Meine Damen und Herren! Gerade die Frage der Änderung des § 391 ist ja eine Frage, über deren sachlichen Inhalt schon seit Jahren verhandelt wird. Aber ich glaube, die Situation ist jetzt so weit gediehen, daß man eine positive Lösung sehen kann. Ich darf vielleicht noch zur Begründung des Antrags, den wir vorgelegt haben, einige ergänzende Worte sagen.
— Das können Sie ja nicht wissen!
In dem Antrag sind einige bekannte Begriffe enthalten, nämlich einmal der Begriff der Aufwertung — also die Bezugnahme auf das quotale Prinzip —, und zum zweiten die Bezugnahme auf den bekannten Begriff der Altsparanlagen, ohne daß sie im einzelnen näher umrissen werden. Von Bedeutung ist vor allem die Tatsache, daß der Lastenausgleichsfonds die Mittel für die Aufwertung bereitstellen soll. Diesen Punkt unseres Antrags haben wir nach Rücksprache mit verschiedenen Herren des Hauses geändert. Es soll im letzten Satz nicht mehr heißen: „Die Mittel dafür stellt der Lastenausgleichsfonds bereit", sondern: „Mittel dafür stellt der Lastenausgleichsfonds bereit". Lediglich das Prinzip der Bereitstellung der Mittel für die Altspareraufwertung soll in diesem Gesetz verankert werden.
Dieses Prinzip kann anerkannt werden, nachdem durch den Antrag, den wir zur Aktienheranziehung eingebracht hab en, eine erhebliche Verbesserung des Aufkommens zu erwarten ist.
— Ich komme jetzt darauf, Herr Kollege Kunze! — Bei einem Steuerkurswert der Aktien zum 31. 12. 48 von rund 3,2 Milliarden DM — davon 1/2 und davon wieder 1/2 — ergibt sich bei einer sechsprozentigen Abgabe pro Jahr unter Berücksichtigung der Verschachtelungen bei Holdings und den entsprechenden Freibeträgen ein Betrag von 40 bis 50 Millionen DM im Jahr. Darüber hinaus sind in den bisherigen Beratungen des Lastenausgleichs erhebliche Beträge aus den Mitteln der Hypothekengewinnabgabe vorgesehen. Das ist nicht mehr als recht und billig, da der Staat ja für den Lastenausgleichsfonds über den normalen Satz der Belastung des Vermögens von 50 % hinaus weitere 40 % in Anspruch genommen hat, so daß auch hieraus eine entsprechende Rückvergütung an die Sparer geleistet werden kann.
Das Gesamtvolumen, das erforderlich ist, berechnet sich ungefähr wie folgt: Die gesamten Sparanlagen, die zur Aufwertung kommen sollen — ohne die Titel des Reiches, der Reichspost und
der Reichsbahn —, betragen rund 5 Milliarden DM. Diese Beträge brauchen nur mit geringen Sätzen amortisiert zu werden. Eine dreiprozentige Verzinsung dürfte auf die Dauer für derartige Sparanlagen ausreichend sein. Es würde sich also ein Gesamtfinanzierungsbedarf von 175 bis 200 Millionen DM im Jahr ergeben, um eine derartige Aufwertung durchzuführen. Diese Beträge sind aber im Rahmen des Lastenausgleichs ohne Schwierigkeiten verfügbar und sind — das ist unsere feste Überzeugung — unbedingt notwendig, um eine Gerechtigkeit gegenüber den Sparern herbeizuführen.
Den Sparern ist bisher ein besonderes Unrecht zugefügt worden. Wenn eine Einzelperson am Währungsstichtag 1000 Reichsmark Sparguthaben auf ihrem Konto hatte, so ist der nach Abzug der Kopfquote — 540 Reichsmark — und nach der Festkontenstreichung übrigbleibende Betrag noch 29,90 DM. 1000 Mark war der durchschnittliche Sparkontenbestand zum Währungsstichtag. Eine Familie hat unter Anrechnung dieses Betrags überhaupt nichts erhalten. Wir haben also gerade bei den Sparern im Unterschied zur Umstellung der sonstigen Reichsmarkverpflichtungen eine ungewöhnlich schlechte Behandlung in der Währungsreform mit .dem Erfolg, daß von 35 Millionen Konten 19 Millionen überhaupt gestrichen worden sind. Gerade bei den Sparern handelt es sich aber in der Mehrzahl der Fälle um die verschämten Armen, die verschämten Alten, die nicht organisiert sind und die nicht laut zetern und laut schreien, deren Geschrei deshalb auch häufig nicht so zum Ohr des Bundestagsabgeordneten gelangt wie der laute Protest von gut organisierten Geschädigtenverbänden.
Bei den Sparern sind darüber hinaus die Festkontenbeträge nachträglich gestrichen worden. Als man im Zuge des Preisauftriebs nach der Währungsreform die übermäßige Konsumgeldeinschleusung in die breite Käuferschicht reparieren wollte, hat man die schon sowieso so schlecht weggekommenen Sparer noch dadurch bestraft, daß man ihnen das Festkontengeld strich. Eine Gleichziehung auf 10 % wäre also gar keine Aufwertung, sondern wäre nichts anderes als eine Wiedergutmachung des speziellen Währungsunrechts, das den Sparern durch die alliierten Währungsgesetze angetan worden ist, was eben zur Folge gehabt hat, daß die Sparer zum ganz großen Teil keine Umwertung 1 zu 10, sondern 1 zu 0 erfahren haben.
Es kommt hinzu, daß ja gerade die Sparanlagen zum überwiegenden Teil durch Sachwertpfänder gesichert waren, und diese Inanspruchnahme der Sachwertpfänder, der Hypotheken durch den Lastenausgleichsfonds zeigt eine ganz verhängnisvolle Verwechslung von Kapital und Geld, eine Verwechslung, die überhaupt nur diese besonders schlechte und besonders verheerende Währungsgesetzgebung hat zur Folge haben können. Die Mittel zur Wiederherstellung des Kapitalmarkts, die jetzt allenthalben erörtert worden sind und von denen wir in der Presse gelesen haben — teilweise auch schon durchgeführt; ich erinnere an die verfehlte Investitionshilfe —, die Zinserhöhung, die Steuerermäßigungen und Steuerprämien, können die nötige Kapitalbildung nicht hervorrufen, wenn wir nicht das besondere Unrecht wiedergutmachen, das gerade den Sparern zugefügt worden ist. Hier liegt eine soziale Verpflichtung der Gemeinschaft vor.
Der Sparer will nicht nur Früchte seines Kapitals haben, Früchte seiner Ersparnisse, er will insbesondere die Ersparnisse selbst gesichert haben. Diese Ersparnisse müssen rechtlich gesichert werden. Die moderne Geldwirtschaft hat den Staaten, allen Staaten, ohne weiteres die technische Möglichkeit zum Sparerbetrug durch Geldwertverschlechterung gegeben. Er ist häufig geübt worden. Aber ich glaube, daß dieser Sparerbetrug noch niemals so rücksichtslos durchgeführt worden ist wie gerade durch die Währungsgesetzgebung von 1948. Diese Gesetzgebung ist gegen den Willen der deutschen Ratgeber gemacht worden, und wir sind jetzt verpflichtet, die Ratschläge der deutschen Ratgeber zur Währungsgesetzgebung zu befolgen und entsprechend durchzuführen. Die Währungsgesetze selbst können nicht mehr geändert werden. Sie haben eine neue Wirklichkeit geschaffen, die nicht durch Teil- oder Nachwährungsreform geändert werden kann. Würden wir die Währungsgesetze ändern, dann würden wir damit den Sparern mit der einen Haiid nehmen, was wir ihnen mit der anderen Hand geben würden. Es ist deshalb unbedingt erforderlich, daß diese Hoffnungen der Sparer, die ihnen von der Bundesregierung, vom Minister Schäffer in zahlreichen Erklärungen gemacht worden sind, im Rahmen des einzigen Gesetzgebungswerks, das dafür überhaupt in Frage kommt, nämlich im Rahmen der Lastenausgleichsgesetzgebung, realisiert werden. Wir können herausnehmen die Anleihen des Reiches, der Reichsbahn und der Reichspost. Diese Anleihen können von den entsprechenden Schuldnern im Interesse ihres Kredits selbst umgestellt werden.
Unerträglich wäre es aber, wenn dieses Gesetz das Währungsunrecht an den Sparern nicht wenigstens zu einem festen Zeitpunkt zu beseitigen verspräche. Die Verhandlungen, die bisher zwischen den Antragstellern und den Koalitionsparteien geführt worden sind, lassen erhoffen, daß auch die Koalitionsparteien von der Negativklausel, wie sie in dem Gesetzentwurf bisher enthalten ist, in der dritten Lesung abrücken werden. Verschiedene Mitglieder der Koalitionsparteien haben zugesagt, sich dafür einsetzen zu wollen. Wir hoffen, daß diese Möglichkeit gegeben wird, auch wenn zur zweiten Lesung seitens der Koalitionsparteien darauf hingewiesen wird, daß sie nicht in der Lage seien, diesem Antrage zuzustimmen, und zwar nur deshalb nicht, weil sie sich gegenseitig gebunden hätten, entsprechende Änderungsanträge nicht zu akzeptieren. Sie haben aber erklärt, daß sie zur dritten Lesung entsprechende Änderungsanträge annehmen würden. Wir hoffen deshalb, damit rechnen zu können,
daß zumindest zur dritten Lesung unser Antrag angenommen wird. Wir würden uns deshalb nicht wundern, wenn unser Antrag seitens der Koalitionsparteien in dieser Lesung mit Enthaltung beantwortet würde, damit in der dritten Lesung eine Zustimmung erfolgen kann. Eine Ablehnung unseres Antrags in der zweiten Lesung durch die gleichen Abgeordneten, die sich vorgenommen haben, ihm in der dritten Lesung zuzustimmen, wäre allerdings ungewöhnlich; es scheint mir daher richtig zu sein, daß sie mit einer Enthaltung in der zweiten Lesung
die Zustimmung in der dritten Lesung vorbereiten.