Rede von
Dr.
Helmut
Bertram
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Meine Damen und Herren! Daß wir an dem Stichtag des 21. Juni 1948 festhalten müssen, ergibt sich ja auch aus unserer gesamten Steuergesetzgebung. Die Höherbewertung der Aktien findet automatisch ihren Niederschlag in der Wertfortschreibung; sie werden entsprechend höher zur Vermögensteuer herangezogen, bei Veräußerungsgewinnen entsprechend zur Einkommenoder zur Körperschaftsteuer. Ebenso werden natürlich Verluste in den folgenden Jahren ausgeglichen werden. Wir können ja nicht ganz willkürliche Zeiträume zugrunde legen.
Wenn darauf hingewiesen worden ist, daß bei einem entsprechenden Beschluß eine Konzentrationsbewegung zu befürchten sei, so ist das ein Irrtum. Nach § 60 des Reichsbewertungsgesetzes gilt das sogenannte Schachtelprivileg. Derartige im Besitz einer anderen Aktiengesellschaft befindliche Kapitalbeträge bleiben bei der Bewertung außer Ansatz.
Die als Ersatz angebotene Spekulationssteuer ist eine Steuer, die in den statistischen Anschreibungen der Bundesfinanzverwaltung und der Länderfinanzverwaltungen keine eigene Rubrik hat. Ich habe mich bemüht festzustellen, was bei dieser Steuer aufkommt. Es ist nicht möglich, das festzustellen. Es mögen vielleicht 100 000 DM im Jahre sein. Das liegt einfach daran, daß diese sogenannte Spekulationssteuer des § 23 des Einkommensteuergesetzes nur diejenigen Spekulationsgewinne erfaßt, die nicht im gewerblichen Betrieb gemacht worden sind. Nach Abs. 3 des § 23 sind nämlich Spekulationsgeschäfte dann nicht anzunehmen, wenn Wirtschaftsgüter veräußert werden, deren Wert bei Einkünften nach § 2 Abs. 3 Ziffern 1 bis 6 des Einkommensteuergesetzes anzusetzen ist. Daraus ergibt sich, daß nur die wenigen Fälle von Spekulationsgewinnen zu erfassen sind, bei denen es sich nicht um gewerbliches Vermögen handelt. Das sind so geringe Beträge, daß sie nicht einmal eine eigene Buchführung erhalten. Deshalb kann ich nicht einmal feststellen, wie hoch dieser Betrag ist.
Im übrigen werden sie zur Zeit schon besteuert. Diese Steuern fließen den Ländern zu. Es würde sich also doch nur um eine reine Verlagerung eines ganz unwichtigen Betrages von den Ländern auf die Bundeskasse handeln.
Der Antrag der CDU/CSU, die sogenannte Familiengesellschaft mit einzubeziehen, betrifft eine Frage, die meiner Ansicht nach durch den vorgeschlagenen Gesetzestext bereits gelöst ist, durch den Zusatzantrag aber eine in zwei Richtungen sehr gefährliche Ausweitung erhält. Einmal juristisch. Der Begriff der Familiengesellschaft ist nirgendwo definiert. Der Begriff der Familie aus dem Einkommensteuerrecht paßt hier offenbar nicht. Denn da sind nur der Steuerpflichtige selbst, seine Ehefrau, seine Kinder bis zu 18 Jahren — uneheliche Kinder im Verhältnis zur Mutter im übrigen auch — und die Pflegekinder gemeint. Offenbar ist nicht dieser Begriff der Familie gemeint. Aber man kann auch nicht von einem Familienbegriff in der Art ausgehen, daß beispielsweise gleiche Namenseigenschaften maßgebend sein sollen. Ein anderes Kriterium könnte der Gründer und seine Erben sein. Aber da müßte man überlegen, ob das bis in die erste, zweite oder dritte Generation gehen soll. Dabei ist auch nicht klar, wie hoch der Prozentsatz der Beteiligung sein soll. Kann man von einer Familiengesellschaft sprechen, wenn eine Beteiligung von 90 %, von 50 % oder von 25 % vorliegt? Diese Erwägungen führen dazu, festzustellen, daß die vorgeschlagene Formulierung nicht das Ausmaß der vorgesehenen Rechtsverordnung ausfüllt. Es ist aber notwendig, daß in einer solchen Ermächtigung zu einer Rechtsverordnung das genaue Ausmaß festgelegt wird. Das ergibt sich aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Da durch den Antrag der CDU/CSU dieses Ausmaß nicht umrissen wird, ist der Antrag an sich grundgesetzwidrig.
Es kommt noch hinzu, daß dieser Antrag wirtschaftlich in der vorgesehenen Form nicht berechtigt ist. Der Antrag will doch offenbar solche sogenannten Familiengesellschaften, deren Aktien an der Börse gehandelt werden, befreien. Ist das der Sinn und ist dieser Grund stichhaltig? Die Ausnahme, die bisher gemacht worden ist, die Ausnahme der völligen Befreiung der echten Familiengesellschaften, deren Papiere keinen Kurswert haben, die nicht im Handel sind, liegt doch darin, daß in derartigen Fällen diese Papiere keinen Wertpapiercharakter tragen. Sie sind nur beschränkt umsatzfähig, beschränkt beleihungsfähig und nur beschränkt bewertungsfähig. Man kann aus ihnen deshalb nicht zu einem bestimmten Kurs Geld machen. Das ist der Grund der Ausnahme des zweiten Halbsatzes. Das ist auch der innere Grund dafür, daß eine Familiengesellschaft befreit werden soll. Der Grund ist, daß im Rahmen einer Familiengesellschaft noch ein unmittelbares, echtes Herrschaftsverhältnis des Aktionärs und nicht nur ein Verhältnis besteht, wie es ein Wertpapierbesitzer zu seinen Wertpapieren hat. Unter diesen Umständen ist die Ausdehnung der Befreiungsmöglichkeiten auf solche Gesellschaften, die keinen echten Familiencharakter mehr haben, deren Aktienbesitz Wertpapiercharakter hat, auch innerlich nicht begründet.
Wir sehen uns deshalb — das erkläre ich namens meiner Fraktion — zu unserem Bedauern nicht in der Lage, diesem Antrag der CDU/CSU-Fraktion die Zustimmung zu geben.