Rede von
Paul
Harig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Der § 7 sieht nach Verabschiedung in der zweiten Lesung noch die zweijährige Zugehörigkeit zum Betriebe vor. Es ist heute morgen ein Antrag der CDU auf dem Umdruck Nr. 636 vorgelegt worden, der diese Zeit auf ein Jahr beschrankt. Es mag Betriebe geben, in denen es keine Rolle spielt ob jemand ein Jahr, zwei Jahre oder fünf Jahre im Betriebe tätig ist. Aber darum geht es doch nicht. Es geht doen hier um eine grundsätzliche Frage. Es geht darum, ob alle Belegschaftsmitglieder oder Beschäftigten in einem Betriebe die gleichen Rechte haben. Und was ist der Grund dafür, daß man einem Teil der Belegschaftsmitglieder Rechte abspricht? Dafür gibt es gar keine Begründung. Die sozialdemokratische Fraktion hat den in der zweiten Lesung gestellten Antrag,. die Zeit auf sechs Monate zu reduzieren, jetzt wiederholt. Ich kann nur sagen, daß wir diesem Antrag zustimmen werden. Aber warum ich hier heraufgekommen bin, das will ich Ihnen sagen.
Herr Dr. Schröder, Sie haben sich heute morgen hierhergestellt und haben erklärt: Stellen wir das Betriebsrätegesetz von 1920 in seinem materiellen Inhalt dem, was jetzt vorgelegt wird, gegenüber, kommentieren wir das und gehen wir hinaus, und dann wollen wir einmal sehen; das ist viel besser, fortschrittlicher! Herr Dr. Schröder, ich bin schon vor 1933 Betriebsrat gewesen. Ich kenne das Betriebsrätegesetz von 1920. Ich kenne die Praxis der Betriebsratstätigkeit von 1945 an. Ich habe unter dem Kontrollratsgesetz die Funktion des Betriebsrats innegehabt. Es gibt eine ganze Reihe von Betriebsvereinbarungen, die auch den Paragraphen über die Dauer der Zugehörigkeit und über die Wählbarkeit enthalten. Herr Dr. Schröder, für diesen Paragraphen trifft das, was Sie hier behaupten, nicht zu, ebenso wie es für eine ganze Menge entscheidender Paragraphen, die noch folgen, nicht zutrifft. Es hat doch keinen Zweck, Herr Dr. Schröder, hier in Agitation zu machen. Wir wollen doch die Dinge so sehen, wie sie sind.
Es ist keiner hier heraufgekommen, es hat sich keiner hierher gestellt und eine Begründung dafür gegeben, daß jemand zwei Jahre im Betrieb tätig sein muß. Kein Mensch hat eine solche Begründung gegeben. Die Begründung habe ich in der zweiten Lesung schon vorgetragen, nämlich jene Begründung, die mir durch einen der Ihren aus einer Ausschußsitzung zu Gehör kam. Ich will sie nicht wiederholen, Herr Dr. Schröder, aber ich bin
der Meinung, daß jemand doch nicht 25 Jahre im
Werk sein und Jubiläum gefeiert haben muß, bevor er einmal Rechte im Betrieb bekommt. Ich erinnere daran, daß einer der Ihren fünf Jahre vorgeschlagen hat.
Und wenn davon gesprochen wird, daß die vorgesehene Regelung eine Verbesserung des Gesetzes sei, dann möchte ich noch einmal ganz ernst auf den Inhalt des Kontrollratsgesetzes Nr. 22 hinweisen. Das Kontrollratsgesetz Nr. 22 sieht in dieser Frage nur vor, daß demokratisch gewählt werden muß. Das ist alles, es muß demokratisch gewählt werden. Es stellt in dieser Hinsicht gar keine Bedingungen, wie Sie sie hier stellen.
in der Empfehlung, die der DGB für die Durchführung der Betriebsrätewahlen herausgegeben hat, ist ein halbes Jahr empfohlen worden, und viele Belegschaften haben das gutgeheißen, haben das in ihren Belegschaftsversammlungen angenommen und haben danach gehandelt. Ich kann Ihnen sagen, daß ich das damals nicht getan habe, und zwar deshalb nicht, weil ich darin schon eine Einengung der Rechte gesehen habe. Aber das spielt keine Rolle. Bleiben wir einmal bei dem Vorschlag des DGB. Wenn der DGB diesen Vorschlag macht, dann entspricht dieser Vorschlag dem Willen derer, die es angeht, entspricht dem Willen der Belegschaften. Was für einen Grund haben Sie denn dafür, gegen den Willen der Arbeiter und Angestellten in Ihren Betrieben nun einen solchen Vorschlag hier durchzusetzen? Welche Gründe liegen denn da vor? Ich kann nur sagen, Sie stoßen auf kein Verständnis bei der Arbeiter- und Angestelltenschaft mit diesem Vorschlag. Sie haben sich mit diesem Vorschlag bei den Arbeitnehmern wirklich sehr in Mißkredit gesetzt. Er bedeutet eine Einengung der
demokratischen Rechte. Was wollen denn die Arbeiter und Angestellten? Die Arbeiter und Angestellten wollen denjenigen wählen, von dem sie annehmen, daß er ihre Interessen wahrnimmt. Die Arbeiter und Angestellten schlagen daher den vor, den sie als ehrlichen und anständigen und ordentlichen Kerl kennen. Sie sehen gar nicht darauf, wie lange er schon beschäftigt ist. Und wenn jetzt eine Belegschaft so einen vorschlagen will, — warum will man ihr denn nun das Recht nehmen, solche Leute, die ihr Vertrauen haben, vorzuschlagen? Das stößt wirklich bei den Arbeitern und Angestellten auf kein Verständnis. Wenn man sich aber dann hierherstellt und davon spricht, dieses Gesetz sei fortschrittlicher, es bedeute eine Verbesserung gegenüber dem alten Gesetz und gegenüber den Ländergesetzen, die in keinem einzigen Fall eine längere Zeit als ein halbes Jahr vorsehen, dann ist das nur eine Täuschung der Öffentlichkeit.