Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist notwendig, die Vorgänge in Frankfurt am Main noch einmal etwas eingehender zu betrachten, als es bisher geschehen ist. Was in Frankfurt einmal war, wissen Sie alle. In Frankfurt lebten 37 000 Juden, die so gut wie restlos ausgerottet worden sind,
und zwar unter der Ägide eben dieses Herrn D r. Krebs.
Die Deutsche Partei fragt die Regierung, was sie zu tun gedenke, den demokratischen Parteien die Ausübung der Grundrechte zu garantieren. Gerade darauf kommt es an für S i e, den Nachweis zu führen, daß S i e eine demokratische Partei sind!
— Sie rufen „Unerhört!" — gut, dann darf ich Sie daran erinnern, daß erst vor wenigen Tagen in Frankfurt am Main ein prominentes Mitglied Ihrer Partei erklärt hat: „Was der Nationalsozialismus getan hat, war richtig,
und wir sollten so schnell wie möglich wieder mit dem gleichen System beginnen,
dann hätten wir bald wieder Ordnung und Sauberkeit bei uns."
Das sind die Vertreter Ihrer Partei!
Nun will ich Ihnen sagen, wie Herr Dr. Krebs glaubte, sich in Frankfurt am Main einführen zu müssen, wie er glaubte, sich der Frankfurter Wählerschaft vorstellen zu können.
Herr Dr. Krebs sprach in seiner ersten Versammlung etwa wie folgt:
„Ich bin ein Ehrenmann,
ich habe eine weiße Weste, ich habe ein reines Gewissen. Aber schauen Sie sich die Demokratie an: ein Saustall, Korruption, Unterschlagung, Betrug, Lug und Trug, wohin Sie schauen. Diese Demokratie ist vergleichbar mit einem Pelz, der voller Läuse sitzt.
Und Sie, meine Zuhörer, sind ja alle alte Frontsoldaten, und Sie wissen aus Erfahrung, wie man mit Läusen umgeht: man pickt sie heraus und knackt sie, daß das Blut spritzt."
Das waren die Vorstellungsworte des Herrn Dr. Krebs.
Der Fraktionsführer der FDP, Herr Grosser, der diese Versammlung besucht hat, hat in Frankfurt am Main öffentlich erklärt: „Ich muß es als gewählter Stadtverordneter und Bürgerschaftsvertreter als eine Schande bezeichnen, was Herr Dr. Krebs dort ausgeführt hat."
Nun, Sie brauchen sich also nicht zu wundern, wenn die Frankfurter demokratischen Kreise daraus die Konsequenz gezogen haben:
Einmal Dr. Krebs und nicht wieder!
Wir haben in Frankfurt am Main erklärt: So lange sich die DP nicht sichtbar von diesen alten Nazi-Größen distanziert, betrachten wir sie nicht als eine demokratische Partei.
Aus eben diesen Gründen kam es auch in der Versammlung des Herrn Dr. Seebohm zu den Tumulten, weil auch dort wieder Herr Dr. Krebs als prominenter Vertreter der DP herausgestellt werden sollte.
Es ist sicherlich sehr anerkennenswert und verdienstvoll von Herrn Dr. Seebohm, wenn er einmal auf eine neue Art und Weise versucht hat, mit einer gegnerischen Zuhörerschaft fertig zu werden. Als es ihm nämlich zu bunt wurde, streckte er ihr kurzerhand die Zunge heraus
und machte die entsprechenden Gebärden dazu.
Nun, wenn das etwa eine Einladung im Sinne eines klassischen Zitates gewesen sei soll,
die Frankfurter sind humorvoll, sie haben Herrn Dr. Seebohm ebenso eindeutig geantwortet, nämlich in dem Sinne: Du uns auch!,
nämlich so lange, so lange du den Dr. Krebs an der Spitze stehen hast!
Nun aber frage ich doch im Ernst: was will Herr Dr. Seebohm oder die DP mit dieser Anfrage überhaupt? Ihr Versammlungsleiter hat die Versammlung selber geschlossen. Zu allem Überfluß hat Herr Dr. Seebohm der Frankfurter Polizei attestiert, daß sie sich in jeder Beziehung einwandfrei und korrekt benommen habe.
Trotzdem hier die große Anfrage? Ich glaube, die Frage, die sie an die Regierung stellen, sollte sich die DP selber stellen.
Die Antwort ist sehr leicht und eindeutig zu finden. Herr Dr. Seebohm sollte genau das tun, was der CDU-Abgeordnete Florian in Frankfurt in der Stadtverordnetenversammlung getan hat, als diese alten Nazi-Größen wieder aufkreuzten. Er rief ihnen nämlich kurz und lapidar zu: „Abtreten, meine Herren!"
Beweisen Sie von der DP, daß Sie nicht das Sammelbecken des Neofaschismus sind; und wenn Sie schon nicht glauben, meine Herren, auf diese wertvolle Gesellschaft verzichten zu können, dann bringen wenigstens Sie, Herr Dr. Seebohm, oder die verantwortlichen Leute das auf, was diese gescheiterten Größen nicht haben, nämlich politisches Taktgefühl, und stellen diese Leute wenigstens ins dritte oder vierte Glied Ihrer Bewegung, sofern dort überhaupt eine solche Gliedertiefe vorhanden ist.
Aber wenn Sie diese provozierenden Typen dem Volke präsentieren, dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, daß die entsprechende Reaktion erfolgt. Viel besser ist es allerdings, wenn Sie diese Leute erst überhaupt nicht aufnehmen und sie dorthin verweisen, wo sie ihrer Herkunft und ihrer heutigen Gesinnung nach hingehören, nämlich in die SRP oder, wenn es geht, noch weiter rechts.
Schaffen Sie klare Fronten, dann laufen Sie auch nicht Gefahr, verwechselt zu werden, dann werden Sie auch jederzeit ohne jede Störung und auch in Frankfurt am Main in dem Genuß der demokratischen Grundrechte sein.
Nun will ich Ihnen nur — weil Herr Kollege Ewers hier gesagt hat, in Frankfurt agierte der Mob — einige Äußerungen
der Parteivertreter zur Kenntnis bringen, die mit Ihnen hier in der Koalition sind; es dürfte für Sie ganz aufschlußreich sein. Herr Dr. Wilhelmy von der CDU hat in Frankfurt am Main in der Stadtverordnetenversammlung erkärt:
Ich kann mir nicht denken, daß in dem liberalen Bürgertum irgendein Zweifel darüber bestehen könnte, daß eine Partei, die von Männern vertreten ist, wie hier die Gruppe der DP, daß diese Partei irgend etwas anderes sein könnte als eine neofaschistische Partei.
Meine Damen und Herren, ich sehe es als einen Mißbrauch des Namens der DP an, was uns hier vorgeführt wird, und ich sehe es als eine grobe Täuschung des Publikums an, was wir hier vor uns haben in den Vertretern, die die DP in das Stadtparlament entsandt hat.
Diese Leute gehören meiner Überzeugung nach nicht in die DP, sondern in die SRP.
Wir sind der Auffassung, daß es in der Tat nicht zumutbar ist, daß Männer unter einem falschen Namen, nämlich dem der DP, hier nationalsozialistische Politik in unseren kommunalen Sektor hineintragen wollen. Das ist der Grund, warum wir im Wege der Neufassung der. Geschäftsordnung nicht zulassen werden, daß diese Gruppe Fraktionsstärke hat. Die Fraktion meiner Partei wird, das erkläre ich mit aller Entschiedenheit, im Rahmen des gesetzlich Möglichen einen entschiedenen Kampf gegen diese DP, wie sie in Frankfurt am Main ist — und die keine echte DP darstellt —, mit aller Schärfe führen.
Am Schluß seiner Ausführungen bezeichnet er diese Leute als „Wölfe im Schafskleid".
Herr Grosser von der FDP hat im gleichen Sinne gesprochen. Er hat die Versammlung des Herrn 1) r. Krebs, wie erwähnt, als eine Schande bezeichnet und zum Ausdruck gebracht, daß es für ihn und seine Parteifreunde unmöglich sei, in der Art und Weise und in dem Geiste, wie Herr Dr. Krebs dort gesprochen hat, an den Aufbau Frankfurts heranzugehen.
Wir wollen aber nicht,
— sagte er wörtlich —
gegen die Änderung der Geschäftsordnung stimmen, weil das heißen würde, daß wir Herrn Dr. Krebs, Herrn Bischof usw. Vorschub leisten wollten. Das darf auf keinen Fall geschehen. Ich möchte im Namen meiner Fraktion und in allem Ernst an die Deutsche Partei in Frankfurt am Main appellieren: reinigen Sie sich von den unerträglichen Leuten, die Sie hier in dieses Haus 'hineingebracht haben.
In einer Stadt, die einmal 37 000 Juden zu ihren Bürgern zählte, die zum größten Teil vernichtet worden sind, ist kein Platz für einen Herrn Dr. Krebs.
Das sind die Ausführungen von FDP- und CDU-Vertretern. Ich glaube, ich brauche dem nichts hinzuzufügen und brauche insbesondere nicht auszuführen, was der SPD-Vertreter dazu gesagt hat.
Nun überlegen Sie sich einmal, Herr Kollege Ewers, ob das der „Mob" ist.
Das, was von diesen Vertretern zum Ausdruck gebracht worden ist, ist genau das, was die Frankfurter Bevölkerung fordert.
Herr Kollege Walter meinte, wir sollten bei allem bedenken, welche Wirkung das auf das Ausland hat. Ich glaube, die Wirkung auf das Ausland ist um so eindeutiger und positiver, je deutlicher und energischer wir uns gegen solche Versuche eines Neofaschismus zur Wehr setzen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang gleich noch auf eine andere Sache kurz zu sprechen kommen. Pfingsten veranstaltete der BDJ in Frankfurt am Main ein sogenanntes Freiheitstreffen. Sie sprachen von Menschenraub, Herr Walter. Nun, dieser Menschenraub wurde am Pfingstsamstag von Angehörigen des BDJ in Frankfurt praktiziert.
Ein Omnibus mit Teilnehmern fuhr am Pfingstsamstag durch die Stadt hinaus zum Stadion. In diesem Omnibus befand sich ein Mitglied der Bundesleitung des BDJ.
Etwa auf der Höhe der Villa Mumm auf der Forsthausstraße sahen die Omnibusinsassen, wie zwei Fünfzehnjährige eben dabei waren, Plakate des BDJ von einer Gartenmauer zu entfernen. Man schoß mit Scheintodpistolen auf diese Jungen. Der Omnibus wurde sofort gestoppt. Eine Gruppe der Insassen sprang heraus, verfolgte die zwei über die Gartenmauer nach der Villa Mumm hin. Den einen erwischte man, verprügelte ihn, drehte ihm die Arme auf den Rücken und schleppte ihn in den Omnibus. Bei der Jagd nach dem zweiten trat den Verfolgern ein in der Villa Mumm wohnender Polizeibeamter entgegen. Er war in Uniform, allerdings ohne Uniformrock.
Er trug ein 15 Monate altes Kind auf dem Arm. Er gab sich sofort als Polizist zu erkennen, hielt einen der Verfolger fest und versuchte, ihm einen Gummiknüppel abzunehmen. Daraufhin fiel die ganze Horde über den Beamten her, schlug ihn —mit dem Kind — zu Boden.
Das Kind wurde dabei verletzt. Dann prügelte man auf den am Bodern liegenden Beamten in der Weise ein, daß er mit erheblichen Verletzungen und einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus gebracht werden mußte.
Nach dieser .,Heldentat" entwischte die ganze Gruppe wieder in den Omnibus und flüchtete ins Stadion.
Das sofort alarmierte Überfallkommando stellte im Stadion die Tätergruppe fest, verhaftete sie und stellte auch die Scheintodpistole und weitere Schlagwerkzeuge sicher. Noch in der Nacht zum Pfingstsonntag berieten Oberbürgermeister und Polizeipräsident und kamen zu der Überzeugung: die geplante öffentliche Kundgebung auf dem
Opernplatz mitten in der Stadt und der damit verbundene Demonstrationszug durch die Stadt werden verboten,
und zwar wegen Gefährdung der Ruhe und Sicherheit.
Die Veranstaltung mußte im Stadion stattfinden. Die darauf erfolgten Proteste und die Ankündigung einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht sind in Frankfurt am Main mit Gelassenheit entgegengenommen worden; sie werden die gebührende Antwort finden.
Warum habe ich das hier erwähnt? Ich will damit erneut unter Beweis stellen, daß in Frankfurt am Main kein Platz ist für neofaschistische Experimente oder antidemokratische Provokationen irgendwelcher Art.
In keiner Weise wollen wir ein Wiederaufleben des Nazi- oder HJ-Geistes erleben. Die SPD wird alle diejenigen, die bewußt oder unbewußt einem solchen Wiederaufleben Vorschub leisten, auf das schärfste bekämpfen. Es liegt an Ihnen, meine Herren von der DP, ob Sie uns bei dem vielen, was uns sonst trennt, auch auf diesem Gebiete weiterhin als schärfsten Gegner finden. Bessern Sie sich in der Beziehung, indem Sie sich sichtbar und deutlich von diesen Leuten distanzieren. Es wäre wesentlich besser für uns, wenn sich die übergroße Mehrheit in diesem Hause einig darüber wäre: Nazi-Krebs-Gang nie wieder! Aber dazu genügen nicht Lippenbekenntnisse und pathetische Beteuerungen, dazu gehören eindeutige, sichtbare Maßnahmen. Welcher Art diese zu sein haben, sagen Ihnen sehr deutlich die Empfehlungen der Frankfurter demokratischen Kreise. Handeln Sie danach, Herr Minister Seebohm und die Anfragesteller, und Sie sind wahrscheinlich nie mehr in die Notwendigkeit versetzt, eine solche Anfrage hier zu stellen.
Handeln Sie aber nicht danach und versuchen Sie weiterhin, mit Euler-Spiegeleien in den Kreisen der ehemaligen Nazi die Gefolgschaft zu finden, die Ihnen offenbar sonst versagt ist, stellen Sie weiterhin Nazigrößen zum Gimpelfang heraus, nun, dann beklagen Sie nicht darüber, wenn man an Ihrer demokratischen Zuverlässigkeit zweifelt und entschlossen ist, Ihnen entgegenzutreten und dafür zu sorgen, daß diese Demokratie nicht ein zweites Mal ein schimpfliches Ende nimmt.