Rede von
Anton
Storch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der Währungsumstellung im Jahre 1948 und durch die im Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz erfolgte Beitragserhöhung in der Angestelltenversicherung hat sich die Notwendigkeit einer Änderung des Handwerkerversorgungsgesetzes ergeben. Auch wird seit Jahren vom Handwerk eine Auflockerung der Versicherungspflicht für den einzelnen Handwerker gewünscht. Diesen Erfordernissen trägt ebenfalls der Beschluß des Deutschen Bundestages vom 17. Januar 1951 Rechnung, mit dem die Bundesregierung ersucht wird, den Entwurf zu
einem Änderungsgesetz im Sinne einer weitgehenden Auflockerung der Versicherungspflicht vorzulegen.
Von seiten des Handwerks sind der Bundesregierung und dem Bundesarbeitsministerium über die allgemein für notwendig gehaltenen Änderungen hinaus noch sehr weitgehende Forderungen unterbreitet worden. Hierbei handelt es sich erstens um eine Frage, die man sehr wohl erörtern kann, nämlich darum, ob man nicht auch die Invalidenversicherung in die Handwerksversorgung einbeziehen soll. Zweitens wird Befreiung von der Versicherungspflicht beim Vorhandensein einer aus eigenem Vermögen gegebenen ausreichenden Altersversorgung gefordert. Wir haben allerdings in unserer Generation zweimal erlebt, daß nicht immer eine Vermögenssubstanz auch eine unbedingte Sicherung für den Lebensabend gibt. Drittens wünscht das Handwerk Aufrechterhaltung der Versicherungspflicht nur bis zur Erfüllung einer fünfjährigen Wartezeit. Wenn man sich das richtig vorstellt, bedeutet es doch nichts anderes, als daß man sagt: Solange Pflichtversicherung, bis die Anwartschaft erworben ist, und dann keine Pflichtversicherung mehr; also die Möglichkeit, sich mit Beiträgen frei willig weiter zu versichern, die unter den eigentlichen Pflichtbeiträgen für den Pflichtversicherten liegen. Viertens wird vorgeschlagen, daß die Aufwendungen zur Lebensversicherung in ihrer Höhe nicht mehr den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entsprechen brauchen. Also auch hier möchte man eine andere Regelung haben, als sie für den Pflichtversicherten im allgemeinen gegeben ist.
Die Einführung dieser Sonderrechte für die Handwerker im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung wäre nur möglich, wenn die Einnahmen und Ausgaben für Handwerkerversicherungen getrennt geführt würden, d. h. wenn wir für die Versorgung des Handwerks einen besonderen Versicherungsträger errichteten. Schon nach den bisherigen Erfahrungen kann festgestellt werden, daß bei der gegenwärtigen Rechtslage, die den Handwerkern die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht durch Abschluß eines Lebensversicherungsvertrages bietet, sowohl hinsichtlich der Einkommensgliederung als auch der Altersgruppierung sich eine Selbstauslese ergeben hat, welche die Angestelltenversicherung ungünstig beeinflußt. Es ist doch praktisch so, daß einen Lebensversicherungsvertrag nur derjenige abschließen kann, der auf Grund einer ärztlichen Untersuchung als gesund bezeichnet wird, während diejenigen, die bereits einen gesundheitlichen Knacks haben, in die Angestelltenversicherung übernommen werden müssen. Obwohl wir hier sehr große Bedenken haben, haben wir es doch in dem Gesetzentwurf dabei belassen, daß der Handwerker zwischen einer Lebensversicherung und einer Versicherung in der Angestelltenversicherung wählen kann.
Es sind auch Forderungen laut geworden, die darauf hinzielen, das Handwerkerversorgungsgesetz im Interesse der Angestelltenschaft ganz aufzuheben. Dem glaubt die Regierung nicht folgen zu können. Wenn die Handwerker auch zu den wirtschaftlich Selbständigen gehören, so wird doch nicht zu übersehen sein, daß es im Handwerk weite Kreise gibt, die eines Versicherungsschutzes dringend bedürfen.
Im einzelnen sieht der Gesetzentwurf folgende grundsätzlich neuen Regelungen für die Altersversorgung des Handwerks vor. Während bisher alle Handwerker ohne Rücksicht auf die Höhe und Art ihres Einkommens der Versicherungspflicht unterlagen, soll in Zukunft entsprechend dem Wunsch nach Auflockerung die Versicherungspflicht auf solche Handwerker beschränkt werden, deren Einkommen im Gewerbebetrieb die Jahresarbeitsverdienstgrenze in der Angestelltenversicherung nicht überschreitet. Wir wollen also nicht mehr, daß derjenige, der einen größeren Betrieb hat und ihn als Handwerksbetrieb bezeichnet, versicherungspflichtig sein soll, während die Versicherungspflicht nicht mehr besteht, wenn er ihn als Industriebetrieb benennt. Wir wollen hier den Wünschen des Handwerks entsprechen. Wenn das Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze in der Angestelltenversicherung liegt, sollen die Leute nicht mehr versicherungspflichtig sein.
Zweitens ist in dem Gesetzentwurf vorgesehen, daß, wenn der Handwerker an Stelle der Angestelltenversicherung eine Lebensversicherung abschließen will, die Mindestkapitalsumme nicht mehr 5000 DM, sondern 10 000 DM betragen soll. Wir sind der Meinung, daß eine Kapitalversicherung in Höhe von 5000 DM bei den heutigen Verhältnissen nicht als Altersversorgung angesprochen werden kann.
Drittens ist für ältere Handwerker und solche, deren Lebensversicherungen durch die Währungsreform abgewertet sind, eine Reihe von Auflockerungen und Erleichterungen vorgesehen. Es ist ganz klar, daß diejenigen Handwerker, die in der nationalsozialistischen Zeit an Stelle der Versicherung in der Angestelltenversicherung eine Lebensversicherung abgeschlossen haben, durch die Abwertung bei den Lebensversicherungen heute in eine besonders große Notlage geraten sind. Der Gesetzentwurf versucht, dieser Gruppe zu helfen. Es wird noch einer sehr weitgehenden Aussprache in den Ausschüssen bedürfen, um hier die richtige Linie zu finden, die endgültig Gerechtigkeit schafft.
Mit dem Gesetz soll dem Handwerk bei möglichst weitgehender Auflockerung der bisherigen gesetzlichen Regelung eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung geboten werden, die jedem einzelnen Handwerker bei durchaus zumutbaren Aufwendungen ein Mindestmaß an sozialer Sicherheit gewährleistet. Die Änderungsvorschläge des Bundesrats sind nicht wesentlich materiellen Inhalts. Ihnen konnte zum Teil zugestimmt werden. Auf die Stellungnahme der Bundesregierung zu den Vorschlägen des Bundesrats mache ich noch besonders aufmerksam.