Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem am Mittwoch und Donnerstag unsere Anträge ohne Debatte abgelehnt worden sind, so daß es uns nicht möglich gewesen ist, Ihre Argumente kennenzulernen, halte ich es für zweckmäßig, diesen Antrag noch einmal zu begründen. Die Ausführungen des Herrn Dr. Schröder haben auch mir heute früh einen kleinen Hoffnungsschimmer gegeben; denn er hat erklärt, er stehe zu seinen Worten vom 27. Juli 1950. Ich werde sie nachher zitieren.
Einige Formulierungen sollten wirklich noch einmal überlegt werden, auch wenn man festgelegt, ist, wie es hier scheint. Zu § 13 Abs. 3 beantragen wir also noch einmal, die Verhältniswahl fallenzulassen und sich für die Mehrheits- oder Personenwahl zu entscheiden. Ich bitte Sie, zu bedenken, daß z. B. schon im nächsten Paragraphen, in § 14, die Berücksichtigung der verschiedenen Beschäftigungsarten vorgesehen ist. Wie soll man die Beschäftigungsarten oder die Sparten berücksichtigen, wenn sie nicht die Möglichkeit haben, Einzelvorschläge oder Vorschläge der Sparten zu unterbreiten? Nur wenn jeder frei wählen kann, kann das berücksichtigt werden, was hier vorgesehen ist, können die besten Leute in den Vordergrund kommen. Die Praxis hat gezeigt, daß die Arbeiter und Angestellten in loyaler Weise, wenn in Betriebsversammlungen darauf hingewiesen wird, Vertreter der einzelnen Sparten wählen, und im allgemeinen waren die Betriebsräte tatsächlich auch entsprechend zusammengesetzt. Die Verhältniswahl macht dies einfach unmöglich. Es könnte z. B. sein, daß die Spitzenkandidaten aller Listen aus derselben Abteilung sind. Dann ist das, was in § 14 vorgesehen ist, schon nicht möglich.
Ich möchte die Frage aufwerfen: Wer soll denn Listen einreichen? Gewiß, infolge des Industriegewerkschaftsprinzips wird es in der Regel so sein, daß eine Liste kommt, und da ist es ja auch nach dem vorliegenden Gesetz, wenigstens nach der bisherigen Fassung, möglich, die Mehrheitswahl durchzuführen. Ich möchte aber auch auf die Gefahr hinweisen, daß, wenn die Verhältniswahl möglich ist, selbstverständlich sehr bald Listen zunächst von antidemokratischen extremen 'Gruppen kommen werden. Wir haben ja in Bayern gewisse Erfahrungen und die Feststellung gemacht, daß ungefähr 1000 Betriebsräte — das ist nicht die ganz genaue Zahl, sie wird aber ungefähr stimmen — unorganisiert, d. h. unkontrollierbare Elemente sind. Es ist gar nicht zu vermeiden, daß dann, wenn die extremen Gruppen erst einmal den Vorstoß gemacht haben, auch die übrigen Parteien kommen werden und wir dann in den Betrieben den schönsten Parteienkampf, d. h. die Politisierung der Betriebe bekommen. Ich glaube, das wollen weder Sie noch wir.
Im politischen Leben ist es verständlich, wenn I von den Parteien die Verhältniswahl verlangt worden ist. Ich selbst war auch immer Anhänger der Verhältniswahl im politischen Leben. Sie wissen aber auch, daß das heute schob sehr umstritten ist und daß wir uns auch bei der Bundestagswahl für eine Kombination von Persönlichkeitswahl und Verhältniswahl entschieden haben.
Nun möchte ich alber noch eine andere Frage aufwerfen. Wie kommt man dazu, wenn man im öffentlichen Leben die Persönlichkeitswahl verlangt, ausgerechnet für die Betriebe ,die Verhältniswahl zu verlangen? Da uns weder im Ausschuß noch bei den Beratungen 'der zweiten Lesung Argumente geboten worden sind, habe ich auch einmal das Protokoll von 1950 nachgeschlagen und festgestellt, was damals Herr Dr. Schröder gesagt hat. Er erklärte:
. . ., daß wir weitgehend an die Stelle der Listenwahl eine Persönlichkeitswahl gesetzt zu sehen wünschen
und uns damit auch in Übereinstimmung mit unseren grundsätzlichen Forderungen zum Wahlrecht halten, . . .
Sie sehen also, daß es auch in der Linie prominenter Leute der Regierungsparteien liegt, unserem Antrag stattzugeben. Gerade aus diesen Ausführungen und aus der Erklärung Dr. Schröders von heute früh, daß er zu seinen Worten steht, schöpfe ich die Hoffnung, daß Sie unserem Antrag doch noch zustimmen und damit eine zeitgemäße und vernünftige Entscheidung fällen. Im größten Teil des Bundesgebiets ist bis jetzt in dieser Weise gewählt worden. Dieses Wahlsystem, die Persönlichkeitswahl im Betrieb, ist also eine Art Ge-
wohnheitsrecht geworden. Es wäre sehr wünschenswert, wenn das nun auch im neuen Gesetz für das ganze Bundesgebiet festgelegt würde.
Ich appelliere deshalb noch einmal an Sie, meine Damen und Herren, diese Sache außerordentlich ernst zu nehmen, sie noch einmal reiflich zu überlegen, denn auch Sie wollen, daß nur die Besten in den Betriebsrat gewählt werden, und wollen bestimmt auch nicht die Politisierung der Betriebe. Deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen.