Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mr. Clark, der Präsident des amerikanischen Berufungsgerichts, hat in seinem 70. Berufungsurteil dazu Stellung genommen, ob die Abschaffung der Todesstrafe durch Art. 102 des Grundgesetzes richtig war oder nicht. Er führte dabei aus: „Allgemein sind besondere Punkte des Strafrechts nicht Gegenstand von Verfassungsgesetzen. Weder die Verfassung des deutschen Kaiserreichs noch die Weimarer Verfassung enthalten solche Bestimmungen." Dies ist eigentlich für uns eine Begründung, warum wir eine Ausnahme vom Art. 102 des Grundgesetzes wollen, warum wir für die Verbrechen des Mordes und des Menschenraubes eine Ausnahme wünschen, d. h. die Wiedereinführung der Todesstrafe im Wege eines ein-
fachen Bundesgesetzes im Rahmen der kommenden Strafrechtsreform erreichen wollen.
Wenn wir dies wollen, dann ist sofort die Frage aufgeworfen: Hat der moderne Staat überhaupt das Recht, die Todesstrafe wieder einzuführen? Diese Frage könnten wir glattweg verneinen, wenn der moderne Fortschritt es mit seiner Bildung und Erfindung erreicht hätte, daß sich kein Mensch mehr am Leben seiner Mitmenschen vergreift, kurz gesagt, wenn die Herren Mörder mit der Abschaffung der Todesstrafe anfingen.
Diesen Standpunkt können wir auch heute noch aufrechterhalten. Der Staat braucht die Todesstrafe, und zwar für solche Kapitalverbrechen wie Mord und Menschenraub. Dies ist allgemein zur Todesstrafe zu sagen.
Speziell möchte ich hier folgendes ausführen. Vom Standpunkt der Sühne aus gesehen: das Volk betrachtet die Zuchthausstrafe, auch die lebenslängliche, nicht als eine entsprechende Strafe für den Mörder und den Menschenräuber. Wenn wir vom Volk reden, so meinen wir nur das rechtlich empfindende Volk, das an die ernsten Sachen mit dem rechten sittlichen Empfinden herantritt. Wer viel mit dem Volk verkehrt, weiß, daß es eine viel zu beharrliche Auffassung von Recht und Gesetz hat, als daß es heute etwas als Unrecht ansehen könnte, was gestern als Recht und Pflicht der Obrigkeit betrachtet wurde. Das rechtlich gesinnte Volk ist so konsequent, daß es sich für die Todesstrafe nicht nur dann ausspricht, wenn entsetzliche Verbrechen öfters alle Gemüter erschüttern, sondern auch, wenn längere Zeit hindurch keine die Todesstrafe heischenden Verbrechen mehr begangen werden. Ich will damit sagen, da 13 hier nicht aus Zeitumständen, unter denen plötzlich viele solcher Verbrechen auftreten — wie nach dem Weltkrieg im Jahre 1945 —, entschieden werden darf, sondern grundsätzlich vom rechtlich empfindenden Volke her die Entscheidung getroffen werden muß.
Der Staat braucht die Todesstrafe als Abschrekkungsmittel. Eine noch so lange Zuchthausstrafe schreckt von neuen Verbrechen nicht ab, wohl aber die Todesstrafe. Wer als Verteidiger wiederholt Menschen verteidigen mußte, die Delikte begangen hatten, für die die Todesstrafe angedroht war, der weiß, daß auf jeden Fall die Todesstrafe abschrekkender als eine Zuchthausstrafe wirkt. Wenn sich der Herr Justizminister die große Mühe gemacht hat, .an Hand des statistischen Materials darzulegen, daß aus den geschehenen Morden nicht genau zu erweisen ist, ob bei Abschaffung der Todesstrafe oder bei ihrem Bestehen die Morde weniger oder mehr waren, so ist das eine bedeutsame Arbeit; aber es ist nicht das richtige Kriterium für die Wiedereinführung der Todesstrafe. Man muß hier den Blick aus dem Bereich des Geschehenen wegwenden und sich vor Augen halten, daß keineswegs alle verbrecherischen Pläne, die erwogen worden sind, auch zur Ausführung kommen. Dieses Kriterium ist entscheidend; es ist heute überhaupt noch nicht erwähnt worden. Man kann zwar die Mörder, die erwischt worden sind. erfassen; aber man kann nie feststellen, wieviel verbrecherischer Wille da war, der vor der Tat verhindert wurde, weil der Betreffende durch die Androhung der Todesstrafe abgeschreckt wurde.
Bezüglich des Rechtes des Staates auf die Erkennung der Todesstrafe möchte ich nur auf einen Brief des Heiligen Paulus an die Römer Kap. 13 Vers 4 hinweisen:
Die Obrigkeit ist Gottes Dienerin, Dir zum Guten, denn sie trägt das Schwert nicht umsonst: sie ist Gottes Dienerin, eine Rächerin zur Strafe über den, der Böses tut.
Der Hinweis auf das fünfte Gebot Gottes „Du sollst nicht töten!" ist kein Gegenargument, denn es handelt sich hier ja nur um nicht erlaubte Tötungsakte. Ich habe gerade diese Stelle zitiert, da der Tötungsakt des Staates auf Grund eines Urteils berechtigt ist. Der Hinweis auf die Menschenwürde des Verbrechers ist ebenfalls nicht überzeugend. „Schlimmer als eine Bestie ist ein böser Mensch, und er schadet mehr", so spricht Thomas von Aauino in der Quaestio 64 Artikel II. Alle diese Momente müssen betrachtet werden. Sie sind bisher nicht alle aufgeführt, sondern nur kurz erwähnt worden.
Aus diesem Grunde bitte ich, dem Antrag zuzustimmen, die beiden Anträge dem Ausschuß für Rechtwesen und Verfassungsrecht zu überweisen.