Rede von
Hans
Böhm
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die allgemeine Aussprache zur dritten Beratung, die bis jetzt durchgeführt wurde, hat mit aller Deutlichkeit bewiesen, daß es sich hier um ein Politikum allerersten Ranges handelt. Wenn
wir als sozialdemokratische Fraktion nun bei der Einzelberatung den Versuch machen, zu den wesentlichsten Bestimmungen dieses Gesetzes unsere Meinung noch einmal in den gestellten Anträgen zum Ausdruck zu bringen, dann lassen wir uns auch jetzt nicht davon leiten, in einer großen Diskussion die Arbeit zu erschweren, sondern unsere Stellung zu diesem Gesetz ist getragen von der Verantwortung, die wir einmal gegenüber der geschichtlichen Entwicklung zu tragen haben, aber auch gegenüber der Entwicklung, die sich draußen in den Betrieben in den letzten sieben Jahren vollzogen hat.
Die sozialdemokratische Fraktion hat sich in der zweiten Lesung bemüht, die einzelnen Bestimmungen dieses Gesetzes in durchaus sachlicher Weise zu behandeln, um eine Reihe von Änderungen dieses Gesetzes herbeizuführen. Wenn ich hier noch einmal die Forderung des Deutschen Gewerkschaftsbundes behandle, dann weiß ich, daß ich damit bei Ihnen in der Regierungskoalition — mit wenigen Ausnahmen — einen Begriff in die Diskussion hineinbringe, der bei Ihnen nicht besonders beliebt ist.
Ich möchte bei der sachlichen Beratung der einzelnen Paragraphen und insbesondere des § 1 einmal von mir aus, als Sprecher meiner Fraktion, darüber hinaus aber auch als verantwortlicher Funktionär des Deutschen Gewerkschaftsbundes drei Fragen an Sie richten. Es ist über die Stellung des Deutschen Gewerkschaftsbundes im Laufe der letzten Wochen und Monate eine ganze Reihe von Diskussionen geführt worden. Ich will nicht an die vielen Flugblätter erinnern, die verteilt worden sind — auch in den Betrieben von den Arbeitgebern —;
ich will nicht daran erinnern, daß dieses Gesetz,
seine Behandlung und seine Handhabung mit dazu beigetragen hat, eine — gelinde gesagt — Verzerrung und Verrohung der politischen Begriffe und des politischen Anstands herbeizuführen.
Es ist hier bei der Betrachtung unserer gestellten Anträge zunächst einmal die Frage aufzuwerfen: Besteht für den Deutschen Gewerkschaftsbund eine sachliche Berechtigung zu seinen Forderungen? Wenn heute der Deutsche Gewerkschaftsbund und mit ihm die sozialdemokratische Fraktion die Einbeziehung des gesamten öffentlichen Dienstes in dieses Gesetz fordern, dann hat die deutsche Gewerkschaftsbewegung, insbesondere der Deutsche Gewerkschaftsbund, nicht nur auf Grund der geschichtlichen Entwicklung seit 1945 eine Berechtigung dazu, sondern ich glaube, es ist auch auf der andern Seite aus staatspolitischen Gründen notwendig geworden, die sachliche Berechtigung hierzu anzuerkennen.
Lassen Sie mich dazu einiges sagen. Abgesehen von der parteipolitischen Einstellung des einzelnen Abgeordneten, abgesehen von den politischen Rücksichtnahmen innerhalb der Koalition werden Sie uns zugeben müssen, daß die Arbeit des Deutschen Gewerkschaftsbundes 1945, 1946 und 1947 eine Arbeit gewesen ist, die heute dem gesamten Staatswesen zugute kommt. Wenn der Deutsche Gewerkschaftsbund heute verlangt, den öffentlichen Dienst mit in diese gesetzliche Regelung einzubeziehen, dann veranlassen ihn dazu nicht nur staatspolitische, sondern auch außenpolitische Gründe. Ich will es Ihnen mit einem Satz erklären. Es wäre für die deutsche Gewerkschaftsbewegung, d. h. für den Deutschen Gewerkschaftsbund, im Jahre 1945 leicht
gewesen, den Forderungen des Kontrollrats in Berlin nachzugeben und an Stelle des hergebrachten Berufsbeamtentums den Vertragsangestellten zu setzen, so wie es vom Kontrollrat und den Besatzungsmächten verlangt worden war. Es ist ja nicht unbekannt, daß zur damaligen Zeit von den Besatzungsmächten die Frage gestellt wurde, ob auf Grund der geschichtlichen Entwicklung und auf Grund der Katastrophe, vor der Deutschland 1945 stand, der deutsche Staat in seinem Neuaufbau es sich noch leisten könne, das Berufsbeamtentum mit seiner Entwicklung und mit seiner Auswirkung zu bejahen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat zur damaligen Zeit diese administrative Erledigung des Berufsbeamtentums abgelehnt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat aber weiterhin — das möchte ich hier ganz besonders betonen — zum Ausdruck gebracht, daß in der Schaffung eines neuen, eines besseren und eines demokratischen Beamtenrechts der Beamte mit dazu berufen ist, am Aufbau einer neuen sozialen Ordnung mitzuwirken.
Ich glaube, diese Stellung des Deutschen Gewerkschaftsbundes hat nicht ungeteilten Beifall beim deutschen Volk gefunden, und ich spreche gar kein Geheimnis aus, wenn ich sage, daß die Sympathie für und die Antipathie gegen die Beamten auch hier im Parlament quer durch alle Parteien geht. Wenn der Deutsche Gewerkschaftsbund gegen den Widerstand der Besatzungsmächte in den schweren Jahren die Rechtsgrundlage für die Beamten gelegt hat, dann, glaube ich, hat er sich moralisch und sachlich die Berechtigung erworben, den öffentlichen Dienst in die Front derjenigen einzureihen, die zum Aufbau einer sozialen und demokratischen Ordnung berufen sind.
Meine Damen und Herren, vergessen Sie eins nicht! Wenn es in verhältnismäßig kurzer Zeit gelungen ist, Deutschland und der deutschen Verwaltung draußen in der Welt wieder so etwas wie Ansehen und Geltung zu verschaffen, dann ist das nicht zuletzt auf die Haltung des Deutschen Gewerkschaftsbundes zurückzuführen. Jeder einzelne, der heute glaubt, der Deutsche Gewerkschaftsbund würde mit seinen Forderungen Machtansprüche anmelden, die nicht begründet sind, wird sich die Frage überlegen und entscheiden müssen, ob die Arbeit, die von der Deutschen Gewerkschaftsbewegung geleistet worden ist, ein Anlaß dafür sein könnte, daß sich der einzelne im öffentlichen Betrieb, daß sich die öffentliche Verwaltung oder der Staat dieser Arbeit zu schämen brauchte.
Eine zweite Frage, die bei der Betrachtung dieser Probleme auftritt, ist die, ob es eine Möglichkeit gibt, die öffentlichen Betriebe oder den öffentlichen Dienst in seiner Gesamtheit in die gesetzliche Regelung einzubeziehen. Vergegenwärtigen wir uns einmal die Entwicklung. Das Betriebsrätegesetz von 1920 ist heute oft angesprochen worden. Wir werden feststellen können, daß sich gegenüber dem Jahre 1920 eine Vermehrung nicht nur der Aufgaben, sondern auch der Belegschaften in einem großen Ausmaße bemerkbar macht. Wir werden gleichzeitig feststellen müssen, daß dabei die Zahl der Arbeiter und Angestellten im Hinblick auf die Gesamtvermehrung einen unverhältnismäßig großen Prozentsatz beträgt. Wer einmal sachlich und ohne Ressentiments die Dinge prüft, wird feststellen können, daß sich die Aufgaben der inneren Verwaltung — ich rede noch nicht einmal von den Verkehrs- und Energiebetriebsverwaltungen — zwischen Beamten und Angestellten vielfach überschneiden. Gerade darin liegt ein wesentlicher
Grund, die Einheitlichkeit mit der übrigen Wirtschaft herbeizuführen.
Mich veranlaßt aber noch etwas anderes. Ich habe von der mühevollen Arbeit gesprochen, die die Gewerkschaftsbewegung bei der demokratischen Neuordnung geleistet hat. Es war einer der wesentlichsten Erfolge, die auch Sie im Interesse der öffentlichen Betriebe nicht bestreiten können, daß durch das einheitlich geltende Gesetz Nr. 22 die den Beamten so oft nachgesagte Mentalität, der Standesdünkel, der Kastengeist zum weitaus größten Teil überwunden werden konnte. Es war damit die Möglichkeit gegeben, daß das Ansehen, das die Leute draußen im öffentlichen Dienst genießen müssen, zum großen Teil wiederhergestellt wurde. Die Beamten, die Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst legen den allergrößten Wert darauf, daß diese Einheitlichkeit auch für die Zukunft gewahrt bleibt. Diese Forderung wird ja nicht nur von der sozialdemokratischen Fraktion oder vom Deutschen Gewerkschaftsbund erhoben. Ich bin im Besitz von Zuschriften, Rundschreiben und Erklärungen von Leuten, die nicht zum Deutschen Gewerkschaftsbund, sondern zum Deutschen Beamtenbund und anderen Verbänden gehören und die gerade diese Einheitlichkeit begrüßen und den größten Wert darauf legen, diese Einheitlichkeit auch für die Zukunft zu erhalten.
Die dritte Frage, die staatspolitische Notwendigkeit für das Zusammengehen und das Zusammenwirken unter einem einheitlichen Gesetz, ergibt sich auch aus verfassungsrechtlichen Gründen. Ich habe bei der Beratung des Treuepflichtgesetzes bereits darauf hingewiesen, daß meine Fraktion mit großer Sorge die Absicht verfolgt — die von seiten der Bundesregierung an den Tag gelegt wird —, die gesamten Arbeiter, Angestellten und Beamten im öffentlichen Dienst unter Staatskontrolle zu stellen und somit ein Sonderrecht für den öffentlichen Dienst zu schaffen. Ich möchte hier nicht noch einmal auf diese Bestimmungen unseres Grundgesetzes hinweisen. Das Bestreben der Regierung ergibt sich aber auch noch aus folgendem. Aus der Tatsache, daß man den Entwurf des Personalvertretungsgesetzes aus den Händen des Bundesarbeitsministeriums genommen und in die Hände des Bundesinnenministeriums gelegt hat,
geht die politische Bedeutung dieses Gesetzentwurfs ganz klar hervor.
Wir wenden uns also aus rein sachlichen Gründen gegen die Nichthineinnahme der Betriebe des öffentlichen Dienstes in dieses Betriebsverfassungsgesetz.
Nun ist im Laufe des heutigen Vormittags in einer Reihe von Hinweisen die Stellung der Gewerkschaften behandelt worden. Mein Kollege Ollenhauer hat in nicht mißzuverstehenden Ausführungen auf das Recht des Deutschen Gewerkschaftsbundes zur Willensäußerung in diesen Dingen hingewiesen. Ich will nicht darauf verweisen,
daß das deutsche Kraftfahrgewerbe und die Vertriebenenorganisationen von dem Mittel der Demonstration,
zur Kundgebung ihres Willens weitestgehend Gebrauch gemacht haben. Ich will keinen Vergleich ziehen; denn wenn ein Vergleich nicht paßt, wird er moniert. Aber bleiben wir einmal bei der augen-
blicklichen Situation — ich bedaure, daß der Herr Bundeskanzler und der Herr Bundesinnenminister nicht anwesend sind —:
andere Organisationen haben in Telegrammen an den Kanzler, in Eingaben an die Abgeordneten und in besonderen Interventionen versucht, ihren Einfluß geltend zu machen. Das erwähnt man, nebenbei bemerkt, nicht!
— „Einzelberatung"? Nun, ich will Ihnen etwas sagen: nehmen Sie sich mal die „Neue Zeitung" aus München! Darin bringt der Deutsche Beamtenbund als Kundgebung seines Bundesvorstandes in München ganz offen zum Ausdruck: Wenn den Forderungen der Gewerkschaften Rechnung getragen wird, dann werden wir die Dienstanweisungen, die Verwaltungsvorschriften in der Anwendung so überspitzen, daß die Durchführung einer Verwaltungsarbeit unmöglich gemacht wird!
(Zuruf rechts: Aha, das paßt Ihnen also
auch nicht!)
Meine Damen und Herren, das ist nach meiner Auffassung — gelinde gesagt — eine Aufforderung zur Sabotage der Dienstleistung.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat während
der gesamten Aktion weder in der Durchführung
noch in der Publizierung solche Kampfmaßnahmen,
3) die unser staatliches Leben und unsere Verwaltung
sehr stark beeinflussen, je in die Debatte geworfen.
— Die Anständigkeit des Deutschen Gewerkschaftsbundes
werden Sie doch wohl nicht in Zweifel ziehen.
Der Antrag, den ich nun hier zu stellen habe, — —
— „endlich", ja! —, der Antrag ist ja nicht erst heute, sondern schon vor zwei Jahren gestellt,
und wenn Sie heute in Zeitnot sind, meine Herren,
ich sage, wenn Sie in Zeitnot sind, — —
— Meine Damen und Herren, wenn Sie in Zeitnot sind, — —
— Die Gewerkschaften auch!
Die Gewerkschaften kämpfen schon seit 80 Jahren um die Gleichberechtigung; dann kommt es uns auf einen Monat mehr oder weniger auch nicht an.
Meine Damen und Herren, Sie werden eines nicht aus der Welt schaffen können: vor der geschichtlichen Entwicklung, vor dem deutschen Volk und vor den schaffenden Menschen in Deutschland tragen Sie die Verantwortung für dieses Gesetz!
Unsere Anträge sollten dazu beitragen, die Differenzen, wenn möglich, zu beseitigen und ein Gesetz zu schaffen, das für alle tragbar war, das aber auch den staatspolitischen Notwendigkeiten Rechnung trägt im Sinne einer anständigen und demokratischen Verwaltung. Ich bitte Sie also, dem von uns gestellten Antrag Ihre Zustimmung zu geben, und zwar den § 1 folgendermaßen zu fassen:
In den Betrieben und Verwaltungen
des privaten und öffentlichen Rechts werden Betriebsräte nach Maßgabe dieses Gesetzes gebildet.
Damit wir aber auch hier volle Klarheit schaffen,