Ich danke schön.
Zur Tagesordnung habe ich folgendes zu sagen. Es ist gebeten worden, den Punkt 1 der Tagesordnung zurückzustellen, bis der Herr Staatssekretär des Bundesjustizministeriums aus Karlsruhe zurückgekehrt ist. Das wird im Laufe des Vormittags der Fall sein. — Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist. Im übrigen ist mir mitgeteilt worden, daß unter den Fraktionen ein Einvernehmen darüber herbeigeführt worden ist, daß der Punkt 3 a) und b) auch heute von der Tagesordnung abgesetzt wird und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden soll. Darüber besteht Einmütigkeit. — Ich darf annehmen, daß das Haus mit der Absetzung des Punktes 3 einverstanden ist.
Ich rufe auf den Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der Deutschen Partei und Genossen betreffend Gewährleistung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 15 Minuten und, falls eine Aussprache gewünscht wird, eine Aussprachezeit von 90 Minuten vor.
Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Walter.
Darf ich vorher noch mitteilen, daß der Vorsitzende des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen bittet, bekanntzugeben, daß der Ausschuß heute vormittag 11 Uhr 15 zu einer kurzen wichtigen Besprechung im Zimmer 206 Süd zusammentritt.
Bitte, Herr Abgeordneter Walter.
Walter , Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Der Anlaß für unsere Anfrage an die Regierung liegt schon ein Vierteljahr zurück. Die Störungen der Versammlungen in Hessen, besonders in Frankfurt, in Wiesbaden und einigen anderen Orten Hessens, während der Wahl im Frühjahr sind fast vergessen. Aber im Laufe der Wochen seit den Ereignissen hat sich eigentlich erst recht deutlich gezeigt, daß die Anlässe zu den Störungen der Versammlungen doch eine ernstere Bedeutung haben, besonders soweit die Aufrechterhaltung des Prinzips der Freiheit, der Demokratie und der Menschenrechte in Betracht kommt.
— Jawohl, ich werde darauf kommen, Herr Mellies, auf d i e Demokratie, die S i e jeden Tag glauben durch Reden verteidigen zu müssen. Wenn es aber zu Taten kommt, haben wir immer wieder erfahren müssen, daß eine gewaltige Kluft zwischen dem, was Sie sagen, und dem, was Sie tun , besteht.
Sie werden nicht behaupten können, daß Ihre Versammlungen von unserer Seite gestört worden seien.
Dafür haben Sie es sich angelegen sein lassen, nicht nur in Hessen, sondern überall, wo Ihnen die Möglichkeit gegeben war, nicht allein Versammlungen zu stören, sondern Sie haben großen Wert darauf gelegt, mit jenen Kreisen gemeinsame Sache zu machen, von denen man nicht behaupten kann, daß sie demokratisch sind oder daß sie die Demokratie anerkennen, und die daher keinen Anspruch auf demokratische Rechte erheben können.
Ich will mich gar nicht in die Einzelheiten der Versammlungen einlassen, denn das, was sich dort ereignete, war derart beschämend für die störenden Elemente, daß Sie allen Grund haben, darüber ernsthafte Betrachtungen anzustellen.
Womit ich mich besonders beschäftigen muß, das ist das Verhalten der Polizei
in unserem Bundesland Hessen. Es waren genügend Polizisten anwesend, um die Versammlungsfreiheit zu schützen; doch sie taten es nicht und handelten wahrscheinlich
auf Befehl ihres Innenministers, ihres Innenministeriums. Den Beweis dafür werde ich Ihnen bringen. Das Schreiben, das der hessische Innenminister an unsere Fraktion zu richten sich erlaubt hat, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Zustände im hessischen Innenministerium und darauf, was man in Hessen unter Demokratie verstehen zu müssen glaubt.
— Das haben wir begriffen, lieber Herr Kollege!
— Da lautet z. B. ein Satz in dem Schreiben:
Daß die Teilnehmer an einer politischen Versammlung das Recht haben, ihrer von der Auffassung des Veranstalters abweichenden politischen Meinung Ausdruck zu geben, kann nicht zweifelhaft sein.
Niemand hat bestritten, daß ein Versammlungsteilnehmer seine politische Meinung äußern kann. Aber wie man in Hessen von gewisser Seite die politischen Meinungen zu äußern beliebt, das haben wir in Frankfurt, in Wiesbaden und anderen hessischen Städten erleben können. Diese politische Meinung äußerte sich zuerst einmal so, daß man, ohne den Redner auch
nur vier Sätze sprechen zu lassen, dazu überging, die „Internationale" anzustimmen. Aber das genügte nicht.
— Jawohl, aber wir sind klug geworden. Nur Sie sind es noch nicht, und es hat den Anschein, Herr Ritzel, als ob es noch längerer Zeit bedürfen wird, ehe Sie klug werden.
Im übrigen, Herr Mellies, Ihnen möchte ich mit einem Wort Goethes antworten:
Es will der Spitz aus jenem Stall
Uns immerfort begleiten,
Und seines Kläffens lauter Schall
Beweist nur, daß wir reiten.
Die Methode, die der hessische Innenminister empfehlen zu können glaubt, um politische Meinungen in Versammlungen zu äußern, besteht darin, daß man nach dem verlängerten Singen der Internationale dazu übergeht, Stühle und Tische zu zerbrechen und Gläser, Flaschen und Uhren zu zerschlagen. Das nennt man dann ..Äußerung der politischen Meinung". So ist jedenfalls die Auffassung des hessischen Innenministeriums zu verstehen.
Aber ein anderer Satz in dem Schreiben ist ebenso bezeichnend für die Auffassung des Herrn Innenministers in Hessen:
Zu einem Eingreifen der Polizei hätte erst
dann Anlaß bestanden, wenn der Versammlungsleiter entweder ohne Erfolg den Versuch
gemacht hätte, von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen, oder wenn durch das Verhalten der Versammlungsteilnehmer die Versammlung unfriedlich geworden wäre.
Nun möchte ich Sie, meine Damen und Herren, um ein Urteil über „friedlich oder unfriedlich" bitten. Wenn Tische und Bänke zerschlagen werden, der Redner angegriffen wird und der Innenminister dies noch nicht als unfriedlich anerkennt, dann muß man schon sagen, daß das Gewissen des Herrn Innenministers in Hessen sehr robust sein muß.
Wenn diese Tätlichkeiten noch nicht ausreichten,
um das unfriedliche Verhalten einer Versammlung festzustellen, kann einem der hessische Innenminister nur leid tun.
Aber das ist nicht das Entscheidende. Ich will jetzt etwas noch Ernsteres behandeln.
Sie, meine Herren von der SPD, haben sich in Hessen nicht gescheut, diese Störung gemeinsam mit einer Organisation vorzunehmen, die laut dem Spruch in Nürnberg zu den „verbrecherischen Organisationen" gehört. Der Beweis dafür ist nicht schwer zu erbringen. Täglich wird uns bewiesen, daß dies weder eine deutsche noch eine demokratische, sondern eine verbrecherische Organisation
ist. Welcher Beweise bedarf es denn noch, wenn wir täglich hören, daß deutsche Menschen in Zwangslagern gequält und gepeinigt werden? Welcher Beweise bedarf es noch, da wir wissen, daß jene Weder vor Menschenraub noch vor Mord zurückschrecken und ihn täglich an deutschen Menschen verüben? Und mit diesen Kreisen haben Sie es gewagt, sich für die Störungen demokratischer Versammlungen zusammenzutun, um die Demokratie zu schützen! Wir werden das nicht vergessen!
Ich will Ihnen aber auch einige Beweise dafür vorlegen, daß es nicht die unteren Organe Ihrer Organisation sind, die die Schuld an diesen Vorgängen tragen. In der Zeitung „Freies Volk" wird geschrieben:
In der KPD-Wahlversammlung in Vilbel sprach der 1. Vorsitzende der SPD, Dr. Muth. Er erklärte, daß, wenn Adenauer wagen sollte, die KPD zu verbieten, sich die SPD schützend vor sie stellen werde.
— Ja, da will ich Ihnen nur sagen, daß es gar nichts schaden könnte, wenn Sie einen guten Rat annehmen würden.
— Ganz richtig, nur nicht wie Sie, Herr Kollege Greve!
Diese Meinung des Sozialdemokraten Dr. Muth liegt auf derselben Ebene wie die gefaßten Beschlüsse in der Bürgerschaft in Hamburg, wo SPD und KPD gemeinsam den Antrag ablehnten, die Thälmannstraße in ihren alten Namen umzubenennen.
— Darüber könnte ich Ihnen mehr sagen. — Sie liegt auf derselben Ebene wie der Beschluß, den die Bürgerschaft in Bremen auf Antrag der Kommunisten mit Hilfe der Sozialdemokraten annahm, der Regierung in Bonn Schwierigkeiten zu machen. Und so könnte man eine zusammenhängende Kette von Beweisen bringen, die immer wieder darlegen, daß ein Zusammengehen der SPD mit den Kräften der Zerstörung zum Programm gehört.
Man soll sich hüten, die Worte Demokratie, Freiheit und Menschenrechte täglich zu vergewaltigen.
Ich will Ihnen aber noch etwas sagen. Meine Herren von der Sozialdemokratie, vergessen Sie eines nicht. Es ist noch nicht so viele Jahre her, da lautete die Parole jener Kreise: „Die Sozialfaschisten sind schlimmer als die Faschisten!" Dies, meine Herren, sollte Ihnen ein wenig zu denken geben.
Aber auch die Auswirkungen solcher Demonstrationen wie das Stören der Versammlungen in
Hessen auf das Ausland sind zu bedenken. Es hat nicht erst der Erklärungen von Mr. George Meany bedurft, des Schatzmeisters der AFL, der den deutschen Sozialdemokraten und den deutschen Gewerkschaftlern allen Ernstes sagte: „Ich habe den Eindruck, daß wir die einzigen sind, die gegen die Tyrannis im Osten eine wirklich entschlossene Haltung einnehmen. In Deutschland habe ich das leider vermissen müssen."
— Herr Ritzel, bemühen Sie sich doch, ein wenig weiser zu sein! Sie hätten es nötig!
Ich will zum Schluß folgendes erklären: Wir müssen täglich Phrasen über Freiheit, Menschenrechte und Demokratie über uns ergehen lassen. Phrasen sage ich. Vergleichen wir damit die Taten, die wir täglich beobachten können, dann müssen wir sagen: es ist höchste Zeit, daß unsere Regierung wachsam, sehr wachsam wird. Denn die Gefahr für unser junges Staatswesen ist nicht zu unterschätzen, besonders wenn man es sich angelegen sein läßt, mit Organisationen zusammenzugehen, die es nur darauf angelegt haben, Staat und Volk zu zerstören.
Es gab einen amerikanischen Präsidenten, Lincoln,
dessen Politik in der gleichen hypokritischen Weise
von seinen politischen Gegnern behandelt wurde,
wie Sie es mit der Regierung tun, und der ihnen das Wort zurief: „You may fool some people for some time, but you cannot fool all the people all the time." Das, meine Herren, mögen Sie als Lehre oder als Warnung annehmen, vielleicht als beides. Sie haben allen Grund, das zu tun.