Rede von
Heinrich Georg
Ritzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich unterstreiche die Tatsache, daß der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität in der fraglichen Sitzung in dieser Frage einen einstimmigen Beschluß gefaßt hat. Es ist mir bekannt, und ich habe es gestern bereits hier zum Ausdruck gebracht, daß die Fraktionen 'des Hohen Hauses von der Erwägung 'geleitet werden, evtl. die Abstimmung über den Antrag ides Ausschusses zu verschieben. Ich halte es — und ich spreche im Namen der sozialdemokratischen Fraktion — aus diesem Grunde für notwendig, daß noch wenige
Sätze zum Sachverhalt und Tatbestand in Ergänzung des Berichts, den der Herr Berichterstatter hier gegeben hat, hinzugefügt werden.
Ich stelle fest, daß der Fall Hedler deutsche Gerichte in vier Fällen befaßt hat: einmal ein Oberlandesgericht und einmal sogar den höchsten Gerichtshof der Bundesrepublik. Ich stelle mit den Worten des Herrn Berichterstatters fest, daß eine Entscheidung oder auch ein In-den-Arm-fallen gegenüber der Verfassungsbeschwerde, die Herr Abgeordneter Hedler an das Bundesverfassungsgericht gerichtet hat, idem Bundestage nicht zusteht. Ich stelle aber weiterhin folgendes fest und darf bitten zu verstehen, daß ich das tue.
Wir schreiben heute den 19. Juli und morgen den 20. Juli. Das ganze Hohe Haus hat heute Gelegenheit gehabt, von der Extraausgabe Kenntnis zu nehmen, die die Zeitschrift „Das Parlament" im Andenken an die Opfer des 20. Juli 1944 herausgegeben hat. Sie haben Gelegenheit gehabt, dort festzustellen, was zu dieser Frage vom Standpunkte der Ehrung jener gesprochen wurde und gesprochen werden mußte, die von Herrn Hedler laut Gerichtsurteil mit folgenden Worten charakterisiert worden sind. Dort heißt es, daß er sie als Lumpen, Deserteure und Vaterlandsverräter bezeichnet, von Verrat und Dolchstoß durch diese sowie davon gesprochen habe, daß Deutschland von diesen Männern unterminiert worden sei.
Meine Damen und Herren! Aus diesen Ausführungen, die 'Herr Hedler in zwei Reden gemacht hat und die zu einem wesentlichen Bestandteileiner Mentalität im deutschen Volk geworden sind, deren Rache und Auswirkung zu befürchten ist, sind Dinge entstanden, die der Vergessenheit nicht anheimfallen dürfen.
Vor mir habe ich als 'Gedächtnisstütze die von dem Herrn Bundesminister des Innern für den Bundesgrenzschutz herausgegebene Zeitschrift. Drei Punkte in drei Sätzen daraus!
7. Februar 1952: Neuer Sprengstoffanschlag auf das Bundesverfassungsgericht; der Täter wollte der derzeitigen Staatsform entgegentreten!
26. März 1952: Bombenanschlag auf Bundeskanzler Dr. Adenauer!
1. April 1952: Bombenanschlag auf den Leiter der deutschen Delegation" bei den Verhandlungen im Haag auf Schloß Wassenaar.
Meine Damen und Herren, aus diesem Geist ist die Entwicklung gewachsen, an deren Ende das deutsche Volk dann an Bahren gestanden hat.
Ich möchte daran erinnernd ein wahres Wort zitieren, das der Herr Bundesinnenminister in der Zeitung „Das Parlament" geschrieben hat:
In Ehrfurcht und Dankbarkeit wollen wir der-j enigen gedenken, die ihr Leben und ihre Ehre eingesetzt haben zur inneren und äußeren Rettung ihres Vaterlandes.
Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus hat es in der Hand, darüber zu entscheiden, ob ein rechtskräftig gewordenes Urteil nun der Vollstrekkung entgegengeführt wird, oder ob das Hohe Haus durch eine Verschiebung der Entscheidung oder gar durch eine Verweigerung der Strafvollstrekkung eine Mitverantwortung für eine Entwicklung übernimmt, die wir bereits in anderen Maßstäben und unter anderen Vorzeichen einmal genossen
und erlebt haben. Ich bitte Sie dringend, dem Recht nicht in den Arm zu fallen, sondern dafür zu sorgen, daß Recht Recht bleibt.