Rede von
Gustav
Gundelach
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Wir haben uns bereits in der Vergangenheit wiederholt mit der Lage der Hochseefischerei und auch der Küstenfischerei beschäftigt. Wir haben dabei jedesmal festgestellt, daß in Verbindung mit den erhöhten Fangergebnissen Absatzschwierigkeiten zu verzeichnen waren. Es sind auch heute eine ganze Reihe von Anregungen gegeben worden, um den Verbrauch innerhalb des Bundesgebiets zu fördern und zu steigern. Aber damit ist die Kernfrage keineswegs gelöst. Nur eine gewisse Steigerung des Absatzes auf dem Markt des Bundes wird niemals die Hauptfrage lösen, wie wir über die Grenze des Bundesgebiets hinaus einen wesentlichen Absatz herbeiführen können. Wie in zahlreichen anderen Wirtschaftszweigen, so läßt auch die Lage in der Fischerei und der Fischindustrie mit aller Deutlichkeit erkennen, wie verhängnisvoll sich die Spaltung Deutschlands gerade auf unsere Wirtschaftslage auswirkt.
Zur Lage in der Fischindustrie Hamburgs bringt die Hamburger Behörde für Wirtschaft und Verkehr in ihrem Jahresbericht für 1951 u. a. folgendes zum Ausdruck:
Solange die früheren Absatzgebiete der Hamburger Fischindustrie in Mittel- und Ostdeutschland infolge der Zonengrenzziehung mit regelmäßigen Lieferungen nicht mehr erreicht werden können, wird die Krise der Hamburger Fischindustrie andauern.
Damit trifft die Hamburger Behörde für Wirtschaft eine Feststellung, die sowohl für die gesamte westdeutsche Fischindustrie wie auch für zahlreiche andere Wirtschaftszweige zutrifft. Es fehlt eben das natürliche Absatzgebiet für Fische und Fischkonserven; es fehlt der Handel mit der Deutschen Demokratischen Republik und mit jenen Ländern im Osten, die früher die natürlichen Abnehmer dieser und anderer Waren gewesen sind.
Dabei muß ausdrücklich festgestellt werden, daß die verantwortlichen Politiker sowohl in der Deutschen Demokratischen Republik als auch in den volksdemokratischen Ländern jederzeit bereit sind, Handelsbeziehungen auf der Grundlage der völligen Gleichberechtigung mit Westdeutschland aufzunehmen und auch zu erweitern. Aber die derzeitige Regierung im Bundesgebiet handelt auch in dieser Frage nicht vom Standpunkt der Interessen der in Frage kommenden Wirtschaftskreise, sondern unterwirft sich den Interessen der Westmächte. Ich erinnere hier an die Tatsache, daß die amerikanischen Besatzungsbehörden erst vor einiger Zeit eine schwarze Liste mit Namen von 85 westdeutschen Firmen aufgestellt haben, gegen die wegen ihres Handels mit der Deutschen Demokratischen Republik Repressalien gefordert werden. Zu diesem Skandal schweigt die Bundesregierung. Sie ist offenbar mit diesem Eingriff amerikanischer Stellen gegen deutsche Firmen und gegen deutsche Interessen einverstanden.
Aus Kreisen der fischwirtschaftlichen Vereinigung in Bremerhaven wird bekannt, daß es vorgekommen ist, daß Fischlieferungen an der Zonengrenze von englischen bzw. amerikanischen Grenzstellen zurückgeschickt wurden. Diese Fischtransporte gingen dann in die Fischmehlfabriken. Den Schaden daraus hatte die Fischindustrie zu tragen.
Für den Bundestag ergibt sich aus dieser Lage nach unserer Meinung die Notwendigkeit, die Bundesregierung zu veranlassen, alle Einschränkungen für den Handel mit Fischen und Fischerzeugnissen aufzuheben, um durch einen normalen Absatz der Fangergebnisse zu einer wirtschaftlichen Rentabilität der Fischerei und der Fischindustrie zu gelangen.
Berechtigt sind unserer Meinung nach auch die Klagen der Fischerei über die zu hohen Unkosten, die ihr sowohl für das Instandhalten ihrer Fahrzeuge und der Fischereigeräte als auch für Kohle und Dieseltreibstoff entstehen. Die Küstenfischer z. B. zahlen für diesen Kraftstoff heute den dreifachen Preis gegenüber 1938. Ebenfalls eine dreifache Preissteigerung ist bei den Fangnetzen besonders der Küstenfischer zu verzeichnen.
Ebenso berechtigt ist die Klage aus Fischereikreisen über die hohe Einfuhr von Fischen aus dem Ausland. Sie fordern mit vollem Recht die Beschränkung der Einfuhr von Fischen auf einen Stand, der für eine ausreichende Versorgung der
Bevölkerung erforderlich ist. Auch gegen überhöhte Handelsspannen des Zwischenhandels wenden sich die Fischer mit Berechtigung und fordern eine für sie und für die Konsumenten erträgliche Regelung.
Die Kernfrage, um deren Lösung es geht, ist im Jahresbericht von 1951 der Hamburger Behörde für Wirtschaft und Verkehr in Verbindung mit der Lage in der Fischerei und der Fischindustrie angesprochen worden. Ich habe sie bereits zitiert. Solange die früheren natürlichen Absatzgebiete für die Fischerei und für die Fischindustrie ausfallen, wird die Krise in diesem Wirtschaftszweig anhalten. Die Politik der Regierung Adenauer, die eine Politik der Vertiefung der Spaltung Deutschlands ist, wirkt sich wie in zahlreichen anderen Wirtschaftszweigen auch auf die Gebiete der Fischerei verhängnisvoll aus. Deshalb — der Meinung sind wir — muß Schluß gemacht werden mit dieser verderblichen Politik. Es muß dem Willen der Mehrheit unseres Volkes entsprochen werden. Dieser Wille ist auf die Durchführung einer Politik zur Sicherung des Friedens und der baldigen Wiedervereinigung Deutschlands gerichtet. Das wird auch ein Ausweg aus dem krisenhaften Zustand der Fischerei sein.