Rede von
Bernhard
Raestrup
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will hier nicht als Rufer im Streit das Wort ergreifen und will nicht auf 'die erregten Auseinandersetzungen, auf die Demonstrationen und die Redensarten, die hier gefallen sind und die Behandlung dieses 'Gesetzes begleitet haben, eingehen. Ich will aber doch auf meinen Standpunkt zurückkommen, den ich heute vor zwei Jahren vertreten habe, als der 'Gesetzentwurf der CDU zur Beratung stand. Der Gesetzentwurf 'der CDU ist nicht aus politischen Gründen eingebracht worden, sondern aus einer ausgesprochen sozialen Einstellung heraus. Auf Grund dieser Einstellung habe ich damals in bejahendem Sinn zu diesem Betriebsverfassungsgesetz Stellung genommen, habe aber gesagt, daß manches mich mit Bedenken erfüllt, nämlich, daß die kleineren Betriebe — seien es Handwerksbetriebe, seien es mittelständische Betriebe — nicht genügend berücksichtigt worden sind. In zweijähriger Ausschußarbeit haben wir uns bemüht, dem Mittelstand und dem Handwerk entgegenzukommen, und ich glaube, das ist uns auch gelungen, namentlich wenn wir noch die letzten Änderungsanträge der CDU berücksichtigen. Wenn jetzt noch weitere Änderungsanträge vorliegen, wollen wir sie 'diskutieren und 'darüber abstimmen; aber ich möchte hoffen, daß diese Anträge, gleichgültig, ob sie angenommen oder abgelehnt werden, nicht 'zur Folge haben, daß daran das Gesetz scheitert. Denn, meine 'Damen und Herren, ich stehe .auf dem Standpunkt, daß das Gesetz unbedingt angenommen werden muß.
Ich verfüge über eine fünfzigjährige Erfahrung als selbständiger Unternehmer und habe manchen 'Strauß auch mit den 'Gewerkschaften ausfechten müssen; aber ich weiß auch, daß heute die Einstellung zwischen den 'Unternehmern und den Arbeitnehmern wesentlich besser geworden ist als gegenüber der Zeit vor 50 Jahren.
Wenn ich heute feststelle, daß der ganze Gesetzentwurf selbstverständlich — das liegt in der Natur der Sache — ein Kompromiß ist, so möchte ich doch eins hinzufügen. Alle Paragraphen sind tote Buchstaben, und mit diesen toten Buchstaben kann Unheil angerichtet werden. Wenn wir aber diese Paragraphen mit echtem sozialen Geist versehen
und mit dem ehrlichen Willen erfüllen, hier zum Ausgleich der Gegensätze innerhalb des Betriebs zu kommen, dann, meine Damen und Herren, glaube ich, daß dieses Gesetz ein wertvoller Fortschritt ist in unseren Bemühungen, zu einer Neuordnung auf sozialem Gebiet 'zu kommen.
Meine Damen und Herren, ich habe das feste Vertrauen zu beiden Vertragspartnern, und ich spreche auch von dieser Stelle aus — und mein Alter berechtigt mich vielleicht dazu — die Bitte und den Wunsch aus, daß, wenn das Gesetz verabschiedet ist und die Wogen der Erregung sich wieder gelegt haben, dann sowohl die Arbeitgeber wie die Arbeitnehmer vorurteilsfrei an diese Paragraphen herantreten, daß sie sie in einer echten sozialen
Gesinnung handhaben und daß dann aus diesem Gesetz etwas Gesundes für den weiteren sozialen Fortschritt im Interesse unseres Volkes und unseres Vaterlandes wird.