Rede von
Dr.
Anton
Besold
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wohl bei keinem Gesetz hat bei der Abstimmung jeder einzelne Abgeordnete so die Möglichkeit gehabt, seine persönliche Meinung durch die namentliche Abstimmung kundzutun, wie es bei dieser Gesetzesvorlage der Fall war, so daß ich mich auf einige grundsätzliche Äußerungen für die Mehrheit der Fraktion der Föderalistischen Union — Bayernpartei/Zentrum — beschränken kann.
Gestatten Sie, daß ich den Eindruck hier ganz deutlich ausspreche, daß die Politisierung und die propagandistische Überdimensionierung des Kampfes um das Mitbestimmungsrecht — und die heutigen Stunden haben das teilweise auch wieder gezeigt — oft den klaren Blick und die freie, gesunde Entscheidung genommen, zumindest getrübt haben für das, was politisch realisierbar und sachlich zweckmäßig ist. Ich denke nur — und das ist für uns eine Kardinalfrage — an die Bestimmung des S 8, nach der Betriebsräte in den mittelständischen Betrieben bereits von 5 Arbeitnehmern an gefordert werden.
Das Gesetz und die Handhabung des Gesetzes werden in der Zukunft beweisen müssen, ob der aus den modernen und den Nachkriegsverhältnissen erwachsene richtige und notwendige Gedanke des Mitbestimmungsrechts, auf dessen Verwirklichung sich die Arbeiter und Angestellten gerade durch ihren opferbereiten Einsatz beim Wiederaufbau unseres Vaterlandes einen Anspruch erwirkt haben, wegen propogandistischer und parteipolitischer Überforderungen in der Vergangenheit und wahrscheinlich auch in der Zukunft nicht so platt gewälzt wird, daß er seine Tragfähigkeit verliert und die Belastungsprobe der Praxis und des politischen Kapitalschlagens nicht aushält. Es ist sehr die Frage, ob dieser vorliegende Versuch mangels ausreichender praktischer Erfahrung — wobei das Problem noch völlig unausgereift ist und die Besorgnisse der Überbürokratisierung sehr gerechtfertigt sind — nicht eher ein Schritt hach rückwärts als ein Schritt nach vorwärts ist.
Wenn ich von Überbürokratisierung spreche, so erinnere ich mich einer Betriebszeitschrift eines sehr großen Betriebs, der mehrschichtig arbeitet, in der ausgeführt ist, daß für die Wahrnehmung aller Tagungen, Besprechungen — angefangen von den Betriebsversammlungen, von monatlichen Besprechungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, von den Tagungen des Wirtschaftsausschusses bis zu den Aufsichtsräten — in diesem Betrieb auf Grund seiner Vielgestaltigkeit im Jahr 100 Tage bei 300 Arbeitsagen, in Anspruch genommen werden, so daß also in etwa 100 Tagen jeweils etwas los ist. Es ist sehr bezeichnend, was dann noch als Schlußfolgerung in dieser Betriebszeitung angeführt worden ist. Hier steht:
Dies alles sieht verdächtig nach fetter Weide für den von der Bürokratie aufgezäumten Amtsschimmel aus.
Den rein politischen Verfechtern des Mitbestimmungsrechts möchte ich sagen, daß politische und soziale Vorteile der Arbeiterschaft beim betrieblichen Mitbestimmungsrecht, die das Gesetz bringt, durch die Verschärfung politischer und sozialer Reibungsflächen aufgehoben oder vermindert werden können. Insoweit der Versuch gemacht wird, durch das Mitbestimmungsrecht ein Instrument zu "schaffen, um Betriebsentscheidungen zu beeinflussen, und wenn womöglich hierdurch den außerbetrieblichen Faktoren gar die Möglichkeit eröffnet werden soll, eventuell sogar die Produktion im ganzen zu steuern, müßte die Politisierung der Betriebe und damit eine vorwärtsschreitende Umwandlung unserer Wirtschaftsordnung im Sinne eines kollektivistischen Wirtschaftssystems besorgt werden.
Im ganzen möchte ich diesem Gesetz die Hoffnung und den Wunsch mitgeben, daß nicht durch politischen Druck und politische Vorteilssucht neuer Klassenkampf in neuen Formen entsteht, sondern bei kluger und zurückhaltender Fortentwicklung für unsere Arbeitnehmer ein Weg zu wirklichem Arbeitsfrieden durch dieses Gesetz gefunden wird.