicht. Die Praxis erfordert eine Verbesserung mancher Möglichkeiten und mancher gesetzlicher Regelungen, mit denen wir es bisher zu tun hatten. Hier will der sozialdemokratische Gesetzentwurf eine Lücke schließen. Auch er verzichtet bewußt auf ein umfassendes Zweites Wohnungsbaugesetz, er enthält jedoch eine Reihe wesentlicher Ergänzungen des Ersten Wohnungsbaugesetzes, das sich bekanntlich im allgemeinen bewährt hat.
Was will der Gesetzentwurf? Sein Hauptanliegen — ich wies schon darauf hin — ist die Sicherung des mindestens finanziell bedrohten Sozialen Wohnungsbaus, darüber hinaus jedoch -- auch das durfte ich bereits aussprechen— seine Aktivierung. Er sucht dieses Ziel auf folgende Weise zu erreichen: Ersten: durch ein gesetzlich festgelegtes Jahresprogramm für den Bau von 400 000 Wohnungen des eigentlichen Sozialen Wohnungsbaus, und hierbei soll keine Anrechnung von Sonderprogrammen oder von Überhängen erfolgen, die bisher immer wieder ermöglichten, mit statistischem Material zu operieren, das einer Nachprüfung nicht immer standgehalten hat. Wir versuchen zweitens eine auf drei Jahre im voraus gesicherte Etatisierung festlegen zu lassen, und zwar gehen wir von einer Summe in einer Größenordnung von jährlich 1,6 Milliarden aus. Auf diesen Betrag soll keine Anrechnung von Sonderprogrammen, Sondermitteln also, erfolgen. Wir haben drittens in unserem Entwurf statuiert, daß die Verwaltung der Bundes-wohnungsbaumittel durch das Wohnungsbauministerium erfolgen soll. Wir haben konkrete Kapitalanlagevorschriften vorgesehen. Wir haben die Ermächtigung des Wohnungsbauministers, auf die Länder einzuwirken, verstärkt. Wenn kein Einvernehmen mit den. Ländern erzielt werden kann, soll dem Wohnungsbauminister eine gewisse Befugnis eingeräumt werden, von sich aus die Mittel zu steuern. Wir haben, um einen weiteren Punkt zu nennen, die Darlehnsförderung von Werkswohnungen ausgeschlossen, außer wenn diese in das Eigentum der Bewohner übergehen. Überhaupt haben wir uns bemüht, dieser Frage eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Wir haben die Förderung des Figenheims, der Kleinsiedlungen und anderer Einrichtungen, die zum Eigentum führen, als zu bevorzugen bezeichnet, und wir sind ernsten Willens, in dieser Richtung hin noch zu konkreten Beschlüssen zu kommen. Sie werden bei der Ausschußarbeit unsere diesbezügliche Bereitschaft feststellen können.
Es ist doch so, daß unsere Einstellung zum Eigentum nicht dem entspricht, was uns oft in der Propaganda entgegengehalten wird. Ich darf mich auf das Wort eines Mannes berufen, der kürzlich in diesem Hause an seiner Totenbahre geehrt wurde und der zur Frage der Siedlung und des Kleineigentums ein wesentliches Wort gesprochen hat, das man anerkennen sollte und dem zu folgen wir als ein Vermächtnis betrachten. Dr. Kurt Schumacher war es, der folgendes sagte:
Im Streben von Millionen arbeitenden Menschen nach dem eigenen Haus und dem eigenen Stück Grund und Boden drückt sich ein kultureller Wille aus, der alle diejenigen Lügen straft, die behaupten, daß die Forderungen der modernen Arbeiterbewegung nur aus materialistischen Motiven stammen. So wie die SPD den Kollektivismus in jeder Form ablehnt, so begrüßt sie alle Anstrengungen zur menschenwürdigen Lebensgestaltung. Sie sieht in jeder Siedlerstelle ein Stück vom Willen zur persönlichen Freiheit und wirtschaftlichen Unabhängigkeit und wird deshalb die Siedlung immer nach Kräften fördern.
Meine Damen und Herren, das sind Sätze, denen wir in unserem Initiativgesetzentwurf an einer Reihe von Stellen Rechnung getragen haben, vielleicht noch nicht in einer Form, die letztlich gültig ist. Aber ich deutete unsere Bereitschaft an, mit Ihnen gemeinsam hier nach Lösungen zu suchen.
Ich darf mich, da mir nur noch wenig Zeit zur Einbringung zur Verfügung steht, auf ein paar abschließende Stichworte beschränken und mir vorbehalten, wenn es nötig ist, in der allgemeinen
Aussprache noch auf einige Punkte, die dieser Gesetzentwurf zu regeln versucht, zurückzukommen.
Wir haben die Heraufsetzung der Mindestgröße, die bisher 32 qm im Sozialen Wohnungsbau betrug, auf 40 qm vorgesehen, und wir haben eine Reihe, wie wir glauben, wichtiger und ausreichender Bestimmungen für die Mindestausstattungen vorgesehen. Wir haben die bundesrechtliche Festlegung der Mindesteigenleistungen und ein System von Bewilligungsvorbescheiden vorgeschlagen; schließlich auch die Vereinheitlichung der Förderungsrichtlinien.
Ich darf hierzu bemerken, daß hier nur ein Punkt berührt wird, der auch zwangsläufig andere Fragen auslöst. Es geht uns darum, daß der Wust von Behördenformularen abgebaut wird, daß eine Vereinfachung auch des Bewilligungsverfahrens stattfindet. Ich bin so loyal, Herr Kollege Lücke, darauf hinzuweisen, daß S i e es waren, der vor kurzem anläßlich einer Tagung des Volksheimstättenwerks die bemerkenswerte Feststellung traf, daß z. B. für das Antragsverfahren des Eigenheimbauwilligen Formulare von insgesamt 132 m Länge und einem Papiergewicht von 2,5 kg ausgefüllt werden müssen.
Hier eröffnet sich ein dankbares Betätigungsfeld für die Verwaltungsvereinfachung unter dem Stichwort: Kein Aufbau in Papier! Denn jedes Formular weniger bedeutet einen Vertrauensgewinn für die Behörden und letztlich auch für die Demokratie.
Mit unserem Gesetzentwurf werden eine Reihe von Fragen aufgeworfen, die im Augenblick darzustellen ich infolge der Zeitnot nicht in der Lage bin. Betrachten Sie diesen Entwurf als den Versuch, auf einem der wichtigsten Gebiete — auch einer Art des Verteidigungsbeitrags! — zu einer Leistung, zu einer Sicherung des Lebensstandards zu kommen, die nicht wichtig genug genommen werden kann. Wir werden uns vorbehalten, auf Einzelheiten zurückzukommen. Wir sprechen die Hoffnung aus, daß Sie im Prinzip mit unseren Vorschlägen einverstanden sind und diesen Entwurf mit dazu zu verwenden versuchen, die erforderlichen Änderungen des Wohnungsbaugesetzes beschleunigt herbeizuführen. Wir werden den Antrag stellen — und ich bitte Sie, ihm zuzustimmen —, diesen Entwurf federführend dem Wiederaufbauausschuß und wegen der finanziellen Bestimmungen mitberatend dem Haushaltsausschuß zu überweisen.