Rede von
Artur
Stegner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich einige ganz kurze grundsätzliche Ausführungen mache, und zwar nicht im Namen meiner Fraktion, sondern für mich selbst. Ich darf zunächst sagen, daß ich die Ausführungen des Herrn Kollegen Ollenhauer sehr bedauert habe. Denn in ihrem sachlichen Teil waren sie allenfalls eine Diskussionsgrundlage für das Problem ides überbetrieblichen Mitbestimmungsrechtes. Aber dem innerbetrieblichen Mitbestimmungsrecht haben Sie, Herr Ollenhauer, in seiner künftigen Entwicklung einen sehr schlechten Dienst geleistet. Ich glaube, daß weder die Sozialdemokratie noch wir — jedenfalls ich für meine Person — wünschen, daß dieses Betriebsverfassungsgesetz zur Grundlage eines neuen Klassenkampfes gemacht wird. Wir sollten vielmehr alles tun, den entgegengesetzten Weg zu gehen. Und da bekenne ich mich für meine Person weitgehend zu den Ausführungen, die der Herr Kollege Even gemacht hat. Wenn man schon ein innerbetriebliches Mitbestimmungsrecht haben will — und ich bekenne mich dazu —, dann kann ein solches echtes Mitbestimmungsrecht nur 'auf dem Wege des Miteigentums gegeben werden. Einen anderen logischen Weg gibt es doch überhaupt nicht.
Dann ein zweites, meine Herren von der Sozialdemokratie. Sie betonen immer gerade wieder, die soziale Sicherheit werde für die weitere politische Entwicklung in Deutschland entscheidend sein. Jawohl, sie wird es sein; aber gibt es denn eine andere soziale Sicherheit, als die, daß man dem Menschen, der heute noch sozial unsicher ist, Eigentum gibt?
Es gibt doch kaum andere Möglichkeiten.
Und noch ein weiteres. Herr Kollege Ollenhauer hat hier von der Festigung der Demokratie gesprochen. Ja, nur der Mensch, der in sozialer Sicherheit ein Freiheit seine Entscheidungen fällen kann, ist doch in der Lage, den Grundstein für eine Demokratie zu bilden. Herr Kollege Even hat sich zu diesem Prinzip des Eigentums als Grundlage der sozialen Sicherheit bekannt. Ich frage ihn aber: Warum hat er den Gedanken angeschnitten und nicht zu Ende geführt? Wenn wir uns hier schon zu einem Betriebsverfassungsgesetz bekennen, dann sollten wir uns zu einer Magna Charta einer neuen sozialen Ordnung bekennen. Ich glaube, das wäre der richtige Weg gewesen.
Wenn Herr Kollege Even sagt, dieses Gesetz werde den Weg zum Miteigentum bringen, dann sage ich ihm: er täuscht sich; dieses Gesetz wird den Weg zum Miteigentum verbauen. Und wenn Herr Kollege Even weiterhin sagt, es werde noch ein langer Weg in dieser Richtung zu gehen sein, dann bitte ich ihn und die anderen Kollegen dieses Hauses, einmal die Aufmerksamkeit auf die soziale Entwicklung der übrigen freien Welt zu richten. Dort wird dieser Weg schon lange gegangen.
Herr Kollege Schröder sagte hier, in keinem der umliegenden Länder werde man ein ähnliches Gesetz finden. Sicherlich wird man dort kein solches Gesetz finden; aber nicht, weil die soziale Ordnung
dort schlechter zu werden beginnt als bei uns, sondern weil man in anderen Ländern nicht dazu übergeht, immanente menschliche Beziehungen — wie Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer — durch Gesetze zu regeln.
Wir haben uns in Deutschland langsam an diese Gesetzesmethode gewöhnt, daß keine Lebensregelung ohne Gesetz mehr möglich ist. Wir sollten von diesem Weg abgehen. Es waren gerade wieder Herren von der Sozialdemokratie, die gesagt haben, das, was dieses Gesetz enthält, ließe sich in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen genau so gut regeln. Das ist auch mein Standpunkt. Die Materie läßt sich auf diese Weise sogar noch viel besser regeln. Denn dieses Gesetz hat noch einen anderen großen grundsätzlichen Fehler. Es geht von Erwägungen des Großbetriebes aus; und es wird mir jeder recht geben, der die Wirtschaft kennt, daß die Verhältnisse des Großbetriebes mit etwa 5000 Arbeitern nicht die gleichen sind wie die eines Betriebes mit 500, 50 oder 5 Arbeitern. Das Gesetz sieht aber nur ganz geringe Differenzierungen vor. Hier hätte sich die Regelung über Tarifverträge und über Betriebsvereinbarungen sehr viel elastischer den Betriebsgrößen anpassen können.
Leider verbietet mir die kurze Redezeit, die ich habe, nähere Ausführungen zum Grundsätzlichen zu machen. Ich glaube aber, es sollte unsere Aufgabe sein. bei den großen Anforderungen, die an uns gestellt werden, wirklich daran zu denken, eine erfolgreiche Wirtschaft aufzubauen, die durch einen Arbeitsfrieden und eine Vertrauensbasis
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer fundiert ist. Diese Aufgabe erfüllt das vorliegende Gesetz nach meinem Begriff nicht. Ich werde dem vorliegenden Gesetz meine Zustimmung deshalb nicht geben.