Meine Damen und Herren! Bleiben Sie einen Moment hier! Ich will Ihnen etwas sagen.
Ich will Ihnen etwas sagen, bevor ich meine Rede beginne.
Ich möchte Ihnen sagen: Lösen Sie Ihre Spionagezentralen auf!
Fordern Sie nicht Menschen auf, Spionage und Sabotageakte zu begehen. Dann werden Verhaftungen unterbleiben.
Das ist das erste. — Und das zweite ist: Setzen wir Deutschen uns an einen Tisch und verhandeln über freie Wahlen! Dann sind in drei Monaten keine Sektoren- und Zonengrenzen mehr,
dann haben wir ein eigenes deutsches Parlament, und dann hört auch das auf.
Aber das wollen Sie nicht! Deshalb kneifen Sie hier; deshalb wollen Sie hinausgehen. Sie wollen weiter Zwietracht in unser Volk säen.
Meine Damen und Herren, die erste Lesung dieses fast 500 Druckseiten umfassenden Vertragswerks gibt weder den Abgeordneten des Bundestags noch der öffentlichen Meinung die Gelegenheit, alle Einzelheiten dieses Vertrags zu behandeln und die gesamte Tragweite zu erkennen. Darum ist die Aufklärung über dieses Vertragswerk im Volk die erste und größte Aufgabe.
Die Bundesregierung entwickelt zur Ratifizierung eine verdächtige Eile aus zwei Gründen. Erstens fürchtet sie eine gründliche Diskussion über den Inhalt des Generalvertrags, der Zusatzverträge, des Pariser Abkommens und des ergänzenden Schriftwechsels, weil Dr. Adenauer genau weiß, daß das Bekanntwerden des vollen Inhaltes dieser Verträge in der Öffentlichkeit einen Sturm der Entrüstung und Empörung auslösen würde. Auch seine Rede gestern zeigt, daß er beharrlich die Politik der Verschleierung des Inhalts der Verträge fortsetzt. Zweitens möchte der Bundeskanzler mit der Ratifizierung dieser Verträge
Tatsachen schaffen, die die erfolgreiche Durchführung von Viermächte-Besprechungen über die friedliche Lösung der Deutschlandfrage und den Abschluß eines Friedensvertrags mit Deutschland unmöglich machen.
Es ist nicht richtig, daß der Herr Bundeskanzler an dem Erfolg von Viermächte-Besprechungen zweifelt. Es ist vielmehr so — und das wird durch jeden seiner Schritte bestätigt —, daß er den Erfolg solcher Viermächte-Besprechungen fürchtet. Darum verzögert und erschwert er ihr Zustandekommen. Darum wurde — meiner Ansicht nach zu Recht — in der Presse behauptet, daß Dr. Adenauer auch die Absendung der Antwortnote der Westmächte verzögern wollte bis nach der ersten Lesung des Generalvertrags.
Dr. Adenauer fürchtet die Einigung über die Durchführung gesamtdeutscher Wahlen, weil er weiß, daß solche gesamtdeutschen Wahlen nur mit einer Niederlage der Adenauer-Regierung enden könnten.
Er fürchtet Verhandlungen zwischen den vier Großmächten und Deutschland über den Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland, weil damit seine politische Konzeption des Krieges und Bruderkrieges, der — wie der „Rheinische Merkur" schrieb — Befreiung der unerlösten Provinzen, der Neuordnung Europas bis zum Ural usw. usw. nicht befolgt werden könnte.
Der Generalvertrag mit den Zusatzverträgen und dem Pariser Abkommen ist Verrat an der deutschen Nation, und darum müssen die Abgeordneten des Bundestages ihm ihre Zustimmung versagen. Das ergibt sich aus folgenden Tatsachen.
Erstens. Durch den Generalvertrag bleibt nicht nur die Spaltung Deutschlands bestehen, sondern durch ihn wird sie vertieft und wird gleichzeitig der Versuch gemacht, die Spaltung Deutschlands zu verewigen. Ich möchte in dem Zusammenhang darauf hinweisen, daß der Generalvertrag unbefristet und unkündbar ist. Nach Art. 10 können der Generalvertrag und die Zusatzverträge nur im gegenseitigen Einvernehmen in dem Umfang geändert werden, der erforderlich oder ratsam geworden ist. Das bedeutet, daß eine Kündigung dieses Vertrages nicht möglich sein soll, daß der Vertrag unbefristet ist und daß eine Revision des Vertrages unmöglich gemacht ist. Die Spaltung Deutschlands wird gleich mehrere Male im Vertragstext verankert. Schon in der Präambel heißt es:
Daß es das gemeinsame Ziel der Unterzeichnerstaaten ist, die Bundesrepublik Deutschland .... in die europäische Gemeinschaft zu integrieren, die selbst in die sich entwickelnde atlantische Gemeinschaft eingefügt ist.
Es leuchtet jedem ein, daß mit dieser Bedingung eine friedliche Wiedervereinigung Deutschlands unmöglich gemacht werden soll.
In der Präambel heißt es weiter an einer anderen Stelle, daß die Bundesrepublik und die Drei Mächte die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und den Vertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft sowie den Generalvertrag mit den Zusatzverträgen — ich zitiere —
als wesentliche Schritte zur Verwirklichung
ihres gemeinsamen Strebens nach einem
wiedervereinigten Deutschland anerkennen, das in die europäische Gemeinschaft integriert ist.
Dieser Text bestätigt, daß sowohl Dr. Adenauer wie auch die Beauftragten der Drei Mächte ein einheitliches und unabhängiges Deutschland nicht wollen, sondern wie in Korea durch die Befreiung der unerlösten Provinzen die Deutsche Demokratische Republik mit Gewalt an Westdeutschland anschließen und in den Atlantikpakt einbeziehen wollen. Diese Politik steht der Politik der friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands direkt entgegen und soll eine Verständigung der vier Großmächte unmöglich machen.
Mit Recht stellte darum die „Deutsche Zeitung" im April fest:
Die Spaltung Deutschlands ist ein Okkupationsziel. Immer häufiger wird in der Auslandspresse daran erinnert, daß die Trennung Deutschlands Voraussetzung für die Europapolitik der Westmächte sei.
So weit die „Deutsche Zeitung". Man muß jedoch hinzufügen, daß Dr. Adenauer in diesem Punkt wie auch in allen anderen Punkten — das werde ich noch nachweisen — vollständig mit der amerikanischen Politik übereinstimmt und diese in Westdeutschland durchführt.
Der Generalvertrag bedeutet auch den Verzicht der Adenauer-Regierung auf die Zugehörigkeit des Saargebiets zu Deutschland. Art. 7 Abs. 1 bestimmt u. a.: Die Bundesrepublik und die Drei Mächte sind weiterhin darüber einig, daß die endgültige Festlegung der Grenzen Deutschlands bis zu dieser Regelung, d. h. bis zu einer friedensvertraglichen Regelung, aufgeschoben werden muß. Damit anerkennt die Adenauer-Regierung den jetzigen Status an der Saar, die Trennung des Saargebiets von Deutschland und die Bestrebungen, das Saargebiet wirtschaftlich und politisch an Frankreich anzuschließen.
Art. 7 Abs. 2 bindet von vornherein ein Gesamtdeutschland an die Bedingung der Integrierung in die sogenannte Europäische Gemeinschaft, d. h. an die Einbeziehung in den Atlantikpakt, und soll somit die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands unmöglich machen.
Darüber hinaus steht dieser Artikel in Widerspruch zu Geist und Wortlaut des Grundgesetzes, denn nach diesem ist die Ausarbeitung einer deutschen Verfassung der Nationalversammlung überlassen. Es heißt in Art. 146 des Grundgesetzes:
Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.
Eine Nationalversammlung ist aber souverän, während hier von vornherein Auflagen über Charakter und Inhalt einer künftigen deutschen Verfassung gemacht werden. Man muß darum die Unterschrift Dr. Adenauers unter den Generalvertrag auch als den Versuch des Verfassungsbruchs kennzeichnen.
Aber auch Art. 7 Abs. 3 wurde geschaffen, um von vornherein nicht nur ein Gesamtdeutschland zu binden, sondern um darüber hinaus auch jeder westdeutschen Regierung jede Initiative für die Schaffung eines einheitlichen und unabhängigen Deutschlands zu nehmen. Es heißt dort wörtlich:
Soweit nicht alle Unterzeichnerstaaten ihre
gemeinsame Zustimmung erteilen, wird die
Bundesrepublik kein Abkommen abschließen noch einer Abmachung beitreten, welche
die Rechte der Drei Mächte auf Grund der genannten Verträge beeinträchtigen oder die
Verpflichtungen der Bundesrepublik auf
Grund dieser Verträge mindern würde.
Wer einen solchen Passus unterschreibt, kann keine deutsche Politik durchführen. Herr Dr. Adenauer hat damit unterschrieben, daß er nichts unternehmen wird, wozu nicht die gemeinsame Zustimmung aller Unterzeichnerstaaten vorliegt. Das heißt, daß er nicht deutsche, sondern amerikanische Politik in Westdeutschland betreibt.
Das wird jetzt auch bestätigt durch die Vorgänge um die Viererkonferenz. Bekanntlich hat die Regierung der UdSSR nicht nur die Grundsätze eines Friedensvertrages mit Deutschland veröffentlicht, sondern sich auch bereit erklärt, über jeden anderen Vorschlag zu verhandeln. Sie hat weiterhin vorgeschlagen, daß an der Ausarbeitung eines Friedensvertrages eine gesamtdeutsche Vertretung beteiligt sein soll, und den Vorschlag gemacht, daß die vier Mächte sich unmittelbar zusammensetzen sollen, um über die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands zu verhandeln. Es ist allgemein bekannt, daß die französische und englische Regierung zu solchen Viererverhandlungen bereit waren, während die Regierung der USA mit allen Mitteln das Zustandekommen von Viererbesprechungen verhindern will. Die Erfordernisse einer deutschen Politik machen die Einigung der vier Großmächte über die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands notwendig. Ein deutscher Politiker kann solche Viererbesprechungen nur begrüßen und
gleichzeitig
muß gleichzeitig alles tun, daß sie zustandekommen und daß eine gesamtdeutsche Vertretung an den Verhandlungen über die friedliche Lösung des deutschen Problems teilnimmt. Herr Dr. Adenauer hat also nicht im deutschen, sondern im amerikanischen Interesse gehandelt, als er seinen Vorstoß zur Verzögerung und Erschwerung der Viererkonferenz vorige Tage unternahm.
Daß die Bindung Westdeutschlands durch den Generalvertrag und das Pariser Abkommen eine absolute sein soll, wird außer durch den Art. 7 noch besonders erhärtet durch die sogenannte Garantieerklärung der Drei Mächte, die nichts anderes enthält als eine Sanktionsandrohung, die einseitig gegen den Austritt Westdeutschlands gerichtet ist. Es heißt dort wörtlich:
Wenn daher irgendeine Maßnahme von irgendeiner Seite die Integrität oder Einheit dieser Gemeinschaft bedroht, werden die beiden Regierungen dies als eine Bedrohung ihrer eigenen Sicherheit ansehen. Sie werden gemäß Art. 4 des Nordatlantikpakts handeln.
Wenn nun Dr. Schumacher erklärte, daß eine sozialdemokratische Regierung die Revision dieser Verträge anstreben würde, so bedeutet eine solche Erklärung nur die Abschwächung der mit dem Generalvertrag verbundenen Gefahren. Es wird in der Bevölkerung damit der Eindruck erweckt, als ob die Ratifizierung des Generalvertrages doch nicht mit so furchtbaren Gefahren verbunden sei, da eine sozialdemokratische Regierung oder eine andere westdeutsche Regierung die Möglichkeit der Revision dieser Verträge habe. Sowohl Art. 7 Abs. 3 als auch die Garantieerklärung zeigen
eindeutig, daß es keine Revisionsmöglichkeit im Rahmen des Vertrages gibt und daß auch Art. 10 des Generalvertrages die vagen Möglichkeiten einer Revision an solche Bedingungen knüpft, die sie praktisch unmöglich machen. Es kommt nicht darauf an, heute Illusionen über eine Revision zu schaffen, für die in diesen Verträgen keine Grundlage vorhanden ist, sondern darauf, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln die Ratifizierung dieses schändlichen Vertragswerkes zu verhindern.
Es kommt darauf an, nicht nur nein zu sagen, sondern, wie es auf allen Konferenzen die Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei verlangen, außerparlamentarische Aktionen durchzuführen, um die Ratifizierung dieses Dokuments der nationalen Schande zu verhindern.
Was ein Nein zu den Verträgen oder Verhandlungen mit Dr. Adenauer für einen Sinn haben soll, zeigen die Verhandlungen der Führer des DGB mit Dr. Adenauer und den Vertretern der Regierungskoalition. Was ist das Ergebnis? Das Ergebnis ist, daß am Mittwoch kommender Woche das Betriebsverfassungsgesetz im Parlament durchgepeitscht werden soll. Die Arbeiter und Angestellten aber werden am Dienstag und Mittwoch millionenfach erneut ihre Bereitschaft durch Streik und Demonstrationen kundtun, daß sie kämpfen um ihre Freiheit, daß sie kämpfen werden, daß in den Betrieben nicht der Herr-im-Hause-Standpunkt der Unternehmer durchgesetzt wird. Dieses Betriebsverfassungsgesetz, das in Wirklichkeit ein Antigewerkschaftsgesetz ist, muß zu Fall gebracht
werden.
Die Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands verfolgt das Ziel, a) Westdeutschland als Aufmarschgebiet der Truppen zu erhalten und b) die Schaffung eines gesamtdeutschen Partners, also einer deutschen Regierung, für den Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland unmöglich zu machen.
Die zweite Grundtatsache, die den antideutschen und volksfeindlichen Charakter des Generalvertrages mit seinen Zusatzverträgen beweist, ist, daß dieser Vertrag gerade geschaffen wurde, um den Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland zu erschweren, j a unmöglich zu machen. Zwar wird in Art. 7 Abs. 1 erklärt, daß ein wesentliches Ziel ihrer gemeinsamen Politik eine zwischen Deutschland und seinen ehemaligen Gegnern frei vereinbarte friedensvertragliche Regelung für ganz Deutschland ist. Der irreführende Charakter dieses Passus wird durch die in Art. 2 enthaltenen Vorbehaltsrechte der Besatzungsmächte klar. Die Drei Mächte behalten sich dort die bisher von ihnen ausgeübten oder innegehabten Rechte vor in bezug auf die Stationierung von Streitkräften in Deutschland und den Schutz von deren Sicherheit für Berlin und Deutschland als Ganzes einschließlich der Wiedervereinigung Deutschlands und einer friedensvertraglichen Regelung. Nach diesen Punkten werden dem deutschen Volke die wichtigsten Souveränitätsrechte genommen, das Recht der Bestimmung über seine Hauptstadt, über die nationale Einheit und das im Potsdamer Abkommen enthaltene Recht auf den Abschluß eines Friedensvertrages. Darüber hinaus enthält dieser Artikel eine ähnliche Bindung jeder westdeutschen Regierung wie der Art. 7 mit dem Ziel, die westdeutsche Regierung faktisch zu einem Ausführungsorgan der amerikanischen Politik zu machen. Der Art. 2 Abs. 2 lautet:
Die Bundesrepublik wird sich ihrerseits jeder Maßnahme enthalten, welche diese Rechte beeinträchtigt, und wird mit den Drei Mächten zusammenwirken, um ihnen die Ausübung dieser Rechte zu erleichtern.
Dieser Artikel verbietet also nicht nur jede eigene Initiative in der Richtung der Wiedervereinigung Deutschlands, der Einheit der deutschen Hauptstadt Berlin und des Abschlusses eines Friedensvertrages, sondern verpflichtet darüber hinaus die westdeutsche Regierung, jede Maßnahme zu unterlassen, die die Rechte der Besatzungsmächte beeinträchtigen könnte, und macht sie in diesen Grundfragen zu einem bloßen Werkzeug fremder Interessen. Darum hat Dr. Adenauer auch jede Verständigung mit der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik über die Wahl einer Nationalversammlung abgelehnt und läßt er durch seinen Polizeiminister alle Deutschen verfolgen, die aktiv für die Verständigung der Deutschen zur Wahl einer Nationalversammlung eintreten.
Drittens ergibt sich der Charakter dieses Generalvertrages aus dem in ihm enthaltenen Verzicht auf das Selbstbestimmungsrecht unseres Volkes, auf seine nationale Unabhängigkeit und Gleichberechtigung. Dr. Adenauer versucht immer wieder, in seinen Interviews und Reden den Generalvertrag schmackhaft zu machen, da er angeblich dem deutschen Volk die Souveränität und die Gleichberechtigung zurückgebe. In Wirklichkeit enthält jeder einzelne Artikel dieser Verträge den Verzicht auf souveräne Rechte unseres Volkes. Schon Art. 3 Abs. 1 bindet die Politik der Bundesregierung mit den Worten:
Die Bundesrepublik wird ihre Politik in Einklang ... mit den im Statut des Europarates aufgestellten Zielen halten.
Ebenso Art. 3 Abs. 2:
Die Bundesrepublik — heißt es —
bekräftigt ihre Absicht, sich durch ihre Mitgliedschaft in internationalen Organisationen,
die zur Erreichung der gemeinsamen Ziele
der freien Welt beitragen, mit der Gemeinschaft der freien Nationen völlig zu verbinden. In diesen Absätzen wird also die Politik der Bundesrepublik einseitig festgelegt und sie verpflichtet, den amerikanisch gelenkten Organisationen beizutreten und ihre Politik von amerikanischen Interessen bestimmen zu lassen. Das enthüllt den heuchlerischen Charakter solcher Erklärungen und Einwände, wie sie gegen den sowjetischen Entwurf der Grundsätze eines Friedensvertrages mit Deutschland vorgebracht wurden. In diesen Grundsätzen der Sowjetunion war als Vorschlag enthalten, daß Deutschland keine militärischen Bindungen eingehen soll, die sich gegen einen früheren Kriegsgegner richten. Dr. Adenauer erklärte dazu, man dürfe in keiner Weise die Handlungsfähigkeit einer gesamtdeutschen Regierung einschränken. Die Absätze 1 und 2 des Art. 3 des Generalvertrags, der die Unterschrift Dr. Adenauers trägt, enthalten aber einseitige Bindungen der westdeutschen Regierung an die amerikanische Politik und nehmen damit der westdeutschen Regierung künftig jede Handlungsfreiheit.
Das Pariser Abkommen über die Bildung der Europaarmee sowie die Zusatzverträge, besonders
der Zusatzvertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder sowie der Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen rauben dem deutschen Volke wesentliche Souveränitätsrechte. Fast alle Bestimmungen dieser Verträge unterwerfen das deutsche Volk einer nationalen Versklavung. Sie schaffen der Besatzung zahlreiche Privilegien und Vorrechte, die im einzelnen festgelegt sind, von der Steuer- und Zollfreiheit bis zum Jagd-und Fischereirecht, von der Beschränkung der deutschen Gerichtshoheit bis zur Polizei- und Gerichtsbefugnis der Besatzungsstreitkräfte gegenüber Deutschland. Dieser Teil bestätigt mit aller Deutlichkeit, daß die Besatzungsmächte in Westdeutschland wie in einem Kolonialland regieren wollen.
Zum vierten. Das Besatzungsregime bleibt aufrechterhalten. Daran ändert auch nichts, daß sich die Hohen Kommissare künftig Botschafter nennen werden. Die Tatsache, daß im übrigen die amerikanische Botschaft nicht weniger als 4700 Mann Botschaftspersonal haben soll, beweist schon, daß es sich in Wirklichkeit nicht um eine Botschaft, sondern um ein Kontroll- und Regierungsorgan handeln wird.
Der Anspruch des deutschen Volkes auf Abzug aller Besatzungstruppen als Ergebnis eines Friedensvertrags mit Deutschland wird durch die imperialistischen Westmächte im Bündnis mit Adenauer verweigert. Ausdrücklich behalten sich die Drei Mächte, die innegehabten Rechte in bezug auf die Stationierung von Streitkräften in Westdeutschland und den Schutz von deren Sicherheit vor. Dieses Recht ist ebenso wie der Generalvertrag in der Zeitdauer unbegrenzt. Die Bundesregierung verpflichtet sich darüber hinaus, nach Maßgabe dieses Vertrages und der Zusatzverträge in vollem Umfang mitzuwirken, um diesen Streitkräften ihre Aufgaben zu erleichtern. Nach dem Generalvertrag haben die Besatzungsmächte jederzeit die Möglichkeit, die Militärdiktatur zu errichten und mit der Erklärung des Notstandes faktisch den Belagerungszustand zu verhängen.
Art. 5 Abs. 2 gibt den Besatzungsmächten das Recht, den Notstand zu erklären u. a. bei einer umstürzlerischen Störung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, weiter bei einer schweren Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder bei dem ernstlich drohenden Eintritt eines dieser Ereignisse, wenn nach Auffassung der Drei Mächte die Sicherheit ihrer Streitkräfte gefährdet ist. Die Erklärung des Notstandes liegt also völlig im eigenen Ermessen der Besatzungsstreitkräfte.
Wie mit dieser Drohung die demokratischen Rechte des Volkes und der demokratischen Organisationen — wie z. B. der Gewerkschaften — eingeschränkt werden sollen, zeigt sehr deutlich das kriegshetzerische Blatt „Der Tagesspiegel" vom 12. Februar 1952. Er schreibt wörtlich:
Die Aufforderung zum Generalstreik wird man mit Gelassenheit zur Kenntnis nehmen; denn die Gewerkschaftler werden sehr sorgfältig zu erwägen haben, ob sie es riskieren können, zu einem Streik aufzurufen, der automatisch das Wiederaufleben der Militärregierungen mit allen Konsequenzen zur Folge haben wird.
Die reaktionären Kräfte in Westdeutschland, die hinter dem „Tagesspiegel" stehen, sind also an diesem volksfeindlichen Vertrag, der die nationale Knechtung der Bevölkerung Westdeutschlands enthält, interessiert, weil sie ihre Herrschaft über das eigene Volk auf den Spitzen amerikanischer Bajonette aufrechterhalten wollen.
Die ganze sogenannte Gleichberechtigung Dr. Adenauers aber reduziert sich in dem Art. 5 auf das Recht, konsultiert zu werden. Dagegen heißt es im Art. 5 Abs. 5:
Sie
— d. h. die Drei Mächte —
werden sich im gleichen Ausmaß der Unterstützung der Bundesregierung und der zuständigen deutschen Behörden bedienen.
Dieser Absatz charakterisiert richtig das Verhältnis der Adenauer-Regierung und der westdeutschen
Staatsorgane zu den amerikanischen Okkupanten.
Die amerikanischen Generäle werden sich der westdeutschen Regierung „bedienen"; besser kann dieses Verhältnis nicht zum Ausdruck gebracht werden. Ich kann Herrn Adenauer zu dieser offenherzigen Beurteilung seiner Stellung, die er mit seiner Unterschrift versehen hat, nur beglückwünschen.
Das wird aber auch über die Person Dr. Adenauers in der Bevölkerung Klarheit schaffen.
Nach Abs. 7 des Art. 5 kann sogar jeder Truppenkommandant der Drei Mächte nach Belieben das Standrecht verhängen und mit Waffengewalt gegen die Bevölkerung vorgehen. Ich möchte hier mit aller Deutlichkeit feststellen, daß die Notstandsklausel in Verbindung mit einigen anderen Artikeln des Generalvertrags, beispielsweise Art. 2 und Art. 7 und den Zusatzverträgen, Westdeutschland zu einem Protektorat der Amerikaner macht.
Im Generalvertrag und in den Zusatzverträgen sichern sich die Drei Mächte, insbesondere aber die USA, entscheidende wirtschaftliche Vorteile. So bestimmt z. B. der Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen im Sechsten Teil, Art. 3 Abs. 1:
Die Bundesrepublik wird in Zukunft keine Einwendungen gegen die Maßnahmen erheben, die gegen das deutsche Auslands- oder sonstige Vermögen durchgeführt worden sind oder werden sollen, das beschlagnahmt worden ist für Zwecke der Reparation oder Restitution oder auf Grund des Kriegszustandes oder auf Grund von Abkommen, die die Drei Mächte mit anderen alliierten Staaten, neutralen Staaten oder ehemaligen Bundesgenossen Deutschlands geschlossen haben oder schließen werden.
Nach diesem Passus verpflichtet sich die Bundesregierung also nicht nur, gegen vergangenes Unrecht nicht zu protestieren, sondern darüber hinaus auch, Absichten gutzuheißen, die sie im einzelnen noch nicht kennt oder noch nicht kennen kann. Dr. Adenauer gibt also mit seiner Unterschrift eine generelle Bindung, alles hinzunehmen, was die Drei Mächte in dieser Frage noch unternehmen werden. Er erkennt die Beschlagnahme des deutschen Auslandsvermögens, der deutschen Warenzeichen und Patente an und verpflichtet sich,
Ansprüche und Klagen gegen solche Maßnahmen der Drei Mächte nicht zuzulassen.
Dieser Zusatzvertrag gibt darüber hinaus den ausländischen Kapitalisten wirtschaftliche Vorteile in der Art, daß sich die Bundesregierung verpflichtet, Entschädigungen für ihr im Bundesgebiet gelegenes Eigentum zu zahlen, während dieselben gleichzeitig aber von allen Abgaben, Sondersteuern und Auflagen befreit werden, die zum Zwecke der Deckung von Kriegslasten erhoben werden. So werden sie nach diesem Zusatzvertrag auch bis zum Jahre 1955 von der Soforthilfeabgabe und der Vermögensabgabe im Rahmen des Lastenausgleichs befreit.
Dieselben Bestimmungen sichern vor allem den amerikanischen Monopolen, wie General Motors, Ford, Stinnes usw. entscheidende Vorteile. Es ist mir unmöglich, auf alle Beschränkungen hier im einzelnen einzugehen sowie auf die Vorteile, die den ausländischen Finanzherren durch die Sonderbestimmungen über die Entflechtung, über die Behandlung des IG-Farbenkomplexes usw. erwachsen. Es muß aber gesagt werden, daß auf Grund der Bestimmungen des Zusatzvertrages den ausländischen Kapitalisten entscheidende Vorrechte gesichert sind und die fremden Eingriffe in die deutsche Wirtschaft aufrechterhalten bleiben.
Diese Bestimmungen und die im Finanzvertrag enthaltene Verpflichtung über die Zahlung der Besatzungskosten, der Kosten für die Söldnerverbände, die Verpflichtung der Bunderegierung, eine Reihe der Schäden, die durch die Anwesenheit der Besatzungstruppen verursacht wurden, zu tragen, die Bestimmung über die kostenlose Benutzung öffentlicher Einrichtungen usw. usw. bringen der
westdeutschen Bevölkerung zunehmende Belastungen und müssen zu weiteren Steuerlasten und Einschränkungen der sozialen Aufwendungen führen. Der Generalvertrag beinhaltet damit für die werktätige Bevölkerung auch wachsende Ausbeutung, sinkenden Lebensstandard, kurzum weitere Verschlechterung ihrer sozialen Lage.
Zum fünften dient der Generalvertrag der Zurverfügungstellung Westdeutschlands als Aufmarschgebiet und als Kriegsschauplatz und seiner Menschen als Söldner für fremde Interessen. Nach dem EVG-Vertrag entscheiden ausschließlich die Besatzungsmächte über die Stationierung, Anzahl und Standortverteilung der Besatzungstruppen. Die Bundesregierung verpflichtet sich, unter Anwendung von Nazigesetzen den Besatzungstruppen Ländereien usw. zur Verfügung zu stellen. Sie verpflichtet sich, geeignete zivile Arbeitskräfte zu vermitteln. Kurzum: nach dem Generalvertrag und dem Vertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder wird Westdeutschland zu einem einzigen Manöverfeld und Aufmarschgebiet.
Mehr noch: durch ein besonderes Abkommen gemäß Art, 107 des Pariser Vertrages wird der größte Teil Westdeutschlands als strategisch gefährdetes Gebiet bestimmt, östlich einer in diesem Abkommen festgelegten Linie, die im wesentlichen längs des Nieder- und Mittelrheins verläuft und bis zur Ostspitze des Bodensees reicht. Diese Linie wurde bereits treffend als die „Pulverlinie" bezeichnet. Infolge dieser Linie wird unsere Heimat von vornherein als Gebiet der toten Zone behandelt, in dem im Kriegsfalle nach der Methode der verbrannten Erde alles Leben ausgelöscht werden soll.
Entgegen den Bestimmungen des Genfer Abkommens über die Landkriegführung hat Dr. Adenauer Abmachungen über die Produktion von chemischen, bakteriologischen und Atomwaffen getroffen,
die im Falle eines Krieges Anwendung finden sollen.
Die deutschen Söldnerverbände sollen nach einer Forderung von Dr. Adenauer damit ausgerüstet werden.
Im Pariser Abkommen, dem sogenannten EVGVertrag, ist die Anzahl und Bewaffnung sowie die Organisation der westdeutschen Söldnerverbände festgelegt. Ebenso ist festgelegt, daß die Mindestdienstzeit eineinhalb Jahre beträgt und daß die westdeutsche Jugend durch die allgemeine Wehrpflicht in diese militärischen Verbände gezwungen wird. Der EVG-Vertrag koppelt Westdeutschland an den Atlantikpakt. Der faktische Oberkommandierende dieser Streitkräfte ist der Oberbefehlshaber, der bekannte General Ridgway aus Korea.
Es wurde in der westdeutschen Presse behauptet, daß die westdeutschen Truppenverbände nur in den europäischen Gebieten der dem EVG-Vertrag angeschlossenen Staaten stationiert werden dürfen. Das entspricht jedoch nicht den Tatsachen. § 2 a des Art. 120 bestimmt, daß Verbände der europäischen Verteidigungsstreitkräfte mit Zustimmung des Oberbefehlshabers der Nordatlantikpaktorganisation auch in andere Gebiete verlegt werden können. In § 2 dieses Artikels wird bestimmt, daß Schulen, Einrichtungen und Ausbildungsstätten auch in Afrika liegen können. In § 3 wird bestimmt, daß diese Verbände faktisch in jedem Teil der Erde, d. h. auch in Korea und Vietnam, eingesetzt werden können.
Nach Art. 12 des EVG-Vertrags wird es möglich gemacht, daß Einheiten dieser Streitkräfte bei bestehenden und drohenden Unruhen eingesetzt werden können. Das bedeutet, daß die westdeutsche Jugend in Frankreich, in Italien und anderen Ländern gegen die dortige Bevölkerung, gegen streikende Arbeiter usw. eingesetzt werden kann, womit der Name der deutschen Nation aufs neue beschmutzt würde. Ebenso macht dieser Vertrag den Einsatz fremder Truppen gegen die westdeutsche Bevölkerung, gegen Arbeiter und Bürger möglich.
Weder der Bundestag noch irgendein westdeutsches Regierungsorgan wird unmittelbaren Einfluß auf den Charakter der Armee, auf den Einsatz der Truppen, auf die Art ihrer Ausbildung und Bewaffnung oder sonst eine irgendwie entscheidende Frage ihrer Organisation haben. Alle entscheidenden Fragen werden durch ein Kommissariat aus neun Personen, die weder ihren Regierungen noch Parlamenten verantwortlich sind, entschieden, darunter auch die Berufung und Beförderung der höheren Offiziere, wobei die höchste Instanz faktisch — das möchte ich noch einmal betonen — der amerikanische Oberbefehlshaber der Atlantikpaktstreitkräfte ist.
Es hat noch nie in der Geschichte eine Armee gegeben, die so von ihrem Volke losgelöst war wie diese Armee, die nach dem EVG-Vertrag aufgestellt
werden soll. Man kann die Stellung der jungen Deutschen, die in diese Armee gezwungen werden sollen, nur vergleichen mit den in der deutschen Geschichte von deutschen Fürsten verkauften jungen Hessen oder mit dem in den verschiedensten Fremdenlegionen dienenden Soldaten. Der Status dieser Armee ist der Status einer Fremdenlegion, die letzten Endes gegen die Interessen unseres Volkes für fremde Interessen, für die Interessen amerikanischer Kriegsabenteurer ihr Blut vergießen soll. Das deutsche Volk hat aber kein Interesse mehr daran, Sturmbock im Krieg für fremde Interessen zu sein. Es weiß zu sehr aus Erfahrung, daß der Krieg ihm nur grenzenlose Not und namenloses Leid bringen kann. Es weiß, daß ein neuer Krieg die Vernichtung Westdeutschlands zur Folge haben würde.
Es gibt für das deutsche Volk nur einen Weg, der ihm das Leben als selbständige und freie Nation garantiert: das ist der Weg der friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands, der Weg des Abschlusses eines Friedensvertrags mit Deutschland und des Abzugs aller Besatzungstruppen.
Es gibt eine reale Möglichkeit, diesen Weg zu beschreiten, da die Sowjetunion das Angebot eines Friedensvertrages mit Deutschland nach den Grundsätzen, die die Wiederherstellung der deutschen Souveränität und Deutschlands als einheitlichen und unabhängigen Staates sichern, gemacht, da die Sowjetunion die sofortige Aufnahme von Viererbesprechungen vorgeschlagen hat und auch die Regierungen Englands und Frankreichs unter dem Druck der öffentlichen Meinung ihrer Länder für eine zustimmende Antwort zur Viererbesprechung bereit waren. Es gibt nur eine Macht, die Viererbesprechungen nicht wünscht — es sind die USA —, weil sie fürchtet, damit Westdeutschland als Aufmarschbasis und als Basis ihrer Herrschaft in Europa zu verlieren.
Es gibt einen westdeutschen Politiker, der dieser Macht dabei Zubringerdienste leistet; das ist, wie sich in den letzten Wochen wieder eindeutig gezeigt hat, Dr. Adenauer.
Der Bundestag kann seiner nationalen Pflicht nur gerecht werden, wenn er das Ansinnen, diese Schandverträge zu ratifizieren, zurückweist. Die westdeutsche Bevölkerung kann ihre Lebensinteressen nur dann erfolgreich verteidigen, wenn sie durch aktives Handeln die antinationale Regierung zum Rücktritt zwingt. Das deutsche Volk in unserer Heimat ist gegen diese Schandverträge. Das hat die Volksbefragung bewiesen und beweist die Volksentscheidung, die jetzt durchgeführt wird. Das deutsche Volk wird keinerlei Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen ergeben, übernehmen. Das ganze deutsche Volk muß heute durch durch den Volksentscheid, durch Streiks und Demonstrationen selbst entscheiden. Das Urteil über die Abgeordneten und Parteien wird von der Geschichte und wird von unserem Volke heute nicht nur nach Worten und Reden gefällt, sondern entscheidend dafür sind allein Handlungen und Taten.
Es gibt heute nur einen Weg: den Zusammenschluß aller Kräfte des deutschen Volkes gegen die Ratifizierung und Durchführung des Generalvertrags, für die friedliche Wiedervereinigung
Deutschlands und den Abschluß eines Friedensvertrags. Nur dieser Zusammenschluß und der Kampf um dieses Ziel kann der verhängnisvollen Entwicklung in Westdeutschland Einhalt gebieten und unsere Nation zu einem Leben in Einheit, Frieden und Freiheit führen.