Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Hause liegt ein Antrag der SPD vor, wonach die Bundesregierung ersucht werden soll, den Besatzungsmächten förmlich mitzuteilen: ,,Bundestag und Bundesregierung erwarten, daß die Regierungen der vier Besatzungsmächte so bald wie möglich in Verhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands durch freie Wahlen eintreten." Ein Sprecher der Partei des Herrn Dr. Adenauer hat hier bekanntgegeben, daß die Koalitionsparteien diesem Antrag zuzustimmen gedenken. Hierzu möchte ich einige Bemerkungen machen.
Erstens. Die kommunistische Fraktion wird dem Antrag der SPD-Fraktion über die Wiedervereinigung Deutschlands durch freie Wahlen ihre Zustimmung geben, weil sie der Auffassung ist, daß nur über Viermächteverhandlungen der Weg zur friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands eröffnet werden kann.
Zweitens. Die kommunistische Fraktion steht jedoch auf dem Standpunkt, daß es nicht genügt, nur unverbindliche Wünsche auszusprechen, wie dies im vorliegenden Antrag geschieht. Sie ist der Meinung, daß es vor allem auch nicht genügt, wie es die Koalitionsparteien tun, nur Lippenbekenntnisse abzulegen, die zu nichts verpflichten. Wer ernsthaft den Erfolg von Viermächteverhandlungen wünscht, der darf nicht Tatsachen schaffen, die eine friedliche Lösung der deutschen Frage verhindern sollen, der darf nicht Tatsachen schaffen, die jeder Verständigung auf lange Zeit einen Riegel vorschieben sollen. Wer einen Erfolg von Viermächteverhandlungen wünscht, muß alle Handlungen unterlassen, die dazu dienen, die Ratifizierung der Kriegsverträge von Bonn und Paris vorzubereiten oder zu erleichtern. Wer den Erfolg von Viermächteverhandlungen wünscht, muß alles unterlassen, was ihre weitere Verzögerung herbeiführen würde, so auch das Verlangen nach Abhaltung von Vorkonferenzen. Wer den Erfolg von Viermächteverhandlungen wünscht, muß sich entschieden dagegen wehren, daß wir in einen militärischen Aufmarsch einbezogen werden, der sich eindeutig gegen eine der vier Mächte richtet, nämlich gegen die Sowjetunion.
Drittens. Viermächteverhandlungen werden nur dann zur Wiederherstellung eines geeinten, freien, unabhängigen und friedlichen Deutschlands führen, wenn sie bindende Vereinbarungen über den baldigen Abschluß eines Friedensvertrags mit Deutschland und den daraus folgenden Abzug aller Besatzungsmächte treffen.
Viertens. Viermächteverhandlungen werden nur dann die Einleitung zur Wiederherstellung der vollen Souveränität des deutschen Volkes sein, wenn zu diesen Verhandlungen eine gesamtdeutsche Vertretung zugezogen wird, die auf der Grundlage der Gleichberechtigung den vier Großmächten gegenüber die Interessen des gesamten deutschen Volkes wahrnimmt.
Fünftens. Es muß festgestellt werden, daß die Politik des Bundeskanzlers mit dem Wunsch nach Durchführung von Viermächteverhandlungen unvereinbar ist.
Der Bundestag müßte deshalb entschieden verurteilen, daß Dr. Adenauer beim amerikanischen Hochkommissar mit der Absicht intervenierte, die Westmächte zu veranlassen, daß sie der Sowjetunion unannehmbare Bedingungen für die Abhaltung von Beratungen stellen.
Die Tatsache, daß die Parteien der Regierungskoalition dem SPD-Antrag zustimmen wollen, schützt sie nicht vor der Feststellung, daß sie diesem Sabotageversuch des Bundeskanzlers an der Abhaltung von Viermächtebesprechungen ihre Zustimmung erteilt haben. Solange die Mehrheit des Bundestages es ablehnt, den Wunsch nach der Durchführung von Viermächteverhandlungen in einer solch präzisen und unmißverständlichen Weise zu formulieren, solange diese Mehrheit nicht klipp und klar erklärt, daß alle weiteren Verhandlungen über die Kriegsverträge von Bonn und Paris sofort eingestellt werden, solange kann niemand glauben, daß die Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag ernstgemeint ist. Dem Wunsche des deutschen Volkes aber entspricht es, daß das unwürdige Doppelspiel beendet und alles getan wird, um auf dem Wege über unverzügliche Viermächteverhandlungen Deutschland die Einheit, den Frieden und die Freiheit zu geben.