Rede von
Clara
Döhring
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Namens der sozialdemokratischen Fraktion möchte ich Sie bitten, sich die Zweckmäßigkeit und die Notwendigkeit des Antrags zu Ziffer 7 im Umdruck Nr. 634 noch einmal zu überlegen. Nach diesem Antrag sollen die Betriebsratsmitglieder beurlaubt und ihnen der Verdienstausfall vom Arbeitgeber bezahlt werden, wenn sie an Veranstaltungen der Gewerkschaften teilnehmen, die von diesen zur Unterrichtung oder zur Information der Betriebsräte veranstaltet werden.
Bei unserem Antrag handelt es sich nicht etwa um eine neue Forderung, sondern vielmehr darum, bereits bestehendes Länderrecht in dem Bundesgesetz zu verankern. Schon auf Grund des Kontrollratsgesetzes Nr. 22 konnten sinngemäße Vereinbarungen betrieblich abgeschlossen werden. Vor allem aber enthalten die Landesgesetze von Südbaden und Württemberg-Hohenzollern in den §§ 11 bzw. 35 jene positiven Verpflichtungen durch die Arbeitgeber, die unser Antrag beinhaltet. Herr Dr. Schröder, nachdem Sie und Ihre Koalition dieses bereits seit Jahren praktizierte Recht in dem vorliegenden Bundesgesetz-Entwurf nicht aufgenommen haben, können Sie doch wahrlich nicht davon sprechen, wie Sie es heute hier getan haben, daß tiefgreifende sozialpolitische Verbesserungen geschaffen seien.
Gehen Sie doch einmal in die Betriebe im südwestdeutschen Raum und hören Sie sich dort den Unwillen und die Empörung der Arbeiter an, die jetzt ihres Rechtes verlustig gehen sollen!
Ich will es mir ersparen, die in Frage stehenden Bestimmungen noch einmal zu zitieren. Sie können
sich ja an Hand der Landesgesetze selbst davon überzeugen, daß es sich bei unserem Antrag um bereits bestehendes Recht handelt. Dieses Recht wurde in jenen Ländern in Südwestdeutschland geschaffen, in denen Ihre Parteifreunde, meine Herren und Damen von der CDU, die Regierung stellten. Ich darf hinzufügen, daß sich diese Bestimmungen nur zum Guten ausgewirkt haben. Fragen Sie einmal — und das ist an die Adresse des Herrn Bundesarbeitsministers gerichtet — Ihren seitherigen Amtskollegen, Herrn Arbeitsminister Wirsching; er wird Ihnen bestätigen können, daß sich das bis zur Stunde dort noch bestehende Betriebsräterecht durchaus bewährte und gute positive Auswirkungen in den Betrieben hat. Gerade Sie, Herr Dr. Wellhausen — er ist leider nicht da —, haben 'doch in den Ausschußberatungen immer betont — und auch andere von Ihrer Fraktion —, wie sehr auch Ihnen daran gelegen ist, es mit gutgeschulten und verständnisvoll handelnden Betriebsräten zu tun haben zu wollen. Gewiß bringt ein vernünftiger Mensch mit gesundem Menschenverstand von Hause aus das mit, was er zur Erfüllung von Betriebsräteaufgaben braucht. Aber Sie werden mir doch zugeben müssen, daß es schon in Anbetracht der Aufgaben und der Pflichten, die den Betriebsräten durch das Bundesgesetz auferlegt sind, aber auch ganz allgemein im Interesse einer guten Zusammenarbeit im Betriebe sowie zum Wohle des Betriebsganzen und darüber hinaus der Volkswirtschaft notwendig und unerläßlich ist, die Betriebsräte laufend zu unterrichten und weiterzubilden. Das wird und muß geschehen. Die Gewerkschaften werden deshalb — ihrer Aufgabenstellung entsprechend — die Betriebsräte nach wie vor laufend unterrichten. Sie, meine Herren und Damen von der Regierungskoalition, können doch nicht etwa den Standpunkt vertreten, daß die Betriebsräte hierzu ihre Urlaubszeit verwenden sollten, die sie doch genau so dringend wie Sie und ich zum Ausspannen und zur Erholung brauchen.
Es ist verständlich, wenn die Tatsache, daß es sich bei diesem unserem Antrage um bereits bestehendes Recht handelt, auch auf Seiten 'der Regierungskoalition nicht allen bekannt ist. Sie alle haben aber wohl vorgestern die Erklärung des Herrn Dr. Schröder gehört, die er namens der Regierungskoalition hier abgegeben hat, es handle sich bei diesem Bundesbetriebsverfassungsgesetz um ein fortschrittliches Gesetz. — Nun, bis zum Augenblick habe ich noch eine ganz kleine Hoffnung, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, daß Sie 'dieses bereits bestehende Recht den Arbeitnehmern zu erhalten bereit sind.
Meine Freunde von der sozialdemokratischen Fraktion beantragen deshalb, einen zusätzlichen § 39 a zu schaffen.
— Diese Auffassung, Herr Sabel, könnten Sie wirklich für sich behalten. — Sollten Sie auch diesen Antrag ablehnen, dann haben Sie eben einmal mehr das Recht verwirkt, von diesem Platze aus von einem fortschrittlichen Gesetz für die Arbeitnehmerschaft zu sprechen.