Rede von
Paul
Lücke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will heute nicht im einzelnen auf das Problem der Wohnungsbaufinanzierung eingehen, halte es aber als Vorsitzender des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen für meine Pflicht, dem Hohen Hause den ganzen Ernst der Finanzierungsschwierigkeiten, die in diesem Jahre im Wohnungsbau bestehen, bei der Beratung dieses Paragraphen vor Augen zu führen.
Meine Damen und Herren, es fehlen in diesem Jahre nach sehr vorsichtigen Berechnungen 400 Millionen nachstellige Mittel für den Wohnungsbau; Kollege Meyer schätzt sie auf 700 Millionen. Diese Mittel fehlen jetzt im Augenblick, d. h. bei Beginn der Bausaison, sie fehlen vor allem für die Flüchtlingsumsiedlung, sie fehlen sowohl für den allgemeinen Wohnungsbau als auch für den Wiederaufbau. Das Problem ist durch den Wegfall der
ECA-Gelder, durch die seit Korea eingetretenen Preissteigerungen erschwert worden. Nunmehr erschwert die bei § 350 angeschnittene Frage der Reduzierung der Soforthilfemittel und Umstellungsgrundschulden auf 300 Millionen DM jährlich dieses Problem noch mehr. Es ist nicht daran gedacht — vor allem nicht von uns daran gedacht —, diese Gelder unbedingt aus dem Lastenausgleich zu erhalten; nur müssen wir hier entscheiden, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß der Wohnungsbau im Bundesgebiet auch heute noch Sozialproblem Nr. 1 ist, von einer Bedeutung, die nur der richtig beurteilen kann, der sich gelegentlich der Mühe unterzieht, in die Bunker der zerstörten Stadt Köln oder in die Vertriebenenlager zu gehen, um dort zu erleben, wie noch Millionen deutscher Menschen hausen müssen.
Der Wohnungsbau ist Problem Nr. 1, d. h. die Finanzierung von jährlich 300 000 Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus muß — ich betone: muß — gesichert werden. Der Wohnungsbau verträgt seinem ganzen Wesen nach keine Experimente, vor allem keine Experimente in finanztechnischer Hinsicht, und er ist nicht haushaltsjahrmäßig abzugrenzen. Wenn wir jetzt die nachstellige Finanzierung durch 400 Millionen DM nichtöffentlicher Gelder nicht bekommen, bedeutet das, daß die Baugenehmigung für 70 000 bis 80 000 Wohnungen nicht erteilt werden kann.
Das bedeutet, daß mit dem Bau dieser Wohnungen, vorausgesetzt, daß erststellige Gelder vorhanden wären — und sie sind zum Teil heute vorhanden —, nicht begonnen werden kann, weil die Gesamtfinanzierung nicht gesichert ist.
Meine Damen und Herren, ich sagte, der Wohnungsbau verträgt keine Experimente. Ich meine damit, dab wir es uns nicht leisten können, dürfen und wollen, daß das Volumen des Wohnungsbaus absinkt. Ich habe als Ausschußvorsitzender diesbezügliche Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers persönlich erhalten. Wir haben auch bei Beginn dieser Beratungen eine Regierungserklärung gehört. Diese muß nach unserer Auffassung konkretisiert werden. Es genügt seitens der Regierung nicht die Feststellung, daß man allgemein bereit ist, alles zu tun, um den Wohnungsbau zu fördern und das Volumen zu halten; vielmehr müssen wir wissen, wann und unter welchen Umständen wir das Geld bekommen.
Ich sagte, das Geld fehlt jetzt. Es fehlt in diesem Augenblick. Es kann mit dem Bau nicht begonnen werden. Wenn Vorfinanzierung gelingen sollte oder wenn andere Wege gefunden werden sollten, so nützt es uns nichts, mit dem Geld erst im Winter den Bau beginnen zu können. Das Geld wird jetzt zu Beginn der Bausaison benötigt.
Ein Teil meiner Freunde der FDP-Fraktion und der CDU- und CSU-Fraktion haben darum einen Antrag erarbeitet, der vorsah, die Mittel der Wohnraumhilfe — § 350 — von 300 Millionen DM auf 500 Millionen DM zu erhöhen. Der SPD-Antrag, den Kollege Meyer vorgetragen hat, sieht eine Erhöhung dieser Mittel um 300 Millionen DM vor. Meine Damen und Herren, der Antrag trägt 80 Unterschriften. Er ist auch gedruckt, aber bis jetzt nicht verteilt worden.
Er ist deshalb bis jetzt nicht verteilt worden, weil
die ganzen Tage hindurch außergewöhnlich ernste
Verhandlungen von allen am Wohnungsbau interessierten Gremien, Kabinett und Fraktionen geführt worden sind. Es verdient wirklich hier einmal gesagt zu werden, mit welchem Ernst das ganze Haus, der zuständige Ausschuß und die Fraktionen — auch die Opposition —, die Regierung und die Länderminister sich um dieses Problem bemüht haben, vor allem aber die Kollegen, die besonders am Wohnungsbau interessiert sind. Der Antrag liegt gedruckt vor. Wir haben ihn nicht verteilt. Die Begründung will ich Ihnen geben.
Vorweg noch eines, meine Damen und Herren. Es wird hier so oft gesagt, wir dürften keine Meinung zum Lastenausgleich äußern. Ich möchte, da ich die Anträge, vor allem auch diesen, gestellt und unterzeichnet habe, den Vorwurf, etwa als Rebell zu erscheinen, von vornherein beseitigen. Wir haben diesen Antrag erst dann gestellt, als alle anderen Bemühungen und Verhandlungen nicht den gewünschten Erfolg erzielten. Nun sind inzwischen sehr ernste neue Verhandlungen mit den beteiligten Damen und Herren des Lastenausgleichs, mit den Fraktionen und der Regierung geführt worden, um bis zur dritten Lesung einen Ausweg zu finden. Meine Damen und Herren, ich betone noch einmal: es geht uns nicht um eine Reduzierung der Hausratshilfe oder der Eingliederungshilfe zugunsten des Wohnungsbaus, sondern es geht uns von der Wohnungsbauseite darum, das Volumen zu halten.
Darum haben wir, da diese Verhandlungen sehr ernster Natur laufen und Aussicht auf Erfolg haben — Verhandlungen, entweder aus Bundeshaushaltsmitteln oder im Wege der Vorfinanzierung die Gelder zu bekommen —, diesen unseren Antrag zur zweiten Lesung zurückgezogen; — das heißt, wir haben ihn erst gar nicht eingebracht —, um diese Verhandlungen nicht zu stören. Die Verhandlungen müssen jetzt mit sehr viel Mühe und sehr viel Ruhe weitergeführt werden, damit das Ergebnis ein positives wird. Der Lastenausgleich darf nicht gefährdet werden; aber der Wohnungsbau darf ebenfalls nicht gefährdet werden.
Beide Fragen müssen wir lösen; und darum, meine sehr verehrten Damen und Herren, stellen wir den Antrag zu § 350 zur zweiten Lesung nicht. Wir behalten uns vor, wenn die Verhandlungen nicht
zum Erfolg führen, diesen Antrag — wenn es auch eine sehr schwere Debatte werden wird, und ich hoffe dann, daß es ein Koalitionsantrag wird! — zur dritten Lesung Pneu zu stellen.
Weil wir das vorhaben, sind wir in dieser Situation im Augenblick gezwungen, den Antrag der Opposition, der Sozialdemokratie, abzulehnen.
Ich darf auch meine Freunde, die die 80 Unterschriften unter diesem Antrag geleistet haben, bitten, heute, bei der zweiten Lesung, der Ausschußfassung zuzustimmen. Wir werden dann — ich hoffe das zuversichtlich — bis nächste Woche ein Ergebnis von der Regierung haben, das nachweist, daß wir jetzt — ich betone: jetzt— dieses Geld, diese fehlenden 200 Millionen DM, zur Verfügung haben werden. Ich hoffe, daß die Verhandlungen ein positives Ergebnis haben und daß wir nicht gezwungen werden, diesen Antrag zur dritten Lesung zu stellen.
Ich darf zum Schluß zum Ausdruck bringen, daß wir in diesem Hohen Hause in Fragen des Wohnungsbau einig bleiben sollten in dem Ziel, das
Volumen des Wohnungsbaus zu halten. Damit die Menschen, die jetzt noch, sieben Jahre nach Beendigung des Krieges keine Wohnung haben, baldmöglichst in den Genuß einer gesunden Wohnung kommen.
Ich bitte Sie deshalb, meinem Vorschlage zu folgen. Ich hoffe, daß wir bis zur dritten Lesung des Lastenausgleichsgesetzes die Zusicherung bekommen, daß 200 Millionen DM im Wege der Vorfinanzierung oder aus anderen Geldquellen zur Verfügung gestellt werden, damit wir nicht gezwungen sind, innerhalb des Lastenausgleichs eine Umschichtung vorzunehmen.
Ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie meinem Vorschlage folgen könnten.