Rede von
Dr.
Wilhelm
Niklas
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Getreidepreise sind immer eine außerordentlich komplizierte Geschichte, und es ist im Laufe der Debatten allmählich schwer, sich durch diesen Drahtverhau durchzufinden. Wie liegen denn die Dinge? Gestatten Sie, daß ich mich zunächst zu dem Antrag der SPD Umdruck Nr. 589 Ziffer 1 äußere. Denn nur diese Ziffer bezieht sich auf den § 1 der Regierungsvorlage. Der erste Satz des sozialdemokratischen Antrages und der vorletzte und der letzte Satz entsprechen der Regierungsvorlage. Der Änderungsantrag der Sozialdemokratischen Partei liegt in folgendem Mittelsatz:
Die Lieferung hat entsprechend der für ausländisches Getreide geltenden Bestimmungen frachtfrei Paritätspunkt zu erfolgen, wobei die Frachtkosten aus öffentlichen Mitteln zu tragen sind.
Meine Damen und Herren, stellen Sie sich einmal
die Verwirklichung dieses Antrages vor! Ich brauchte
Hunderte, aber wirklich Hunderte von Beamten
und Angestellten, die dann jeden einzelnen I Zentner, der im Inlande zur Ablieferung kommt, hinsichtlich des Weges, den er nimmt, genau verfolgen. Denn, Herr Abgeordneter Müller, wenn ich den eben von mir verlesenen Mittelsatz Ihres Antrages recht verstehe, dann ist es doch in der Tat so.
Aber reden wir einmal ganz ehrlich, worum es dem Herrn Abgeordneten Müller bei seinem Antrag geht. Zur Begründung seines Antrages zitiert er die Regelung bei der Einfuhr von ausIändischem Getreide und sagt: dieses ausländische Getreide wird cif berechnet; infolgedessen wollen wir auch cif für das Inlandgetreide. Nun darf ich die Damen und Herren auf folgendes aufmerksam machen. Wir haben uns über die Cif-Preise des aus dem Ausland bezogenen Getreides bei Gott schon im Ausschuß genügend unterhalten, und wir werden uns über diese Materie im Ausschuß auch weiter unterhalten müssen. Hier, bei der Vorlage, über die Sie heute die Entscheidung treffen müssen, dreht es sich aber in keiner Weise um Auslandsgetreide, um CifPreise oder um eine andere Berechnung, sondern es dreht sich hier — ich bitte Sie, sich die Überschrift der Vorlage anzusehen — um inländisches Getreide. Wenn wir hier zu einem praktischen Weg kommen wollen, der uns die Aufziehung eines unendlich bürokratischen Apparates erspart, dann habe ich die dringende Bitte, sich dem Ausschußantrag anzuschließen, der in dieser Richtung die Regierungsvorlage billigt, und den sozialdemokratischen Antrag abzulehnen.
Jetzt komme ich noch zu der Kontroverse zwischen Herrn Abgeordneten Dr. Horlacher und Herrn Abgeordneten Fassbender. Meine Damen und Herren! Es ist nicht mit Unrecht von Herrn Abgeordneten Fassbender und auch von Herrn Abgeordneten Horlacher bemängelt worden, daß die sogenannten Reports zu niedrig sind. Was sind denn Reports? Dieses schöne Fremdwort heißt eigentlich nichts anderes als Zuschläge, die an den Getreideerzeuger gegeben werden, der es nicht sofort abliefert, sondern zwei oder drei Monate wartet und das Getreide bei sich ausschwitzen läßt, wobei ihm natürlich Kosten durch die Lagerung und Mehrauslagen dadurch entstehen, daß er das Entgelt für sein Getreide erst später bekommt. In der jetzigen bis zum 1. Juli dieses Jahres geltenden Vorlage hatten wir sieben Reports für sieben Monate à 2 DM gleich 14 DM vorgesehen. Nun hieß es — und dem kann ich nicht widersprechen —, daß diese Reports bei den heutigen Zinsen, die zu zahlen sind, als zu niedrig bezeichnet werden müssen. Deswegen — und jetzt wende ich mich besonders an Sie, Herr Abgeordneter Fassbender — hat der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten den Antrag Horlacher akzeptiert, der Ihnen in der Drucksache Nr. 3442 vorliegt. Unter § 1 Abs. 1 finden Sie die vom Ausschuß — ich glaube, mit großer Mehrheit — gebilligten Sätze, die in Wirklichkeit doch nichts anderes darstellen als eine Erhöhung der Reports. Es ist ja furchtbar langweilig, wenn man hier das Haus mit Zahlen so traktieren muß; aber es läßt sich letzten Endes nicht ganz vermeiden.
Ich darf es Ihnen vielleicht beweisen. Gestatten Sie, daß ich Weizenpreisgebiet 2 herausnehme und Ihnen dokumentiere, wie es ist. Juli und August: Regierungsvorlage und vom Ausschuß angenommener Antrag Horlacher gleich. Im September aber ändert sich dann die Situation. Da geht die Regierungsvorlage — ich nehme jetzt immer nur
die Mindestpreise, denn sonst gibt es ein Tohuwabohu — aus von 407, der Antrag Horlacher von 409. Oktober: Regierungsvorlage 4U9, Antrag Horlacher 413, November: Regierungsvorlage 411, Antrag Horlacher 417, Dezember: Regierungsvorlage 413, Antrag Horlacher 421, Januar: Regierungsvorlage 415, Antrag Horlacher 421. Nun bleibt die Sache beim Antrag Horlacher bis zum Juni gleich, nämlich mit 421. In der Regierungsvorlage steigt es im Februar auf 417, im März auf 419 und bleibt dann, wie gesagt, bis zum Juni so. Das — und jetzt muß ich auf diese Frage zurückkommen — scheint der Regierung akzeptabel. Es ist so, daß die Regierungsvorlage einen Mittelpreis, berechnet aus den verschiedenen Monaten in dem einen Preisgebiet, von 423,17 DM für die Tonne Weizen vorsehen würde. Der Antrag Horlacher würde einen Preis von 424,75 DM bedeuten. Das ergibt eine Differenz von 1,58 DM.
Jetzt bin ich natürlich den Vertretern der Verbraucher Antwort schuldig auf die Frage: Wirkt sich das auf den Brotpreis aus oder nicht? Ich kann mit gutem Gewissen sagen: nein!, und zwar aus folgendem Grund. Wir haben die alte Faustregel — .seit Jahren bewährt —, daß 10 DM Getreidepreissteigerung je Tonne gleichbedeutend sind mit 1,2 Pfennig Preissteigerung je Kilogramm Brot. Um 1,58 DM je Tonne würde sich also bei Annahme des Antrages Horlacher der Preis bei Brotgetreide gegenüber der Regierungsvorlage erhöhen. Das ergäbe nach dieser zitierten Faustregel eine Erhöhung des Brotpreises je Kilogramm um 0,2, also um 2/10 Pfennig. Dabei ist das, was ich sage, nur theoretisch richtig. In der Praxis ist es nämlich noch ganz anders.
ln der Praxis haben wir in diesem Jahre die Brothöchstpreise aus dem Mittelhöchstpreis, der 435 DM ausmacht, errechnet. Er liegt im Januar im Gebiet W 2. In diesem Jahre ist es so, daß nach der ganzen bisherigen Entwicklung der Dinge nicht die Bis-, sondern die Von-Preise das Marktbild beherrschen werden. Es müßte sich also, wenn diese von mir angenommene Entwicklung eintritt — und sie wird eintreten, soweit man in der Wirtschaft prophezeihen kann —, an und für sich aus der zu errechnenden Verringerung der Mehlpreise eine Verringerung des Brotpreises ergeben. So liegen die Dinge.
Ich bin etwas langweilig geworden mit meinen Zahlen. Aber man kann schließlich derartige Komplexe nicht mit allgemeinen Redensarten behandeln, sondern muß sie mit Zahlen erörtern.
Herr Abgeordneter Fassbender, jetzt gestatten Sie mir noch ein kurzes Wort zu Ihrem Antrag. Er liegt mir noch nicht vor, ich habe ihn nur aus Ihrer Schreibmaschine bekommen. Wir haben rasch eine Berechnung aufgestellt. Demzufolge wäre die praktische Abweichung nicht gerade welterschütternd. Ich, bleibe bei Weizen. Regierungsvorlage 423,17 DM, Antrag Fassbender 423,75 DM, Antrag Horlacher 424,75 DM. Aber, Herr Abgeordneter Fassbender, ich habe folgendes Bedenken gegen Ihren Vorschlag: Sie kommen zu dem Ergebnis, daß die Preise in den letzten Monaten des Wirtschaftsjahres heruntergehen, im März von 430 auf 420 DM, im April auf 410 DM, im Mai und Juni auf 400 DM. — Herr Abgeordneter Fassbender, dieses Experiment hat man während des zweiten Weltkrieges einmal aus ganz bestimmten Gründen gemacht, ich würde davon abraten, und zwar deswegen, weil es eigentlich — ich bitte um Entschuldigung — bis zu einem gewissen Grad eine Sünde wider den Heiligen Geist ist, wenn man dem Landwirt für Ware, die er länger behält, auf deren Bezahlung er im früheren Stadium verzichtet und deren längere Erhaltung ihm natürlich auch Kosten macht, weniger gibt. Deswegen, Herr Abgeordneter Fassbender, wäre ich verbunden, wenn Sie doch — wie Sie es im Ausschuß getan haben — der j a auch im Ausschuß von Ihnen akzeptierten Regelung zustimmen würden, wie sie sich aus der Drucksache Nr. 3442 ergibt.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir hoch ein Wort — und jetzt werde ich fast etwas unlogisch - zu dieser Streitfrage cif-Preise. Ich betone noch einmal: sie hat mit der Debatte, die heute zu führen ist, nichts zu tun; denn heute reden wir über inländische Preise, und die cif-Preise sind etwas, was das ausländische Brotgetreide und dessen Brotpreisgestaltung betrifft. Ich möchte aber keinen Zweifel daran lassen, sehr verehrter Herr Abgeordneter Müller, daß ich mich in dieser Frage den Ausführungen von Herrn Abgeordneten Horlacher und von Herrn Abgeordneten Fassbender voll und ganz anschließe.
— Ja, Sie verstehen es vielleicht nicht so, warum ich das sage; darum versuche ich, es Ihnen zu erklären. Wir haben ein Interesse daran, daß das ausländische Brotgetreide einigermaßen gleichmäßig über das ganze Bundesgebiet verteilt wird; und zwar aus den Gründen, die auch der Herr Abgeordnete Müller angeführt hat. Das ist in demselben Augenblick nicht mehr möglich, in dem wir beim ausländischen Getreide zum cif-System kommen; denn dann sind die Partizipierenden und Genießenden die am Meer oder am Wasserweg liegenden großen Mühlen. Dann wachsen die Mammut-betriebe noch mehr. Wir haben aber ein Interesse daran, daß das Mittelgewerbe in der deutschen Müllerei erhalten bleibt.
Wir haben gerade im Krieg erlebt, daß das Vorhandensein einer ,größeren Zahl von Mühlen — mag es auch überwachungsmäßig da und dort Schwierigkeiten bereiten — doch große Vorteile hat.
Deswegen sind wir dafür, daß die cif-Preise nicht eintreten, und ich würde bitten, daß über diese schwierige Materie heute überhaupt nicht mehr gesprochen wird. Wir werden uns noch einmal darüber unterhalten, und ich werde im Ausschuß ebenso wie hier meine Meinung vertreten; denn es ist meine Überzeugung. Ich würde aber doch bitten, daß wir doch heute zu einer Verabschiedung der Vorlage über, die inländischen — ich darf es noch einmal sagen: die inländischen — Getreidepreise kommen.