Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Der an sich kurze Änderungsantrag zu § 32 enthält ein Problem von allergrößter politischer Bedeutung.
— Ja, unzweifelhaft! Hunderttausende von Ausgebombten hoffen, daß die in § 32 vorgesehene und gegeniiber den für Vertreibungsschäden geltenden Vorschriften des § 34 unterschiedliche Behandlung geändert wird. Wir haben das Problem nachher noch einmal bei § 268. Es geht um die Frage des Schuldenabzuges. Bereits in der zweiten Lesung haben wir hier über die schwierige Problematik, die dieser Paragraph aufwirft, diskutiert. Die für Entschädigungszwecke unzulänglichen Einheitswerte müssen den gegebenen Notwendigkeiten irgendwie angepaßt werden. Ich selbst bedauere
es, daß man die allgemein als notwendig anerkannte Korrektur der Einheitswerte im Ausschuß in der Weise vorgenommen hat, daß man eine Anpassung lediglich in der Form des verringerten Schuldenabzugs versucht hat. Infolgedessen erfährt der Nichtverschuldete überhaupt keine Verbesserung der Einheitswerte, die seiner Entschädigung zugrunde gelegt werden. Nach der jetzt vorliegenden Gesetzesfassung wird diese Anpassung aber außerdem auf die Vertreibungsschäden und die Ostschäden — die hier analog den Vertreibungsschäden behandelt werden — beschränkt, während sic bei den Kriegssachschäden völlig fehlt.
Wie wirkt sich die Regelung, wie sie jetzt vorgesehen ist, aus? Ich darf bitten, die beiden Beispiele, an denen ich es klarmachen werde, mitzuschreiben. Neben Sie einmal an, jemand hat in Köln ein Grundstück mit einem Bodenwert von 20 000 und einem Gebäudewert von 80 000 Mark gehabt. Ein gleiches Grundstück stand in Breslau. In beiden Fällen beträgt der Einheitswert 100 000 Mark. Auf beiden liegt eine Schuldenlast von 60 000 Mark, so daß sich ein Eigenvermögen von jeweils 40 000 Mark ergibt.
Nach der jetzigen Regelung des Gesetzes würde sich folgende Endrechnung ergeben: Der Kölner hat sein Grundstück behalten. Die Hypothek von 60 000 Mark wird nach den Vorschriften des Gesetzes verteilt auf das Gebäude — darauf entfallen 48 000 Mark — und auf den Boden mit 12 000 Mark. Das heißt, da ein Bodenwert von 20 000 Mark da war und 12 000 Mark Hypothek anteilig darauf entfallen, bleibt ein Eigenvermögen bei dem Grundstück in Höhe von 8000 Mark übrig. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß dieser Wert an und für sich problematisch ist; denn solange auf dem Grundstück nicht wieder ein neues Gebäude steht, hat es für den Eigentümer regelmäßig keinen unmittelbaren Nutzen. Sein Wert an sich ist also problematisch; aber der Grund und Boden ist dem ausgebombten Kölner immerhin verblieben.
Bei seinem Haus, das zusammengebombt ist, ergibt sich nun folgende Rechnung. Der Einheitswert des Hauses betrug 80 000 Mark, der Hypothekenanteil, der auf das Haus entfiel, betrug bei einer Gesamtbelastung von 60 000 Mark 48 000 Mark, so daß also ein Schadensbetrag von 80 000 bis 32 000 Mark bleibt. Dieser Schaden wird im Lastenausgleich entschädigt. In dem Breslauer Fall ist der Schaden natürlich größer, denn hier ist ja auch der Grund und Boden verloren worden. Im Breslauer Schadensfall wird aber nun die Hypothek von 60 000 Mark nur zur Hälfte abgezogen, d. h. also nur mit 30 000 Mark. Der Mann hatte ein Eigenvermögen von 40 000 Mark und hat nunmehr einen entschädigungsberechtigten Verlust von 40 000 Mark plus nur den halben Schuldenabzug von 60 000 : 2 = 30 000 Mark, also 70 000 Mark insgesamt.
Nun wird von denen, die die jetzige Vorlage als richtig betrachten, so argumentiert: Der Mann in Köln sei ja doch viel besser daran, als der Breslauer Vertriebene. Er hat Grundstück und Gebäude verloren, während der Kölner noch seinen Grund und Boden besitzt. Ich habe schon gesagt, daß die betroffenen Kreise darauf hinweisen, dieses Grundstück sei kein Wert, der ihnen unmittelbar etwas nütze, denn es bringe ihnen ja zunächst nichts ein. Immerhin kann man darüber diskutieren, wenn gesagt wird, es sei in dem Kölner Fall noch ein Wert vorhanden.
Die Entschädigung wirkt sich je nach der Höhe der angemeldeten Schadenssumme verschieden aus. Je höher der Schadensbetrag ist, desto stärker sinken bekanntlich nach § 269 die Sätze der Entschädigung. In unserem Beispiel würde die Rechnung so aussehen, daß der einheimische Kölner nach der Staffelung des § 269 einen Entschädigungsanspruch in Höhe von 8 835 Mark hätte. Der Breslauer, dessen Schaden an sich ja sowieso höher _ist, nämlich zuzüglich 20 000 Mark für Grund und Boden, hätte einen Entschädigungsanspruch von 10 435 Mark. Dazu kommt noch der 10%ige Zuschlag, den wir, ich glaube, einstimmig im Ausschuß allen Heimatvertriebenen
- und Evakuierten zugebilligt haben. Kein Zweifel besteht darüber — Herr Kollege Schütz hat das ja auch in der zweiten Lesung hier sehr schön ausgeführt —, daß ein Vertreibungsschicksal eine besondere Härte darstellt. Für diese Fälle haben wir durch den 10% igen Zuschlag zu den Grundentschädigungen für die Heimatvertriebenen und Evakuierten, die als Evakuierte eben auch ein besonders hartes persönliches Schicksal getroffen hat, einen besonderen Ausgleich zu schaffen versucht.
Die Verteidiger der jetzigen Regelung argumentieren nun sicher: Im Endergebnis steht der Kölner besser da als der Breslauer. Neben seiner Entschädigung von 8835 Mark hat er ja immer noch das Eigenvermögen in Grund und Boden von 8000 Mark, im Endergebnis also 16 835 Mark. Der Heimatvertriebene dagegen hat trotz des Zuschlags von 10 % nur 11 440 Mark Entschädigungsanspruch und sonst gar nichts mehr. Also besteht keine Ursache zur Klage bei den Ausgebombten. Es ist nicht richtig, wenn man von einer Benachteiligung der Kriegssachgeschädigten spricht.
Meine Damen und Herren, wenn die Dinge nicht so schwierig wären und sich nicht tatsächlich die verschiedensten Argumente gegenüberstünden, dann wäre diese Diskussion ja gar nicht notwendig geworden. Was ist der entscheidende Punkt? Er ist bei der jetzigen Vorlage nicht angemessen berücksichtigt worden. Weshalb halten wir alle eine Korrektur der Einheitswerte für notwendig? Doch deswegen, weil wir die Einheitswerte als solche für Entschädigungszwecke für unzulänglich halten. Dieses Argument trifft aber für das zerbombte Haus in Köln genau so zu wie für den gesamten Besitz — Grundstück plus Haus — in Breslau. Das scheint mir der entscheidende Punkt zu sein.
Etwas anderes kommt hinzu. Bei den Berechnungen gehen wir immer davon aus, daß wir über die Entschädigungszahlungen die Möglichkeit des Wiederaufbaus schaffen wollen. Der Hausaufbau soll dem Ausgebombten genau so gut ermöglicht werden wie umgekehrt auch dem Vertriebenen. Beide haben dieselben Kosten, jedenfalls für den unmittelbaren Hausaufbau. Dann muß ich ihnen aber auch dieselbe Entschädigung zubilligen. Für den verlorenen Grund und Boden erhält der Breslauer eine besondere Entschädigung.
Aus diesen Gründen halten wir die jetzige Lösung der Vorlage nicht für richtig. Man muß hier auch den Auffassungen einer sehr großen Zahl unserer Mitbürger Rechnung tragen, die die jetzige Regelung als Benachteiligung empfinden. Wir sollten alles tun, um in diesem Gesetz die Gleichbehandlung der Heimatvertriebenen und der Kriegssachgeschädigten durchzuführen, unbeschadet des durchaus zu verteidigenden und durchaus zu billigenden Sonderzuschlags von 10 % zu den Grund-
entschädigungen. Wir können es leider nicht mehr ändern, daß das ganze System dieser Einheitswertkorrektur über den Schadensabzug sich immer mehr als falsch erweist, je mehr man sich mit den Dingen beschäftigt. Wir müssen nun einmal von die. er Tatsache ausgehen.
Das ist nun einmal so geschehen. Man sollte aber dann zumindest eine verschiedene Behandlung bei der Einheitswertkorrektur verhindern.
Aus diesen Gründen habe ich nach sehr reiflicher Durcharbeitung dieser ganzen Fragen diesen Antrag gestellt. Er ist finanziell nicht von ins Gewicht fallender Bedeutung.
Für die Kompensationsfrage spielt er gar keine Rolle, weil hier der Plafond von 100 Millionen DM nach § 38 ja sowieso da ist. Er kann sich also immer nur bei der Entschädigungsseite auswirken. Bei der Entschädigung kommen diese Beträge, die wir den Ausgebombten geben, dem Wiederaufbau der zerbombten Häuser zugute. Das ist ja ein Ziel, das wir mit allen Mitteln erreichen wollen. Die Entschädigungsleistungen sollen den Ersatz für das fehlende Eigenvermögen bilden. Wenn ich die uns hier beschäftigende Frage unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachte, so spricht alle dafür, daß man hier gleichzieht. Nicht nur die Rücksichten auf unsere einheimischen Mitbürger, sondern auch sehr wohl erwogene volkswirtschaftliche Erwägungen verlangen Förderung und Erleichterung des Wiederaufbaus.
Ich bitte Sie also, dem Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 517 zuzustimmen.
) Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der Abgeordnete Reismann zur Begründung des Antrags Umdruck Nr. 543.