Rede von
Dr.
Ludwig
Preller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben schon in der zweiten Lesung über die Frage gesprochen, wie es mit den Betrieben besonderer Art ist, die Betriebsräte anderer Art haben müssen. In jedem Betriebsrätegesetz ist diese Frage geregelt gewesen, weil es gar nicht strittig ist, daß für solche Gewerbezweige wie etwa das Baugewerbe das Recht geschaffen werden muß, daß sie eine Betriebsvertretung entsprechend ihrer Eigenart schaffen. Das ist ein sachliches Erfordernis. Die Schwierigkeit bemerkt man erst dann, wenn man diesen Grundsatz durchführen will; denn dann muß die Frage entschieden werden — und das ist der Grund, weshalb ich hier noch einmal unseren Antrag begründe —, ob die dazu erforderliche tarifvertragliche Regelung völlig frei sein oder unter irgendeiner behördlichen Aufsicht stehen soll.
Meine Damen und Herren, wer sich mit Arbeitsrecht beschäftigt, weiß, daß das eine sehr grundsätzliche Frage des Arbeitsrechts ist, die hier angesprochen wird, eben die Frage, wieweit die Selbständigkeit des Tarifabschlusses gehen soll, also die Frage der tarifvertraglichen Autonomie. Das L ist nicht nur eine wissenschaftliche, sondern, wie
mein Kollege Wönner das leite Mal auf Grund seiner Lebenserfahrung in den Betrieben ausgeführt hat, eine eminent praktische Frage. Wem es mit der Gestaltungsfreiheit der Tarifparteien ernst ist, der muß ihnen auch ein freies Spiel der Tarifgestaltung in den Fragen der Betriebsverfassung gewähren. Diese freie Gestaltung auch hinsichtlich der Betriebsverfassung ist vor drei Jahren in dem Tarifvertragsgesetz festgelegt worden. Damals hatte man den Mut, wenn man so sagen will, zu einer freien Tarifgestaltung. Ich darf auch daran erinnern, daß sich in Hattenheim die Arbeitgeber noch eindeutig für die Autonomie ausgesprochen haben, nämlich in der Selbstverwaltung der Bundesanstalt und im Schlichtungswesen. Um so schwerer erscheint es mir und uns verständlich, warum sich die Herren, die Arbeitgebervertreter in den Ausschüssen sind,
bzw. die Vertreter von Arbeitgeberinteressen sind, die über die Parteien in die Ausschüsse gekommen sind,
nun der Skepsis gegenüber den Tarifparteien angeschlossen haben, also eigentlich der Skepsis gegenüber sich selbst. Diese Skepsis ist, wie wir uns erinnern, in den Ausschuß im Grunde erst durch die Bürokratie hineingetragen worden.
Wenn ein solcher Tarifvertrag von der Zustimmung von Behörden abhängig gemacht wird, tut man etwas, was, abgesehen von dem „Sündenfall" der Verbindlicherklärung, in der Weimarer Republik niemals gutgeheißen worden ist, weder von der Praxis noch von der Wissenschaft. Man hat vielmehr stets die völlig ungehinderte Gestaltung durch die Tarifparteien als die Grundvoraussetzung des kollektiven Arbeitsrechts angesehen. Ich frage: Hat man denn eigentlich Angst, daß die Tarifparteien für die hier in Frage kommenden Betriebe etwas Fortschrittlicheres schaffen könnten, als in dem Gesetz steht? Man könnte beinahe auf diese Idee kommen, wenn man sich Ihre Ablehnung unseres Antrags auf Streichung der behördlichen Zustimmung in der zweiten Lesung noch einmal vor Augen hält. In der Begründung der Vorlage heißt es, daß man solche Abweichungen vom Gesetz nicht ohne Mitwirkung staatlicher Stellen will und streicht dabei plötzlich deren parlamentarische Verantwortung heraus. Da frage ich mich, warum man in diesem Gesetz und an dieser Stelle so vorsichtig ist, während man in der Weimarer Republik eine so wichtige Abweichung vom Gesetz wie die tarifliche Regelung der Mehrarbeit den Tarifparteien völlig überlassen hat ohne einen behördlichen Eingriff. Hat man in der Frage der Überstunden das Vertrauen in die Tarifparteien. daß sie die ihnen gegebenen Möglichkeiten nicht in gefährlicher Weise ausnutzen, so sollte man das gleiche Vertrauen auch hinsichtlich der Betriebsverfassung haben. zumal ein Tarifvertrag doch nur entstehen kann, wenn Gewerkschaften und Arbeitgeber übereinstimmen.
Sie haben unseren Antrag in der zweiten Lesung abgelehnt. Wir machen Ihnen nunmehr aus diesem Grunde einen Kompromißvorschlag. der Ihnen aus den Ausschußberatungen bekannt ist. Wir bitten Sie dabei, die Hemmungen zu überwinden, die Sie damals im Ausschuß gegen diesen
Vorschlag hatten und denen dort insbesondere von behördlicher Seite Ausdruck gegeben worden ist. Wenn nämlich von Ihnen eine gewisse Überwachung durch die Behörde durchaus für erforderlich gehalten wird, dann möchten wir Sie bitten, doch wenigstens den Tarifparteien die Tarifautonomie zu bewahren. Geben Sie entsprechend unserem Vorschlag den Arbeitsministerien nicht mehr Rechte als das Recht, Bedenken gegenüber den Tarifparteien dann zu erheben, wenn die Behörde etwa glaubt, daß das von den betreffenden Arbeitgebern gemeinsam mit den Gewerkschaften gefundene andere Betriebsvertretungsrecht zu irgendwelchen Anständen Anlaß gibt. Ich kann mir gar nicht vorstellen, welche Anstände das überhaupt sein sollten. Aber bewahren Sie, meine Damen und Herren, auf diese Weise den Tarifparteien das Recht der eigenen Gestaltung und nähern Sie diese Tarifverträge nicht in so gefährlicher Weise den früheren Tarifordnungen. Es geht hier wirklich um eine grundlegende Entscheidung. Sollten Sie politische Bedenken haben, dann stellen Sie sie zurück hinter dem Gedanken, der uns gemeinsam bewegt, dem Gedanken der Freiheit der Gestaltungsmacht der Tarifparteien.