Rede von
Rudolf
Kohl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
— Meine Damen und Herren, das alles ändert nichts an der Tatsache, daß Sie diese Zwischenrufe gemacht haben und daß Sie gar nicht gewillt sind, das Problem der Freilassung der Gewerkschaften sehr ernst und gründlich zu diskutieren. Verkennen Sie bitte nicht, daß in den Gewerkschaften die arbeitenden Menschen verankert sind, aber keine Kapitalisten.
Deshalb ist der Zwischenruf, der vorhin gekommen ist, nämlich „Kapitalisten" — die Gewerkschaften sollen also eine kapitalistische Vereinigung darstellen —, Herr Dr. Becker, schon mehr als deplaciert.
Ich glaube, daß in der Verwendung der Gewerkschaftsgelder und in der Verwendung der Gelder der Kreise, die Sie vertreten, ein Unterschied besteht. Ich glaube, daß Sie diesen Unterschied bei der Behandlung dieser Frage sehr eindeutig in den Vordergrund stellen sollten.
Ich gestatte mir, darauf hinzuweisen, daß 1933 die Gewerkschaften mit als die ersten von den Nazis restlos enteignet worden sind, und Sie waren zum großen Teil — wenigstens ein Teil von Ihnen — mit dieser Enteignung einverstanden.
Ihr Einverständnis mit der damaligen Enteignung unterstreichen Sie heute durch Ihre Haltung erneut!
Meine Damen und Herren, die Gewerkschaften haben nicht wie Ihre Kreise die Möglichkeit, während der Wahlen oder zur Durchsetzung bestimmter wirtschaftlicher und politischer Ziele die Kassen der Industriellen und der Betriebe in Anspruch zu nehmen. Denken Sie an die Rundschreiben, die während der Wahlen herausgekommen sind! Denken Sie an die Rundschreiben, die während des bayerischen Wahlkampfs herausgekommen sind, in dem man sich sogar nicht gescheut hat, amtliche Personen zum Kassieren bestimmter Wahlgelder aus der Industrie für bestimmte Parteien einzusetzen.
Und noch ein anderes. Ich darf Sie darauf hinweisen, daß Sie hinsichtlich der Befreiung der Aktienbesitzer von der Heranziehung zur Abgabe für den Lastenausgleich die Frage der sogenannten Doppelbesteuerung gestellt haben. Es war Ihr stärkstes Argument, das Sie dagegen vorbringen konnten; aber ich bitte Sie aus rein logischen und sachlichen Erwägungen, dieselbe Fragestellung auch hier bei der Frage der Gewerkschaften anzuwenden. Sie besteuern die Beiträge der Mitglieder.
— Nichts anderes! Sie besteuern die Beiträge der Mitglieder, die bereits durch die Einkommensteuer und den Betrieb der Steuer unterworfen sind. Also
auch hier eine Doppelbesteuerung, wenn Sie diesem Antrag nicht zustimmen.
Meine Damen und Herren, Sie gehen weiter als das Soforthilfegesetz. Das Soforthilfegesetz ließ die Gewerkschaften aus der Abgabe für diese Zwecke heraus. Sie verlangen heute, daß die Gewerkschaften als die Geschädigten des letzten Krieges und der Naziherrschaft erneut und in sehr starkem Maße mit ihrem Vermögen herangezogen werden. Es ist doch wirklich, ich möchte einmal sagen, etwas eigenartig, wenn man sieht, wie krampfhaft Sie versuchen, nun alle Ecken auszukratzen, um Geld für den Lastenausgleich hereinzubekommen, aber dort, wo das Geld wirklich sitzt, nicht heranzugehen wagen. Dort versuchen Sie eine Freilassung unter allen Umständen zu erreichen.
Sie haben vorhin in einem Zwischenruf darauf hingewiesen, daß das Gewerkschaftsvermögen, nun, sagen wir: zur Finanzierung eines Generalstreiks verwendet wird. Sie haben auf die letzte Erklärung verwiesen, die der Deutsche Gewerkschaftsbund in der Frage des Mitbestimmungsrechts herausgegeben hat. Meine Damen und Herren, wenn Sie diesem Antrag nicht zustimmen, erreichen Sie einmal, daß Sie zur Schonung des Besitzes die Mittel und das Vermögen der Gewerkschaften für Ihren Lastenausgleich heranziehen, und Sie erreichen weiter, daß Sie dem gewerkschaftlich organisierten Menschen draußen begreiflich machen, daß Sie zwar nicht bereit sind, ihm ein Recht der Mitbestimmung zuzugestehen, es aber wagen, die Gewerkschaftsgelder für Ihre Zwecke, für Zwecke des Lastenausgleichs in Anspruch zu nehmen. Wir sind der festen Überzeugung, daß die Gewerkschaftsmitglieder sich gegen diese Methode der Mehrheit dieses Bundestages mit aller Kraft zur Wehr setzen werden.
Ich glaube Ihnen versichern zu können, meine Damen und Herren, daß Sie in den nächsten Wochen, wenn Sie Ihr schändliches Betriebsverfassungsgesetz hier beraten werden,
noch einige Überraschungen erleben werden.