Rede von
Dr.
Robert
Lehr
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage der Beihilfen für die Hilfsbedürftigen, die uns in den letzten Jahren im Herbst hier beschäftigt hat, ist zweierlei Art. Einmal handelt es sich um Winterbeihilfen, zum anderen handelt es sich um Weihnachtsbeihilfen. Bei beiden Beihilfen ist der Bund nur Verrechnungsstelle gegenüber den Ländern. Das entspricht dem Überleitungsgesetz. Die Winterbeihilfen sind Pflichtleistungen der öffentlichen Fürsorge, also der Fürsorgeverbände, die regelmäßig der Winterbevorratung an Kartoffeln und Kohlen durch die Hilfsbedürftigen dienen sollen. Die verausgabten Beträge werden bezüglich der Personen, die zum Kreis der Kriegsfolgenhilfeempfänger gehören, vom Bund erstattet, und zwar in Höhe von 85 °/o; aber die Höhe der Beihilfen bestimmt nicht der Bund, sondern der Fürsorgeverband, gegebenenfalls im Rahmen von Richtlinien, die vom Land erlassen werden. Ich möchte das mit Rücksicht auf die Ausführungen meiner Frau Vorrednerin klarstellen.
Damit die Länder den gesamten Bedarf der Hilfsbedürftigen wegen der Notwendigkeit der Einkellerung rechtzeitig bereitstellen, habe ich, wie auch von der Frau Vorrednerin erwähnt wurde, rechtzeitig, am 16. August, die Länder in einem Schreiben in Kenntnis gesetzt, daß der Bund die Winterbeihilfen wie im Vorjahr anteilig, also zu 85 °/o, übernehmen wird. Dabei ist erneut die Regelung aufgenommen worden, daß der Bund die Verrechnungsfähigkeit der Beihilfen nicht nur bei denjenigen anerkennt, die kein höheres Einkommen als den Fürsorgerichtsatz einschließlich der Teuerungszuschläge und der Mietbeihilfen haben, sondern als Richtsatz kann vielmehr der maßgebliche Richtsatz zuzüglich einer Erhöhung von 10 % zugrunde gelegt werden. Das bedeutet praktisch eine wesentliche Ausweitung des Personenkreises, dem verrechnungsfähige Winterbeihilfen gegeben werden können. Dieser Kreis umfaßt nicht nur die Empfänger von laufenden Fürsorgeunterstützungen, er umfaßt auch die Rentenempfänger, die Empfänger von Unterhaltsbeihilfen, die Empfänger von Arbeitslosenunterstützung und Arbeitslosenfürsorgeunterstützung und endlich alle Personen mit geringem eigenem Einkommen, sofern eben die Einnahmen die angegebene Höhe nicht überschreiten. Gerade die gleichmäßige Behandlung aller Bedürftigen, die allein dem Gesetz, der Fürsorgepflichtverordnung und den Reichsgrundsätzen der öffentlichen Fürsorge entspricht, schließt die berechtigte Berufung einzelner Personenkreise aus. Soviel zu dem ersten Kreis, der Pflichtleistung der Winterbeihilfe.
Bei den Weihnachtsbeihilfen liegt der Fall anders. Die Weihnachtsbeihilfe ist eine zusätzliche und freiwillige Leistung zur Pflichtleistung der Unterstützung, also auch eine zusätzliche Leistung zur Winterbeihilfe. Im Vorjahr wurde als Regelbetrag eine Beihilfe von 20 DM für den Alleinstehenden und 5 DM für den Angehörigen als verrechnungsfähiger Beitrag gegenüber dem Bund von uns anerkannt. Für die Gewährung der Beihilfe ist entscheidend, daß die Einnahmen des Bedürftigen, gleichgültig, woraus sie immer fließen mögen, den um rund 10 v. H. erhöhten maßgeblichen Fürsorgerichtsatz zusätzlich Teuerungszuschlag und zusätzlich Mietbeihilfe nicht übersteigen. Nur für die Empfänger von Arbeitslosenfürsorgeunterstützung war eine Sonderregelung getroffen. Bei ihnen haben wir einen Satz von 25 DM für den Alleinstehenden und von 10 DM zusätzlich für den zuschlagsberechtigten Angehörigen beschlossen. Sofern er Kriegsfolgenhilfeempfänger war, ist dieser Betrag vom Bund anerkannt, wobei allerdings der Mehrbetrag gegenüber dem Regelsatz der Beihilfe, also hier von 5 DM, im Falle der Gewährung einer Winterbeihilfe auf diese Winterbeihilfe angerechnet werden muß.
Meine Damen und Herren, über diese Regelung können wir vom Bunde aus auch im Jahre 1952 nicht hinausgehen. Einmal hat uns die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung im Benehmen mit dem Bundesarbeitsministerium wissen lassen, daß eine Gewährung von Weihnachtsbeihilfen aus ihren Mitteln an Empfänger der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung allein nicht in Betracht kommt. Auf Mittel der Bundesanstalt kann also nicht zurückgegriffen werden. Sodann hat sich die Zugrundelegung eines um 10 v. H. erhöhten Richtsatzes bei der Feststellung, ob die Voraussetzung für die Gewährung einer verrechnungsfähigen Weihnachtsbeihilfe gegeben ist — und diese Regelung wird auch 1952 gelten —, schon im Vorjahr dahin ausgewirkt, daß sich im Bereich der öffentlichen Fürsorge der Kreis der Empfänger von Weihnachtsbeihilfe über die Zahl der Empfänger von Fürsorgeunterstützung um rund 60 v. H. geweitet hat. Schließlich läßt auch die finanzielle Lage des Bundes höhere Aufwendungen nicht zu.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß es sich bei dem ganzen Problem nicht nur um eine Frage der Bundesfinanzen handelt — der Bund ist ja, wie ich schon betont habe, nur bei Kriegsfolgenhilfeempfängern mit 85 v. H. beteiligt —; es ist sehr stark eine Frage der Länder- und Gemeindefinanzen. Die Entscheidung über das, was an Weihnachtsbeihilfen zu zahlen ist, liegt primär nicht beim Bund, sondern bei den Ländern und Gemeinden. Der Bund legt nur fest, in welcher Höhe er zur Verrechnung bereit ist — das sind die
85 %—, und die Länder haben nicht nur ihre 15 v. H. aufzubringen, sondern bei dem Teil der Bevölkerung, der nicht zu den Kriegsfolgenhilfeempfängern gehört, müßten die Länder und Gemeinden alles aus eigenen Mitteln zahlen.
Wir müssen uns deshalb seitens der Bundesregierung gegen die Berechtigung eines Vorwurfs der Länder dahingehend schützen, daß der Bund, wenn er bei den Kriegsfolgenhilfeempfängern die Bereitwilligkeit zur Verrechnung gegenüber dem Vorjahr erhöhter Sätze erklären würde, damit die Länder und Gemeinden in eine Zwangslage versetzt, nicht nur höhere Interessenquoten zu zahlen, sondern auch höhere Summen für die Nichtkriegsfolgenhilfeempfänger, für die die Länder und Gemeinden die Beihilfebeträge in vollem Umfange aus eigenen Mitteln zu zahlen verpflichtet sind. Man könnte also sagen, daß wir von der Bundesseite her den Ländern und Gemeinden Lasten auferlegen, die zu tragen sie vielleicht gar nicht in der Lage sind.
Die Auszahlung der Weihnachtsbeihilfen an die Empfänger von Arbeitslosenfürsorgeunterstützung wird zur Verfahrensvereinfachung in diesem Jahre durch die Arbeitsämter vorgenommen; die Bundesanstalt hat sich ausdrücklich dazu bereit erklärt. Dabei wird auch — wie im Vorjahr — keine ins einzelne gehende Nachprüfung der Hilfsbedürftigkeit vorgenommen, sondern bei dem einzelnen Empfänger wird lediglich festgestellt, ob der für ihn geltende, um 10 v. H. erhöhte Fürsorgerichtsatz einschließlich Teuerungszuschlag und Mietbeihilfe nicht überschrittten wird, und auf Grund dieser Bestimmung kann die Weihnachtsbeihilfe an den Empfängerkreis der Arbeitslosenfürsorge ausgezahlt werden. Schon im Vorjahre konnte sie ohne nennenswerte Schwierigkeiten von den Arbeitsämtern ausgezahlt werden.
Meine Damen und Herren! Diese ganze komplizierte Materie ist mit dem beteiligten Personenkreis in den einzelnen Ressorts — von meinem Ministerium, vom Finanzministerium, vom Arbeitsministerium — in den letzten Monaten eingehend geprüft und beraten worden. Alle beteiligten Stellen waren rechtzeitig unterrichtet, und nach dem vor kurzem erfolgten Abschluß der Verhandlungen sind auch die Länder sofort unterrichtet worden, so daß die von mir hier ausführlich dargelegten Regeln für diese beiden Unterstützungsarten auch für dieses Jahr wirksam bleiben werden.
Ich bitte das Hohe Haus, sich dieser Regelung anzuschließen.