Rede von
Dr.
Herwart
Miessner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP begrüßt es, daß heute zwei Anträge der Deutschen Partei und der CDU/ CSU vorliegen, die sich damit befassen, das Gesetz zu Art. 131 zu verbessern. Die Freie Demokratische Partei kann sich um so mehr darüber freuen, weil sie schon seit einigen Monaten in der Öffentlichkeit immer wieder nachdrücklich betont hat, daß sie gewillt ist — und nicht nur gewillt, sondern daß sie auch bereits an der Arbeit ist —, Änderungsvorschläge für dieses Gesetz auszuarbeiten. Die Arbeiten der FDP für eine Novelle zu dem Gesetz zu Art. 131 sind inzwischen abgeschlossen. Ich kann Ihnen hier die Hauptpunkte nennen, die die FDP für reformbedürftig hält. Man kann im großen und ganzen die Änderungswünsche, die auch zum Teil in den Anträgen der DP und der CDU/CSU zum Ausdruck kommen, in drei große Gruppen unterteilen.
Das eine ist die Gruppe der Haupthärtefälle, die allein schon wegen des Notstandes der Beteiligten dringend einer schnellen Abhilfe bedürfen. Die zweite große Gruppe der Änderungswünsche geht dahin, die Forderung des Bundestags nach Rechtsgleichheit mit den einheimischen Beamten zu erfüllen. Schließlich bleiben die Änderungswünsche übrig, mit denen gewissermaßen Neuland beschritten wird.
Die Haupthärtefälle, die von weittragenden und allgemeiner Bedeutung sind, da sie einen großen Kreis betreffen, sind folgende:
Erstens: Das in dem Gesetz zu Art. 131 festgesetzte Übergangsgehalt ist damals aus den an sich bekannten Gründen — man wollte zunächst die Pensionäre voll bedenken — sehr mager ausgefallen. Das Übergangsgehalt ist so niedrig, daß es vielfach unter der früheren Überbrückungshilfe liegt, j a, es liegt zum Teil sogar unter den Fürsorgesätzen. Das Übergangsgehalt bedarf daher dringend einer Aufbesserung; ich glaube auch, daß man sich an Regierungsstelle schon darüber im klaren ist, daß das bald zu geschehen hat.
Zweitens. Der Stichtag vom 8. Mai 1935, der für die Wehrmacht festgesetzt war, bedeutet für diese Kreise und Personen eine ganz besondere Härte, die über die einschränkenden Bestimmungen für die übrige Beamtenschaft, wie die Praxis gezeigt hat, doch weit hinausgeht. Ich glaube, wir sollten diesen Stichtag unbedingt aufheben, da hier die Angehörigen der ehemaligen Wehrmacht sehr benachteiligt sind.
Drittens. Die vor einem Jahr getroffene Regelung für die Unteroffiziere mit zwölf und mehr Dienst-
jahren ist in der Tat nicht befriedigend gewesen. Wir haben damals den Unteroffizieren einen Rechtsanspruch nach dem Gesetz nur gegeben, wenn sie mehr als 18 Dienstjahre hatten. Die Unteroffiziere mit zwölf und mehr, bis zu achtzehn Dienstjahren, wurden nur im Wege der Beihilfe, also im Wege einer Kannvorschrift abgefunden. Nun sind zwar erhebliche Beträge aus diesem Fonds für diesen Unteroffizierskreis gezahlt worden. Aber man sollte doch jetzt, nachdem man die Dinge erkannt hat, diesen Unteroffizieren entsprechend dem damaligen Antrag der Opposition einen klaren Rechtsanspruch gewähren.
Viertens. Die Angestellten des öffentlichen Dienstes sind in das Gesetz nur einbezogen, soweit sie mehr als 25 Dienstjahre haben. Das bedeutet für diese Gruppe vielfach eine sehr große Härte. Sie haben zwar aus ihrem früheren Dienstverhältnis keinen eigentlichen Rechtsanspruch wie die Beamten; aber man sollte in diesem Falle aus sozialen Gründen doch zum mindesten den Angestellten mit mehr als 20 Dienstjahren einen Zuschuß zu ihren Sozialrenten geben. Darüber hinaus wäre allen Angestellten eine Abfindung dafür zu zahlen, daß sie 1945 fristlos aus ihren Stellungen kamen.
Fünftens. Schließlich bedarf der Stichtag für den Zuzug in das Bundesgebiet vom 23. Mai 1949 zweifellos auch einer Änderung. Alle Abgeordneten dieses Hauses haben zu dieser Frage sehr viele Zuschriften bekommen. Es gibt immer wieder Fälle, daß irgend ein alter Pensionär in der Ostzone nicht mehr existieren konnte und z. B. hierher in den Haushalt seiner Tochter oder seines Sohnes ziehen mußte. Seine beamtenrechtliche Versorgung scheitert dann an dem Stichtag vom 23. Mai 1949. Man sollte diesen Stichtag auf den 31. März 1951 verlegen, also den Tag vor Inkrafttreten des Gesetzes, oder ihn aber mindestens mit dem Stichtag gleichschalten, der im Vertriebenengesetz festgelegt wird.
Meine Damen und Herren, es müssen aber auch noch wesentliche Änderungen erfolgen, wenn die Forderung des Bundestags nach Rechtsgleichheit der 131er mit den Einheimischen tatsächlich verwirklicht werden soll.
Da ist erstens die Zehn-Jahres-Klausel für die allgemeine Beamtenschaft zu erwähnen. Diese muß fallen, wenn man nicht weiter unterschiedliches Recht zwischen einheimischen und verdrängten Beamten beibehalten will.
Zweitens bedeutet der Beförderungsschnitt eine außerordentliche Härte. Seine Aufhebung ist erforderlich, weil der Beförderungsschnitt zur Zeit eben nur die 131er, dagegen nicht die einheimische Beamtenschaft trifft.
Drittens ist es gegenüber der hiesigen Beamtenschaft ebenfalls eine Härte, daß das private Arbeitseinkommen bei den Pensionären aus dem 131er Gesetz voll zur Anrechnung kommt; das ist sonst nach den beamtenrechtlichen Vorschriften nicht der Fall.
Viertens wird es der Gerechtigkeit entsprechen, die amtlos verbrachte Zeit seit 1945 auf das Besoldungsdienstalter und das Ruhegehaltsdienstalter anzurechnen. Andernfalls würden die 131er für alle Ewigkeit benachteiligt.
Fünftens. Die Frauen von Männern, die sich noch in russischer Kriegsgefangenschaft befinden, bekommen nach der derzeitigen Regelung Witwenbezüge. Meine Damen und Herren, das geht natürlich nicht. Ein einheimischer Beamter in Kriegsgefangenschaft erhält für seine Familie die vollen Bezüge. Wir müßten dann hier wenigstens die vollen Bezüge des Mannes nach dem 131er Gesetz, also die Übergangsbezüge oder die Pension, gewähren.
Sechstens. Für die Unterbringung hat es sich als ein großes Hemmnis erwiesen, daß die Frage der Trennungsentschädigung und der Umzugskosten bei Einberufung in ein Amt nach dem 131er Gesetz nicht geregelt ist. Die einberufenden Behörden scheuen vielfach diese Kosten und sehen dann davon ab, den betreffenden 131er von entfernterem Ort einzuberufen; und der 131er selber ist nicht in der Lage, die Kosten zu tragen, weil er sich schon seit Jahren in einer ausgesprochenen Notlage befindet. Man sollte auch hier entsprechend der Regelung bei der aktiven Beamtenschaft im Falle einer Einberufung die Gewährung von Umzugskosten und Trennungsentschädigung für eine bestimmte Zeit vorsehen.
Siebtens. In dem 131er Gesetz ist vorgesehen, daß sich die Pension mindert, wenn die Witwe des Beamten mehr als fünfzehn Jahre jünger ist. Wir möchten vorschlagen, daß diese Minderung entfällt, wenn leibliche Kinder aus der Ehe hervorgegangen sind, da man ja in einem solchen Falle wirklich nicht von einer Versorgungsehe oder dergleichen sprechen kann.
Mit der dritten Gruppe von Änderungen, mit denen sich die FDP befaßt hat und die ich bei dieser Gelegenheit vortragen möchte, beschreiten wir zum Teil Neuland.
Da ist erstens der Wunsch der FDP zu erwähnen, die Hochschullehrer, die bisher in dem 131er Gesetz gar nicht behandelt sind, in einem besonderen Abschnitt einzubeziehen und dabei auf die besondere Art ihrer Forschungs- und Lehrtätigkeit Rücksicht zu nehmen.
Zweitens sollte man den Personenkreis der ehemaligen berufsmäßigen Angehörigen des Arbeitsdienstes in das Gesetz wirklich einbeziehen und nicht, wie es bisher der Fall ist, durch Nichtanrechnung der Zeit des freiwilligen Arbeitsdienstes praktisch 97 % der Gruppe vom Gesetz ausnehmen.
Drittens, meine Damen und Herren — das ist ein sehr wesentlicher Punkt —, muß die Unterbringung entschieden verbessert werden. Es muß von der Tribüne des Hauses leider wieder einmal gesagt werden, daß die Unterbringung noch nicht recht klappt. Der Wunsch der FDP ist es seit langem, daß die Unterbringung straffer und zentraler gehandhabt wird. Wir fordern daher, daß die Bundesausgleichsstelle in Köln, wie sie sich jetzt nennt, zu einer wirklich zentralen Bundesvermittlungsstelle wird, die einerseits in der Lage ist, mittels Kartei alle 131er, die noch arbeitsfähig sind, zu erfassen, und die andererseits den Behörden auf Anfordern diese 131er benennen kann, damit sie daraus schnell die Auswahl treffen können. Das ist wirklich ein sehr dringendes Anliegen. Das ganze Haus sollte sich gerade dieser Forderung annehmen, zumal sich mit einer fortschreitenden und noch schnelleren Unterbringung die Kosten des Gesetzes sehr bald und erheblich senken würden.
Viertens wollen wir insoweit Neuland beschreiten, als wir es trotz mancher Bedenken doch für richtig gehalten haben, eine generelle Härteklausel in das Gesetz zu übernehmen. Gewiß ist eine
Härteklausel vom Verwaltungsstandpunkt aus nicht nicht sehr erfreulich. Es stellt dann praktisch jeder einen Antrag, der irgendwie glaubt, eine Chance zu haben. Aber wir haben auch in dem Bundesversorgungsgesetz für die ehemalige Wehrmacht solche Härteklauseln, und ich habe mir von Sachverständigen sagen lassen, daß man bei Versorgungsangelegenheiten doch offenbar ohne eine generelle Härteklausel nicht auskommt. Denn die Fälle des Lebens sind — wie die Erfahrung zeigt — so kompliziert, daß man eben eine solche Generalklausel benötigt.
Ich darf Ihnen weiter sagen, daß sich unsere Vorschläge im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten halten. Im vergangenen Haushaltsjahr sind die tatsächlichen Ausgaben um annähernd 250 Millionen DM hinter dem Voranschlag und dem Etatsposten zurückgeblieben. Die Ausgaben der FDP-Novelle liegen weit unter diesem Betrag, so daß eine haushaltsmäßige Erhöhung nicht erforderlich ist.
Die FDP-Fraktion ist nun der Meinung, daß alle diese Mängel sehr schnell einer Beseitigung bedürfen, und zwar aus folgenden Gründen: Erstens: die Not der Betroffenen ist so groß, daß nicht länger gewartet werden kann. Zweitens: das 131er-
Gesetz beginnt bereits, sich verschlechternd auf andere Beamtengesetze auszuwirken. Drittens erfordert es die innere Befriedung, daß offensichtliches Unrecht, das damals teils aus Gründen der Finanzen, teils aber auch aus Gründen von Ressentiments geschehen ist, schnell beseitigt wird.
Die FDP hat sich daher entschlossen, selbst die Initiative zu ergreifen und einen Gesetzesentwurf vorzulegen. Die FDP hat nunmehr gestern dem Bundestag eine ausgearbeitete Gesetzesnovelle eingereicht, die alle soeben vorgetragenen Punkte enthält. Sie wird heute umgedruckt und Ihnen morgen im Fach vorliegen.