Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion ziehe ich den Änderungsantrag Umdruck Nr. 519 Ziffer 1 zurück.
Wenn ich hier noch das Wort ergreife, so deshalb, um zu dem Antrag, den Herr Kollege Kuhlemann eben begründet hat, die ursprüngliche Fassung wiederherzustellen, einige Ausführungen zu machen. Herr Kollege Kuhlemann hat zwar seinen Antrag nur kurz begründet, aber im Blätterwald hat es ganz beachtlich gerauscht; in den meisten Spalten allerdings ohne Kenntnis der tatsächlichen Beschlüsse, denn sonst wären zahlreiche Argumente, die dort verwendet worden sind, nicht vorgetragen worden. Die Fassung, wie wir sie in der zweiten Lesung beschlossen haben, sieht vor, daß alle diejenigen Aktien, die zum amtlichen Verkehr an der Börse — und jetzt kommt ein ganz entscheidendes, wichtiges Wort — bis zum 31. Dezember 1948 zugelassen waren oder bis zu .diesem Datum im Freiverkehr gehandelt worden sind, mit dem halben Wert heranzuziehen sind. Also nicht die Frage des Stichtags — des 31. Dezember 1948 — ist das Entscheidende, sondern
— wie das ja im Reichsbewertungsgesetz überhaupt maßgebend ist — ein Zeitraum, und zwar ein solcher von drei oder sechs Jahren, wie er sich aus dem Rahmen des Reichsbewertungsgesetzes ergibt.
-Diese Vorschrift des § 19 bedeutet ja nur — und das bitte ich doch immer dabei zu beachten — eine Ergänzung der Vorschriften des Reichsbewertungsgesetzes, die im übrigen in vollem Umfange in Kraft bleiben. Die Frage der Bewertung von Aktien ist in § 13 des Reichsbewertungsgesetzes geregelt. In § 10 ist für diejenigen Aktien, die keinen Kurswert haben, die Bewertung geregelt. Von diesen Vorschriften machen wir eine Ausnahme. Würden wir sie für Aktien mit Kurswert hier nicht statuieren, dann würden diese Aktien voll heranzuziehen sein. Aber es bleibt immer der gesamte Vorschriftenkomplex des Reichsbewertungsgesetzes maßgebend.
Damit sind auch die Einwendungen widerlegt, daß beispielsweise die IG.-Farben-Aktien oder die Girosammelstücke nicht herangezogen würden. Alle diese Dinge werden im Rahmen des Reichsbewertungsgesetzes bewertet und erfaßt, soweit wir hier nicht eine Ausnahmevorschrift statuieren. Also alle diese Argumente liegen tatsächlich neben der Sache.
Wenn ferner darauf hingewiesen wird, die Sache machte viel Kosten und es entstünde Verwaltungsleerlauf, so muß ich dazu sagen, meine Damen und Herren: Kein Wort von dieser Argumentation ist richtig. Für die Vermögensbesteuerung muß unter allen Umständen auch der Wertpapierbesitz in der Einheitsbewertung festgestellt werden. Diese Feststellungen der Bewertung werden für den Lastenausgleich übernommen. Es ist also nichts anderes ) notwendig, als die aus anderen steuerlichen Gründen sowieso erforderlichen Feststellungen auch für den Lastenausgleich zu verwenden. Es entsteht also weder ein Verwaltungsleerlauf noch entstehen die geringsten Kosten gerade durch diese Maßnahme. Wir haben ja keine Aktiensteuer, wie sie von einer Seite hier beantragt worden ist, beschlossen, sondern wir haben nur beschlossen, daß die Aktien im Reichsbewertungsgesetz nach einem besonderen Schlüssel bewertet werden sollen. Kleinaktionäre insbesondere genießen den Freibetrag. Wenn der § 93 a in der Fassung, die eben verteilt wurde, angenommen wird, dann bleibt für den Steuerpflichtigen selbst ein Freibetrag von 10 000 DM, so daß schon ein ganz erheblicher Freibetrag gerade für den Kleinaktionär übrigbleibt. Auch dieser Einwand ist daher unberechtigt.
Es wurde darauf hingewiesen, daß mit dieser Bestimmung der Aufbau des Kapitalmarktes gestört werden könne. Ich glaube, genau das Gegenteil ist der Fall. Der Aufbau des Kapitalmarkts wird dadurch gefördert, daß wir eine Gleichstellung sämtlicher Kapitalmarktsparer herbeiführen, daß wir es erreichen, daß nicht e i n Kapitalmarktsparen, nämlich das Aktiensparen, sehr gut in der Währungsreform wegkommt und ein anderes Kapitalmarktsparen, nämlich das Sparbuchsparen oder das Lebensversicherungssparen, praktisch seine Werte teilweise ganz verliert oder allerhöchstens 10 % übrigbehält. Gerade aus der gleichmäßigen Behandlung sämtlicher Kapitalmarkttitel wird sich ein Aufbau ergeben. Dann wird der Sparer sehen, daß er Vertrauen haben darf und haben kann und daß wir das Vertrauen honorieren. Ich bin deshalb der Ansicht, daß unser Beschluß zur Aktienerfassung nicht nur nicht den Kapitalmarkt schädigt, sondern ihn im Gegenteil ganz außerordentlich stärkt. Es sind relativ wenige Aktienbesitzer; aber es sind 35 Millionen Sparer, die darauf warten, daß wir ihnen ihre Hoffnungen nicht enttäuschen. Gerade deshalb ist also auch dieses Argument nicht zutreffend.
Wenn man mit großen Worten darauf hinweist, das sei der Weg zum Staatssozialismus, kann ich nur sagen: Wer das behauptet hat, hat sich die Dinge offenbar nicht überlegt. Wir sind doch nicht bereit, die Aktien jetzt zum Staatsbesitz zu erklären oder in Staatsbesitz zu überführen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Belastung der einzelnen Aktien soll dazu dienen, anderen Kapitalmarktsparern, anderen Geschädigten die Lasten, die ihnen durch die Währungsreform, durch den Krieg und die Kriegsfolgen auferlegt wurden, erleichtern zu helfen. Es wird ein Akt echter Solidarität herbeigeführt, und zwar ein Akt echter Solidarität zwischen verschiedenen Titeln, also das Gegenteil von Staatssozialismus. Deshalb können wir uns auch nicht durch dieses fadenscheinige Argument schrekken lassen.
Dann wird darauf hingewiesen, daß einzelne Abgeordnete diesem Beschluß zugestimmt hätten, da sie eine Flucht vor der Verantwortung ergriffen hätten und vor der demagogischen Kampagne der nächsten Wahl Angst hätten. Es dreht sich aber nicht um Angst vor einer Wahl, sondern es dreht sich hier darum, einer höheren Gerechtigkeit im Rahmen der Gesamtregelung der Währungsreform und des Lastenausgleiches Rechnung zu tragen. Wenn man dieser höheren Gerechtigkeit Rechnung trägt, dann ist nichts falscher als ein solcher Vorwurf, wie er uns gemacht worden ist.
Wenn wir darauf hingewiesen haben, daß der Antrag der SPD, die Aktien hundertprozentig heranzuziehen, nicht richtig sei, sondern daß richtig I sei, sie nur zu 50 °/o heranzuziehen, so liegt das eben daran, daß wir für die Bewertung der Aktien gewisse Sonderumstände berücksichtigen wollen. Bei den Beratungen des Bundesrats ist insbesondere darauf hingewiesen worden, daß ein Teil der Aktien in einem Familienbesitz geblieben sein könnte und daß deshalb nur die halbe Bewertung angebracht sei. Außerdem ist wichtig, daß diese Währungsabgabe vom Aktienbesitz eine Angleichung an die für den andern Kapitalmarkt und die übrigen Geschädigten vorgesehene Aufwertung herbeiführen soll. Wir können also nicht die hundertprozentige Belastung, sondern nur einen Mittelweg wählen, wenn wir gerecht sein wollen. Ob dieser Mittelsatz nun 50 oder 60 % sein müßte, ist eine Frage, die man rechnerisch nicht klären kann. Man muß eben eine Zahl greifen; deshalb ist dieser Vorschlag der Hälfte des Wertes vorgesehen worden. Ich glaube deshalb, daß der Beschluß der zweiten Lesung Bestand haben sollte, und ich bitte Sie, den Antrag des Herrn Kollegen Kuhlemann und seiner Freunde abzulehnen.