Rede von
Willi
Richter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Ausführungen meines Freundes Baur nichts hinzuzusetzen, und ich hätte mich nicht zum Wort gemeldet, wenn Herr Kollege Dr. Wellhausen nicht Behauptungen aufgestellt hätte, die, wenn ich ihn richtig verstanden habe, in keiner Beziehung den Tatsachen entsprechen. Wenn ich richtig gehört habe, hat Herr Dr. Wellhausen gesagt, daß die Gewerkschaften seit 1945, also seit sieben Jahren, Mittel dazu verwandt hätten, die Wiedereinführung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung zu verhindern.
Sie sagen, das sei die Wahrheit.
— Die Wahlen zur Durchführung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung zu verhindern! Das ist praktisch dasselbe wie die Wiedereinführung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung. Ich darf Sie vielleicht daran erinnern, daß der Gewerkschaftsrat, der Vorläufer des Deutschen Gewerkschaftsbundes, bereits beim Wirtschaftsrat und bei der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes in Frankfurt — und dem ersteren gehörten Sie genau so an, Herr Kollege Dr. Wellhausen, wie auch ich — verlangt hat, daß ein Gesetz zur Einführung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung beschlossen wird. Ich darf Sie daran erinnern, daß es die SPD-Fraktion des Wirtschaftsrates war, die, nachdem von seiten der Verwaltung für Arbeit dem Wirtschaftsrat kein Gesetzentwurf eingereicht wurde, einen Initiativgesetzentwurf eingebracht hat. Ich darf Sie weiter daran erinnern, daß die Behandlung dieses Gesetzentwurfs von Ihrer Seite aus verzögert wurde,
von Ihrer Seite, von der Seite der damals tragenden Regierungskoalition, zu der ja auch die FDP
gehört hat, verhindert wurde, bis dem Wirtschaftsrat ein Regierungsentwurf unterbreitet wurde. Das
gleiche haben Sie, Herr Kollege Dr. Wellhausen,
hier in diesem Hause getan, als die SPD-Fraktion
des Bundestages zu dieser Frage wiederum einen
Gesetzentwurf zur Wiederherstellung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung einbrachte.
Sie haben an diesem Platz persönlich erklärt, daß
Sie die Behandlung dieses Gesetzentwurfs, der
damals dem Ausschuß für Sozialpolitik überwiesen werden sollte, zurückgestellt sehen möchten — genau wie im Wirtschaftsrat — bis der Regierungsentwurf in erster Lesung diesem Haus unterbreitet worden wäre. Das ist einige Monate später
— ich weiß nicht mehr genau, wie lange — auch erfolgt. Erste dann war der Sozialpolitische Ausschuß des Bundestags berechtigt, auf Grund Ihres persönlichen Antrages diese Materie überhaupt zu behandeln. Die Behandlung ist in vielen Sitzungen sehr tiefgründig und eingehend erfolgt. Warum? Weil nämlich die Vertreter der Bundesregierung von ihrem eigenen Gesetzentwurf in diesem Ausschuß in jeder Beziehung abgewichen sind. Wenn Sie sich den Wortlaut der Drucksache, die die Bundesregierung damals eingebracht hat, ansehen und mit dem vergleichen, was dann vom Ausschuß für Sozialpolitik beschlossen wurde, finden Sie aber auch in keiner Beziehung noch eine Übereinstimmung. Sie finden vielmehr in den Ausschußbeschlüssen etwas grundsätzlich Neues, das von den Vertretern der Bundesregierung in Verbindung mit den Vertretern der Regierungskoalition eingebracht wurde. Herr Kollege Arndgen wird mir das bestätigen; er hat diesen Sitzungen ja beigewohnt.
— Gut, dann gehen wir auch noch auf das Jetzt ein, Herr Dr. Atzenroth. Das Gesetz ist vorn Bundestag am 22. Februar 1951 beschlossen worden. Bis jetzt konnte die Bundesregierung die Wahlordnung zu diesem Gesetz noch nicht erlassen.
— Der Bundesrat ist zum Erlaß der Wahlordnung nicht berechtigt, Herr Kollege Arndgen, das sollten Sie wissen. In dem Gesetz heißt es ausdrücklich, daß die Bundesregierung bzw. der Bundesarbeitsminister die Wahlordnung erläßt. Die Bundesregierung konnte sie nicht erlassen, weil der Bundesrat erhebliche Bedenken gegen das Gesetz hatte, das mit Ihren Stimmen beschlossen wurde, das von Ihnen diese Fassung erhalten hat und nicht von der Opposition und von den Gewerkschaften nicht nach dieser Richtung hin beeinflußt wurde. Sie selbst haben ja Lücken in dem von Ihnen beschlossenen Gesetz festgestellt und haben vor ungefähr einem guten halben Jahr einen Initiativgesetzentwurf zur Änderung des im Februar 1951 beschlossenen Gesetzes, das sich bis jetzt noch nicht praktisch ausgewirkt hat, eingebracht. Dieser Gesetzentwurf ist nun endlich beraten.
— Jawohl, zum Lastenausgleich gehört diese Materie nicht, aber zu den Vorwürfen von Herrn Dr. Wellhausen gegen die Gewerkschaften,
die systematisch und bewußt dauernd erhoben werden. Wenn sich eines Tages die dadurch entstehenden sozialen Spannungen entladen, dann stellt man sich als den Unschuldsengel hin.