Herr Präsident! Meine Damen und Herren, meine Herren von der Opposition! Wir haben nicht die Absicht, Ihnen das Vergnügen zu bieten, daß wir uns hier über Grundsatzfragen der Moral und der Geschichte in der Koalition verstreiten. Darauf zielten ja alle Ihre Bemerkungen hin. Ich billige nicht — das muß ich sagen —, was Herr Kollege Wuermeling hier zum Ausdruck gebracht hat. Aber untereinander werden wir das mit aller Deutlichkeit abhandeln; das gehört hier nicht hin.
Ich möchte allen, die sich hier als die Saalwächter der Demokratie aufwerfen, empfehlen, einmal das durchzulesen, was Max Weber in seinen Schriften zum Begriff der politischen Schuld hinterlassen hat. Damals ist dieses Problem auch aufgeworfen worden. Dort sind die echten und richtigen Maßstäbe zu finden. Es ist geschmacklos, über moralische Grundsätze und über Grundsätze des Geschmacks zu streiten. Sie gehören nicht in eine politische Debatte.
— Nein, in die politische Diskussion gehören die
nüchternen Tatsachen. Zu diesen Tatsachen gehört,
daß in diesem Hause fast einmütig vor allen Wahlen der Abschluß der Entnazifizierung als einer der wichtigsten Belange herausgestellt worden ist.
Wir, die wir aus dem konservativen Lager kommen, vertreten den Grundsatz, daß kein Bürger dieses Staates rein auf Grund eines massentümlichen Vorurteils in seiner bürgerlichen Existenz geschmälert werden darf. Es gibt in der Politik eine Haftung für Handlungen,
für Handlungen, für die man aus innerem Anstand einstehen muß, auch in allen weiteren Zeiten. Diesen Grundsatz erkennen wir als konservative Menschen an; darüber kann gar nicht gestritten werden. Aber das sind Fragen der Morallehre, die nicht in einer lauten Debatte hier erörtert werden können.
Ich komme auf die Rede von Herrn Krebs. Ich kann es mir in diesem Punkt leicht machen. Was uns hinsichtlich der Seriosität der Angriffe, die von Ihrer Seite vorgebracht worden sind, so bedenklich gemacht hat, ist der Umstand, daß die dem Dr. Krebs zur Last gelegten Äußerungen gar nicht in diesem Sinne und in dieser Form geschehen sind. Das haben wir sehr genau nachgeprüft. Immer wieder werden solche Dinge vorgebracht, und nachher ergibt sich, daß hinter der Anschuldigung gar nichts steht.
Es ist durchaus lohnend gewesen, wenn auch nicht erfreulich, daß wir uns heute mit dieser Frage, die immer noch unausdiskutiert in unserem deutschen Volke lebt, beschäftigt haben. Meine politischen Freunde haben festgestellt, daß in gewissen Grundsatzfragen der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und auch in der inneren, seelischen Bewältigung von Tatsachen der Vergangenheit im deutschen Volke und namentlich in diesem Hause noch sehr weitgehende Unterschiede der Auffassung vorhanden sind.
Wir — das werden Sie uns nicht verwehren können — werden für den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit eintreten
und dazu beizutragen suchen, daß dieses deutsche Volk die schwere, die schreckliche Vergangenheit, die es hinter sich hat, wirklich innerlich überwindet. Was uns im engeren Kreis der Koalition betrifft, das diskutieren wir nicht mit der Opposition, das machen wir untereinander aus.