Rede von
Dr.
Franz-Josef
Wuermeling
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit nicht alte Irreführungen immer wieder neue Nahrung finden, sei zu den letzten Ausführungen kurz folgendes gesagt.
Der Haushaltsplan 1950 schloß ab mit 16,2 Milliarden DM, der Haushaltsplan 1951 mit 21 Milliarden, und der Haushaltsplan 1952 schließt voraussichtlich mit 23,2 Milliarden DM ab. Ganz besonders wichtig bei der Beurteilung dieser Ziffern ist die Tatsache, daß die Erhöhung des Haushaltsvolumens, insbesondere der Einnahmen, nicht entscheidend durch Steuererhöhungen oder Strukturänderungen unseres Steuerwesens bedingt ist, sondern dadurch, daß infolge des Aufstieges unserer Wirtschaft und der Erhöhung der Zahl unserer Beschäftigten
die Einnahmen des Bundes von selbst ganz erheblich gestiegen sind.
Das ist ja das positive Ergebnis der Finanzpolitik der Bundesregierung, daß es möglich war, ungeheuer gesteigerte Ausgaben zu bewältigen, ohne entscheidende zusätzliche Einbrüche in die Steuerkraft der Steuerzahler vornehmen zu müssen; und all diese Thesen, die die KPD so gern verbreitet, als wenn der Verteidigungsbeitrag zusätzliche
Steuern, also Steuererhöhungen erforderlich machte, sind völlig irrig.
Der Herr Finanzminister hat uns kürzlich erklärt: Verteidigungsbeitrag: j a, Inflation: nein, neue Steuern: ebenfalls nein.
Meine Damen und Herren, um diese Dinge noch einmal ganz klar herauszustellen: Die Besatzungskosten würden bei Fortdauer des jetzigen Zustandes und Nichtratifizierung der Verträge etwa 9 Milliarden DM im Jahre 1952/53 erfordern. Hingegen erfordert der Verteidigungsbeitrag nach den getroffenen Vereinbarungen etwa 8,8 Milliarden DM, so daß, wenn man die Dinge etwa nur unter finanziellen Gesichtspunkten betrachten wollte, der Verteidigungsbeitrag immer noch billiger wäre als die Fortsetzung des bisherigen Besatzungskostensystems.
Das muß einmal ganz 'deutlich herausgestellt werden, um eine bewußte Irreführung der Öffentlichkeit zu unterbinden.
Bei dieser Gelegenheit darf ich zur Frage des Verteidigungsbeitrags einmal einen Hinweis auf die Stellungnahme der englischen Trade-Unions, der englischen Gewerkschaftsbewegung, zur Frage des Verteidigungsbeitrags und der englischen Aufrüstung geben. Der Hinweis scheint mir im Augenblick deshalb besonders erwünscht zu sein, weil die SPD es in der letzten Zeit anscheinend für notwendig befunden hat, propagandapolitische Auslandsanleihen bei der englischen Labour-Party für die Neuwahlen zum Deutschen Bundestag aufzunehmen, Die englischen Trade-Unions haben in einem sehr beachtlichen Verantwortungsbewußtsein zur Frage des Verteidigungsbeitrags vor wenigen Wochen in einer Entschließung gesagt, der Verteidigungsbeitrag sei „eine bedauerliche, aber unumgängliche Notwendigkeit". Es heiße nicht zu wählen zwischen Aufrüstung und Lebenshaltung, sondern zwischen Frieden auf der Grundlage menschlicher Freiheit 'und ständiger Angst vor einer Aggression sowie unaufhörlicher weltpolitischer Spannungen. Wir würden es sehr begrüßen, wenn sich die geistigen oder propagandistischen Auslandsanleihen der Opposition auch einmal auf dieses Gebiet bezögen.
Meine Damen und Herren, im übrigen nochmals in aller Klarheit folgendes: Es ist gar kein Gedanke daran, daß der soziale Status in der Bundesrepublik infolge des Verteidigungsbeitrags gegenüber dem jetzigen Stand irgendwie herabgedrückt wird. Im Gegenteil steht nach der Gestaltung der Einnahmen und Ausgaben für ,das kommende Jahr fest, daß wir allein für Sozialausgaben neben den höheren Ausgaben für Besatzungskosten oder den Verteidigungsbeitrag über 600 bis 800 Millionen DM mehr zur Verfügung haben werden als 1951/52.
— Das sind Ziffern, die aus Darlegungen des Herrn Finanzministers ersichtlich sind, dessen Glaubwürdigkeit 'in Zweifel zu ziehen wir unsererseits nach den bisherigen Erfahrungen keine Veranlassung haben.
Wenn wir zum Haushaltsplan überhaupt sonst noch einiges sagen, so möchte ich wegen der Kürze
der Redezeit nur stichwortartig noch folgende drei Punkte herausheben.
Neben der Notwendigkeit, bei allererster Gelegenheit die Versorgungsbezüge der Kriegsopfer und die Renten in der Sozialversicherung zu erhöhen, müssen wir die Notwendigkeit anerkennen, daß für die Bediensteten im öffentlichen Dienst, für die öffentlichen Beamten und Angestellten, nun endlich das geschieht, was erforderlich ist, um sie einigermaßen mit den übrigen Berufsschichten unserer Bevölkerung gleichzustellen.
Weiter liegt uns im besonderen Maß an der Erhöhung des Notstandsfonds, wobei wir vor allem an die westlichen Grenzgebiete denken.
Dann möchten wir mit besonderem Nachdruck herausstellen, daß der Ersatzwohnungsbau für Besatzungsverdrängte, nachdem diese nun viele Jahre aus ihren Wohnungen verdrängt sind, eine besonders wichtige Aufgabe unter ,dem Gesichtspunkt der gerechten Verteilung der Kriegsfolgelasten ist.
Aber nun noch einige wenige allgemeine Bemerkungen wirtschafts- und sozialpolitischer Art, nachdem wir uns auch im vergangenen Jahr bei der endgültigen Verabschiedung des Haushaltsplanes über einige allgemeine Fragen unterhalten haben.
Meine Damen und Herren, im vergangenen Jahre stellten wir mit Bedauern fest, daß auf der Seite der Opposition immer noch von einer „Katastrophenpolitik" der Bundesregierung die Rede war. Wir sind sehr befriedigt darüber, daß unsere Aufklärungsaktionen im Lande inzwischen dazu geführt haben, daß dieses Wort in der Öffentlichkeit eigentlich nicht mehr zu hören ist, da die Bevölkerung der Opposition dieses Schlagwort angesichts der Tatsachen einfach nicht mehr abnimmt. Lassen Sie mich einige wenige Stichworte und schlaglichtartig einige Zahlen anführen, um daran zu prüfen, ob seit dem vergangenen Jahr unser wirtschaftlicher und sozialer Aufstieg weitergegangen ist, oder ob etwa die Thesen, daß es im Hinblick auf die Korea-Verhältnisse, die Welt-Aufrüstung usw. schlechter geworden ist, richtig sind. Sie wissen, daß wir im Jahre 1948 eine durchschnittliche Produktion von 61 % des Jahres 1936 hatten; 1949 waren es 87 %; 1950 110 %; 1951 130 %, und im Mai 1952 erreichten wir den Höchststand von 141 %. Dabei ist festzustellen, daß besonders die Investitionsgüterindustrie, die eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Industrie ist, von 1948 bis 1951 folgende Zahlen aufzuweisen hat: 53 —88 121 und 159, letzteres im Durchschnitt des Jahres 1951. Also der Durchschnitt der Produktion der Investitionsgüterindustrie ist noch wesentlich höher als der Gesamtdurchschnitt der Wirtschaftsproduktion.
Ein Seitenblick auf den Wohnungsbau, eine unserer wichtigsten Aufgaben! Tausend Wohnungen werden jetzt täglich beziehbar, seit Jahren schon, unter Finanzierung durch die Politik und Arbeit unserer Bundesregierung und der Koalitionsparteien, so daß täglich tausend deutsche Familien wieder in ein geordnetes Heim einziehen können.
Bei einem Blick auf den Außenhandel ergibt sich folgendes — es ging ja um den Ausgleich der Handelsbilanz —: Während wir im Jahre 1950 noch einen Fehlbetrag in der Handelsbilanz von 3 Milliarden DM hatten, ist er im Jahre 1951 auf ganze 0,15 Milliarden DM herabgesunken, so daß wir lange vor Beendigung des Marshallplans entgegen allen Erwartungen der Sachverständigen des In- und Auslandes im Jahre 1951 eine fast ausgeglichene Handelsbilanz hatten. Wenn wir nach den letzten Ergebnissen vom Juni 1952, die heute bekanntgeworden sind, feststellen, daß in den ersten sechs Monaten 1951 noch ein Fehlbetrag von 400 Millionen DM in der Handelsbilanz vorlag und in den ersten sechs Monaten 1952 schon ein Oberschuß von 160 Millionen DM in der Handelsbilanz erzielt worden ist, dann haben wir allen Anlaß zu dem Vertrauen, daß wir im Jahre 1952 erstmals seit 1945 wieder mit einer aktiven Handelsbilanz abschließen können.
Meine Damen und Herren, das danken wir
der sonst nicht überall dankbar empfundenen Liberalisierung des Außenhandels unter der Führung des Herrn Bundeswirtschaftsministers, dem wir bei dieser Gelegenheit unseren Dank für seine erfolgreiche Arbeit aussprechen wollen.
Diese Ergebnisse des Außenhandels haben noch ganz andere Konsequenzen, die sich in Tatsachen niederschlagen, die leider in der Bevölkerung viel zu wenig bekannt sind. Weiß man draußen im Lande, daß die Bundesrepublik heute schon wieder über einen Goldbestand von 440 Millionen DM, also fast eine halbe Milliarde DM bei der Bank deutscher Länder verfügt — ein Ergebnis unserer Außenhandelspolitik —?! Weiß man, daß der Devisenbestand der Bundesrepublik heute 2,7 Milliarden DM beträgt, also mehr als das Doppelte des monatlichen Einfuhrbedarfs der Bundesrepublik, so daß wir nahezu schon zu einem normalen Devisenbestand gekommen sind?!
Wenn Sie dazu hören, daß wir Anfang 1951 eine Devisenschuld von 1,9 Milliarden DM hatten und heute ein Devisenguthaben von 2,7 Milliarden DM, dann können Sie daraus ein Herausholen von 4,6 Milliarden DM aus unserer Handelspolitik und unserer Handelsbilanz errechnen, ein Ergebnis, das noch vor ein, zwei Jahren kaum jemand für möglich gehalten hätte.
Das sind einige ganz wenige Zahlen aus dem wirtschaftlichen Sektor. Noch wichtiger erscheint uns — als Auswirkung dieser wirtschaftlichen Maßnahmen — die Entwicklung im sozialen Sektor. Dazu darf ich einen Hinweis auf die Entwicklung der Lebenshaltungskosten im letzten Jahr geben. Im Sommer 1951 stand der Lebenshaltungsindex auf 167, im Mai 1952 auf 173, aber von Mai auf Juni 1952 haben wir erfreulicherweise zum, ersten Mal in nennenswertem Umfang seit Korea eine Senkung der Lebenshaltungskosten von 173 auf 170 zu verzeichnen. Nach der normalen Entwicklung, wie sie im Sommer stattzufinden pflegt, haben wir die Hoffnung, daß sich diese sinkende Tendenz des Lebenshaltungsindex jedenfalls noch im Juli und August fortsetzen wird. Das ist besonders für die Gestaltung der Kaufkraft der breiten Massen unserer Arbeitnehmerschaft und nicht zuletzt der Millionen von Rentnern erfreulich, von denen wir genau wissen, wie sehr sie auf eine Erhöhung ihrer Kaufkraft warten, die natürlich am besten und am günstigsten durch eine Senkung der Lebenshaltungskosten hergestellt wird.
Wenn wir darüber hinaus die Löhne betrachten, dann dürfen wir feststellen, daß die Wochenverdienste der Industriearbeiterschaft, die im Juni 1948 durchschnittlich 40 DM, im Juni 1951 70 DM betrugen, nun im Mai 1952 auf 73 DM angestiegen sind, obschon zwischenzeitig keine nennenswerte Erhöhung des Lebenshaltungsindex eingetreten ist; also obwohl
in allen anderen Ländern noch eine Steigerung der Teuerung ohne entsprechende Lohnerhöhung zu verzeichnen ist, haben wir in der Bundesrepublik erfreulicherweise eine Erhöhung der Kaufkraft der Industriearbeiterschaft zu verzeichnen.
In 'dem Zusammenhang sei eine kurze Widerlegung eines Flugblattes der Opposition gegeben, der diese Tatsachen natürlich nicht in ihr politisches Konzept passen, weil es eben Erfolge der Arbeit der Bundesregierung sind, zu der man in Opposition steht. Gegenüber dieser Steigerung der Kaufkraft ist
von der SPD „festgestellt" worden, daß angeblich über 6 Millionen Deutsche — das wären 21 °/o der Erwerbstätigen — mit weniger als 100 DM Monatseinkommen vegetieren müßten.
Dazu ist folgendes zu sagen: Nach einer Erhebung verdienten 1950 1,6 Millionen — das sind 8,9 % — unter 100 DM im 'Monat. Aber 'dabei handelt e3 sich durchweg um Gelegenheitsarbeiter, um Hilfskräfte, Halbtagearbeiter, Lehrlinge usw., die zum Teil außerdem einen Naturallohn empfangen. Diese Zahlen beweisen also nicht das mindeste gegen die Richtigkeit der im übrigen ja auch vom Deutschen Gewerkschaftshund selbst verbreiteten Lohnziffern, wie ich sie eben nannte.
Um die Zahl dann aber in die Höhe zu bringen, hat man es sich sehr leicht gemacht und einfach Millionen von Rentnern, die gar nicht mehr arbeiten, dieser Zahl der Gelegenheitsarbeiter und Hilfskräfte hinzugezählt,
um auf diese Weise dann die Behauptung aufstellen zu können,
daß über 20 % der Beschäftigten in der Bundesrepublik unter 100 DM verdienten. Diese Brunnenvergiftung muß hier einmal gebrandmarkt werden. Ich würde es begrüßen, wenn sich nicht nur der Deutsche Gewerkschaftsbund, sondern auch die Sozialdemokratische Partei einmal die Mühe machten, in ihrer Propaganda herauszustellen, wie sich die Löhne — aud auch die +Reallöhne — der Industriearbeiterschaft in Wirklichkeit entwickelt haben.
Ein weiteres. Ich sprach schon über die Millionen Rentner. Für sie ist im vergangenen Jahre ein wesentlicher Schritt — gewiß kein ausreichender, wir wissen das — getan worden, indem die durchschnittliche Invalidenrente um 25 % mit einem Mehraufwand von einer Milliarde DM aus Mitteln des Bundeshaushaltsplans erhöht wurde.
— Sie schätzen es nicht, diese Zahlen zu hören, weil sie der restlos überzeugende Beweis für die Unrichtigkeit Ihrer These von dem „unsozialen" Wollen der Bundesregierung sind. Wir werden aber diese Zahlen solange in das Land hinaus
bringen, bis Sie nicht mehr in der Lage sind, Ihre unwahrhaftige Gegenpropaganda aufrechtzuerhalten.
Meine Damen und Herren, meine Redezeit läuft ab.
Nur noch eines. In diesen Tagen haben wir eine neue Zahl über die Beschäftigten in der Bundesrepublik erfahren. Wir können mit Freude feststellen, daß, nachdem die Beschäftigtenzahl im Raum der Bundesrepublik im Jahre 1936 11,2 Millionen betrug, wir jetzt Ende Juni mit 15,16 Millionen zum erstenmal die 15-Millionen-Grenze überschritten haben. Während es also 1936 11,2 Millionen Beschäftigte waren, haben wir heute 15,1 Millionen;
also fast 4 Millionen mehr als im Jahre 1936 und 1,7 Millionen mehr als im Jahre 1948. Diese 1,7 Millionen mehr müssen noch dahin erläutert werden, daß in der Landwirtschaft, in den öffentlichen Diensten und den häuslichen Diensten die Zahl der Beschäftigten um etwa 800 000 abgesunken ist, so daß effektiv im Raum der Wirtschaft nicht nur 1,7 Millionen, sondern 2,5 Millionen neue Arbeitsplätze durch unsere politische Arbeit haben geschaffen werden können.
Das mag uns die Opposition mit ihrer Planwirtschaft erst einmal nachmachen! Unsere soziale Marktwirtschaft hat sich jedenfalls in diesem Sinne bestens bewährt.
Meine Damen und Herren! Meine Redezeit ist abgelaufen; ich will deshalb zum Schluß kommen; ich möchte 'die Debatte auch nicht länger hinziehen, als unbedingt erforderlich ist. — Es scheint uns wichtig zu sein, daß die Tatsachen unserer Entwicklung draußen in der Bevölkerung bekannt werden, und darum erwähne ich diese Dinge. Als wir voriges Mal hierüber sprachen, hatte vorher die Opposition von der „Katastrophenpolitik" gesprochen, und als ich diese Ergebnisse entsprechend dem Stand des Vorjahres dargelegt hatte, da hatte es Herr Kollege Schoettle sehr eilig, den Anteil der SPD an den Auswirkungen unserer „Katastrophenpolitik" für die Opposition zu reklamieren. Wir buchen es sehr erfreut und dankbar, daß man daran mitgewirkt hat, und möchten hoffen, daß man sich auf diesem Wege sogar von der Unrichtigkeit der Planwirtschaft und der Richtigkeit unserer sozialen Marktwirtschaft überzeugt.
Sollte man sich zu sachlicher Opposition nicht entschließen können, dann möchte ich den Überkritikern den Vers zurufen:
Und wenn ihr auch mit euren Reden dareinhaut just als wie mit Flegeln,
ihr macht kein Sternlein heller flimmern, ihr macht kein Röslein röter schimmern, ihr bleibt doch Kritiker nur eben,
die allen nehmen, aber keinem geben.