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    Deutscher Bundestag — 218. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Juni 1952 9569 218. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. Juni 1952. Geschäftliche Mitteilungen . . 9570A, B, 9607C Zur Tagesordnung 9570A Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der DP u. Gen. betr. Gewährleistung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit (Nr. 3346 der Drucksachen) 9570B Walter (DP), Anfragender 9570B Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 9572B Fisch (KPD) 9573A Ewers (DP) 9574B Stierle (SPD) 9575B Dr. von Merkatz (DP) . . . 9577D, 9582B Dr. Wuermeling (CDU) 9579C Heiland (SPD) 9580B, 9582A von Thadden (Fraktionslos) . . . 9582D Goetzendorff (Fraktionslos) 9583C Dr. Hammer (FDP) 9584A Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Hebung des Fischkonsums (Nr. 3324 der Drucksachen; Antrag Umdruck Nr. 572) in Verbindung mit der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der DP u. Gen. betr. Förderung der deutschen Fischerei (Nr. 3347 der Drucksachen) 9584D Brookmann (CDU), Anfragender . . 9585A, 9597C Dr. Mühlenfeld (DP), Anfragender . 9586C, 9598C Dr. Dr. h. c. Niklas, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 9588D Frau Dr. Gröwel (CDU) 9591D Loritz (Fraktionslos) 9593A Glüsing (CDU) 9593D Dannemann (FDP) 9594C Mertins (SPD) 9595D, 9598D Gundelach (KPD) 9596D Abstimmungen 9599B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ordnung der Gartenbauwirtschaft (Nr. 3384 der Drucksachen) 9599B Ausschußüberweisung 9599B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung' für das Getreidewirtschaftsjahr 1952/53 und über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft (Getreidepreisgesetz 1952/53) (Nr 3342 der Drucksachen) 9599B Ausschußüberweisung 9599B Erste Beratung eines Flurbereinigungsgesetzes (Nr. 3385 der Drucksachen) . . 9599C Ausschußüberweisung 9599C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Zusatzprotokoll zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Osterreich über Sozialversicherung (Nr. 3376 der Drucksachen) 9599C Ausschußüberweisung 9599D Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen (Nr. 3407 der Drucksachen) . . . 9599D Ausschußüberweisung 9599D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Aufhebung von Sperrmaßnahmen und Freigabe der von der Besatzungsmacht auf den friesischen Inseln beschlagnahmten Hotels usw. (Nrn. 3397, 2969 der Drucksachen) 9599D Dr. Hasemann (FDP), Berichterstatter 9600A Beschlußfassung 9600B Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Bundesrates und des Bundestages zur Belastung eines Teiles der Liegenschaft der durch Entmilitarisierungsmaßnahmen zerstörten ehemaligen Torpedoversuchsanstalt Süd in Eckernförde mit einem Erbbaurecht zugunsten der Niederdeutschen Optik G.m.b.H. in Eckernförde (Nrn. 3399, 3227 der Drucksachen) 9600B Beschlußfassung 9600B Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Maßnahmen, um die Arbeitsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts zu sichern (Nr. 3371 der Drucksachen) 9570A, 9600C Dr. Greve (SPD), Anfragender: zur Geschäftsordnung 9600C zur Sache 96001D, 9605A Dr. Strauß, Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz . . . . 9602D Dr. Laforet (CSU) 9606B Dr. Schneider (FDP) 9606D Nächste Sitzung 9607C Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Georg Stierle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist notwendig, die Vorgänge in Frankfurt am Main noch einmal etwas eingehender zu betrachten, als es bisher geschehen ist. Was in Frankfurt einmal war, wissen Sie alle. In Frankfurt lebten 37 000 Juden, die so gut wie restlos ausgerottet worden sind,

    (Hört! Hört! links)

    und zwar unter der Ägide eben dieses Herrn D r. Krebs.
    Die Deutsche Partei fragt die Regierung, was sie zu tun gedenke, den demokratischen Parteien die Ausübung der Grundrechte zu garantieren. Gerade darauf kommt es an für S i e, den Nachweis zu führen, daß S i e eine demokratische Partei sind!

    (Beifall bei der SPD. — Stürmische Zurufe von der DP. — Abg. Frau Kalinke: Unerhört!)

    — Sie rufen „Unerhört!" — gut, dann darf ich Sie daran erinnern, daß erst vor wenigen Tagen in Frankfurt am Main ein prominentes Mitglied Ihrer Partei erklärt hat: „Was der Nationalsozialismus getan hat, war richtig,

    (lebhafte Zurufe links: Hört! Hört! — Pfui!)

    und wir sollten so schnell wie möglich wieder mit dem gleichen System beginnen,

    (anhaltende lebhafte Zurufe von der SPD)

    dann hätten wir bald wieder Ordnung und Sauberkeit bei uns."

    (Stürmische Pfui-Rufe von der SPD.) Das sind die Vertreter Ihrer Partei!

    Nun will ich Ihnen sagen, wie Herr Dr. Krebs glaubte, sich in Frankfurt am Main einführen zu müssen, wie er glaubte, sich der Frankfurter Wählerschaft vorstellen zu können.

    (Lebhafte Zurufe rechts. — Glocke des Präsidenten.)

    Herr Dr. Krebs sprach in seiner ersten Versammlung etwa wie folgt:

    (Zuruf von der DP: „Etwa"!) „Ich bin ein Ehrenmann,


    (Zurufe von der DP)

    ich habe eine weiße Weste, ich habe ein reines Gewissen. Aber schauen Sie sich die Demokratie an: ein Saustall, Korruption, Unterschlagung, Betrug, Lug und Trug, wohin Sie schauen. Diese Demokratie ist vergleichbar mit einem Pelz, der voller Läuse sitzt.

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Zuruf von der KPD: Unerhört!)

    Und Sie, meine Zuhörer, sind ja alle alte Frontsoldaten, und Sie wissen aus Erfahrung, wie man mit Läusen umgeht: man pickt sie heraus und knackt sie, daß das Blut spritzt."

    (Fortgesetzte lebhafte Zurufe links. — Zuruf von der SPD: Traditionskompanie!)

    Das waren die Vorstellungsworte des Herrn Dr. Krebs.
    Der Fraktionsführer der FDP, Herr Grosser, der diese Versammlung besucht hat, hat in Frankfurt am Main öffentlich erklärt: „Ich muß es als gewählter Stadtverordneter und Bürgerschaftsvertreter als eine Schande bezeichnen, was Herr Dr. Krebs dort ausgeführt hat."

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Nun, Sie brauchen sich also nicht zu wundern, wenn die Frankfurter demokratischen Kreise daraus die Konsequenz gezogen haben:

    (Zurufe von der DP) Einmal Dr. Krebs und nicht wieder!


    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wir haben in Frankfurt am Main erklärt: So lange sich die DP nicht sichtbar von diesen alten Nazi-Größen distanziert, betrachten wir sie nicht als eine demokratische Partei.

    (Starker Beifall bei der SPD, der KPD und der FU.)

    Aus eben diesen Gründen kam es auch in der Versammlung des Herrn Dr. Seebohm zu den Tumulten, weil auch dort wieder Herr Dr. Krebs als prominenter Vertreter der DP herausgestellt werden sollte.

    (Zuruf von der DP: Nein, das ist nicht wahr!)

    Es ist sicherlich sehr anerkennenswert und verdienstvoll von Herrn Dr. Seebohm, wenn er einmal auf eine neue Art und Weise versucht hat, mit einer gegnerischen Zuhörerschaft fertig zu werden. Als es ihm nämlich zu bunt wurde, streckte er ihr kurzerhand die Zunge heraus

    (Lachen bei der SPD — Heiterkeit in der Mitte)

    und machte die entsprechenden Gebärden dazu.

    (Zuruf von der SPD: Der neue deutsche Gruß! — Heiterkeit.)



    (Stierle)

    Nun, wenn das etwa eine Einladung im Sinne eines klassischen Zitates gewesen sei soll,

    (erneute Heiterkeit)

    die Frankfurter sind humorvoll, sie haben Herrn Dr. Seebohm ebenso eindeutig geantwortet, nämlich in dem Sinne: Du uns auch!,

    (anhaltende Heiterkeit)

    nämlich so lange, so lange du den Dr. Krebs an der Spitze stehen hast!
    Nun aber frage ich doch im Ernst: was will Herr Dr. Seebohm oder die DP mit dieser Anfrage überhaupt? Ihr Versammlungsleiter hat die Versammlung selber geschlossen. Zu allem Überfluß hat Herr Dr. Seebohm der Frankfurter Polizei attestiert, daß sie sich in jeder Beziehung einwandfrei und korrekt benommen habe.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Trotzdem hier die große Anfrage? Ich glaube, die Frage, die sie an die Regierung stellen, sollte sich die DP selber stellen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Die Antwort ist sehr leicht und eindeutig zu finden. Herr Dr. Seebohm sollte genau das tun, was der CDU-Abgeordnete Florian in Frankfurt in der Stadtverordnetenversammlung getan hat, als diese alten Nazi-Größen wieder aufkreuzten. Er rief ihnen nämlich kurz und lapidar zu: „Abtreten, meine Herren!"

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Beweisen Sie von der DP, daß Sie nicht das Sammelbecken des Neofaschismus sind; und wenn Sie schon nicht glauben, meine Herren, auf diese wertvolle Gesellschaft verzichten zu können, dann bringen wenigstens Sie, Herr Dr. Seebohm, oder die verantwortlichen Leute das auf, was diese gescheiterten Größen nicht haben, nämlich politisches Taktgefühl, und stellen diese Leute wenigstens ins dritte oder vierte Glied Ihrer Bewegung, sofern dort überhaupt eine solche Gliedertiefe vorhanden ist.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Aber wenn Sie diese provozierenden Typen dem Volke präsentieren, dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, daß die entsprechende Reaktion erfolgt. Viel besser ist es allerdings, wenn Sie diese Leute erst überhaupt nicht aufnehmen und sie dorthin verweisen, wo sie ihrer Herkunft und ihrer heutigen Gesinnung nach hingehören, nämlich in die SRP oder, wenn es geht, noch weiter rechts.

    (Zurufe von der SPD und der KPD. — Abg. Rische: Ins Zuchthaus gehören sie!)

    Schaffen Sie klare Fronten, dann laufen Sie auch nicht Gefahr, verwechselt zu werden, dann werden Sie auch jederzeit ohne jede Störung und auch in Frankfurt am Main in dem Genuß der demokratischen Grundrechte sein.
    Nun will ich Ihnen nur — weil Herr Kollege Ewers hier gesagt hat, in Frankfurt agierte der Mob — einige Äußerungen

    (Abg. Rische: Das soll er einmal in Frankfurt sagen! — Zuruf der Abg. Frau Kalinke)

    der Parteivertreter zur Kenntnis bringen, die mit Ihnen hier in der Koalition sind; es dürfte für Sie ganz aufschlußreich sein. Herr Dr. Wilhelmy von der CDU hat in Frankfurt am Main in der Stadtverordnetenversammlung erkärt:
    Ich kann mir nicht denken, daß in dem liberalen Bürgertum irgendein Zweifel darüber bestehen könnte, daß eine Partei, die von Männern vertreten ist, wie hier die Gruppe der DP, daß diese Partei irgend etwas anderes sein könnte als eine neofaschistische Partei.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, ich sehe es als einen Mißbrauch des Namens der DP an, was uns hier vorgeführt wird, und ich sehe es als eine grobe Täuschung des Publikums an, was wir hier vor uns haben in den Vertretern, die die DP in das Stadtparlament entsandt hat.

    (Abg. Ritzel: Der Mann hat recht!)

    Diese Leute gehören meiner Überzeugung nach nicht in die DP, sondern in die SRP.

    (Abg. Arnholz: Das muß die DP entscheiden! — Zuruf links: Das ist dasselbe! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Wir sind der Auffassung, daß es in der Tat nicht zumutbar ist, daß Männer unter einem falschen Namen, nämlich dem der DP, hier nationalsozialistische Politik in unseren kommunalen Sektor hineintragen wollen. Das ist der Grund, warum wir im Wege der Neufassung der. Geschäftsordnung nicht zulassen werden, daß diese Gruppe Fraktionsstärke hat. Die Fraktion meiner Partei wird, das erkläre ich mit aller Entschiedenheit, im Rahmen des gesetzlich Möglichen einen entschiedenen Kampf gegen diese DP, wie sie in Frankfurt am Main ist — und die keine echte DP darstellt —, mit aller Schärfe führen.
    Am Schluß seiner Ausführungen bezeichnet er diese Leute als „Wölfe im Schafskleid".
    Herr Grosser von der FDP hat im gleichen Sinne gesprochen. Er hat die Versammlung des Herrn 1) r. Krebs, wie erwähnt, als eine Schande bezeichnet und zum Ausdruck gebracht, daß es für ihn und seine Parteifreunde unmöglich sei, in der Art und Weise und in dem Geiste, wie Herr Dr. Krebs dort gesprochen hat, an den Aufbau Frankfurts heranzugehen.

    (Zurufe.)

    Wir wollen aber nicht,
    — sagte er wörtlich —
    gegen die Änderung der Geschäftsordnung stimmen, weil das heißen würde, daß wir Herrn Dr. Krebs, Herrn Bischof usw. Vorschub leisten wollten. Das darf auf keinen Fall geschehen. Ich möchte im Namen meiner Fraktion und in allem Ernst an die Deutsche Partei in Frankfurt am Main appellieren: reinigen Sie sich von den unerträglichen Leuten, die Sie hier in dieses Haus 'hineingebracht haben.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    In einer Stadt, die einmal 37 000 Juden zu ihren Bürgern zählte, die zum größten Teil vernichtet worden sind, ist kein Platz für einen Herrn Dr. Krebs.

    (Erneute Zustimmung bei der SPD.)

    Das sind die Ausführungen von FDP- und CDU-Vertretern. Ich glaube, ich brauche dem nichts hinzuzufügen und brauche insbesondere nicht auszuführen, was der SPD-Vertreter dazu gesagt hat.


    (Stierle)

    Nun überlegen Sie sich einmal, Herr Kollege Ewers, ob das der „Mob" ist.

    (Zuruf des Abg. Ewers. — Weitere Zurufe bei der DP.)

    Das, was von diesen Vertretern zum Ausdruck gebracht worden ist, ist genau das, was die Frankfurter Bevölkerung fordert.

    (Beifall bei der SPD.)

    Herr Kollege Walter meinte, wir sollten bei allem bedenken, welche Wirkung das auf das Ausland hat. Ich glaube, die Wirkung auf das Ausland ist um so eindeutiger und positiver, je deutlicher und energischer wir uns gegen solche Versuche eines Neofaschismus zur Wehr setzen.

    (Beifall bei der SPD und in der Mitte.)

    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang gleich noch auf eine andere Sache kurz zu sprechen kommen. Pfingsten veranstaltete der BDJ in Frankfurt am Main ein sogenanntes Freiheitstreffen. Sie sprachen von Menschenraub, Herr Walter. Nun, dieser Menschenraub wurde am Pfingstsamstag von Angehörigen des BDJ in Frankfurt praktiziert.

    (Zuruf von der KPD: Sagen Sie ruhig: von Angehörigen der Regierung! — Weitere Zurufe von der KPD.)

    Ein Omnibus mit Teilnehmern fuhr am Pfingstsamstag durch die Stadt hinaus zum Stadion. In diesem Omnibus befand sich ein Mitglied der Bundesleitung des BDJ.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Etwa auf der Höhe der Villa Mumm auf der Forsthausstraße sahen die Omnibusinsassen, wie zwei Fünfzehnjährige eben dabei waren, Plakate des BDJ von einer Gartenmauer zu entfernen. Man schoß mit Scheintodpistolen auf diese Jungen. Der Omnibus wurde sofort gestoppt. Eine Gruppe der Insassen sprang heraus, verfolgte die zwei über die Gartenmauer nach der Villa Mumm hin. Den einen erwischte man, verprügelte ihn, drehte ihm die Arme auf den Rücken und schleppte ihn in den Omnibus. Bei der Jagd nach dem zweiten trat den Verfolgern ein in der Villa Mumm wohnender Polizeibeamter entgegen. Er war in Uniform, allerdings ohne Uniformrock.

    (Lachen rechts.)

    Er trug ein 15 Monate altes Kind auf dem Arm. Er gab sich sofort als Polizist zu erkennen, hielt einen der Verfolger fest und versuchte, ihm einen Gummiknüppel abzunehmen. Daraufhin fiel die ganze Horde über den Beamten her, schlug ihn —mit dem Kind — zu Boden.

    (Hört! Hört! bei der SPD und KPD.)

    Das Kind wurde dabei verletzt. Dann prügelte man auf den am Bodern liegenden Beamten in der Weise ein, daß er mit erheblichen Verletzungen und einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus gebracht werden mußte.

    (Lebhafte Zurufe.)

    Nach dieser .,Heldentat" entwischte die ganze Gruppe wieder in den Omnibus und flüchtete ins Stadion.

    (Zuruf von der KPD: SS-Methoden!)

    Das sofort alarmierte Überfallkommando stellte im Stadion die Tätergruppe fest, verhaftete sie und stellte auch die Scheintodpistole und weitere Schlagwerkzeuge sicher. Noch in der Nacht zum Pfingstsonntag berieten Oberbürgermeister und Polizeipräsident und kamen zu der Überzeugung: die geplante öffentliche Kundgebung auf dem
    Opernplatz mitten in der Stadt und der damit verbundene Demonstrationszug durch die Stadt werden verboten,

    (Zustimmung bei der SPD)

    und zwar wegen Gefährdung der Ruhe und Sicherheit.

    (Erneute Zustimmung bei der SPD. — Zuruf links: Der Mob!)

    Die Veranstaltung mußte im Stadion stattfinden. Die darauf erfolgten Proteste und die Ankündigung einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht sind in Frankfurt am Main mit Gelassenheit entgegengenommen worden; sie werden die gebührende Antwort finden.
    Warum habe ich das hier erwähnt? Ich will damit erneut unter Beweis stellen, daß in Frankfurt am Main kein Platz ist für neofaschistische Experimente oder antidemokratische Provokationen irgendwelcher Art.

    (Zurufe von der SPD.)

    In keiner Weise wollen wir ein Wiederaufleben des Nazi- oder HJ-Geistes erleben. Die SPD wird alle diejenigen, die bewußt oder unbewußt einem solchen Wiederaufleben Vorschub leisten, auf das schärfste bekämpfen. Es liegt an Ihnen, meine Herren von der DP, ob Sie uns bei dem vielen, was uns sonst trennt, auch auf diesem Gebiete weiterhin als schärfsten Gegner finden. Bessern Sie sich in der Beziehung, indem Sie sich sichtbar und deutlich von diesen Leuten distanzieren. Es wäre wesentlich besser für uns, wenn sich die übergroße Mehrheit in diesem Hause einig darüber wäre: Nazi-Krebs-Gang nie wieder! Aber dazu genügen nicht Lippenbekenntnisse und pathetische Beteuerungen, dazu gehören eindeutige, sichtbare Maßnahmen. Welcher Art diese zu sein haben, sagen Ihnen sehr deutlich die Empfehlungen der Frankfurter demokratischen Kreise. Handeln Sie danach, Herr Minister Seebohm und die Anfragesteller, und Sie sind wahrscheinlich nie mehr in die Notwendigkeit versetzt, eine solche Anfrage hier zu stellen.

    (Zuruf von der SPD: Vergebliche Mahnung! — Weitere Zurufe links.)

    Handeln Sie aber nicht danach und versuchen Sie weiterhin, mit Euler-Spiegeleien in den Kreisen der ehemaligen Nazi die Gefolgschaft zu finden, die Ihnen offenbar sonst versagt ist, stellen Sie weiterhin Nazigrößen zum Gimpelfang heraus, nun, dann beklagen Sie nicht darüber, wenn man an Ihrer demokratischen Zuverlässigkeit zweifelt und entschlossen ist, Ihnen entgegenzutreten und dafür zu sorgen, daß diese Demokratie nicht ein zweites Mal ein schimpfliches Ende nimmt.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete von Merkatz.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die überaus unerfreulichen Erörterungen,

    (Abg. Müller [Frankfurt]: Daß Ihnen die Karten aufgedeckt werden! — Weitere Zurufe links)

    will ich auf ihren sachlichen und politischen Gehalt zurückzuführen versuchen. Hier ist vorhin das Wort gefallen, daß die Demokratie ein schimpfliches Ende finden könnte. Meine Damen und Herren, es ist der sicherste Weg für dieses schimpfliche Ende, wenn diese Gewaltmethoden, Ver-


    (Dr. von Merkatz)

    sammlungsstörungen und, ich möchte mal sagen, wenn diese Ausübung einer „volksdemokratischen Kontrolle"

    (Zuruf von der KPD: In der Villa Mumm?!)

    fortgesetzt werden.
    Sehen wir die Dinge einmal mit aller Ruhe und Klarheit an. Es sind gegen den Stadtverordneten Dr. Krebs in Frankfurt allerhand, Behauptungen in diesem Hohen Hause vorgebracht worden, das an und für sich nicht dafür da ist, über irgendwelche Personen Scherbengerichte abzuhalten. Es liegt im Falle Dr. Krebs ein sehr eingehend begründetes Urteil der Entnazifizierungskammer des Lagers Darmstadt vor.

    (Lebhafte Zurufe links.)

    Das genügt noch nicht; es liegt außerdem ein überaus sorgfältig begründetes Urteil des Disziplinargerichtshofes in Hessen vor, in dem die Hauptvorwürfe, die Sie gegen Herrn Dr. Krebs erhoben haben, ihre Widerlegung gefunden haben.

    (Erneute lebhafte Zurufe links.) Natürlich sehen wir uns unsere Leute an, wenn wir sie anerkennen,


    (fortgesetzte Zurufe links)

    und wir haben gerade diesen Fall sehr eingehend durchgeprüft.

    (Abg. Dr. Köhler: Es ist eine Frage des politischen Geschmacks, nichts anderes!)

    — Es ist hier nicht eine Frage des politischen Geschmacks, Herr Kollege Köhler,

    (Zurufe von der Mitte: Jawohl!)

    sondern es handelt sich um die Durchsetzung eines klaren Rechts. Wir vertreten mit andern Freunden aus der Koalition die Auffassung,

    (Zurufe von der KPD)

    daß wir bemüht sein sollten, unter die Vergangenheit einen Schlußstrich zu ziehen. Wir nehmen die Frage der Beendigung der Entnazifizierung außerordentlich ernst.

    (Zuruf von der SPD: Und die Demokratie?!) Wir wenden uns in dem Falle, in dem ein Mensch in seiner persönlichen Haltung keiner ehrenrührigen Handlung überführt ist,


    (Zurufe von der KPD)

    dagegen, daß dieser deutsche Staatsbürger mit einer vorgefaßten Meinung und einem reinen Vorurteil diffamiert wird.

    (Beifall bei der DP. — Zurufe von der Mitte und links.)

    Das ist ein Grundsatz, den wir durchsetzen werden und für den wir zu stehen haben, weil wir glauben, daß damit eine der Grundlagen der Demokratie geschaffen wird.

    (Abg. Mellies: Sie haben uns doch die besten Vorträge gehalten!)

    Wir wenden uns dagegen auch, wenn gegen Personen, die nicht unserer Fraktion angehören, gegen irgendeinen Politiker in dieser Weise mit reinen Vorurteilen gearbeitet wird.

    (Widerspruch in der Mitte. — Zuruf von der Mitte: Das ist kein Vorurteil!)

    Es ist nötig, daß in dieser Welt wieder ein ruhiger
    und ehrlicher rechtlicher Maßstab Geltung erlangt.

    (Zuruf von der KPD: Es hat niemand was dagegen!)

    Wer sich im einzelnen über die Behauptungen orientieren will, die ich in bezug auf die Person des
    Herrn Krebs aufgestellt habe, dem werde ich gerne die beiden Urteile zur Verfügung stellen, deren Abschriften in meiner Hand sind.

    (Zurufe von der SPD: Das tut nichts dazu! — Weitere Zurufe. — Glocke des Präsidenten.)

    Meine Damen und Herren, es ist ein absolut falscher Weg, daß die eine Partei der andern Partei gewissermaßen Vorschriften darüber macht, was Demokratie ist oder was nicht Demokratie zu sein hat; so können wir nicht fortfahren.

    (Lebhafte Zurufe links und von der Mitte. — Abg. Mellies: Aber Sie wissen, was Demokratie ist!!)

    — Wir nehmen es nicht so übermäßig ernst, wenn Sie uns von Ihrem Standpunkt aus die demokratische Legitimation versagen.

    (Erneute Zurufe von der SPD.)

    Es gibt in unserem deutschem Vaterland augenblicklich so viele Vorgänge, denen wir allerdings auch die demokratische Legitimation restlos zu verweigern genötigt sind.

    (Beifall bei der DP.)

    Sie wissen, was ich meine.

    (Erneute Zurufe von der SPD.)

    Da ist der Fall Krebs, und an diesem Fall interessiert uns der Grundsatz,

    (Zurufe links)

    daß ein ehemaliger Nationalsozialist, den wir nach seiner heutigen Haltung zu beurteilen haben, in der Öffentlichkeit nicht derart diffamiert werden darf. Darum geht es; das ist ein Grundsatz.

    (Zurufe links.)

    Im Grundgesetz sind nach einer Zeit der absuluten Staatswillkür, in der jede freie politische Meinungsäußerung verboten und unmöglich gemacht worden war, ganz klare Bestimmungen über die Ausübung der Meinungsäußerung und der demokratischen Grundrechte enthalten. Zur Abwehr etwaigen Mißbrauchs solcher Grundrechte sieht unser Grundgesetz ein rechtliches Verfahren vor. Wer also glaubt, daß eine Person oder eine politische Gruppe die Staatsgrundlagen gefährde, der mag sich mit dieser seiner Behauptung an das Bundesverfassungsgericht wenden, mag die in der Verfassung vorgesehenen Maßnahmen — und nur sie sind gesetzlich — ergreifen. Dann mag sich herausstellen, ob seine Behauptung wahr ist oder nicht. Meine politischen Freunde sind jedenfalls eisern entschlossen, unter allen Umständen diese klare rechtsstaatliche Grundlage in der Politik durchzusetzen.

    (Abg. Frau Wolff: Und wir sind eisern entschlossen, die Nazis nicht mehr rankommen zu lassen!)

    – So, das ist Ihre Meinung. Unsere Meinung ist, daß ein ehemaliger Nationalsozialist, der den Beweis erbringt und die Gewähr dafür bietet, daß er ein anständiger Mensch ist und den heutigen Staatsgedanken bejaht, nicht durch Terrormaßnahmen behindert werden darf.

    (Abg. Dr. Köhler: Unerhört! — Glocke des Präsidenten. — Abg. Dr. Greve: Das ist doch eine Unverschämtheit, daß Sie behaupten, ein Krebs biete die Gewähr für demokratische Freiheit! Eine Unverschämtheit von Ihnen!)

    — Herr Abgeordneter Greve, Ihre Beleidigungen berühren mich absolut nicht. Lesen Sie das Urteil


    (Dr. von Merkatz)

    des Ehrengerichtshofs der Anwaltskammer durch, dann werden Sie über Herrn Krebs das wirklich gültige, von besonnenen Männern gesprochene Urteil finden.

    (Abg. Dr. Greve: Was geht mich hier die Anwaltskammer an? Unfug! — Glocke des Präsidenten.)

    Es ist z. B. interessant, daß bei der Versammlung, die Herr Minister Seebohm abhalten wollte und bei der er überhaupt nicht zum Wort zugelassen worden ist, Herr Krebs gar nicht zugegen war, sondern daß die Bevölkerung Frankfurts offenbar Herrn Krebs gar nicht mehr gekannt hat. Denn der Mann, den sie da herausgeworfen haben wollten, war ein harmloser Sudetendeutscher, der auch äußerlich überhaupt keine Ähnlichkeit mit der Statur des Herrn Krebs hat. Daraus sehen Sie ja doch, daß die ganze Sache eine vorab bestellte Terrormaßnahme war.

    (Beifall bei der DP.)

    Wenn Sie diese Maßnahme rechtfertigen wollen, dann möchte ich wissen, worin diese Vorstellung von der Demokratie sich noch von der Volksdemokratie, gegen die Sie doch angeblich so Front gemacht haben, so wesentlich unterscheidet.

    (Sehr gut! und Beifall bei der DP.)

    Herr Dr. Seebohm war gar nicht in der Lage, überhaupt ein Wort zu sprechen,

    (Abg. Dr. Greve: Die Zunge hat er herausgestreckt! — Glocke des Präsidenten)

    so daß er allmählich zu einer Zeichensprache gelangen mußte,

    (Heiterkeit)

    die der ganzen Narretei angemessen war, die auf der anderen Seite exerziert worden ist.

    (Beifall bei der DP. — Zurufe links. — Glocke des Präsidenten.)

    Nun noch zu dem sachlichen Gehalt. Der Herr Innenminister hat uns die Frage vorgelegt, warum in diesem Hohen Hause das Versammlungsordnungsgesetz, das doch eine wirklich legale, eine gesetzliche Maßnahme bietet, um solche Vorgänge zu verhindern, nicht verabschiedet wird. Ich glaube, es wäre interessant, Ihr eigenes demokratisches Gewissen einmal dahingehend zu prüfen, ob es nicht besser wäre, wenn Sie die Waffe der Versammlungsstörung für die Zukunft aus der Hand legten und wenn wir in diesen Fragen zu einer anständigen rechtsstaatlichen Ordnung kommen könnten.

    (Abg. Dr. Greve: Aber nicht mit Herrn Krebs!)

    Deshalb haben wir die Interpellation eingebracht.

    (Beifall bei der DP. — Abg. Mellies: Nicht mit politischen Freibeutern!)