Rede von
Johann
Cramer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich in den letzten zwölf Monaten der Mühe unterzog, festzustellen, ob die Bundespost ihre Gebühren erhöhen wolle oder nicht, dann mußte man schon Hellseher sein oder sonst irgendwie über Fähigkeiten verfügen. Am 14. März 1952 erklärte der Bundespostminister in Braunschweig vor der Presse, daß er nicht an eine Gebührenerhöhung denke. Er hatte allerdings acht Tage vorher, am 7. März 1952 in Frankfurt vor der Industrie- und Handelskammer erklärt, es sei unter Umständen möglich, daß die Post entweder ihre Gebühren erhöhen oder eine Anleihe aufnehmen müsse. Wenn wir nun gedacht haben, die große Bundespostkonferenz in Flensburg dieser Tage würde Aufklärung über die Absichten der Bundespost bringen, dann haben wir uns auch da geirrt; denn auf dieser Konferenz hat man andere Dinge zu tun gehabt, als über die Gebührenerhöhung zu sprechen. Da hat z. B. ein Professor Dr. A. Franzel von der Münchener Staatsbibliothek über die Problematik der deutschen Geschichte gesprochen, da hat Professor Wilhelm Grewe vom Auswärtigen Amt gesprochen und den Generalvertrag erläutert, und dann hat schließlich Freiherr von dem Busehe von der Dienststelle Blank über die Wehrpflicht gesprochen, — auf einer Konferenz, auf der die Präsidenten der Deutschen Bundespost beisammen waren, auf einer Konferenz, zu der man die Vertreter der auswärtigen Postverwaltungen eingeladen
hatte, auf einer Konferenz also, wo man erwarten konnte, daß hier über postalische Dinge gesprochen würde. Wir hatten angenommen, wir würden endlich auch etwas über die Gebührenerhöhung erfahren. Das war leider nicht der Fall. Statt dessen lesen wir jetzt in der Presse, daß die deutsche Bundespost beabsichtige, am 1. November 1952 ihre Gebühren zu erhöhen, und „Die Welt" schreibt sogar in einer Notiz, daß der Bundestag im Oktober diese Gebührenerhöhung verabschieden werde. Das kann natürlich nicht zutreffen, denn der Deutsche Bundestag hat bekanntlich mit der Verabschiedung von Gebührenverordnungen und dergleichen gar nichts zu tun.
Tatsache ist, daß die Gebührenerhöhung nun wirklich beabsichtigt ist, nachdem monatelang in der Öffentlichkeit darüber diskutiert wurde. Die Bundespost begründet ihren Anspruch auf Gebührenerhöhung mit dem erhöhten Bedarf für Investitionen. Wir wissen, daß die Bundespost einen unerhörten Nachholbedarf hat, und wir wissen auch, daß sie Aufwendungen zu machen hat, um auf dem Gebiete des Fernsprechwesens usw. mit den übrigen Ländern Schritt zu halten. Die Bundespost darf nicht zurückbleiben gegenüber der internationalen Entwicklung auf allen Gebieten des Fernsprech- und Fernmeldewesens. Wir wissen auch, daß aus den verschiedensten Teilen der Bundesrepublik Anforderungen an die Bundespost kommen, zerstörte Postämter, Fernmeldeämter und dergleichen wieder aufzubauen.
Die Frage, die sich uns hierbei stellt, ist die, ob es notwendig ist und ob es der einzige Weg ist, diesen Nachholbedarf aus den Betriebseinnahmen zu decken, oder ob nicht der andere Weg, den der Herr Minister selber am 7. März in Frankfurt angedeutet hat, zu gehen ist, nämlich der Weg der Anleihebeschaffung. Ich weiß, daß auch dort Schwierigkeiten bestehen. Ich weiß, daß diese Schwierigkeiten vor allem auch darin liegen, daß die Frage der Postanleihen aus der Vor-Nazi-Zeit und aus der Zeit vor 1945 noch nicht geklärt ist. Aber die Bundespost sollte wenigstens versuchen, diesen Weg zu gehen, bevor sie mit einer Gebührenerhöhung an die Öffentlichkeit herantritt.
Der Herr Bundespostminister hat im März erklärt, er fühle sich mit der Bundesregierung für die Stabilität unserer Währung verantwortlich, und deshalb sei er noch gegen eine Gebührenerhöhung. Ich glaube, unsere Währung ist heute noch genau so gefährdet, wenn wir den Weg der Preissteigerungen so weiter beschreiten, wie es heute noch der Fall ist. Gerade die Bundespost, auf die doch die Bundesregierung einen sehr starken Einfluß hat, sollte hier nicht Wegbereiter auf dem Wege der Preissteigerung sein, sondern sollte versuchen, Preissteigerungen — und Gebührenerhöhungen sind nun einmal Preissteigerungen — zu vermeiden.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen, daß die Frage der Gebührenerhöhung ja letzten Endes von der Bundesregierung und dem Bundesrat entschieden wird. Aber nach unserer Auffassung sind das Fragen, welche die breiteste Öffentlichkeit angehen. Und in Zukunft sollte der Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost — der nun ja wohl hoffentlich bald kommen wird, wenn wir das Gesetz über die Postverwaltung verabschiedet haben — über derartige wichtige Dinge entscheiden. Die Diskussion über die Gebührenerhöhung beweist uns einmal mehr, wie notwendig die schnelle Schaffung des Verwaltungsrates ist.
Außerdem sollte der Herr Bundespostminister in der Situation, in der er sich heute befindet, doch auch versuchen, die Millionen — ich glaube, es sind 100 Millionen DM — wiederzubekommen, die er im vergangenen Jahr und im Jahr davor dem Bundesfinanzminister zur Verfügung gestellt hat.
Diese Millionen haben doch letzten Endes zu dem hohen Defizit beigetragen; denn sie sind ja abgeschrieben worden. Wenn man heute auch versucht, diese Rücklage wieder aufzulösen und einen Teil des neuen Defizits damit zu decken, dann sollte man sich auch bemühen, diesen Betrag ganz zurückzubekommen und damit den Etat der Bundespost wenigstens einigermaßen auszugleichen.
Meine Fraktion sieht sich nicht imstande, ihre Zustimmung zu irgendeiner Form der Gebührenerhöhung zu geben, zumal wir ja nach der neuen Tabelle feststellen, daß es sich nicht um eine 25% ige Erhöhung handelt, sondern teilweise sogar um eine 50%ige. Ich will es unterlassen, die einzelnen neuen Gebührensätze zu erwähnen. Sie haben sie wahrscheinlich selber in der Presse gelesen. Es sind Gebührenerhöhungen bis zu 50 %. Auch bei den Grundgebühren im Fernsprechdienst handelt es sich um ganz erhebliche Erhöhungen, z. B. von 4,50 auf 8 DM, von 5,25 auf 8 DM, von 6 auf 10 DM usw.
Wir können, wie gesagt, hierzu unsere Zustimmung nicht geben und stimmen dem Antrag der FU zu.