Rede von
Dr.
Bernhard
Reismann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Kunz e hat es auch jetzt nicht vermocht, mich davon zu überzeugen, daß seine Ausführungen zutreffen. Aber ich muß dagegen protestieren, daß es Herrn Kunze entglitten ist, dabei zu sagen: Die Herren haben es nicht verstanden. Wenn man über die Auslegung — die Auswirkung einer Bestimmung ist etwas anderes als ihre Auslegung — verschiedener Meinung ist, dann ist es ein billiges Argument, das noch niemals jemanden zu überzeugen vermochte, zu sagen: Ich habe recht, und deshalb mußt du mir glauben. Es wäre richtiger, dann darzulegen, warum er recht hat. Aber aus den Gründen, die Herr Kunze dargelegt hat, will ich eines der Argumente herausgreifen.
Er sagte, wenn einer bis 1956 aufbaut, dann kriegt er die Abgabe erlassen. Ja, wer kann denn bis 1956 aufbauen! Am wenigsten können es diejenigen, die den Erlaß am meisten nötig haben; die müssen verkaufen und bekommen heutzutage nicht einmal den Einheitswert. Ich weiß nicht, Herr Kunze, ob Ihnen bekannt ist, wie die Sachlage in den zerstörten Großstädten ist. Sie kriegen den Einheitswert nicht! — Dann kriegen sie sie herabgesetzt, sagen Sie. — Jawohl, das kann sein. Dann wird die Schuld erlassen, namentlich dann, wenn ein anderer aufbaut. Aber wo ist denn dann der Gewinn, von dem Sie sprachen, den der Einheimische vor dem Vertriebenen hätte: Der ist illusorisch, und zwar deshalb, weil man dann von dem Begriff des Einheitswertes auch bei der Entschädigung ausgeht. Er ist gar nicht vorhanden. Es ist also ein Irrtum von Ihnen, wenn Sie davon ausgehen, daß in der Praxis die einheimischen Geschädigten besser abkämen als die fremden.
Natürlich ist es so: Wenn jemand ein Vermögen von 10 000 Mark behalten hat und ein Vertriebener hat nur im Osten ein Vermögen gehabt, dann hat der, der das Vermögen von 10 000 Mark hat, gegenüber dem Vertriebenen, der nichts mehr hat, einen Vorzug. Aber das ist eine Frage der Höhe des Schadens und nicht eine Frage der Auswirkung dieses Gesetzes. Unsere Frage hier hat nichts mit der anderen Frage zu tun, ob einer noch irgendein Restvermögen behalten hat. Das, was die Geschädigten verloren haben, muß gleich behandelt werden, ohne Rücksicht darauf, ob es der Betreffende nun im Osten oder hier im Westen verloren hat. Oder Sie müssen das Gesetz auf eine ganz andere Grundlage stellen und sagen: Der Schaden wird nach dem bemessen, was der einzelne behalten hat. Das haben wir aber bisher nicht getan. Das, was wir tun, ist unlogisch, wenn wir bei diesem bestehenden Wortlaut bleiben.
Wenn man dem sehr ursprünglichen und gar nicht niederzuhaltenden Verlangen der beiden Geschädigtenkategorien nach Gleichberechtigung und Gleichbehandlung nachkommen will, dann bleibt nichts anderes übrig, als dem Antrag der
Föderalistischen Union und des Abgeordneten Nöll von der Nahmer und seiner Freunde, die wörtlich übereinstimmen, stattzugeben.
Ich bitte den Herrn Präsidenten — ich nehme an, daß es der Herr Präsident auch von sich aus tun würde —, über diese Anträge, die genau denselben Wortlaut haben, zusammen abstimmen zu lassen.