Rede von
Dr.
Helmut
Bertram
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Kollege Dr. Reismann hat es beklagt, daß die Ministerbank bei der Beratung dieses wichtigen Gesetzes dauernd leer ist. Ich glaube, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, Sie beklagen das mit uns. Auch Sie werden genau wie wir wünschen, daß die Zusammenarbeit zwischen der Regierung einerseits und dem Parlament andererseits enger sein möge. In diesem Sinne, glaube ich, wäre es tatsächlich wünschenswert, wenn insbesondere der Herr Finanzminister unseren Beratungen häufiger folgen könnte.
Zahlreiche unserer Beschlüsse berühren gerade sein Ressort so eingehend — z. B. auch die Debatte heute morgen zu § 315 —, daß es wohl notwendig wäre, daß der Finanzminister aus zwingenden sachlichen Gründen diesen Beratungen hier folgt und nicht an irgendwelchen Ausschußsitzungen teilnimmt. Sind wir denn schon so weit, daß die Ausschüsse in den Ministerien wichtiger sind als die Beratungen hier im Hohen Hause?! Meine Damen und Herren, das ist doch wohl letzten Endes eine Frage der Selbstachtung auch dieses Parlaments. Ich glaube, wenn man die Frage einmal unter diesem Gesichtspunkt bedenkt, wird man der Forderung meines Fraktionskollegen zustimmen müssen.
Es kommt ferner hinzu: Wenn die Minister hier nicht erscheinen, so doch deshalb, weil das tat-
sächliche politische Gewicht im Laufe der letzten Jahre immer mehr von der Legislative zur Exekutive hinübergewandert ist. Die leere Ministerbank zeigt nur drastisch und deutlich, wie das tatsächliche politische Gewicht ist. In diesem Sinne müssen wir wünschen, daß die Minister, die doch auch Abgeordnete sind, aus der Erkenntnis der parlamentarischen Regierungsform heraus an unseren Beratungen teilnehmen, aktiv eingreifen und sich von den Beratungen hier auch beeinflussen lassen.
Wir stellen zum großen Bedauern fest, daß die Leere der Ministerbank ja auch einer weitgehenden Leere hier im Hause entspricht. Es ist auch im Hause so, daß während der Sitzungen — —
— Von einer geistigen Leere habe ich bei mir persönlich nichts merken können, Herr Albers. Wenn Sie mir diesen Zwischenruf machen, dann denken Sie sicher an sich selber! — Es dreht sich hier doch um die Frage, ob es richtig ist, daß während der Beratung über das Lastenausgleichsgesetz die wichtigsten Ausschüsse dieses Hauses parallele Sitzungen abhalten. Heute morgen und gestern hat gleichzeitig getagt der Finanzausschuß — während des Plenums! —, hat gleichzeitig getagt der Außenpolitische Ausschuß — während des Plenums! —, hat gleichzeitig getagt der Außenhandelsausschuß — während des Plenums! Meine Damen und Herren, ist es auch von seiten des Bundestags aus überhaupt erträglich, daß diese Ausschüsse neben dem Plenum tagen und dadurch das Gewicht der Beratungen hier entwertet wird?
Das sind Dinge, die im Interesse der Achtung dieses Parlaments doch sehr wohl erwogen werden sollten.
— Herr Kollege Atzenroth, es handelt sich hier nicht nur um die Reden, es handelt sich hier tatsächlich um das politische Schwergewicht. Treffen Sie die Entscheidung oder soll sie in irgendwelchen verborgenen Gremien unter Ausschluß der Öffentlichkeit getroffen werden?
Das ist hier die Frage und nichts anderes.
Gestatten Sie mir bitte, daß ich über diese grundsätzliche Frage noch einige Worte sage. Wenn Herr Kollege Kunze darauf hinwies, daß wir eine gute Zusammenarbeit gehabt hätten, so will ich das durchaus zugeben. Ich habe mit Herrn Kollegen Kunze insbesondere über die Frage der Altspareraufwertung eine weitgehende Verständigung — wie ich hoffen darf — herbeiführen können. Aber das ändert doch nichts daran, daß allein durch die räumliche Anlage dieses Hauses ein echtes Gespräch kaum zustande kommt. Wenn wir von hinten sprechen wollen, dann sieht man dem Vordermann in den Nacken und sieht gar nicht, was sein Mienenspiel sagt. Wir sind zu einer echten Aussprache bei diesem merkwürdigen Adolf-HitlerGedächtnissaal überhaupt nicht in der Lage!