Rede von
Johannes
Even
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutigen Beratungen zum Betriebsverfassungsgesetz stehen unter keinem glücklichen Stern. Wir würden es uns leicht machen, wollten wir für diese bedauerliche Tatsache Schuldige suchen oder schuldig sprechen. Jedes Gesetz, das die Interessen der Partner berührt, löst Gegensätze aus; und ein solches weittragendes Gesetz wie das hier zur Beratung stehende muß natürlich bestehende Gegensätze vertiefen. Daß es zu dieser leidenschaftlichen Auseinandersetzung geführt hat, die wir in den letzten Wochen erlebt haben, ist zu bedauern. Wir sollten uns jedoch bemühen, unsere heutigen Verhandlungen von dieser Leidenschaftlichkeit frei zu machen. Wir alle wissen, daß manche Wünsche offenbleiben. Niemand der Beteiligten ist zufrieden, weder die Arbeitnehmer, noch das Handwerk, noch der Mittelstand. Ich glaube, daß das Gesetz in dem gleichen Maße, in dem es den Arbeitnehmern nicht weitgehend genug ist, den Arbeitgebern weit über die Grenzen dessen hinauszugehen scheint, was sie zu gewähren bereit waren.
In dem gleichen Maße, in dem die Forderungen des
einen erfüllt werden, werden natürlich die des anderen geschmälert. Doch es ist falsch, das ganze Gesetz negativ zu beurteilen, denn das Positive dieses Gesetzes ist bei weitem größer als seine Mängel und Fehler.
Versuchen wir doch einmal, das echt Positive dieses Gesetzes zu sehen und dieses als einen weiteren Baustein der Neuordnung unserer Wirtschaft zu werten. So schlecht, wie dieses Gesetz im leidenschaftlichen Kampf der Meinungen dargestellt wurde, ist es keinesfalls. Sein fortschrittlicher und sozialer Geist übertrifft bei weitem seine relativ geringen Lücken und Mängel. Dort, wo der Ausgleich unter allen Umständen gesucht werden muß, werden immer Wünsche offenbleiben. Keineswegs, meine Damen und Herren, haben die Verneiner dieses Gesetzes Anspruch darauf, durch diese ihre Ablehnung als sozial fortschrittlicher zu gelten als jene, die das Gesetz heute bejahen.
Ich erinnere daran, daß vor eineinhalb Jahren durch unsere Initiative, durch unseren vollen Einsatz und unser Ja ein Gesetz für Kohle und Stahl zustande kam, wie es fortschrittlicher in der Welt nicht mehr zu finden ist.
So soll auch dieses Betriebsverfassungsgesetz keineswegs ein Abschluß, keineswegs die Erfüllung der letzten Wünsche und Forderungen bedeuten, sondern wir sehen in seiner Bejahung nur das Erreichen einer weiteren Etappe auf dem Wege zur echten Neuordnung.
Wir alle wissen, daß die Wirtschaft nicht Selbstzweck sein darf, sondern ihrer Menschen wegen wirken muß. Die erste und dringlichste Forderung, die wir an diese Wirtschaft zu stellen haben, ist die der Schaffung von Existenzmöglichkeiten für die Millionen arbeitswilliger und arbeitsfähiger Menschen. Und gerade in unserem übervölkerten Vaterland muß das unser primärstes Anliegen bleiben.
Sichere Existenz ist die zweite Forderung, die der Arbeitnehmer zu stellen hat. Gute und kaufkräftige Löhne, das sind die weiteren berechtigten Wünsche der Arbeitnehmer.
Die Voraussetzungen dieser berechtigten Forderungen für das Leben der Arbeitnehmer sind nur zu erfüllen in einer geordneten, in einer leistungsfähigen, in einer konkurrenzfähigen, modernen und rentablen Wirtschaft. Durch Qualität und Preis müssen wir im In- und Ausland höchste Leistungen erzielen. Hiervon hängen Existenzschaffung und Existenzsicherheit, Lohnhöhe und soziale Leistungen ab. Ja mehr als das, unser Sozialprodukt muß erhöht werden, um allen berechtigten Ansprüchen unseres Volkes gerecht werden zu können.
Der Neuaufbau unserer Wirtschaft und ihre Intensivierung liegen auch im Interesse der arbeitenden Menschen und müssen von diesen bejaht werden. Nicht dagegen bejahen können wir,' daß sich die neugeschaffenen und neu zu schaffenden Kapitalwerte wieder in den Händen weniger hundert Menschen zusammenballen. Notwendige Investierungen sind nur möglich durch Einschränkung oder wenigstens Nichtausdehnung des Konsums. Das darf aber nicht bedeuten, daß der Arbeitnehmer seinen ihm zustehenden Anteil am Sozialprodukt nicht erhält. Das, was er nicht als Konsumlohn er-
halten kann, muß dem Arbeitnehmer in Form von wertbeständigem Miteigentum gewährt werden.
Mitbesitz, Eigentum des Arbeiters, das sind Forderungen, die wir nicht erst in dieser Stunde erheben.
Vor Jahren schon und immer wieder haben wir zum Ausdruck gebracht, daß diese Schaffung von Eigentum für den arbeitenden Menschen ein dringliches Anliegen wirklich sozialer Wirtschaftsordnung ist.
Ich erinnere an die Forderung des Katholikentages in Bochum und der „Sozialen Woche" der evangelischen Kirche; ich erinnere an die Forderung des Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens, Karl Arnold, ,und an die des Kardinals Frings. Aber es ist nicht damit getan, daß wir die Forderung allein erheben — sie ist auch von anderer Seite erhoben worden —, sondern es müßten doch endlich einmal die Anfänge einer solchen Eigentumsordnung gemacht werden, und dies Eigentum ist nicht dadurch geschaffen, daß man dem Arbeitnehmer zu Weihnachten eine kleine oder größere Gratifikation gibt.
Eigentum schaffen für den Arbeiter, — hier liegt die große Aufgabe für die Gewerkschaften und für die Unternehmerverbände. Wollen wir die Millionen Arbeiter gleichberechtigt in unsere Volksgemeinschaft einbauen, so müssen wir ihnen Eigentum schaffen. Gerade für Notzeiten, für Krisen und für das Alter bedarf der arbeitende Mensch des Eigentums. Wir sind nüchtern und real genug, zu wissen, daß diese Eigentumsbildung ein Mühen langer Jahre sein wird. Wir wissen auch, daß hier der Gesetzgeber allein die Lösung nicht finden kann. Wollen wir das vorliegende Betriebsverfassungsgesetz ergänzen, ja wollen wir diesem Gesetz seine eigentliche, richtige Grundlage und Fundamentierung geben, so bemühen wir uns, dem schaffenden Menschen dieses Eigentum zu geben! Erst dieses Miteigentum führt zu einer echten Mitverantwortung und Mitbestimmung.
— Sie meinen ja nicht Mitbestimmung; Sie meinen ja Diktatur!
Wir beschließen hier Paragraphen, die gewiß nicht unwesentlich sind und die einen großen Wert haben; aber, meine Damen und Herren, wichtiger als diese Paragraphen ist gerade bei diesem Gesetz der gute Wille zu einem gegenseitigen Vertrauen,
und wenn dieses Gesetz vom Willen zum gegenseitigen Vertrauen getragen wird, wenn wir bestrebt sind, es weiter auszubauen und zu ergänzen, dann können wir ihm alle unsere Zustimmung geben. Wir sollten heute, am Vortage des 20. Juli, versuchen, das Gemeinsame zu finden.