Rede von
Herbert
Kriedemann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst den Herren aus den Regierungsparteien anschließen, die schon bedauert haben, daß wir auch in diesem Jahre wieder das zweifellos sehr wichtige Gesetz über die Getreidepreise — es regelt j a nicht nur die Getreidepreise, sondern sehr viel mehr — im letzten Augenblick behandeln. Ich bedaure nur, daß den Herren aus den Regierungsparteien auch nicht mehr einfällt als mir, nämlich das Bedauern hier auszusprechen. Ich habe mir immer vorgestellt, daß die Regierungsparteien sogar imstande wären, eine Änderung dieses Zustandes herbeizuführen, den sie nicht nur zu beklagen brauchen. Sie sind dafür ja auch direkt verantwortlich; denn Regierung und Regierungsparteien sind doch wohl ein und dasselbe.
— Na, das hört man auch ganz gern, wenn Sie sich davon absetzen!
Aber, meine Damen und Herren, zu dem, was hier verhandelt wird. Ich bin Herrn Horlacher dankbar dafür, daß er deutlich ausgesprochen hat: So ist unsere Vorratslage nun auch wieder nicht, daß wir in der Richtung gar keine Sorgen mehr zu haben brauchen. Wenn wir von einem Vorrat ) reden wollen — insbesondere wenn wir die besonderen Berliner Verhältnisse dabei noch im Auge haben —, der wirklich eine gute Grundlage für den Fall einer ernsthaften Bedrohung unserer Zufuhren usw. sein könnte, dann müßte man sich schon noch erheblich mehr anstrengen; d. h. ich stimme Ihnen zu, Herr Horlacher: dann müßte sich die Regierung da noch erheblich mehr anstrengen.
Sie beklagen, daß es hier nicht eine Agrarpolitik gibt. Wir haben auch im Ausschuß oft von Ihnen die Klagen darüber gehört, daß so viele Leute in der Agrarpolitik etwas zu sagen haben, sogar die Bank deutscher Länder. Kollege Horlacher, wenn es hier in diesem Hause wirklich eine Agrarpolitik gäbe und nicht nur só agrarpolitische Forderungen, wenn es in diesem Hause eine Agrarpolitik gäbe, die sich gegenüber anderen wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten durchsetzen würde und ein echter Bestandteil der Gesamtwirtschaftspolitik wäre, dann gäbe es eben nur eine Agrarpolitik, und alle anderen Institutionen hätten sich damit abzufinden. Aber von diesem Zustand sind wir noch weit entfernt, und ich habe auch den Eindruck, daß mit dem Gesetz, das jetzt verabschiedet werden soll, kein Schritt in dieser Richtung getan worden ist.
Wir sind doch erfreulicherweise nicht in der Lage, die uns so viele Jahre vertraut war, wo wir versuchen mußten, mit einer Mangellage fertig zu werden. Wir sind hier nicht einmal in der Lage, daß wir mit negativen Auswirkungen der Mangellage oder irgendeiner Entwicklungstendenz in der Getreidewirtschaft auf den Verbraucher zu rechnen haben. In Wirklichkeit haben wir hier schon ein ganz anderes Problem. Meine Herren von den Regierungsparteien, da wir nicht so leicht und nicht immer wieder mit irgendwelchen Versicherungen von der Regierung: „Aber diesmal wird es ganz bestimmt so gemacht!" zufrieden sind, wie z. B. Sie, Herr Kollege Fassbender, es noch eben angedeutet haben — und auf die Konsequenzen, die Sie ziehen wollen, bin ich gespannt —, möchten wir uns mit den Problemen doch etwas ernster auseinandersetzen, als es uns in diesem Gesetzentwurf der Fall zu sein scheint. Wir wissen ja, daß die Einfuhr- und Vorratsstelle in Wirklichkeit gar nicht in der Lage ist — und niemand wird es übernehmen, zu sagen, sie wird bestimmt dazu in der Lage sein —, den Preis, den man hier als den Von-Preis aufführt, unter allen Umständen zu halten. Gerade nachdem der Minister noch einmal erklärt hat, daß man es bei der frachtfreien Verteilung des Auslandsweizens belassen wolle, dürfte unsere Sorge um die Sicherung des Absatzes der deutschen Ernte zu einem angemessenen Preis durchaus berechtigt sein. Unser Antrag hat nur bezweckt, dieses Getreide den Mühlen frachtfrei zuzuführen, so wie ihnen das Auslandsgetreide frachtfrei zugeführt wird. Nichts anderem hat dieser Antrag gedient.
Es ist versucht worden, von dem eigentlichen Thema abzuleiten, indem mit dem Begriff CifPreise oder Groß- und Kleinmühlen herumgefuhrwerkt worden ist. Das hat damit überhaupt nichts zu tun. Wir haben das Thema auch nicht angeschnitten, sondern haben uns darauf beschränkt, deutlich zu sagen, was wir wollen. Wir bedauern, daß der Versuch gemacht worden ist, darum herumzureden und auf andere Dinge abzulenken, die mindestens im Augenblick hier nicht zur Debatte stehen. Da es aber dieses Verfahren der frachtfreien Verteilung des Auslandsweizens gibt, müssen wir uns hier an dieser Stelle — und nicht etwa im Getreidegesetz — mit dem Problem und seinen möglichen Folgen auseinandersetzen. Das haben wir in der Form getan, daß wir Ihnen vorgeschlagen haben: Geben Sie dann unter allen Umständen, gerade wegen der Kurzatmigkeit der Einfuhr- und Vorratsstelle, dem deutschen Getreide in der heutigen Situation, in der es das braucht, wenigstens die gleiche Chance. Es ist kein Trost, wenn der Minister sagt, das kostete uns zuviel Leute. Die Frühdruschprämie rechnet sich auch nicht von selber aus. Es gibt in unserem Wirtschaftsleben, insbesondere auf dem Agrarsektor, eine Fülle von Einrichtungen, die viel Leute und Mittel erfordern, ohne daß man weiß, ob etwas dabei herauskommt. Ich erinnere an die Mühlenstelle, um nur eine von diesen Einrichtungen zu nennen. Wir werden tins beim näheren Studium des Systems der Einfuhr-
und Vorratsstelle da vielleicht noch auf manche Überraschung gefaßt machen müssen.
Ich wiederhole: weil mindestens die ernsthafte Gefahr besteht, daß die Tendenz zum Mindestpreis, die sich in den letzten Monaten des jetzt ablaufenden Getreidewirtschaftsjahres deutlich gemacht hat, unter dem Eindruck der Vorratslage usw. sich verstärkt fortsetzen wird, und weil die Preise dann auf dem Papier stehen, haben wir zunächst einmal beantragt, so zu verfahren, wie es in Ziffer 1 unseres Antrages vorgeschlagen worden ist. Sie haben das abgelehnt.
Wir haben uns dann wegen der Sicherung eines ausreichenden Anteils der Roggenernte für die Brotversorgung ebenfalls mit den Erfahrungen auseinandergesetzt, die auf diesem Gebiete gemacht worden sind. Schließlich ist ja ein Getreidewirtschaftsjahr lang genug, um darüber Erfahrungen zu sammeln. Wenn- man aber die Erfahrungen nicht verwirklichen will, muß man daraus Kon-
Sequenzen ziehen. Wir haben uns schon im vergangenen Jahr, als wir so im allerletzten Augenblick hier über die Getreidepreise diskutierten, im Ausschuß vorgenommen, doch einmal alle Zusammenhänge der Getreidewirtschaft zu erforschen. Da gibt es eine Reihe von heißen Eisen. Diese müssen aber schließlich einmal angefaßt werden. Es ist im ganzen Jahre in dieser Richtung nichts geschehen. Es ist aber auch der Regierung nichts anderes eingefallen, und sie hat, abgesehen vom Fortfall der Weizenfrühdruschprämie, die praktisch für den Erzeuger eine Preissenkung bedeutet, dasselbe Gesetz vorgelegt; und um ein Haar wäre das alte sogar noch verlängert worden, um es also ganz besonders anschaulich zu machen, daß hier etwas Neues ganz offenbar nicht gemacht werden soll, daß hier Konsequenzen aus den Erfahrungen nicht gezogen werden sollen.
Wir haben Ihnen also vorgeschlagen, an Stelle dieser Frühdruschprämie ein Verfahren zu wählen, das das Ziel, genügend Roggen für die Brotversorgung vor der Verfütterung zu retten, d. h. den Bauern wirklich in die Lage zu versetzen, seinen Roggen an den Markt zu bringen, um sich — für ihn vorteilhaft — mit ausreichendem und genügend billigem Futtergetreide versorgen zu können, auf eine andere Weise erreicht, und zwar auf eine Weise, die, wie ich meine, billiger und zweckmäßiger ist, weil sie gezielter ist und weil sie tatsächlich mit aller Sicherheit dafür sorgt, daß derjenige, der den Roggen für die Broterzeugung zur Verfügung stellt, davon auch den vollen Nutzen hat. Auch diesen Antrag haben Sie abgelehnt, und es soll hier nun ein Gesetz beschlossen werden, das alles beim alten läßt. Niemand wird sagen können, daß das alte gut war, sondern man wird mir zugeben müssen, daß es sich doch in einer sehr gefährlichen Richtung entwickelt hat. Dafür, meine Damen- und Herren, wollen wir die Verantwortung nicht übernehmen. Man hat ein bißchen an den Reports geändert. Glaubt irgend jemand von Ihnen im Ernst, daß das mit gutem Gewissen den Bauern etwa als ein Ausgleich für den Fortfall der Frühdruschprämie oder für die Unsicherheit und die Schwäche der Einfuhr- und Vorratsstellen empfohlen werden kann? Wer es glaubt, der soll es tun; wir werden uns daran nicht beteiligen. Wir werden dieses Gesetz ablehnen und die Verantwortung für all das, was hier, wie gesagt, gar nicht dem Verbraucher droht, was hier mit aller Eindeutigkeit der Landwirtschaft droht, denen überlassen, die sowieso glauben, sie hätten die Wahrnehmung der Interessen der Landwirtschaft für sich gepachtet, und die es uns so gern streitig machen wollen, daß wir auch an den Erzeuger denken.
Meine Damen und Herren, wir, die wir die Sorgen nach beiden Seiten haben und die wir nach beiden Seiten mit dem gleichen Maß messen, haben zwei konkrete Anträge gestellt, durch deren Annahme wir alle gemeinsam unsere Bereitwilligkeit unter Beweis stellen könnten, aus Erfahrungen zu lernen, neue Wege zu gehen mit dem Ziel, den Markt zu ordnen, so daß Erzeuger und Verbraucher davon ihren Vorteil haben. Sie haben es abgelehnt, und damit haben Sie mit aller Eindeutigkeit die Verantwortung für das, was im neuen Getreidewirtschaftsjahr der deutschen Landwirtschaft bevorsteht.