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    Deutscher Bundestag — 232. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. Oktober 1952 10605 232. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 2. Oktober 1952 Geschäftliche Mitteilungen 10606C, 10616D, 10665D Erweiterung der Tagesordnung 10606D Kleine Anfrage Nr. 293 der Fraktion der SPD betr. Bezüge von Aufsichtsräten (Nrn. 3683, 3720 der Drucksachen) . . . 10606D Achter Bericht des Bundesministers für Arbeit über die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (Nr. 3721 der Drucksachen) 10606D Erste Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Art. 102 des Grundgesetzes (Nr. 3679 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des von den Abg. Dr. Etzel (Bamberg), Dr. Horlacher u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Art. 102 des Grundgesetzes (Nr. 3702 der Drucksachen) . . 10606D Ewers (DP), Antragsteller . 10607A, 10625D Dr. Etzel (Bamberg) (FU), Antragsteller 10609C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 10610B Dr. Weber (Koblenz) (CDU) . . . 10616D Frau Meyer-Laule (SPD) 10618C Wagner (SPD) 10619D, 10625D Dr. Schneider (FDP) 10622A Fisch (KPD) 10623C Dr. Meitinger (FU) 10624D Abstimmungen über Anträge auf Ausschußüberweisung 10628B Zweite und dritte Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, FU betr. den Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes über den Kapitalverkehr (Nr. 3714 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (12. Ausschuß) (Nr. 3722 der Drucksachen) 10606D, 10628C Scharnberg (CDU), Berichterstatter 10628D Beschlußfassung 10628D Termin der nächsten Fragestunde 10629A, 10665D Erste Beratung des Entwurfs einer Bundesrechtsanwaltsordnung (Nr. 3650 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Hessischen Gesetzes zur Einführung der Rechtsanwaltsordnung (Nr. 3667 der Drucksachen) 10629A Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 10629A, 10630D, 10634D Wagner (SPD) 10631A Dr. Schneider (FDP) 10632B Dr. Weber (Koblenz) (CDU) . . . 10633A Ausschußüberweisung 10636A Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Verkauf des ehem. Wehrmacht-Pferdelazaretts in Nürnberg, Wallensteinstr. 117, an den Bayerischen Rundfunk, München (Nr. 3690 der Druck sachen) 10636A Ausschußüberweisung 10636B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Winterbeihilfe (Nr. 3672 der Drucksachen) 10636B Frau Korspeter (SPD), Antragstellerin 10636B Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 10637A, 10640A Willenberg (FU) 10638B Arndgen (CDU) 10638C Kohl (Stuttgart) (KPD) 10638D Freidhof (SDP) 10639C Ausschußüberweisungen 10640C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ersten Wohnungbaugesetzes (Nr. 3676 der Druck sachen) 10640C Jacobi (SPD), Antragsteller 10640D, 10648D Neumayer, Bundesminister für Wohnungsbau 10642B Parzinger (FU) 10643D Paul (Düsseldorf) (KPD) 10644D Lücke (CDU) 10645C Wirths (FDP) 10647D Kalbfell (SPD) 10649D Ausschußüberweisungen 10650D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) über die Interpellation der Fraktion der SPD betr. Devisenkontrolle (Nrn. 3684, 2180 der Druck sachen) 10650D Dr. Serres (CDU), Berichterstatter 10651A Beschlußfassung 10651D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Notenwechsel zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kuba vom 7. September 1951 betr. die vorläufige Regelung der Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern (Nr. 3283 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) (Nr. 3685 der Drucksachen) 10652A Lange (SPD), Berichterstatter . . 10652A Abstimmungen 10652B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (24. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Paßgebühren (Nrn. 3635, 3185 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abg. Morgenthaler, Leonhard u. Gen. betr. Paßgebühren (Nr. 3695 der Drucksachen; Anderungsantrag Umdruck Nr. 661 [neu]) 10652C Feldmann (CDU): als Berichterstatter 10652C als Abgeordneter 10655C Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 10653D, 10655B Morgenthaler (CDU), Antragsteller 10654A Jacobi (SPD) 10654C Abstimmungen 10656A Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Ausübung der Krankenpflege (Nr. 3687 der Drucksachen) 10656A Frau Kalinke (DP), Antragstellerin 10656A Frau Dr. Steinbiß (CDU) 10657C Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 10658C Frau Dr. Hubert (SPD) 10659A Frau Dr. Mulert (FDP) 10660B Frau Strohbach (KPD) 10661A Frau Arnold (FU) 10661C Beschlußfassung 10662A Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Hilfe für die sittlich gefährdete Jugend in den Räumen Baumholder, Kaiserslautern, Bitburg und Worms (Nr. 3691 der Drucksachen) . . 10662B Frau Dietz (CDU), Antragstellerin . 106623 Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 10662D Frau Dr. Ilk (FDP) 10663C Frau Nadig (SPD) 10663D Frau Thiele (KPD) 10664C Ausschußüberweisung 10665C Nächste Sitzung 10665D Die Sitzung wird um 13 Uhr 33 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Karl Weber


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße es, daß die erste Lesung dieses Gesetzentwurfs der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Magna Charta für die Anwaltschaft nicht so sang- und klanglos erfolgt, daß sie dadurch abgeschlossen wird, daß sie unter Bezugnahme auf die schriftliche Begründung einfach an den Ausschuß überwiesen wird. Dafür scheint mir die Sache an sich zu bedeutungsvoll.
    Herr Kollege Schneider hat zum Schluß bereits hervorgehoben, es könnte sonst auch den Anschein gewinnen, als ob man mit all dem, was in dem Entwurf enthalten ist, grundsätzlich einverstanden wäre. Dieser Eindruck würde durchaus falsch sein. Es kann natürlich nicht meine Aufgabe als Volksvertreter sein, hier die Interessen eines einzelnen Standes nur unter dem Blickwinkel dieses Standes zu würdigen und zu betrachten, sondern ich habe neben den Interessen des Standes auch die Interessen der Allgemeinheit zu berücksichtigen. Wenn ich mir aber diesen Entwurf betrachte, dann muß ich schon sagen, daß er in den Kreisen der Beteiligten tiefe Enttäuschung, wie sie auch Herr Kollege Wagner bereits zum Ausdruck gebracht hat, ja man darf sagen, zum Teil Empörung hervorgerufen hat. Herr Minister, ich frage Sie, wo ist der Fortschritt gegenüber 1878 zu finden, in welchem Punkt, in welcher einzigen Bestimmung? Vielleicht, daß wir die Bundesrechtsanwaltskammer bekommen sollen, aber nicht etwa mit erweiterten Rechten. Das haben wir auch schon bisher im Wege des freiwilligen Zusammenschlusses ohne gesetzliche Regelung im großen und ganzen erreichen können in der Arbeitsgemeinschaft der Anwaltskammervorstände im Bundesgebiet. Aber ich suche sonst vergeblich nach Fortschritten. Wo ich hinsehe, sind nur Rückschritte, Verschmälerungen von Rechten, Beschneidung von Rechten der Selbstverwaltung zu bemerken.

    (Abg. Dr. Greve: Sehr richtig!)

    Deshalb wird eingehend zu prüfen sein, wie dieser Entwurf Gesetz werden soll. Das wird nur mit erheblichen Änderungen möglich sein.
    Ihr Ministerium scheint mir selbst nicht allzuviel Vertrauen zu haben, daß dieses Gesetz bald über die Bühne gehen wird. Ich möchte das Hohe Haus auf die Begründung der Drucksache Nr. 3667, die ja ebenfalls zur Verhandlung steht, hinweisen, wo am Schluß gesagt wird:
    Eine Fristverlängerung
    — für eine Bestimmung der hessischen Rechtsanwaltsordnung —
    vor drei Jahren, das heißt bis zum 31. Dezember 1255, dürfte ausreichend sein. Die Verlängerung um ein oder zwei Jahre erscheint zu knapp, weil nicht zu übersehen ist, ob bis dahin die Bundesrechtsanwaltsordnung in Kraft getreten ist.
    Also man nimmt schon an, daß möglicherweise
    dieser Bundestag das Gesetz nicht mehr verabschieden wird. Ich muß auch sagen, wenn es so bliebe, wie es jetzt ist, dann wäre es sogar gut, daß die bisherigen Ordnungen, die weitere Rechte geben, in Kraft blieben,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    trotz der von mir sehr bedauerten Zersplitterung, die auf diesem wichtigen Rechtsgebiet bestehen bleiben würde.
    Nun zum Entwurf im einzelnen. Ich vermisse darin zunächst eine Stellungnahme zu einem mir wichtig erscheinenden Problem, nämlich ob zur Zulassung als Anwalt die deutsche Staatsangehörigkeit erforderlich ist. Ich bejahe diese Notwendigkeit. Es wird darauf hingewiesen, daß infolge der Vertreibung in der Nazizeit noch eine ganze Reihe von Anwälten im Ausland lebe. Ich bin der Meinung, es muß im Gesetz selber festgelegt werden, daß der zuzulassende Anwalt die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen muß. Man wird dann in den Übergangsvorschriften für die-j enigen, die, durch die Verhältnisse gezwungen, seinerzeit in das Ausland flüchten mußten und bis heute noch nicht zurückkehren konnten — nach sieben Jahren hätte sich das bei denen, die es wirklich wollten, in aller Regel verwirklichen lassen —, für eine gewisse Zeit Erleichterungen schaffen müssen.
    Ich lehne es mit meinen Vorrednern ab, die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zunächst in Form einer allgemeinen Bestallung vorzunehmen. Ich möchte mich insoweit, um Sie nicht länger aufzuhalten, auf die Ausführungen meiner Vorredner beziehen.
    Die schwierigste Frage, mit der wir uns zu befassen haben werden, ist die Frage, die Sie, Herr Minister, selbst ja als den neuralgischen Punkt bezeichnet haben: Wie weit kann, soll und muß die Selbstverwaltung der Anwaltschaft gehen? Ich finde es nicht sehr schön, daß man in der Begründung des Entwurfs, um die Regelung, die jetzt in der französischen Zone besteht, sozusagen zu diffamieren, darauf hinweist, das sei eine landes-fremde Regelung. Man sollte auch prüfen, ob nicht aus dem Ausland etwas Gutes übernommen werden kann und etwas Gutes übernommen worden ist. Die Auffassung derjenigen, die mit diesen Dingen unmittelbar zu tun haben, geht dahin, daß damit etwas Gutes geschaffen worden ist.
    Dabei geht es, wie ich betonen möchte, nicht darum, daß die Anwaltschaft Machtgelüste hat, daß sie selbst die Dinge alle in eigener Zuständigkeit regeln will, daß sie sich etwa — das wäre eine vollkommen falsche Auffassung und das ist besonders an die Adresse der Länderregierungen gerichtet — von der Justiz trennen wollte. Die Anwaltschaft war stets an die Justiz angelehnt und will auch mit der Justiz zusammenbleiben. Sie weiß, daß ihre Hauptaufgabe darin besteht, zusammen mit den Gerichten in der Rechtsprechung zu arbeiten und Recht und Gerechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen. Aber es kann hier eine Regelung gefunden werden, die auch den Interessen des Staates durchaus Rechnung trägt. Die Landesjustizverwaltung kann in entscheidender Weise, wie das auch in der französischen Zone bis jetzt der Fall ist, an der Zulassung mitwirken. Die Zulassung selbst unterliegt ja — einerlei ob sie von der Landesjustizverwaltung ausgesprochen wird oder von der Anwaltskammer — einer richterlichen Nachprüfung, die ich auch begrüße, und zwar in der Form, wie sie im Ent-


    (Dr. Weben [Koblenz])

    wurf niedergelegt ist, daß in dem entsprechenden Senat, dem sogenannten Anwaltssenat am Oberlandesgericht, nunmehr auch Rechtsanwälte hinzutreten; in welcher Zahl, darüber wird man noch sprechen müssen. Aber nach meiner Meinung ist es rechtlich durchaus möglich, daß der Staat ein ihm zustehendes Recht, nämlich das Recht der Zulassung, das er primär hat, an eine Körperschaft öffentlichen Rechts delegiert. Wenn das geschieht, werden wir, glaube ich, wirklich einen Fortschritt machen, indem wir einer Selbstverwaltungskörperschaft dann auch wirkliche Rechte geben. Jedenfalls wird diese Frage im Ausschuß sehr eingehend zu prüfen sein.
    Es ist nicht das Bestreben der Anwaltschaft, Herr Minister, sich etwa'. zunftmäßig abzuschließen. In diesem Zusammenhang ein Wort zur freien Advokatur. Ich glaube, das Wesen der freien Advokatur liegt weniger darin, wie Sie es aufgeführt haben, daß keine Zulassungsbeschränkungen mehr statthaben sollen; ob die nicht zweckmäßig wären, darüber ließe sich sehr streiten. Uns muß vor allen Dingen daran gelegen sein, daß ein gesunder und intakter Anwaltstand erhalten wird. Sie haben selbst betont, daß aus einer Überfüllung Gefahren drohen können. In der vorletzen Woche ist vom Bundestag auch ein Gesetz verabschiedet worden, in dem die Bedürfnisklausel sogar ausdrücklich festgelegt ist. Ich persönlich bin kein Anhänger davon; ich bin glücklich, wenn sie beseitigt wird. Dann wird sich die Frage der Zulassung erheblich einfacher regeln lassen. Aber das Wesen der freien Advokatur erblicke ich nicht etwa in den Zulassungsbeschränkungen bzw. deren Wegfall, sondern darin, daß der Anwalt frei und unabhängig ist, auch gegenüber staatlichen Einflüssen.
    Ich glaube, es ist ein Ehrenblatt für die Anwaltschaft, daß sie auch in einer Zeit, als der Staat alles zu reglementieren versuchte, als einer der wenigen Stände — zwar nicht ihrer Verwaltung in den Anwaltskammern, aber in ihren einzelnen Mitgliedern — in der Lage war, sich diese innere freie Unabhängigkeit zu erhalten. Diese weiterhin zu erhalten und vor staatlichen und politischen Einflüssen zu sichern, darum geht es bei der freien Advokatur. Deshalb werden wir gerade dieser Frage unsere ganz besondere Aufmerksamkeit widmen müssen.
    Meines Erachtens besteht auch keine Veranlassung, das Ehrengericht in der Weise zu behandeln, wie es im Entwurf geschieht, insbesondere dem Ehrengericht das Recht des Ausschlusses aus der Anwaltschaft zu nehmen. Wir werden im Ausschuß prüfen müssen — ich persönlich habe in dieser Hinsicht keine verfassungsrechtlichen Bedenken —, ob die Einwendungen, die dagegen erhoben werden, berechtigt sind oder nicht. Es würde einen erheblichen Rückschritt bedeuten. Die gesamte Anwaltschaft hat in dieser Hinsicht über die Tätigkeit der Ehrengerichte noch nie Klage geführt. Der Deutsche Anwaltsverein, dem sich die Anwälte freiwillig angeschlossen haben, ist einhellig für die Beibehaltung der bisherigen Gestaltung . der Ehrengerichte eingetreten. Nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes genügt es durchaus — das ergibt auch ein Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs —, wenn eine unabhängige richterliche Nachprüfung des Spruches des Ehrengerichts der Anwaltskammer erfolgen wird. Man wird darüber reden können oder reden müssen, ob es zweckmäßig ist, daß sämtliche Mitglieder des
    Ehrengerichts auch Vorstandsmitglieder sind, die sonst die disziplinäre Aufsicht als solche ausüben. Mir scheint es jedenfalls erforderlich, daß zum mindesten der Vorsitzer des Vorstandes im Ehrengericht mit sitzt und dadurch für die Tradition, die Wahrung der Grundsätze, auf denen nun einmal die Ausübung des Anwaltsberufes aufgebaut ist, mit sorgt. Das wird nicht möglich sein, wenn nur solche Mitglieder im Ehrengericht säßen, die Nichtmitglieder des Vorstandes sind.
    Noch ein Schlußwort zur Staatsaufsicht. Ich war einigermaßen erschrocken, muß ich sagen, als ich in der Begründung las — das ist auch wieder einer der Rückschritte gegenüber 1878 —, daß die Anwaltskammern heute noch dem berüchtigten, muß ich schon sagen, Beiträgegesetz von 1934 unterliegen sollen. Es wäre allerhöchste Zeit. Meines Erachtens ist das Gesetz typisch nazistisch. Sie werden sich entsinnen, das ist doch im Interesse der NSV und der Aufrüstung erlassen worden, vor allem gegen kirchliche Organisationen, Sammlungen usw. Es war also eines der Kampfgesetze des Nationalsozialismus, ist meines Erachtens ein typisch nationalsozialistisches Gesetz und hat als solches keine Gültigkeit mehr. Wenn aber in dieser Richtung Zweifel bestehen sollten, dann ist es höchste Zeit, daß der Bundestag dieses Gesetz aufhebt.
    Meine Damen und Herren, es wird eine schwierige Arbeit sein, die der Ausschuß zu leisten hat. Wir, seine Mitglieder, werden uns bemühen müssen, im Interesse der Allgemeinheit und im Interesse einer guten Rechtspflege unsere Arbeitskraft und unsere Kenntnisse zur Verfügung zu stellen. Ich betone nochmals die Forderung, der Anwaltschaft das Recht auf Zulassung und Übernahme der Zulassung zu geben, also letztlich auch unter Beteiligung des Staates, der gehört werden soll, der Einspruchsrecht haben soll, mit darüber zu entscheiden, wer in die Rechtsanwaltschaft hineinkommt oder wer aus ihr, auf Grund eines gesetzlich genau normierten und umschriebenen Tatbestandes, ausgeschlossen werden muß. Die Forderung der Anwaltschaft, daß ihr diese Entscheidung, die auch noch der richterlichen Nachprüfung unterliegt, übertragen wird, ist nicht aus Machtgelüsten geboren, nicht aus dem Bedürfnis, sich als Zunft abzuschließen. Es soll auch kein Schritt zur Trennung der Anwaltschaft von der allgemeinen Justiz sein, sondern diese Forderung beinhaltet letzten Endes, eine freie und unabhängige Anwaltschaft zu schaffen und zu erhalten.

    (Beifall in der Mitte.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. — Herr Minister, Sie haben das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Thomas Dehler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe gemeint, daß mein Entwurf eine bessere Kritik verdiente. Selten ist ein Gesetz so reiflich erwogen, so durchgearbeitet, mit allen Beteiligten besprochen worden. Selten sind alle Anregungen — —

    (Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Nichts ist von den Anregungen übernommen worden!)

    — Ja, liegt das an mir, Herr Kollege Weber, wenn wir sie nicht übernommen haben? Dafür habe ich einen anderen Blickwinkel. Ich bin vorhin von Herrn Ewers nicht mißverstanden worden, als ich von der parlamentarischen Aristokratie sprach, nämlich von der Verpflichtung, die Dinge in der


    (Bundesjustizminister Dr. Dehler)

    Gesamtheit zu sehen. Ich nehme für mich in Anspruch, nach bestem Willen auch diesen Entwurf ausgearbeitet zu haben. Der Vorwurf, obrigkeitliches Denken habe sich bei mir durchgesetzt und es sei ein Entwurf des Rückschritts, ist ungerecht. Es tut mir leid, daß hier am Ende nur Beteiligte gegen mich auftreten, wenngleich ich doch selbst ein Interessent bin — denn ich werde eines Tages wieder die Robe tragen —, und daß sonst niemand im Hause sich mit dem Problem abgibt, das doch immerhin eines der wichtigsten Probleme bei der Gestaltung unserer Rechtspflege ist.
    Man fragt mich: Wo sind die Vorzüge des Entwurfes? Die Begründung ist ein dickes Buch, das Sie durcharbeiten können. Auf jeder Seite können Sie einen Vorzug in der Entwicklung gegenüber 1878 feststellen. Wir bekennen uns grundsätzlich zu der Selbstverwaltung. Selbstverständlich soll die Anwaltschaft ihre Rechte, die Rechte ihrer Mitglieder wahren. Aber Sie sind ja auf meine Fragestellung gar nicht eingegangen und bemühen sich gar nicht darum,

    (Zuruf von der SPD: Wieso?)

    daß die Zulassung nichts mit der Selbstverwaltung zu tun hat, sondern daß die Zulassung die Voraussetzung der Mitgliedschaft ist und daß jemand erst dann, wenn er Anwalt ist, den Rechten und Pflichten der Selbstverwaltung unterstellt werden kann. Herr Kollege Weber hat bei der anderen bedeutsamen Frage, wer den Anwalt ausschließen kann, den Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes, die königliche Regel der Rechtspflege zitiert, daß jemandem, dessen Rechte durch die öffentliche Gewalt verletzt werden, der Rechtsweg offensteht und, soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, der ordentliche Rechtsweg gegeben ist. Ich bin stolz darauf, daß ich mit Zinn zusammen diese Bestimmung formuliert habe, nach der höchster Rechtsschutz für jeden gegeben ist. Das Ehrengericht des Selbstverwaltungskörpers erfüllt diese Voraussetzung des Art. 19 Abs. 4 nicht. Sie können doch nicht von mir erwarten, daß ich der Anwaltschaft zuliebe das Grundgesetz breche. Es genügt nicht, daß die Möglichkeit der Nachprüfung einer Entscheidung eines Ehrengerichts der Rechtsanwaltskammer besteht. Das war doch die Aufgabe, vor der wir standen, diese haben wir in meinem Gesetz erfüllt. Ausschluß aus der Anwaltschaft bedeutet die Vernichtung der bürgerlichen Existenz eines Menschen. Hier muß der Anwalt den höchsten Rechtsschutz haben, und den gewährt nur das staatliche Gericht. Mir da Rückschrittlichkeit vorzuwerfen, welche Verkennung der Dinge! Ich kann Ihnen ein Album von Fortschritten vorlesen. Wenn Sie sich die Mühe machen, die einzelnen Bestimmungen des Entwurfs durchzugehen, so erkennen Sie das.
    Die Staatsaufsicht ist ein selbstverständliches Erfordernis, aber wir haben den Staat so weit zurückgedrängt wie nur irgend möglich.

    (Abg. Dr. Weber auch nur formell!)

    Die Landesjustizverwaltung kann überhaupt nur eingreifen, wenn ein Gesetz durch die Rechtsanwaltskammer verletzt wird. Von 1878 an war der Zustand gegeben, daß die Landesjustizverwaltung oder der Staat die Zulassung in der Hand hatte. Wenn in den Zwischenlösungen andere Wege gegangen worden sind, so entsprach das nicht deutschem Recht und entspricht jetzt nicht den Grundsätzen, die in unserem Grundgesetz niedergelegt sind. Ich habe z. B. das Klageerzwingungsverfahren eingefügt, das es in der Rechtsanwaltsordnung von 1878 nicht gab,

    (Abg. Dr. Weber das jetzt der Anwaltskammer zusteht. Ich habe eingefügt, daß nicht wie bisher ein Richter, sondern ein Rechtsanwalt die ehrengerichtliche Untersuchung führt. Ich habe der Rechtsanwaltschaft das ausschließliche Vorschlagsrecht für die Zulassung beim Bundesgerichtshof gegeben, während früher diese Zulassung beim Präsidium des Reichsgerichtes lag usw. usw. Sie können mir in keinem Punkte vorwerfen — das möchte ich mit aller Entschiedenheit gegenüber der Kritik sagen, die Sie für richtig halten-, daß ich irgendwie rückschrittlich sei. Herr Kollege Weber, wenn man Anwalt ist und sich auf die freie Advokatur bezieht, dann muß man auch die Geschichte der freien Advokatur kennen. Das Wort von der freien Advokatur ist von Rudolf Gneist in seiner gleichnamigen Schrift 1867 geprägt worden und hat nichts anderes zum Inhalt, als die Tatsache, die ich vorhin herausgestellt habe, daß die Zulassung zur Anwaltschaft von keiner Ermessensentscheidung irgendeiner Stelle abhängig sein darf, nicht von der Ermessensentscheidung einer Behörde oder auch einer Rechtsanwaltskammer. eines Selbstverwaltungskörpers, sondern daß der Bewerber einen Rechtsanspruch auf die Zulassung hat. Das ist der Inbegriff der freien Advokatur. (Abg. Dr. Weber formelle Begriff!)

    Das ist der Ausgangspunkt dieses Begriffs, und das ist das Entscheidende. Die freie Advokatur garantiert die Freiheit des Anwaltstandes.
    Wenn ich auf Einzelfragen eingehe, z. B. die Voraussetzung der deutschen Staatsangehörigkeit, so muß ich sagen: es ist ja nicht eine einseitige Sache, sondern eine zweiseitige. Wir dachten nicht nur an emigrierte Rechtsanwälte, sondern wir dachten auch daran, daß ausländische Juristen, die deutsche Prüfungen ablegen, die Möglichkeit haben sollen, an deutschen Gerichten zu praktizieren, wobei wir die Gegenseitigkeit des Auslandes erwarten. Das ist eine bedeutende, im Interesse der Anwaltschaft liegende große Möglichkeit.

    (Abg. Dr. Greve: Da bin ich Ihrer Meinnung, Herr Minister!)

    — Einmal!
    Die Stellung der Verwaltungsrechtsräte, nach der Herr Kollege Dr. Schneider fragt, hat § 253 meines Entwurfs in allen Einzelheiten geklärt.
    Man nimmt Anstoß an dem Wort „Bestallung". Der Kollege Wagner hat gesagt, das sei eine beamtenähnliche, dem Beruf des Anwalts wesensfremde Art der Zulassung. Es ist doch nur ein Fortschritt, wenn ich sage: ein Anwalt wird als solcher grundsätzlich zugelassen, weil er alle Voraussetzungen des Anwalts erfüllt. Damit ist er bestallt als Anwalt und wird dann bei einem Gericht zugelassen. Wenn er das Gericht wechselt, brauchen die Voraussetzungen der Bestallung nicht mehr geprüft zu werden, er ist Anwalt, es muß nur noch die Zulassung an einem bestimmten Gericht erfolgen. Das fördert also entgegen Ihrer Meinung, Kollege Wagner, gerade die Freizügigkeit des Anwalts, die Möglichkeit des Wechsels, ohne daß immer wieder das komplizierte Zu-


    (Bundesjustizminister Dr. Dehler)

    'lassungsverfahren in Gang gesetzt werden muß, das dem Betroffenen Schwierigkeiten macht.
    Ich muß sagen, ich sehe für die Behandlung meines Entwurfs schwarz,

    (Abg. Wagner: Ich auch!)

    aber nicht, wenn Sie mir schon das freimütige Wort gestatten, weil ich nicht der Einsicht begegnet bin, mit der ich auf Grund unseres Entwurfes rechnen konnte, — --

    (Zuruf des Abg. Wagner)

    — Bitte, Herr Kollege Wagner, glauben Sie mir, daß ich als Anwalt diesen Entwurf restlos mit durchdacht und mit entschieden habe. Glauben Sie wirklich, daß ich eine solche Sache meinem Referenten überlasse? Was da drinsteht, ist nach der jetzigen Verfassungs- und Rechtslage notwendig und bedeutet nach meiner Überzeugung einen Fortschritt für den deutschen Rechtsanwaltsstand.